Warum führte Frankreich so lange Krieg in Algerien?

Griffel

Mitglied
Mich würde interessieren, zu erfahren, warum man in Frankreich so lange und verbissen Krieg in Algerien geführt hat?
https://de.wikipedia.org/wiki/Algerienkrieg
Dieser Krieg, war ja nach Indochina, das zweite "Abenteuer". Vor allem politisch war das doch eigentlich Wahnsinn? Gerade zu einer Zeit, wo man bestrebt war, den Kolonialismus eigentlich zu beenden, hat Frankreich alles dafür getan, seine Kolonie oder besser überseeische Besitzung zu behalten.

Dieser Krieg hat Frankreich Geld und Menschenleben gekostet. Hätte Frankreich von sich aus, auf Algerien verzichtet und das Selbstbestimmungsrecht der Algerier anerkannt, hätte dies seinem Ansehen, nur geholfen. Vor allem die UdSSR konnte doch so auf dem Feld der Propaganda punkten.:eek:

Am Ende, hätte dies fast zu einem Bürgerkrieg geführt. Wobei dies ja schon ein Bürgerkrieg war, da ja Algerien, genauso "französisch" war, wie die Normandie. Soweit ich weiß. Die OAS, hat ja sogar versucht, de Gaulle zu ermorden!

Das Geld, was man für diesen Krieg verbrannt hat, wäre in Frankreich besser angelegt gewesen.
 
Mit dem Algerienkrieg habe ich mich nie näher beschäftigt, aber meistens werden Kriege so lange geführt, wie man glaubt, am Ende doch noch gewinnen zu können.
Manchmal auch länger.

Dieser Krieg, war ja nach Indochina, das zweite "Abenteuer".

Jetzt weiß ich nicht, ob Du schon bei Wikipedia reingeschaut und die ersten zwei, drei Sätze gelesen hast:

Dem französischen Militär gelang es – anders als im vorhergegangenen Indochinakrieg –, militärisch die Oberhand zu behalten.
 
Es spielte sicher eine Rolle, dass Algerien als integraler Teil des Mutterlandes angesehen wurde, auch wenn nur die europäischen Siedler und ab 1870 die jüdische Minderheit in Algerien Wahl- und Bürgerrechte hatten. Es gab 1960 etwa eine Million europäische Siedler, die dann praktisch alle das Land verlassen mussten. Diese Siedler sind sicher auch ein Grund, weshalb man Algerien zunächst nicht aufgeben wollte.
 
Frankreich konnte den militärischen Erfolg nicht politisch ausnutzen. Die Gründe kann man vermuten aber nirgends nachlesen.
 
Frage.
Welche Zeit meinen Sie?

Den 8 Jahre dauernden militärischen Konflikt zwischen der marxistisch-nationalistischen FLN und Frankreich, sowie in der Endphase der Beitritt der OAS auf Seiten Frankreichs?
Oder geht es auch um die Zeit ab 1830 als französische Truppen das Land eroberten – Stichwort Hussein Dey und Fliegenwedel?
 
Wieso Beitritt der OAS auf Seiten Frankreichs?
Die OAS war eine Terrororganisation!
Die hat gegen die Politik Frankreichs agiert!
 
Wieso Beitritt der OAS auf Seiten Frankreichs?
Die OAS war eine Terrororganisation!
Die hat gegen die Politik Frankreichs agiert!
Naja, vielleicht etwas ungenau von @Ralf.M , aber eben gegen französische Versuche, die algerische Unabhängigkeit zu verhindern. Sie waren gegen die französische Politik insofern,als dass diese nun auf Friedensverhandlungen setzte. 1961 trat die OAS zuerst an die Öffentlichkeit. In demselben Jahr begannen die Friedensbemühungen.
 
Einen echten militärischen Erfolg zweifle ich da mal an, die arabische Widerstandsbewegung wurde damit nicht! besiegt.
Sie hätte höchstens noch Anschläge machen können, nicht mal so effektiv wie die IRA in Nordirland.
Wie dem auch sei, militärisch konnte Frankreich nicht besiegt werden. Südafrika wurde auch nicht militärisch besiegt sondern durch Embargo.
 
Algerien und Südafrika können in dem Fall kaum verglichen werden und fast die gesamte Armee Frankreichs war in Algerien eingesetzt. Solange man die Grenzen, die Transportwege und die sonstige vorhandene Infrastruktur nicht wirksam kontrollieren kann ist ein echter "militärischer Sieg" nicht möglich, zumal der nur mit Hilfe von Terror gegen
große Teile der Zivilbevölkerung erreicht wurde.
Was ist denn für Dich ein militärischer Sieg, wenn die feindliche Kampfkraft zerschlagen wird?
Für mich reicht das nicht aus, ein militärischer Sieg kann nur dann ein echter Sieg sein, wenn er auch von politischen Folgen bestätigt wird.
 
Solange man die Grenzen, die Transportwege und die sonstige vorhandene Infrastruktur nicht wirksam kontrollieren kann ist ein echter "militärischer Sieg" nicht möglich, zumal der nur mit Hilfe von Terror gegen
große Teile der Zivilbevölkerung erreicht wurde.
Der militärische Sieg wurde also erreicht.
Algerien und Südafrika können in dem Fall kaum verglichen werden und fast die gesamte Armee Frankreichs war in Algerien eingesetzt.
Wenn Algerien als integraler Bestandteil Frankreichs betrachtet wird, kann es schon verglichen werden.
Lt. Wikipedia wollte de Gaulle Algerien nicht mehr weil durch die höhere Geburtenrate der Algerier Frankreich überfremdet werden könnte. "Eine Integration des Landes mit voller Staatsbürgerschaft für alle Einheimischen hätte nach de Gaulles Meinung Frankreich angesichts des höheren Bevölkerungswachstums der Algerier kulturell durch Immigration überfremdet und den Nationalcharakter des Landes zerstört."
 
Wie dem auch sei, militärisch konnte Frankreich nicht besiegt werden. Südafrika wurde auch nicht militärisch besiegt sondern durch Embargo.
Die Spanier jagten 1820 Ferdinand VII. aus dem Amt, weil der ständig Truppen aushob (Trienio Liberal, liberales Jahrdritt), um die Unabhängigkeitsbestrebungen der noch nicht unabhängigen Hispanoamerikaner zu bekämpfen. Die Revolução dos Cravos (Nelkenrevolution) 1974 war eine Folge des Angolakrieges, die Dekolonisierung war nur eine Frage der Zeit. Die Zeit spielte gegen die Franzosen. Die Brutalität, die man französischerseits anwandte (und die anzusprechen lange ein Tabu war, das erst seit einigen Jahren in Frankreich aufgebrochen wird) spricht auch nicht gerade dafür, dass sich die Franzosen ihrer Sache sicher waren.
 
Wie hieß er, General Salan. Es gab im TV die Übertragungen, ich erinnere mich an den Schlachtruf: Algerie mouselman.Interessant, daß sie aus
ihrem Indochinaabenteuer nichts gelernt haben.Erinnere mich gut, war im 3. Jahr Französisch, 2. Jahr Latein, 4. Jahr Englisch
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessant, daß sie aus ihrem Indochinaabenteuer nichts gelernt haben.
Nicht nur waren die naturräumlichen Gegebenheiten in Algerien ganz andere als in Indochina, war Algerien auch viel stärker an das "Mutterland" angebunden und verfügte über einen beträchtlichen französischstämmigen Bevölkerungsanteil.
 
Nun, was gab es da zu lernen? Man kann die Konflikte nicht vergleichen.

Indochina war für die Franzosen eine zweitrangige Kolonie auf der anderen Seite des Globus.

Algerien hingegen war für Frankreich ein zentrales Anliegen, es lag "um die Ecke", auf der anderen Seite des Mittelmeeres, stellte die Heimat von abertausenden Franzosen dar und war viel stärker kulturell und politisch an das Mutterland angebunden als fast jede andere Kolonie. Auch militärisch lassen sich die Konflikte nicht vergleichen. Frankreich war seinerzeit Hegemon im westlichen Mittelmeer und hatte zumindest auf dem Papier die Mittel, den Krieg autark bis zum Ende auszufechten. In Indochina hingegen war Paris bereits auf die Hilfe der USA angewiesen gewesen.

Edititiert: Ravenik war schneller.
 
Nun, was gab es da zu lernen? Man kann die Konflikte nicht vergleichen.

Indochina war für die Franzosen eine zweitrangige Kolonie auf der anderen Seite des Globus.

Algerien hingegen war für Frankreich ein zentrales Anliegen, es lag "um die Ecke", auf der anderen Seite des Mittelmeeres, stellte die Heimat von abertausenden Franzosen dar und war viel stärker kulturell und politisch an das Mutterland angebunden als fast jede andere Kolonie. Auch militärisch lassen sich die Konflikte nicht vergleichen. Frankreich war seinerzeit Hegemon im westlichen Mittelmeer und hatte zumindest auf dem Papier die Mittel, den Krieg autark bis zum Ende auszufechten. In Indochina hingegen war Paris bereits auf die Hilfe der USA angewiesen gewesen.

Edititiert: Ravenik war schneller.
Nun ja, politisch, hier mit Bezug auf die nicht französische Bevölkerung, gibt es schon eine starke Parallele. Der französische Bevölkerungsanteil betrug wohl um die 15%?

Auch aus militärischer Sicht sehe ich hier Ähnlichkeiten. Algerien war nicht gut erschlossen, gebirgig und ländlich strukturiert.
Natürlich konnte Frankreich ( in erster Linie aus innenpolitischer Sicht) einen " als Teil des Mutterlandes" bezeichneten "Landstrich" nicht aufgeben. Mutterland muß man hier schon anzweifeln, Algerien war nichts weiter als eine ""bessergestellte Kolonie":
 
Zuletzt bearbeitet:
Die 8 Jahre Krieg in Algerien, das ist keine lange Zeit. Es ist ein Wandel der Einschätzung, der langsam kam.

Natürlich war Algerien eine koloniale Eroberung, aber in Algerien lebten sehr viele Franzosen, für die Algerien Heimat und integraler Teil Frankreichs war.

Schon in Indochina war der Verlust als schmerzlich und verstörend empfunden worden.
Albert Camus war Franzose und lebte in Algerien, für ihn und in seinem Werk war das städtische Algier nicht Kolonie und nicht Provinz, sondern pulsierendes Leben, intellektuelle und gelebte Heimat.

- - - - -
Ich habe als Kind den Algerienkrieg nicht bewusst wahr genommen, obwohl mir ein Foto meiner Mutter präsent ist, auf dem sie im Strandkorb einen Artikel der Tageszeitung "Die Welt" über den Algerienkrieg liest. Auch mein Vater, der frankophon war, sprach mit mir nicht darüber. In Deutschland waren Kubakrise, Mauerbau und Cruschtschov weitaus dominierendere Themen. Es gab aber frankophone Studenten, die den algerischen Widerstand aktiv unterstützten, wie der spätere Kanzleramtsminister Siegfried Wischnewski der Waffen bastelte.

Die Auseinandersetzung erfolgte für mich erst Anfang der 1970er Jahre mit französischer Literatur und französischen Filmen, vor allem aber mit dem Urlaub im französischen Süden, in dem viele der "Pieds noirs" Fuß zu fassen suchten.

Dort war spürbar, dass der Algerienkrieg mit einem erneuten Riss durch die französische Gesellschaft gegangen war, nach der Spaltung zwischen den Anhängern der Résistance und den Anhängern Pétains.
Erneut gingen die Fronten durch die Familien. Und die Frontlinien waren nicht identisch!
Viele der Offiziere gegen de Gaulle stammten aus der Résistance, hatte de Gaulle bis 1959 unterstützt.
Die Haltung der Linken war widersprüchlich, später waren sie in der Ablehnung de Gaulles Seit an Seit mit den Sympathisanten der OAS.

Zugleich war der Algerienkrieg ein Thema des Alltags, die französischen Verbrechen aber ein Tabu.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nun ja, politisch, hier mit Bezug auf die nicht französische Bevölkerung, gibt es schon eine starke Parallele. Der französische Bevölkerungsanteil betrug wohl um die 15%?
1940 lebten nur 34.000 Franzosen in ganz Indochina, aber fast 1 Mio. lebten in Algerien. @Pardela_cenicienta's Verweis auf Camus kommt auch nicht von ungefähr. Die sogenannten Pied-noir sahen sich nicht als Kolonisten, sondern als "echte" Franzosen und eine tragende Säule der französischen Kultur und Nation. Die Krise der Vierten Republik, der Aufstand der OAS und die Tatsache, dass selbst die Dekolonialisierungsbefürworter Algerien nicht in die Unabhängigkeit entlassen wollten, zeigen alle den Sonderfall.
Auch aus militärischer Sicht sehe ich hier Ähnlichkeiten. Algerien war nicht gut erschlossen, gebirgig und ländlich strukturiert.
Aus den anfänglichen militärischen Erfolgen der Franzosen erhellt, dass Paris durchaus hoffen durfte, die Kolonie halten zu können, die quasi direkt vor seiner Haustüre lag. Der französische Militärhafen Toulon liegt nur 370 nautische Meilen von Algier. Der Krieg erforderte keine Expeditionsstreitmacht, es gab leicht erreichbare Brückenköpfe in vielen Landesteilen, und anders als im Falle Indochinas konnte man auf eine große Zahl Männer zurückgreifen (eben die Pied-noirs), die bereit waren, ihre Heimat gegen die aufständische Nationale Befreiungsfront zu verteidigen.
 
Zurück
Oben