Hexe: Abgeleitet von Hagazussa oder Hekate?

Dieses wiederholte dc/di/da kann ich nicht deuten: dieser Bogen ist definitiv kein u/v, kein c und kein i, imho aber auch kein Kürzungszeichen.

Anscheinend möchte niemand meine Links zur Edition anklicken...

 
Irgendwo wird es einen Uebersetzungsfehler gegeben haben der 'reitende Hexen auf'm Besenstil' zeigt. Alledings das interessiert mich nicht.
Was mich interessiert ist 'sitzende Hexe auf einem Zaun'. Logik sagt dass das Unsinn sein muss.

In vielen Kulturen gibt es die Vorstellung von "Aufhockern", von Unholden oder Unholdinnen, die Reisenden z. B. an Kreuzwegen auflauern und ihnen aufhocken oder unter einem Vorwand versuchen, sich tragen lassen.


Der rheinische Werwolf "Stüpp" zerfleischte seine Opfer nicht, aber er war berüchtigt dafür, Reisenden aufzuhocken. In einem seiner Seeabenteuer bekommt es Sindbad der Seefahrer mit einem berüchtigten Kannibalen und Aufhocker zu tun, der unter dem Namen "Scheich des Meeres" berüchtigt ist und Reisende überfällt, ihnen aufhockt bis sie entkräftet zusammenbrechen und sie dann verzehrt. Sinbad überwältigt ihn, ähnlich wie Odysseus es in der Polyphem-Episode tut, mit der Kraft des Alkohols.

Das Motiv der Aufhockerin greift auch Nikolai Gogol in der Erzählung "Der Wij" auf, ein Klassiker des Gothic-Genres. Der Philosophie-Student Choma Brut aus Kiew zieht in den Semesterferien mit einem Theologen Chaljava und dem Rhetoriker Tiberius Gorobez über Land, und sie nehmen Quartier bei einer älteren Wirtin, die sich in der Nacht als gefährliche Hexe und Succubus erweist und dem Philosophen aufhockt. Der kann sie abwerfen und erschlagen, und die Alte verwandelt sich in eine schöne junge Frau.
Bald darauf soll der Philosoph Totenwache halten bei der Tochter eines Kosaken-Sotnik (Hauptmann) wobei sich herausstellt, die Verblichene ist keine andere als die Hexe, die es auf Choma Brut abgesehen hatte.

Der Auftrag des Kosaken ist leider einer, den man nicht ablehnen kann. Aus Erzählungen von Dorfbewohnern kristallisiert sich heraus, dass die Hexe einigen Männern aufhockte und einigen jungen Mädchen das Blut aussaugte.

Ich bin nun linguistisch überhaupt nicht beschlagen, kann auch sehr wenig nur zur Etymologie von "Hagazussa" beitragen, aber ganz so abwegig halte ich die Vorstellung nicht, dass Begriffe wie "Zaunreiterin" , "Auf dem Zaun Sitzende" genau auf solche "Aufhocker" Bezug nimmt.
 
Ich bin nun linguistisch überhaupt nicht beschlagen, kann auch sehr wenig nur zur Etymologie von "Hagazussa" beitragen, aber ganz so abwegig halte ich die Vorstellung nicht, dass Begriffe wie "Zaunreiterin" , "Auf dem Zaun Sitzende" genau auf solche "Aufhocker" Bezug nimmt.

Der zitierte Text stammt eigentlich vom @bibliophile ...

Und @Armer Konrad hat das zitierte ignorante Statement auch gleich adäquat beantwortet:

Im «Münchner Nachtsegen», einer fragmentarisch erhaltene Beschwörungsformel aus dem 14. Jhr., welche auch eine der frühesten Erwähnung von «Wotans Heer» enthält, gibt es ein «zunriten» – «Zaunreiten(r)». Und im altisländischen existiert mit dem Begriff «tundria», «Zaunreiterin» ein Äquivalent.

Nur das altnordische Wort heißt korrekt tūnriða.

Im "Lexer" (Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch) lautet der Eintrag:
zūnrīte swmf. zaunreiter, -in (ein gespenst)

Die Stelle im Münchner Nachtsegen:

- Seite 337
 
...ich komme hier nicht mehr mit... ob man sich nun über ein Schreckgespenst namens "Zaunreiter/in" (tunriderske, tūnriða etc. nachweislich in quellen und etymologisch. Wörterbüchern) aufregt oder "Aufhocker/innen" in Sagen, Märchen und gar Hochliteratur (Gogol) feststellt: beides trägt nichts zur Ausgangsfrage bei, ob Hexe von hagazussa oder Hekate herzuleiten sei.
 
...ich komme hier nicht mehr mit... ob man sich nun über ein Schreckgespenst namens "Zaunreiter/in" (tunriderske, tūnriða etc. nachweislich in quellen und etymologisch. Wörterbüchern) aufregt oder "Aufhocker/innen" in Sagen, Märchen und gar Hochliteratur (Gogol) feststellt: beides trägt nichts zur Ausgangsfrage bei, ob Hexe von hagazussa oder Hekate herzuleiten sei.
Die Hekate kannst du ausschließen. Bibliophile schloss die Deutung der Hagazussa als 'Zaunreiterin' aus, weil er dieses Bild für zu grotesk hielt, berücksichtigte dabei aber nicht eine mögliche misogyne Bedeutung. Scorpio hat einen anderen interessanten Aspekt (eben den des Auslaugens durch Aufsitzen) eingebracht.
 
Die Hekate kannst du ausschließen.
sehe ich genauso.
Bibliophile schloss die Deutung der Hagazussa als 'Zaunreiterin' aus, weil er dieses Bild für zu grotesk hielt
das scheint mir für die Etymologie von Hexe irrelevant, siehe DWDS

Scorpio hat einen anderen interessanten Aspekt (eben den des Auslaugens durch Aufsitzen) eingebracht.
mir scheint, dass der Aufhocker – Wikipedia , um einiges jünger als die althochdeutschen und altenglischen Varianten der Hexe (hagazussa, haegtessa) ist und mit (ahd., ae., ma.) Hexen nichts zu tun hat:
Seine Ursprünge hat der Glaube an den Aufhocker jedoch in der Furcht vor dem Wiedergänger, dem Untoten. Die ältesten Berichte über Aufhocker sprechen eindeutig von „aufhuckenden Leichen“ und nicht von Kobolden oder Gespenstern. Im Gegensatz zum Nachzehrer, der sein Grab nicht verlassen musste, wenn er den Lebenden Schaden zufügen wollte, stiegen andere Untote ähnlich den Vampiren heraus und raubten den Menschen die Lebenskraft. Das konnte sinnlich-konkret durch das Absaugen von Blut geschehen, aber auch in einer eher abstrahierten Form. Dies trifft, wie neuere Untersuchungen zeigen, auch auf die Vampire zu, denen in den ältesten Berichten eine schädigende Wirkung durch „Würgen“ und „Auszehren“, nicht aber durch Blutsaugennachgesagt wird. Im Westen Deutschlands verschmilzt der Aufhocker mit dem Werwolf zum Stüpp, einem gefährlichen Unhold, der den Menschen anspringt und sich so lange herumtragen lässt, bis das Opfer an Entkräftung stirbt.
Gogols Wij ist der "König der Erdgeister", und die Hexe der Erzählung ist eigentlich ein sich atypisch verhaltender Succubus (aufhocken statt unterliegen) und gibt der Erzählung damit einen versteckten ironischen Aspekt. Allerdings scheinen mir die Vorstellungen von Incubus, Succubus und allerlei Lilith-Dämoninnen nicht für die Etymologie der hagazussa nutzbar zu sein.
 
Zwischendurch eine Kuriosität, die bestimmt nichts mit den etymologischen Herleitungen für "Hexe" zu tun hat, trotzdem irgendwie hierher passt:

In einem Gerichtsfall von 1377 in Schaffhausen ging es um einen Mann, der eine Frau als "hex" betitelte und handgreiflich wurde. Es sei nicht klar, ob die Praktiken der Frau ebenfalls untersucht wurden.
Der Mann hieß Hagspann.
Schaffhauser Beiträge zur Geschichte 2004-078 (Seite 168)

"Aber wehe Ihnen, wenn dann a Radfahrer daherkommt!"
 
Und @Armer Konrad hat das zitierte ignorante Statement auch gleich adäquat beantwortet:



Nur das altnordische Wort heißt korrekt tūnriða.

Im "Lexer" (Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch) lautet der Eintrag:
zūnrīte swmf. zaunreiter, -in (ein gespenst)

Die Stelle im Münchner Nachtsegen:

- Seite 337

Das ist mir tunrida (tundria) ein Tippfehler unterlaufen.
In Odins Runenlied / Zauberlieder in der Lieder-Edda gibt es die Tùnridr - wenn ich das richtig verstehe eine Art Seelenwanderer - Leute deren Seelen die Körper vorübergehend verlassen können. Wenn da jetzt eine Verbindung zur Hagazussa besteht könnte man die Zaunreiterin ja als ein Gespenst interpretieren, welches sowohl im Diesseits als auch im Jenseits agiert und der Zaun gewissermassen die Grenze zum Totenreich darstellt.
Ist allerdings ein etwas sehr esoterischer Erklärungsversuch.
 
Zurück
Oben