Doch wo vor hunderten von Jahren Platz gewesen war, bedeutete die Ausrichtung der Laegsrichtung der Kirche gen Jerusalem eine 'Huldigung' zur 'Heiligen Stadt' bzw dem 'Heiligem Land'.
Dass mit den damaligen Mitteln die exakte geolocation Jerusalems nicht erfasst werden konnte, liegt auf der Hand. Drum 'gegen Osten' war wohl gut genug. Kompassrichtung Koeln-Jerusalem : 132.45° (SO), London-Jerusalem: 127.11° (SO)
לְשָׁנָה הַבָּאָה בִּירוּשָלָיִם

,
Noch mal: Die Kirchen wurden nicht gen Jerusalem ausgerichtet, sondern gen Osten, Jerusalem war das Zentrum der mittelalterlichen Welt, das Paradies lag im äußersten Osten. Ausdrücklich sagt Basilius, dass Kirchen nach dem Paradies ausgerichtet seien.
Origenes (der in Caesarea, also nördlich von Jerusalem, lebte) schreibt (
vom Gebet, Kapitel 31):
Um aber das Problem des Gebets zu erschöpfen, scheint es mir hiernach am Platz zu sein, zur weiteren Einführung über die Stimmung und die Haltung, die der Betende haben muß, zu handeln und über den Ort, wo man beten soll,
und über die Himmelsrichtung,
nach welcher man ohne alle Umstände blicken soll, und über die für das Gebet passende und ausgesuchte Zeit, und wenn es sonst etwas dem Ähnliches gibt. Was nun die „Stimmung“ betrifft, so muß man diese in die Seele hineinlegen, die „Haltung“ aber in den Körper. Dementsprechend deutet Paulus, wie oben
1 erwähnt, die „Stimmung“ an, wenn er sagt: man müsse „beten frei von Zorn und Bedenklichkeiten“, die „Haltung“ aber in den Worten: „heilige Hände aufhebend
2.“ Dies scheint er mir von den Psalmen entlehnt zu haben, wo es so heißt: „Das Aufheben meiner Hände ist Abendopfer
3.“ Von dem „Ort“ aber (sagt der Apostel): „Ich will nun, dass die Männer beten an jedem Ort
4.“
Über die „Himmelsrichtung“ heißt es in der Weisheit Salomos: „Damit es bekannt würde, dass man der Sonne zuvorkommen muß mit Danksagung gegen dich, und vor Aufgang des Sonnenlichts dir nahen müsse5.“
Isidor von Sevilla differenziert zwar nicht zwischen heidnischem Tempel und Kirche, da kommt zwischen Einsiedelei und Gemeinschaftsklaster, fanum (heidnisches Heiligtum) und Orakel auch die Gebetsrichtung und die Ausrichtung des Temepls vor:
Monasterium unius monachi habitatio est. MONOS enim apud Graecos solus, STERION statio; id est solitarii habitatio. Coenobium ex Graeco et Latino videtur esse conpositum. Est enim habitaculum plurimorum in commune viventium; KOINON enim Graece commune dicitur. Templi nomen generale; pro locis enim quibuscumque magnis antiqui templa dicebant: et templa dicta quasi tecta ampla. Sed et locus designatus ad orientem a contemplatione templum dicebatur. Cuius partes quattuor erant: antica ad ortum, postica ad occasum, sinistra ad septentrionem, dextra ad meridiem spectans. Vnde et quando templum construebant, orientem spectabant aequinoctialem, ita ut lineae ab ortu ad occidentem missae fierent partes caeli dextra sinistra aequales; ut qui consuleret atque precaretur rectum aspiceret orientem.
Thomas von Aquin schreibt:
AD TERTIUM DICENDUM quod secundum quandam decentiam adoramus versus orientem. Primo quidem, propter divinae maiestatis indicium quod nobis manifestatur in motu caeli, qui est ab Oriente. Secundo, propter Paradisum in Oriente constitutum, ut legitur Gen. II8, secundum litteram Septuaginta, quasi quaeramus ad Paradisum redire. Tertio, propter Christum, qui est „lux mundi" et „Oriens" nominatur, Zach. VI1 2; et „qui ascendit super caelum caeli ad orientem"; et ab Oriente etiam expectatur venturus, secundum illud Matth. XXIV2 7: „Sicut fulgur exit ab Oriente et paret usque ad occidentem, ita erit adventus Filii hominis".
Auf das Dritte ist zu antworten, dass wir aus einem gewissen Anstand heraus nach Osten beten. Erstens: wegen des Zeichens der göttlichen Majestät, das uns im Himmelslauf offenbar wird, denn dieser beginnt im Osten. Zweitens: wegen des Paradieses, das im Osten gelegen war – wie es in Genesis 2,8 nach dem Wortlaut der Septuaginta heißt –, gleichsam als suchten wir, ins Paradies zurückzukehren.
Drittens: wegen Christus, der das „Licht der Welt“ ist und „Aufgang“ (Oriens) genannt wird (Sacharja 6,12); und „der aufstieg über den Himmel des Himmels gegen Osten“; und auch vom Osten her wird er erwartet zu kommen, gemäß Matthäus 24,27:
„Denn wie der Blitz vom Osten ausgeht und bis zum Westen leuchtet, so wird die Ankunft des Menschensohnes sein.“
Gerade, weil Genauigkeit nicht gewährleistet werden kann, habe ich exemplarisch die Kreuzfahrerkriche von Tartus ausgewählt, die, wären Kirchen nach Jerusalem ausgerichtet, nach Süden ausgerichtet sein müsse. Aber nein, sie ist, wie üblich, nach Osten ausgerichtet.
So im Übrigen auch die Kapelle von Krak des Chevaliers:
Die Kreuzfahrerkathedrale von Caesarea Maritima (rot: Jerusalem):
Das von dir erwähnte Freiburger Münster:
Köln:
Paris: Notre Dame zeigt tatsächlich auf Jerusalem, was aber eher Zufall sein dürfte, da die Kirche nun mal auf der Île de France liegt und dementsprechend in die römische Stadt eingebaut wurde.
Die grüne Linie endet in Jerusalem.
Westminster (blaue Linie: Jerusalem) und Canterbury (grüne Linie: Jerusalem):
Fazit: Viele Kirchen zeigten geradewegs in den Osten, andere eher südöstlich und andere nordöstlich. Antike und mittelalterliche Theologen sprechen vom Osten als Gebetsrichtung, darunter auch der Caesarea Maritima lebende Origenes, der gewusst haben dürfte, dass Jerusalem mehr südlich als östlich lag. Begründung für den Osten ist: 1.) Lage des Paradieses, 2.) Gottes Schöpfung, die symboplisch mit dem Sonnenaufgang beginnt, 3.) die Widerkunft Christi - dem Licht der Welt - aus dem Osten. Eine Jersualem
orientierung ist bei den erwähnten Kirchen lediglich für Notre Dame de Paris feststellbar, dort aber wohl eher topographisch als theologisch begründet: Parallel zum Seine-Ufer.