Zu gut für Kompost oder Tonne - Resteverwertung anno dazumal

Lukullus

Aktives Mitglied
Vergangenes Wochenende durfte ich bei einer Nachbarin (Baujahr ca. 1945) eine aus frühen Tagen bekannte, jedoch aus meinem Alltag weitgehend verschwundene Kochgepflogenheit beobachten. Sie kochte die Schalen von Gemüse (Karotten, Sellerie, Petersilienwurzel, Kohlrabi) als Grundlage für eine Brühe aus.
Bei meiner Oma-Generation (geboren frühes 20. Jh.) war es weitverbreitet Sitte, dass rund ums "eigentliche Kochen" fast immer etwas auf dem Herd oder gerade in der kalten Jahreszeit auf den Öfen simmerte. Häufig waren darin Dinge die zuvor als Reste angefallen waren.

Was kennt Ihr aus Eigenanschauung oder Wissen aus der Historie an (Reste-)Verwertungen die heutzutage weniger bis kaum noch eine Rolle spielen - so à la Spargelschäl auskochen?
 
Ja, bei manchen Essgewohnheiten scheiden sich die Geister, ich esse Schalen. Manches ist Geschmackssache, anderes fällt in den Bereich der Verträglichkeit, Appetitlichkeit spielt ne Rolle, auch gibt's die Grauzone der Giftigkeit ja/nein.
Zu letzterem, da gerade Pilzhochsaison ist, der Nebelgraue Trichterling wird in aktueller Fachliteratur zwiespältig gesehen, Tendenz nicht empfehlenswert da giftig. Wäre zwar nicht Resteverwertung im eigentlichen Sinne, doch während meiner Kindheit war dieser massenhaft in eindrucksvollen Hexenringen auftretende Pilz in meinem Umfeld recht präsent auf dem herbstlichen Speiseplan. Musste im Gegensatz zu anderen Speisepilzen lang ausgekocht werden um ihn bekömmlich zu bekommen. Eine Tradition die möglicherweise mit Kriegs-/Nachkriegszeit zu tun hatte (womit ein geschichtlicher Aspekt gegeben wäre), als Schmalhans Küchenmeister sein konnte. Bei mir landet er seit Dekaden nicht mehr im Pilzkorb, wie bei anderen in meinem Bekanntenkreis auch, denen gleichfalls der Verzehr aus früheren Zeiten vertraut ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich erinnere mich, dass mein Vater öfter mal Fleisch- oder Kartoffelsalat gemacht hat: das war kein festes Rezept (ausser der obligatorischen Mayonnaise), sondern da wurden immer Reste reingemacht, die so im Laufe einer Woche übriggeblieben waren, wie Erbsen, Karotten, Braten oder Hähnchen, auch mal Obst, usw., usw.
Essen wegzuschmeißen war meinem Vater, Bj. 1937, zutiefst zuwider.

Meine Oma hatte sogar schimmeliges Brot nicht völlig aufgegeben, da wurde der grüne Teil großzügig weggeschnitten, der Rest als essbar erklärt. Diese Praxis hat sie erst in späteren Jahren abgelegt.
 
Meine Mutter (Bj.1942) hatte aus übrig gebliebenem Essen (Nudeln, Kartoffeln, Reis, Gemüse, Fleisch, Würstchen, Klöße) immer am ersten oder zweiten Folgetag was mit Käse überbackenes kreiert - das war oft besser, als das eigentliche Essen.
Noch akribischer im Reste verwerten war meine Oma, die die wildesten Restekombinationen mit Toaststückchen, Zwiebeln und Ei in der Pfanne zu "arme Ritter" mixte, was jedesmal anders schmeckte.
 
Bei meiner Oma-Generation (geboren frühes 20. Jh.) war es weitverbreitet Sitte, dass rund ums "eigentliche Kochen" fast immer etwas auf dem Herd oder gerade in der kalten Jahreszeit auf den Öfen simmerte.
Das kenne ich leider nur vom erzählen - ich bin mit Gas- und Elektroherd aufgewachsen. Meine Oma schwärmte vom Holzofen/Herd mit Schiffchen, der die Küche zugleich heizte und angeblich (Verklärung) viel besser backen könnte als der Elektroofen.
 
Perlpilze (göttlich!!) müssen gehäutet werden, weil die Haut tatsächlich giftig ist.
Schopftintlinge können in Kombination mit Alkohol leicht giftig sein - ich habe nie dergleichen bemerkt.

Für meine Oma war Pilze sammeln festes Herbstprogramm, auch Brombeeren und Heidelbeeren aus dem Wald holen.

Meine Uroma hatte einen grünen Daumen und einen geradezu phantastischen Riecher für Pilze, vor allem Steinpilze, die hat immer welche gefunden, Steinpilze wie gemalt, riesige Dinger. Die Steinpilze hat sie zubereitet, als wenn es ein Schnitzel oder Kotelette wäre, hat die Steinpilze paniert und in der Pfanne gebraten. Nur ein einziges Mal habe ich in meinem ganzen Leben Steinpilze gegessen, die so gut schmeckten.
Das war im Sauerland, da haben mich die slowenischen Waldarbeiter eingeladen, die selbst gesammelte Steinpilze und frische Leber vom Reh am Lagerfeuer brieten- Ich habe oft und an vielen Orten hervorragend gespeist, aber selten hat es mir so geschmeckt wie da!
 
Ich erinnere mich, dass mein Vater öfter mal Fleisch- oder Kartoffelsalat gemacht hat: das war kein festes Rezept (ausser der obligatorischen Mayonnaise), sondern da wurden immer Reste reingemacht, die so im Laufe einer Woche übriggeblieben waren, wie Erbsen, Karotten, Braten oder Hähnchen, auch mal Obst, usw., usw.
Essen wegzuschmeißen war meinem Vater, Bj. 1937, zutiefst zuwider.

Meine Oma hatte sogar schimmeliges Brot nicht völlig aufgegeben, da wurde der grüne Teil großzügig weggeschnitten, der Rest als essbar erklärt. Diese Praxis hat sie erst in späteren Jahren abgelegt.

Das habe ich bei vielen Leuten aus der Kriegsgeneration erlebt. Meine Großeltern hatten seit sie einen Garten besaßen, immer Grundnahrungsmittel angebaut, haben Obst und Gemüse eingemacht.

Verschimmeltes Brot haben sie nicht mehr verzehrt, aber sie haben es auch nicht übers Herz gebracht, Brot wegzuschmeißen. Bevor es in der Mülltonne landete, haben sie damit die Enten gefüttert, und denen hat es geschmeckt.
 
In meiner Familie ist noch heute der Semmelschmarrn ein gängiges "Resteessen", trockene Brot- und Brötchenreste werden mit Milch getränkt und angebraten. Schmeckt sehr gut mit Apfelmus! Wurst- und Kartoffelreste enden im Wurst- oder Kartoffelsalat.
Im Zweifelsfall wandern Essensreste aber in die Mülltonne, mein Magen-Darm-Trakt ist eine Diva.
Meine Oma hatte sogar schimmeliges Brot nicht völlig aufgegeben, da wurde der grüne Teil großzügig weggeschnitten, der Rest als essbar erklärt. Diese Praxis hat sie erst in späteren Jahren abgelegt.
Gut, dass sie das getan hat. Brot mit sichtbarem Schimmelbefall ist ungenießbar. Der sichtbare Belag ist nur ein Teil des Pilzes, das Myzel ist für den Menschen nicht sichtbar und kann bereits den ganzen Brotlaib durchziehen.

Zeigt ein Lebensmittel Schimmelbefall, sollte man es immer wegwerfen, sofern es sich nicht um ein dichtes Lebensmittel mit geringem Wasseranteil handelt. Bei getrocknetem Schinken oder festem Käse z.B. kann man den Schimmel noch wegschneiden und die Reste essen, da wächst der Pilz langsam. Brot hat geringe Dichte und einen hohen Wasseranteil, da kann das Myzel im Handumdrehen alles durchwachsen.
 
Die Einstellung zu Schimmelbrot, auch Marmelade mit "Haube" u. dergleichen kenne ich auch von meinen beiderseitigen Großeltern und anderen ihrer Altersklasse: "Schneid's großzügisch weg - awer net zu viel."
Meine Großeltern ließen sich bis ins hohe Alter (allesamt über 90) nicht von einem anderen Umgang mit Schimmelbefall überzeugen lassen. Nach eigenem Bekunden sind sie jeweils u.a. wegen Landbesitz mit Nebenerwerbslandswirtschaft ohne dramatische Engpässe wie andere sie erleben mussten durch Kriegs- und Nachkriegsjahre gekommen. Lediglich beide Opas berichteten von notbedingt als Frontsoldaten gemachten kulinarischen "Exkursionen" bei denen sich mir schon vom Zuhören der Magen umdrehte - und ich verfüge über einen äußerst robusten Magen.
Ich denke, dass derartige Haltung zu Pilzbefall einerseits von Nichtwissen, andererseits auch von Generationen weit zurückreichenden Erfahrungen genährt wurde, dass hinsichtlich der Verfügbarkeit von Nahrung karge Zeiten möglich waren.

Als 1994 altersbedingt der Hausstand meiner Oma aufgelöst wurde fanden sich in weitläufigen Kellerräumen (incl. Waschküch mit einem 50 l fassenden feuerbetriebenen Kochdingsbums nur fürs Einmachen) auf einem Regal in hinterstem Winkel ca. 30 Einweckgläser à 5 l mit was Rotem drin. Wir entdeckten so was wie Tomatenpassata à la badisch. Mein Vater ließ den Inhalt in einem Lebensmittellabor untersuchen. Das Zeug war etwas Aroma schwach doch ansonsten völlig genießbar. Beschriftet waren die Gläser mit 1947. Meine Oma bestätigte das sie in diesem Jahr durch ein zufälliges Tauschgeschäft an zentnerweise Tomaten gekommen waren.
Bei Oma wurde bis ins hohe Alter Obst&Gemüse eingekocht u. haltbar gemacht was ging, in immer absurder anmutenden Dimensionen, da es über die Jahre (Zerstreuung der Großfamilie) immer weniger Abnehmer dafür gab.
Sie selbst liebte Supermärkte. ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Zweifelsfall wandern Essensreste aber in die Mülltonne, mein Magen-Darm-Trakt ist eine Diva.
ist bei mir genau so.
Ich bin mal als Teenager mit meiner Mutter aneinander gekracht. Es sollte Sahne aus dem Becher geben. Ich hab mich geweigert, weil das abgelaufen war - und ich bin da sehr genau. Meine Mutter meinte "das könne man schon noch nehmen"

Irgendwie blieb ich an dem Tag hungrig
 
In der Küche meiner Mutter begann die Resteverwertung schon beim Einkauf. Wir bekamen nämlich sämtliche möglichen Innereien aufgetischt, die heute nicht mehr in den Regalen der Supermärkte zu finden sind und vermutlich schon in der Schlachterei als Reste betrachtet werden. Was mit ihnen heute geschieht, weiß ich gar nicht. Mir hat immer alles geschmeckt.

In Florenz lernte ich vor Jahren zwei Eintopfgerichte kennen, die auf der Basis altbackenem Brot aufbauen und sehr schmackhaft sind: Ribollita und Pappa al pomodore. Das gibt es bei uns, wenn mal wieder zum Fondue zu viel Brot geschnitten wurde.
 
Früher wurde bei Obst (z.b. Äpfel, Nektarine ) die Schalen mit gegessen. Mache ich persönlich nicht.

In der Schule hieß es immer, unter der Schale seien die meisten Vitamine. Äpfel, gehörten bei meinen Großeltern zum Samstagabend-Fernsehkino unbedingt dazu. Meine Oma gab mir immer eine Tasse Kakao und einen geschälten Apfel. Die Zeiten wandelten sich, aber an dem Ritual mit dem Apfel hat sich nichts geändert. Ich esse heute noch gerne einen Apfel als Mitternachtssnack, Erdnussflips, Chips, Nüsse und all die Kalorienbomben zum entspannenden Fernsehabend-die kann ich entbehren, aber ein schöner Apfel oder besser noch eine schöne Birne-das muss schon sein!
 
n der Küche meiner Mutter begann die Resteverwertung schon beim Einkauf. Wir bekamen nämlich sämtliche möglichen Innereien aufgetischt, die heute nicht mehr in den Regalen der Supermärkte zu finden sind und vermutlich schon in der Schlachterei als Reste betrachtet werden. Was mit ihnen heute geschieht, weiß ich gar nicht. Mir hat immer alles geschmeckt.
Ja, Innereien (Nieren, Pansen, Hirn, Herz, Lunge) wie auch bspw. Rinderzunge sind hier in der Region selbst in Auslagen von Dorfmetzgereien eigentlich komplett verschwunden, auf Nachfrage&Bestellung kann man es da und dort bekommen. Ausgenommen davon ist nach meiner Anschauung lediglich Leber, die sich durchweg in den Vitrinen findet.
Nach Aussage des Metzgers meines Vertrauens gehe nicht weniges davon heutzutage von den Schlachtern direkt in die Tierfutterverwertung.

Äpfel wurden bei meinen Großeltern innerhäusig auch geschält, die Schalen wurden jedoch häufig mitsamt den Butzen (Kerngehäuse) zu Gelee verkocht. Im Garten, auf Spaziergängen entlang von Streuobstwiesen wurden Äppel am Hosenbein abgerieben und direkt verspeist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin zu Besuchen bei Oma & Co. gerne direkt in die Küche und habe Deckel gelupft weil's so ungewohnt spannend sein konnte, da simmerten mitunter auch Hühnerhälse nebst Krallen. Hinkel gab's noch mit allem möglichen drum, dran und drin zu kaufen, zumindest auf dem Dorf.
 
Zuletzt bearbeitet:
auskochen ist mir gegenwärtig, bin damit aufgewachsen. Ich kenne es von Verwandschaftshöfen im Münsterland wie auch zuhaus in Münster.Gab keine Pommes bis in die 50er.Pferdefleisch nicht vergessen
 
Im Garten, auf Spaziergängen entlang von Streuobstwiesen wurden Äppel am Hosenbein abgerieben und direkt verspeist.
ergänzt um Zwetschgen, Mirabellen, Birnen mache ich das heute auch genauso (z.B. ist solches frisches Obst direkt vom Baum bei einer längeren Geocaching Runde immer sehr willkommen)

Ja, Innereien (Nieren, Pansen, Hirn, Herz, Lunge) wie auch bspw. Rinderzunge sind hier in der Region selbst in Auslagen von Dorfmetzgereien eigentlich komplett verschwunden
ist mir auch aufgefallen.

Meine Oma hat gern Hirn mit Rührei gemacht, das hat bei uns aber keiner sonst essen können (es sieht fürchterlich aus)

Gelegentlich hatte meine Mutter saure Nierchen und Leber (mit Zwiebeln und Apfel geschmort) gemacht, Pansen/Kutteln gab's nie (nur mein Vater mochte das, kriegte er aber nur im Gasthof) "Zunge in Madeira" galt als was nobles, feines, sonntägliches im Restaurant.

Die Weihnachtsgans: früher war da Herz & Leber mit dabei, das gab's in einer Suppe, und irgendwie wurde auch Gänseschmalz mit Grieben gemacht, die Hauptsache freilich war die krosse Gans (gefüllt) - die Weihnachtsgans brachte also dreierlei auf den Tisch.

Das ist schon lange her, meine Großeltern und Eltern sind verstorben. Ich bedauere, dass ich nach manchen schlesisch-polnischen Rezepte nicht gefragt hatte, denn jetzt kann ich die nicht machen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben