Ist es korrekt, dass kaukasische/ alarodische Sprachen tausende von Jahre vor Christi vorherrschend in Vorderasien waren?

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Ich habe bespielsweise gelesen, dass es wohl ein Reich namens Elam am unteren Tigris mit der Hauptstadt Schuschun (Susa) gab und das die elamische Sprache nicht dem semitischen zuzuordnen ist (was man zunächst für dieses Gebiet annehmen würde), sondern einem kaukasischen Sprachstamm. Ist dieses These ein Hinweis darauf, dass die semitischen Sprachen einst gar nicht sonderlich verbreiten waren im mesopotanischen Gebiet und erst später vom Süden her expandiert sind?
 
Das Elamische ist laut Wiki eine isolierte Sprache. Keine Ahnung, wo die herkommt, oder ob das bekannt ist.

Parsi/Persisch/Iranisch, das später in der Gegend gesprochen wurde und noch wird, ist jedoch eine indoeuropäische Sprache. Das gleiche galt für das in Anatolien gesprochene Hethitisch. In beiden Gegenden waren semitische Sprache nie vorherrschend.

Allerdings ist das Akkadische eine semitische Sprache, und das taucht zuerst 2.600 v. Chr. in den Tontafeln Mesopotamiens auf. Also auch schon ein bissel her...
 
Ja das Akkadische ist unzweifelhaft semitisch. Was die alarodischen Sprachen angeht, bleiben diese wohl etwas im "Dunkeln" der Geschichte, was deren Ursprung betrifft.

Was ich umso erstaunentswerter fand, ist dass es laut einer These schon im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. zu einer Expansion der Menschen im Kaukasus (welche auch Träger dieser "Ursprache" waren) in Länder wie Syrien, Palästina, Ägypten sowie den Balkanländern gekommen ist.
 
"Schon" im 5. und 4. Jahrhundert? Das wär nicht besonders beeindruckend. Meinst du vielleicht Jahrtausend?

Aus dem Kaukasus kamen allerdings auch andere Sprachen. Ein Beispiel könnte das von mir erwähnte Hethitisch sein, später hat sich von dort das Armenische über weite Regionen verbreitet; beides indoeuroäische Sprachen.
 
So verschwommen so zerronnen, mein Fehler. Jahrtausend stimmt (^.^)

Und wie ist es mit dem Teschetschenischen, ist dieses nicht zum Großteil von nicht indoeuropäischen Sprachelementen beeinflusst?
 
Habe einen interessanten Audiobeitrag auch über die Theorie von der Verwandtschaft des Baskischen (nichtindoeuropäischen) mit dem Tscheschenischen gefunden. Aber diese Theorie ist wohl seit 20 bis 30 Jahren schon wiederlegt.

Aber was sagts du zu den damals erbrachten Argumenten für die Verwandtschaft Reinecke?
 
Ich bin kein Sprachexperte. Ich würde mich aber nicht wundern, wenn die Sprachlandschaft vor Ausbreitung von Sprachfamilien wie Indoeuropäisch, Semitisch etc sehr viel vielgestaltiger war, als sich das heute darstellt. Gebirgsregionen (wie der Kaukasus, oder der Pyränenraum für das Baskische) könnten da gute Rückzugsräume gewesen sein.

Ich mein, Papua ist ein sehr extremes Beispiel, aber da werden immer noch hunderte verschiedene, nicht miteinander verwandte Sprachen (min 800) auf ziemlich engem Raum gesprochen. Vielleicht war das mal der "Normalzustand", auch in unseren Breiten.
 
Ist es korrekt, dass kaukasische/alarodische Sprachen tausende von Jahre vor Christus vorherrschend in Vorderasien waren?
Das ist quasi unbeweisbar, zumal die Existenz einer alarodischen Sprache an sich nichts weiter als eine Hypothese ist. Da man diese hypothetische Sprache nicht kennt - wenn sie denn je existiert hat - kann man auch kaum ihre Worte, die sich womöglich im Wortschatz oder der Toponymie als Substrat erhalten hätten, ergründen, geschweige denn, deren Bedeutung. Was man evtl. leisten kann, wäre wiederkehrende Silben finden, die sich nicht aus den regional gängigen Sprachen erklären lassen und die auf ein Substrat aus einer nicht identifizierbaren Sprache hinwiesen.

Das ist ungefähr wie Nostratisch: unbelegbar.

Habe einen interessanten Audiobeitrag auch über die Theorie von der Verwandtschaft des Baskischen (nichtindoeuropäischen) mit dem Tscheschenischen gefunden. Aber diese Theorie ist wohl seit 20 bis 30 Jahren schon wiederlegt.
Der Beitrag vom SWR bezieht sich auf Theo Vennemann, auch wenn der namentlich nicht erwähnt wird. Vennemann ist eigentlich Theoretischer Linguist, hat aber wohl am meisten Aufsehen mit historiolinguistischen Thesen erregt, nämlich der vaskonischen und der atlantidischen Hypothese; um es kurz zu skizzieren: Die vaskonische Hypothese geht davon aus, dass in Europa vor der Indoeuropäisierung vaskonische - also mit dem Baskischen verwandte Dialekte gesprochen worden seien. Die atlantidische Hypothese geht davon aus, dass ein semitisches Volk, ähnlich wie später die Phönizier, entlang der europäischen Atlantikküste Siedlungen gründete.
Beide Thesen werden sowohl von Indogermanisten, als auch Baskologen und Semitisten zurückgewiesen. Vennemann ist Germanist, natürlich mit einer fundamentalen linguistischen Ausbildung, keine Frage, und in seinem eigentlichen Gebiet ein unbestrittener Experte. In der Historiolinguistik werden ihm aber eklatante methodische Fehler vorgeworfen. Z.B. verwirft Vennemann den Ortsnamen Bischofsheim als deutsch und behauptet, der sei Baskisch, weil in diesem Ort nie ein Bischof gelebt habe. Er könne daher gar nichts mit Bischof zu tun haben. Dass der Ort aber vielleicht mal einem Bischof gehörte und die Bewohner Hörige des Bischofs waren, darauf kommt er nicht. Baskologen werfen ihm vor, dass er kein Baskisch kann, Semitisten, dass er für seine atlantidische These mal Akkadisch, mal Hebräisch heranzieht, Sprachstufen ignoriert etc.
 
In der Historiolinguistik werden ihm aber eklatante methodische Fehler vorgeworfen. Z.B. verwirft Vennemann den Ortsnamen Bischofsheim als deutsch und behauptet, der sei Baskisch, weil in diesem Ort nie ein Bischof gelebt habe. Er könne daher gar nichts mit Bischof zu tun haben. Dass der Ort aber vielleicht mal einem Bischof gehörte und die Bewohner Hörige des BIschofs waren, darauf kommt er nicht.

Das bestätigt mich in meiner Skepsis bezüglich so mancher linguistischer Expertisen.
Einige der Bischofsheimnamen dürften gar nicht auf einen Bischof zurückzuführen sein, sondern auf ein Bieschesheim bzw. Biegesheim,
was auf die Lage an einer Flussbiegung hinweist, ein Stadtteil von Marburg ist heute noch "der Biegen" bzw. "das Biegenviertel".
 
Das bestätigt mich in meiner Skepsis bezüglich so mancher linguistischer Expertisen.
Einige der Bischofsheimnamen dürften gar nicht auf einen Bischof zurückzuführen sein, sondern auf ein Bieschesheim bzw. Biegesheim,
was auf die Lage an einer Flussbiegung hinweist, ein Stadtteil von Marburg ist heute noch "der Biegen" bzw. "das Biegenviertel".
Auch das mag eine Möglichkeit sein, dass da eine volksetymologische Umdeutung stattgefunden hat (wobei Vennemann ja auch davon ausgeht, dass manche z.B. nichtdeutsche Namen Namen "deutsch" klingen, weil sie volksetymologisch umgedeutet wurden, nur dass er dann auf Biegen und Brechen einen vaskonischen (oder "atlantidischen") Namen daraus machen will. Aber egal, ob der Name dann im Einzelfall vom Bischof oder von der Flusskehre (Biege) kommt, er wäre dann deutsch. Ich habe hier nur ein Bsp. von Vennemann und der Kritik an ihm aufgegriffen. Wir haben aber oft nur eine Zwischenstufe eines Ortsnamens. Also wenn ein Ort in der Römerzeit gegründet wurde und er wird erstmals im 13. Jhdt. erwähnt, dann ist es mitunter schwierig, die Ortsnamenetymologie zweifelsfrei zu ermitteln.
Bossong argumentiert z.B. (in einer Festschrift für Vennemann natürlich) für eine "baskoide" (das ist Bossongs Terminus für das, was Vennemann "vaskonisch" nennt) Herkunft von Andalus von baskisch alde (wie in Hegoalde und Iparalde) weil es ja auch etwa in Aragón Orte wie etwa Torreandaluz gebe. Er kommt auch nicht darauf, dass dort evtl. Andalusier lebten (seien es Christen, die von Alfonso I. aus Granada mitgebracht und dort angesiedelt wurden, seien es Muslime gewesen).
 
Er kommt auch nicht darauf, dass dort evtl. Andalusier lebten....

Das ist die freundlich formulierte Variante. Wahrscheinlicher ist, dass man zur Stützung der eigenen Theorie - sei es wegen Tunnelblick, sei es wegen Fehlens sonstiger Belege - schon mal offensichtliche Widersprüche in der Argumentation bewusst ignoriert.

Wir kennen es ja auch zum Beispiel aus dem Attila-Thema. Einige türkische Sprachwissenschaftler postulieren für nahezu jede überlieferte Silbe eine türkische Herkunft, für andere sind diese Silben mit gleicher absoluter Sicherheit urgermanisch. Für wieder andere mongolisch, altaiisch, klingonisch oder was auch immer.
 
Das ist die freundlich formulierte Variante. Wahrscheinlicher ist, dass man zur Stützung der eigenen Theorie - sei es wegen Tunnelblick, sei es wegen Fehlens sonstiger Belege - schon mal offensichtliche Widersprüche in der Argumentation bewusst ignoriert.

Wir kennen es ja auch zum Beispiel aus dem Attila-Thema. Einige türkische Sprachwissenschaftler postulieren für nahezu jede überlieferte Silbe eine türkische Herkunft, für andere sind diese Silben mit gleicher absoluter Sicherheit urgermanisch. Für wieder andere mongolisch, altaiisch, klingonisch oder was auch immer.
Ich erwähne Bossong hier im Forum meist wegen der baskoiden These, ärgere mich da richtiggehend über ihn, gleichzeitig schätze ich Bossong sehr wegen seiner Arbeiten zu den hebräischen Jarchas. (Jarchas, von arabisch ḫaraǧa, 'herausgehen', sind Endverse in iberoromanischer Sprache in arabischen und hebräischen Gedichten.)

P.S.: es wäre nett, wenn der nächste, der mir antwortet, irgendwie die Wendung zurück zu den alarodischen und/oder kaukasischen Sprachen hinbekäme.
 
Das bestätigt mich in meiner Skepsis bezüglich so mancher linguistischer Expertisen.

Ob eine "Expertise" etwas taugt, erkennt man daran, ob methodisch sauber argumentiert wird. Da hapert es schwer bei Vennemanns ortsnamenkundlichen Thesen.

Einige der Bischofsheimnamen dürften gar nicht auf einen Bischof zurückzuführen sein, sondern auf ein Bieschesheim bzw. Biegesheim,
was auf die Lage an einer Flussbiegung hinweist

Die "Bieschungs"-These, die bei Wiki zu finden ist, hat sich jemand ausgedacht, dessen historiolinguistische Kompetenz etwa bei Null liegt.
Einen Ortsnamen, der aus der Zeit um 1200 überliefert ist, kann man beim besten Willen nicht mit dialektalen Entwicklungen "deuten", die erst um 1900 stattgefunden haben.
 
Die "Bieschungs"-These, die bei Wiki zu finden ist, hat sich jemand ausgedacht, dessen historiolinguistische Kompetenz etwa bei Null liegt.
Einen Ortsnamen, der aus der Zeit um 1200 überliefert ist, kann man beim besten Willen nicht mit dialektalen Entwicklungen "deuten", die erst um 1900 stattgefunden haben.

Bischofsheim im Kreis Groß-Gerau wird zwar laut Lagis in der Ersterwähnung als Bissescheim (1200) genannt, schon ab 1211 als Biscovesheim.
Da scheint der Erwerb (von Teilen) des Ortes durch den Mainzer Erzbischof mit einer Uminterpretation des älteren Ortsnamens zusammenzufallen.

Bissescheim als Biegesheim zu lesen, erscheint tatsächlich etwas "gewagt", allerdings bestimmt nicht mehr, als es als "vaskonisch" anzusehen.

Ob allerdings die Wandlungen des Frankfurter Dialekts um 1900 für eine Namensgebung von vor 1200 herangezogen werden kann... ?
 
Bischofsheim im Kreis Groß-Gerau wird zwar laut Lagis in der Ersterwähnung als Bissescheim (1200) genannt, schon ab 1211 als Biscovesheim.
Da scheint der Erwerb (von Teilen) des Ortes durch den Mainzer Erzbischof mit einer Uminterpretation des älteren Ortsnamens zusammenzufallen.
Beide Erwähnungen sind praktisch zeitgleich. Schreibweisen mit und ohne f gehen auch in den folgenden Jahrhunderten noch munter durcheinander. Die These, hier sei ein älterer Ortsname uminterpretiert worden, lässt sich damit nicht stützen. (Die Möglichkeit einer Uminterpretation will ich damit keineswegs gänzlich ausschließen.)

Bissescheim als Biegesheim zu lesen, erscheint tatsächlich etwas "gewagt"
Das ist nicht "gewagt", sondern schlicht falsch. Diese These basiert auf dem Irrtum, der neuhessische Regiolekt sei schon vor über 800 Jahren in der Gegend gesprochen worden.
 
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