Die Abschaffung der Sklaverei durch industrielle Revolution und europäische Aufklärung

Ich möchte hier eine Übersicht darüber geben, wie es möglich war, eine sehr alte, sehr weit verbreitete und äußerst einflußreiche gesellschaftliche Institution zu ächten, und weitgehend abzuschaffen: die Sklaverei.

Über die meiste Zeit der Geschichte hinweg war Sklaverei nicht moralisch umstritten. Sie galt als natürliche Ordnung: Kriegsgefangene, Schuldner, Besiegte konnten versklavt werden. Selbst Philosophen wie Aristoteles hielten Sklaverei für„naturgegeben“. Auch in Afrika, bei indigenen Gesellschaften und in der islamischen Welt war sie fest etabliert. Diese Selbstverständlichkeit hatte zwei Grundlagen:

- menschliche Arbeitskraft war der wichtigste Produktionsfaktor.
- es gab keine allgemeine Vorstellung von universaler Gleichheit oder Menschenwürde.

Ein erster, wenn auch langsamer Bruch kam durch das Christentum, das zwar Sklaverei lange tolerierte, aber den Gedanken einführte, dass alle Menschen vor Gott gleichwertig seien. Daraus wuchs später - besonders in protestantischen Bewegungen - das moralische Argument gegen die Sklaverei. Dann, im 18. Jahrhundert, kamen mit der Aufklärung und der Empfindsamkeit zwei bedeutende (und im Falle der Aufklärung epochale) Strömungen auf, die Auffassung daß Mitgefühl und Mitleid moralische Autorität besitzen, breitete sich aus. Dies führte zu einem neuen moralischen Maßstab: Kein Mensch darf Mittel zum Zweck anderer sein. Dies war der eigentliche moralische Sprengsatz, der die Sklaverei ideologisch untergrub. Parallel dazu veränderte sich die Wirtschaft grundlegend. Die Industrialisierung machte Arbeit in Fabriken in vielen Bereichen effizienter als Arbeit mit Sklaven oder Leibeigenen. Freie, bezahlte Arbeitskräfte waren flexibler einsetzbar und wirtschaftlich oft sogar produktiver. Der sich immer stärker durchsetzende Kapitalismus ersetzte Zwangsarbeit zunehmend durch Lohnarbeit. Der erste große Durchbruch fand in Großbritannien statt:

1772: Ein englisches Gericht erklärte in einem berühmten Urteil (Somerset Case), dass Sklaverei auf englischem Boden unrechtmäßig sei.
1787: Gründung der „Society for Effecting the Abolition of the Slave Trade“ - die erste große Menschenrechtsbewegung der Geschichte.
1807: Verbot des Sklavenhandels im gesamten Britischen Empire.
1833: Vollständige Abschaffung der Sklaverei im Empire.

Hier spielten protestantische Quäker, Evangelikale und frühe Menschenrechtler (Wilberforce u. a.) eine bedeutende Rolle. Großbritannien konnte diese Haltung später mit Hilfe seiner Seemacht weltweit durchsetzen, britische Kriegsschiffe fingen Sklavenschiffe auf allen Ozeanen ab.

Andere Länder folgten:

Frankreich: Abschaffung 1794 während der französischen Revolution, Wiedereinführung durch Napoleon 1802, endgültige Abschaffung 1848.
Lateinamerika: Nach den Unabhängigkeitskriegen schrittweise Abschaffung (meist bis 1850).
USA: Bürgerkrieg 1861–65, Abschaffung durch den 13. Verfassungszusatz (1865).
Brasilien: 1888 als letztes Land Amerikas.
Afrika / arabische Welt: formell erst im 20. Jahrhundert, teilweise sehr spät (Saudi-Arabien 1962, Mauretanien 1981).

Der entscheidende Wandel war nicht nur politisch, sondern semantisch und moralisch. Sklaverei wurde nicht länger als eine legitime soziale Ordnung verstanden, sondern als Verbrechen gegen die Menschheit. Diese Verschiebung beruhte auf neuen, universalen Begriffen, der„Menschheit“ als moralischer Einheit, der „Menschenrechte“ als angeborener Würde, und der „Freiheit“ als Grundwert, nicht als Privileg. Dies war die Geburt der modernen Moral- und Menschenrechtsordnung. Im 17.–18. Jahrhundert begannen besonders protestantische und pietistische Strömungen (Quäker und Methodisten), den Gedanken hervorzuheben, dass alle Menschen gleichermaßen Geschöpfe Gottes seien. Wichtige Elemente hierbei waren die Vorstellung der persönlichen Bekehrung, also der individuellen Verantwortung vor Gott, die Idee der Brüderlichkeit aller Gläubigen, sowie eine neue Betonung des Mitgefühls, die charakteristisch für die Frömmigkeit dieser Zeit war.

Zur gleichen Zeit wurde die Aufklärung immer wirkmächtiger und lieferte den philosophischen Unterbau: John Locke und später Immanuel Kant erklärten Freiheit zum Naturrecht, Rousseau formulierte die Idee, dass Herrschaft nur durch Zustimmung der Beherrschten legitim sei. Anknüpfend an diese Ideen erhoben die französische und amerikanische Revolution „Freiheit“ und „Gleichheit“ zu politischen Grundwerten. Diese Denker forderten zwar Bürgerrechte in Europa oder teilweise in Nord -amerika, und nicht sofort in kolonisierten Gebieten, aber ihre Ideen wirkten universalistisch: die Auffassung, daß „alle Menschen sind frei und gleich“ seien, schuf ein Argument, das sich langfristig nicht einschränken ließ. Der Satz aus der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung („Allmen are created equal“) wurde zum moralischen Sprengstoff gegen die eigene Institution der Sklaverei.

Zusätzlich begann sich die Welt im späten 18. Jahrhundert grundlegend ökonomisch zu verändern. Die Industrialisierung, beginnend in Großbritannien, machte Lohnarbeit, Maschinenkraft und Mobilität zunehmend effizienter als Zwangsarbeit. Die Kohle und -Eisenindustrie verdrängte die agrarische Wirtschaftslogik, auf der Sklaverei beruhte, und der Welthandel verlagerte sich von Rohstoffen auf Industrieprodukte. Zwangsarbeit passte in dieses System immer weniger hinein, Lohnarbeit, also freie Vertragsarbeit, wurde zur effizienteren, flexibleren Form der Arbeitsorganisation. Es könnte mit einigem Recht gesagt werden: der Kapitalismus überwand die Sklaverei sowie die Leibeigenschaft nicht aus reiner Moral, sondern weil freie Menschen, die gegen Lohn arbeiteten, flexibler und effizienter eingesetzt werden konnten.

Ökonomische Rationalität und moralisch-religiöse Bewegung verstärkten sich jedoch gegenseitig, und machten den Schritt weg von der Sklaverei letztendlich praktisch möglich. Alle vier Strömungen (religiöse Gewissensbewegung, philosophischer Universalismus, ökonomischer Wandel und politisch-mediale Öffentlichkeit) überlappten sich in etwa um 1800, es entstand ein historischer „Resonanzraum“, in dem sich eine moralische Idee plötzlich als handlungsfähig erwies. Vorherige Gesellschaften kannten Empathie, Gerechtigkeitsvorstellungen und auch Sklavenbefreiungen, aber sie waren partikulär, nicht universal. Der entscheidende Durchbruch kam, als zum ersten Mal in der Geschichte der Begriff des Menschen selbst universal gedacht wurde.

Meinen Ausführungen kann entnommen werden, daß die (weitgehende) Abschaffung der Sklaverei, und anderer Formen der organisierten, institutionalisierten Unfreiheit und Zwangsarbeit, alleine von Europa ausging. Es gab vorher in der Geschichte keine anderen grundsätzlichen, religiös-moralisch begründeten Bewegungen, die Sklaverei abzuschaffen. Was es gab, waren räumlich begrenzte Sklavenaufstände, die jedoch sämtlich früher oder später niedergeschlagen wurden, und sich nicht grundsätzlich gegen die Sklaverei als Institution richteten. Den aufständischen Sklaven ging es alleine um ihre eigene Freiheit. Als Beispiel mag der bekannte Sklavenaufstand der sog. Zandsch dienen:


Auch hier ging es den Aufständischen alleine um ihre eigene Freiheit, manche der (zunächst erfolgreichen) Aufständischen gingen sogar selbst zur Sklavenhaltung über.

Das macht die von Europa ausgehende grundsätzliche Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei so einzigartig. Leider wird diese epochale europäische Leistung gegenwärtig praktisch nicht gewürdigt. Im Gegenteil: betont wird von der sog. "antikolonialistischen Linken" alleine die Schuld der Europäer am atlantischen Dreieckshandel, ohne die weltweite Sklavenhaltung durch außereuropäische Gesellschaften in irgendeiner Weise zu thematisieren. Es kann jedoch gesagt werden, ohne in irgendeiner Weise zu übertreiben:

ohne die europäischen Bewegungen der Aufklärung und der industriellen Revolution würde die Sklaverei als weltweite Institution noch heute bestehen.

Wer anderes behauptet, möge darlegen, welche außereuropäischen grundlegenden Bewegungen zur Abschaffung der Sklaverei (und anderer Formen institutionalisierter Formen von Unfreiheit und Zwangsarbeit) es in der Geschichte gegeben hat.
 
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Zum obigen Beitrag noch einige Literaturangaben:

Eric Williams - Capitalism and Slavery (1944)
David Brion Davis - The Problem of Slavery in the Age of Revolution (1975, Grundlegende Analyse der moralischen und politischen Bewegungen des 18. Jahrhunderts).
Seymour Drescher - Abolition: A History of Slavery and Antislavery (2009, Umfassender Überblick über die Abolitionismusbewegungen in Großbritannien, Frankreich und Amerika).
Immanuel Kant - Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785, Kants kategorischer Imperativ, insbesondere die zweite Form).
John Locke - Two Treatises of Government (1689, Theorie der natürlichen Rechte und der individuellen Freiheit).
Jean-Jacques Rousseau - Du Contrat Social (1762, Idee der legitimen Herrschaft durch Zustimmung der Beherrschten, Grundlage für universale Gleichheit).
David Brion Davis - Slavery and Human Progress (1984, philosophische Einordnung der moralischen Revolution, die zur Abschaffung der Sklaverei führte).
William Wilberforce - Real History of the Abolition of the Slave Trade (verschiedene Schriften,19. Jahrhundert, Primärquellen eines führenden britischen Abolitionisten).
Catherine Hall, Nicholas Draper - Legacies of British Slave-ownership (2014, Untersuchung der sozialen, politischen und ökonomischen Nachwirkungen des britischen Sklavenhandels.
Philip D. Curtin - The Rise and Fall of the Plantation Complex (1990, Strukturelle Ursachen der Sklaverei und deren Transformation durch ökonomische und technologische Entwicklungen).
 
Dann, im 18. Jahrhundert, kamen mit der Aufklärung und der Empfindsamkeit zwei bedeutende (und im Falle der Aufklärung epochale) Strömungen auf, die Auffassung daß Mitgefühl und Mitleid moralische Autorität besitzen, breitete sich aus. Dies führte zu einem neuen moralischen Maßstab: Kein Mensch darf Mittel zum Zweck anderer sein.
Ein solcher Maßstab hätte auch die sich herausbildende kapitalistisch organisierte Wirtschaftsordnung unterminiert, insofern "Mittel zum Zweck" ja erstmal lediglich vorraussetzte, dass ein Menschen in irgendeiner weise die faktische Verfügungsgewalt über einen anderen hat, was de facto auch bei wirtschaftlicher Abhängigkeit der Fall sein kann.
So weit, das so umfassend zu fassen, ging das 18. Jahrhundert aber nicht, das wäre dann eher nahm am Denken von Karl Marx 100 Jahre später.

Für die Diskussionen der europäischen Aufklärung ist vor allem auch wichtig, dass die Sklaverei als Form unfreier Arbeit thematisch sehr eng mit der Leibeigenschaft verzahnt war, die im Hinblick auf Europa den eigentlichen Schwerpunkt der Auseinandersetzung bildete weil das anders als die Sklaverei, die in Europa selbst zwar vorkam, aber eher ein Randphänomen war, ein Massenphänomen war.
Ich würde dazu neigen die Auseinandersetzung um die Sklaverei in Europa (in Amerika ist das zum Teil anders) vor allem als ein Nebenprodukt um Diskussionen anderer Formen unfreier Arbeit, wie Leibeigenschaft oder den Grundherren geschuldete Scharrwerkspflichten/Hand- und Spanndienste zu verstehen, dass in der Verhandlung um die Abschaffung der letzteren unweigerlich mit auf die Tagesordnung kommen musste.

Ein Großteil der europäischen Aufklärer und Personen, die sich gegen unfreie Arbeit einsetzten hatten relativ wenig persönliche Berührungspunkte mit der Sklaverei, aber viele mit den in Europa üblichen Formen unfreier Arbeit.

Kein Mensch darf Mittel zum Zweck anderer sein. Dies war der eigentliche moralische Sprengsatz, der die Sklaverei ideologisch untergrub. Parallel dazu veränderte sich die Wirtschaft grundlegend. Die Industrialisierung machte Arbeit in Fabriken in vielen Bereichen effizienter als Arbeit mit Sklaven oder Leibeigenen. Freie, bezahlte Arbeitskräfte waren flexibler einsetzbar und wirtschaftlich oft sogar produktiver. Der sich immer stärker durchsetzende Kapitalismus ersetzte Zwangsarbeit zunehmend durch Lohnarbeit. Der erste große Durchbruch fand in Großbritannien statt
Auch dem würde ich widersprechen, zummindest so weit es Europa betrifft, weil Sklaven in Europa im Gegensatz zu Leibeigenen und Hörigen keinen signifikanten Anteil an Arbeitskräften stellten.
Sklaven waren vor allem in den Kolonien als Arbeitskräfte bedeutend, aber in denen kam die Industrialisierung wenn überhaupt, erst sehr viel später an.
Der zweite Punkt hierbei ist, dass die feststellung, dass kapitalistische Strukturen zwar zunehmend die Zwangsarbeit ersetzten, aber der Begriff "Kapitalismus" dann weiter gefasst werden müsste, als mehr oder weniger als Synonym zur Industrialisierung.

Was in Europa die unfreie Arbeit oder zmmindest erstmal die Leibeigenschaft weitgehend überflüssig machte, war nicht so sehr das Aufkommen von Industrie, sondern mehr die Agrarrevolution des 18. Jahrhunderts die zu massiven Rationalisierungen des landwirtschaftlichen Systems und massiven Ertragssteigerungen führte, so dass zunehmend über eigene Bedürfnisse hinaus für überregionale Märkte produziert werden konnte.

Hierbei muss verstanden werden, dass die Leibeigenschaft nicht einfach nur eine wirtschaftliche Ausbeutungsbeziehung zwichen dem Herren und dem Leibeigenen war, sondern eine komplexe Sozialbeziehung, die den Herren auch dazu verpflichtete seine Leibeigenen in Notzeiten (und die konnten auch wirtschaftlich bedingt sein) zu unterstützen.
Das bedeutet, dass Leibeigenschaft für die Herren nicht immer unbedingt dauerhaft profitabel war, weil zu viele Leibeigene auf zu wenig Land verteilt natürlich bedeutete, dass die Anstrengungen zur Versorgung aller groß ausfallen konnten, wenn die Zeiten entsprechend schlecht waren.

Für den Umbruch der landwirtschaftlichen Strukturen dürfte aber vor allem entscheidend sein, dass sich der Status der Schlüsselressource zur Entwicklung einer auf monetären Gewinn ausgerichteten Landwirtschaft zunehmend von der menschlichen Arbeitskraft weg hin zum Boden selbst entwickelte (was mit Ertragsstigerungen durch verbesserte Anbautechniken, neue Kulturpflanzen etc. zu tun hat), und vor allem auch, dass sich im Militärwesen zunehmend stehende Heere durchsetzten und die alten Lehensaufgebote und damit auch die Gefolgschaftspflichten der Grundbesitzer als Vasallen der Fürsten sich endgültig auflösten, bzw. durch Geldabgaben ersetzt wurden (was im Prinzip bereits im Spätmittelalter anfängt, aber ein längerer Prozess ist).
Dementsprechend gab es in weiten Teilen Europas auch einen gewissen Druck von oben auf ökonomisch rationalere Modelle der Landwirtschaft umzustellen, um die Steuer- und Abgabenfoderungen begleichen zu können, während das Stellen von Personal für fürstliche Auseinandersetzung faktisch seine Bedeutung verloren hatte.

Der erste große Durchbruch fand in Großbritannien statt:

1772: Ein englisches Gericht erklärte in einem berühmten Urteil (Somerset Case), dass Sklaverei auf englischem Boden unrechtmäßig sei.
1787: Gründung der „Society for Effecting the Abolition of the Slave Trade“ - die erste große Menschenrechtsbewegung der Geschichte.
1807: Verbot des Sklavenhandels im gesamten Britischen Empire.
1833: Vollständige Abschaffung der Sklaverei im Empire.

Hier spielten protestantische Quäker, Evangelikale und frühe Menschenrechtler (Wilberforce u. a.) eine bedeutende Rolle. Großbritannien konnte diese Haltung später mit Hilfe seiner Seemacht weltweit durchsetzen, britische Kriegsschiffe fingen Sklavenschiffe auf allen Ozeanen ab.
Hier muss aber verstanden werden, dass im Besonderen in England (das betrifft nicht automatisch auch Schottland und Irland), die Abschaffung unfreier Arbeit bereits deswegen relativ einfach funktionierte, weil sie im Vergleich zu anderen Teilen Europas ohnehin kaum eine Rolle gespielt hatte.
England war, schon klimatisch bedingt nicht unbedingt ein klassisches Agrarland, dass auf diesem Sektor (und vorwiegend in der Landwirtschaft fand unfreie Arbeit ja statt), traditionell besonders konkurrenzfähig gewesen wäre.
Natürlich hatte auch in England Grundbesitz ein hohes Maß an Sozialprestige und Grundbesitzer waren natürlich erstmal Grundsätzlich daran interessert, dass andere Personen von ihnen abhängig waren und ihnen Arbeitsleistungen schuldig waren. Allerdings waren Agrarier im Gegensatz zu vielen anderen Gebieten Europas in Großbritannien nicht unbedingt, die ökonomisch stärkste und einflussreichste Gruppe, dazu entwickelten sich spätestens seit dem ausgehenden Mittelalter eher die Händler und erst recht, nachdem durch die Anfänge des Kolonialreiches Zugriff auf außereuropäische Waren gegeben war, für die in Europa selbst keine einheimische Produktion als Konkurrenz gab.

Außerdem bestand in England, nach dem Ende des 100-Jährigen Krieges, allerspätestens aber nach der Personalunion zwischen England und Schottland unter der Stuart-Dynastie im Prinzip kaum noch die Notwendigkeit zur Aufstellung von großen Heeren und Englands Kriege fanden seit dem weitgehend zur See statt, was bedeutet, dass die gesamte Seefahrt und ihre Ressourcen als Stütze der englischen Macht kritischer wurde, als das Anzapfen der landgebundenen Ressourcen, was Seefahrt und Handel nochmal aufwertete.

Hinzu kommt natürlich, dass Schiffbau und Seefahrt insgesamt durchaus relativ personalintensiv waren, so dass in Großbritannien (und auch in anderen Gegenden, für die Schiffbau und Seemacht bedeutsam waren, wie den Niederlanden und Venedig) schon vor der Industrialisierung große Unternehmungen entstanden, die ein gewisses Nachfragepotential an freien Arbeitern hervorriefen.

Dementsprechend erlebten England und auch andere Regionen Westeuropas, die urbaner geprägt und mehr vom verarbeitenden Gewerbe als von der Landwirtschaft geprägt oder im großen Stil in den Handel eingebunden waren in der frühen Neuzeit eine andere Entwicklung, was unfreie Arbeit angeht, als die Agrargebiete, insofern Leibeigenschaft hier nach dem Spätmittelalter mehr oder weniger verschwand (im Gegensatz zu den Gebieten östlich der Elbe, wo sie nach dem Ende des Mittelalters ansteigt und im 17. und 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreicht) und in der Regel allenfalls noch Rudimente der Feudallasten, wie geschuldete Dienste blieben, während es aber keine vollständige persönliche Unfreiheit inklusive Schollenbindung mehr gab.
 
Der entscheidende Wandel war nicht nur politisch, sondern semantisch und moralisch. Sklaverei wurde nicht länger als eine legitime soziale Ordnung verstanden, sondern als Verbrechen gegen die Menschheit. Diese Verschiebung beruhte auf neuen, universalen Begriffen, der„Menschheit“ als moralischer Einheit, der „Menschenrechte“ als angeborener Würde, und der „Freiheit“ als Grundwert, nicht als Privileg. Dies war die Geburt der modernen Moral- und Menschenrechtsordnung.
Ich würde sagen, praktisch betrachtet lag die entscheidende Wende zur Abschaffung unfreier Arbeit nicht in Verschiebungen von Werteordnungen, sondern in ihrer abnehmenden wirtschaftlichen Relevanz und darin, dass sie in vielen Bereichen schlicht drohte zu einem Zuschussgeschäft zu werden, weil im Besonderen von saisonalen Schwankunen betroffenen Wirtschaftszweigen es schlicht viel billiger war, saisonal mehr Arbeitskräfte einzustellen und sie nach Ablauf der Saison wieder zu entlassen, als dauerhaft Sklaven oder Leibeigene zu versorgen, auch in Phasen, in denen die produktive Arbeit ruht, weil die Jahreszeiten es nicht anders zulassen, oder Konjunkturschwankungen zu Nachfrageeinbrüchen führen.

Natürlich ist es schöner Geschichten von sich wandelnden Werteordnungen zu erzählen, aber die Realität dürfte vielfach prophaner sein.

In Europa, wo die Sklaverei keine besondere wirtschaftliche Bedeutung hatte und die Fragen eher um die Leibeigenschaft und Rudimente der Feudallasten gingen, war die Abschaffung der Sklaverei möglicherweise (wenn man sie nicht als Nebenprodukt der Abschaffung der Leibeigenschaft und der Grunduntertänigkeit betrachten möchte, wofür ich aber nach wie vor plädieren würde) durchaus zu einem gewissen Grad moralgetrieben.

In den Vereinigten Staaten war sie es nicht. Da war die Abschaffung der Sklaverei am Ende de facto eine Kriegsmaßnahme. Abolitionisten, die für die Abschaffung geworben hatten, hatte es vor dem Bürgerkrieg natürlich gegeben, aber die waren nichtmal in den sklavenfreien Staaten im Norden wirklich mehrheitsfähig.
Selbst da herrschte außerhabl der abolitionistischen Kreise ja mehr oder weniger die Auffassung, dass die Sklaverei vielleicht moralisch falsch war, für das wirtschaftliche Überleben des Südens aber notwendig sei und deswegen weiterbestehen müsse.
Wäre die Sklaverei in den Südstaaten nicht durch den Bürgerkrieg zu einer strategischen Frage geworden, mit der sich die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Kriegsgegners unterminieren ließen, hätte die möglicherweise Bestand gehabt, bis sie irgendwann wegen mangelnder Rentabilität von ihren Betreibern selbst aufgegeben worden wäre.

Zur gleichen Zeit wurde die Aufklärung immer wirkmächtiger und lieferte den philosophischen Unterbau: John Locke und später Immanuel Kant erklärten Freiheit zum Naturrecht, Rousseau formulierte die Idee, dass Herrschaft nur durch Zustimmung der Beherrschten legitim sei. Anknüpfend an diese Ideen erhoben die französische und amerikanische Revolution „Freiheit“ und „Gleichheit“ zu politischen Grundwerten. Diese Denker forderten zwar Bürgerrechte in Europa oder teilweise in Nord -amerika, und nicht sofort in kolonisierten Gebieten, aber ihre Ideen wirkten universalistisch: die Auffassung, daß „alle Menschen sind frei und gleich“ seien, schuf ein Argument, das sich langfristig nicht einschränken ließ. Der Satz aus der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung („Allmen are created equal“) wurde zum moralischen Sprengstoff gegen die eigene Institution der Sklaverei.
Naja, aber John Locke erklärte ja neben der Freiheit auch das Eigentum zum Naturrecht.
Gerade auf die Ideenwelt Lockes wurde bei der Erklärung der Unabhängigkeit und der Ausarbeitung der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika ja ausgiebig Bezug genommen.
Aber mit Locke, konnte man in Güterarbwägung zwischen Freiheit und Eigentum, je nach eigenem Gusto für oder gegen die Sklaverei votieren.

Wenn du dir in den Vereinigten Staaten das Dread-Scott-Urteil von 1857 anschaust, siehst du, dass in den Vereinigten Staaten der oberste Gerichtshof des Landes, in Abwägung genau dieser Frage zu Gunsten des Eigentums entschied, damit die Sklaverei als rechtens sanktionierte.
Und das war auch insofern keine Einzelentscheidung, als dass regierungsseitig ja auch mit dem Fugative-Slave-Act die Sklaverei so stark gemacht wurde, dass sie teilweise der Gesetzgebung der sklavenfreien Bundesstaaten ("free soil") übergeordnet wurde und auch sklavenfreien Staatslegislaturen verbot in das Eigentum der Sklavenhalter durch Befreiung von Sklaven auf ihrem Territorium einzugreifen.

Das war 150 Jahre nach John Locke, fast 100 Jahre nach Rousseau und noch immerhin 50 Jahre nach Kant.

Der direkte Impact dieser Schriften hielt sich also je nach Region durchaus in Grenzen. Ideengeschichtlich mag man da eine entsprechende Kontinuität sehen, die Frage ist aber, wurde das von einer kritischen Masse an Zeitgenossen überhaupt zur Kenntnis genommen?

Was den Satz "All men are created equal" angeht, der enthielt eigentlich nicht soooo viel Sprengstoff, weil den eigentlich niemand in seiner ganzen Tragweite ernst nahm.
Selbst unter den Abolitionisten in den Nordstaaten um die Mitte des 19. Jahrhunderts herum, die selbst schon eine gesellschaftliche Minderheit darstellten, war nur ein kleiner Teil dazu bereit befreiten Sklaven tatsächlich auch volle Bürgerrechte zuzugestehen.

Insofern die meisten dazu aber nicht bereit waren, konnten sie sich auf den Satz zur Rechtfertigung des Verbots der Sklaverei aber nicht berufen, weil ein Geltendmachen dieser Forderung es verunmöglicht hätte den Sklaven bürgerliche und politische Rechte weiter vorzuenthalten.
 
Zusätzlich begann sich die Welt im späten 18. Jahrhundert grundlegend ökonomisch zu verändern. Die Industrialisierung, beginnend in Großbritannien, machte Lohnarbeit, Maschinenkraft und Mobilität zunehmend effizienter als Zwangsarbeit. Die Kohle und -Eisenindustrie verdrängte die agrarische Wirtschaftslogik, auf der Sklaverei beruhte, und der Welthandel verlagerte sich von Rohstoffen auf Industrieprodukte. Zwangsarbeit passte in dieses System immer weniger hinein, Lohnarbeit, also freie Vertragsarbeit, wurde zur effizienteren, flexibleren Form der Arbeitsorganisation. Es könnte mit einigem Recht gesagt werden: der Kapitalismus überwand die Sklaverei sowie die Leibeigenschaft nicht aus reiner Moral, sondern weil freie Menschen, die gegen Lohn arbeiteten, flexibler und effizienter eingesetzt werden konnten.
Wie gesagt, in Europa selbst, wo es kaum Sklaverei gab und wo Sklaverei keinen bedeutenden Teil der Arbeitskräfte stellte, konnte sie als dominante oder bedeutende Wirtschaftsform nicht verdrängt werden, weil sie es nie gewesen war.
Was in Europa eine Rolle spielte, war die Leibeigenschaft die aber wurde spätestens seit dem 18. Jahrhundert durch die Agrarrevolution, das Handeln der absolutistischen Monarchen und die Napoléonik weitgehend abgebaut.

Richtig harte Leibeigenschaft mit allem was dazu gehörte, gab es als die Industrielle Revolution auf dem europäischen Festland, so ab den 1820er und 1830er Jahren anfing Fahrt aufzunehmen im Grunde nur noch in Russland, was Nord- und Mitteleuropa angeht.
Wie genau das auf der iberischen Halbinsel, in Süditalen und im Osmanischen Reich aussah, da bin ich gerade nicht sicher, aber in Westweuropa von Großbritannien und Frankreich bis zur Elbe, war das, als die Industrialisierung losging de facto schon nicht mehr vorhanden und in den meisten anderen mitteleuropäischen Territorien, war es bereits durch die Grunduntertänigkeit ersetzt worden oder weitgehend abgebaut worden, so dass ggf. noch "Hand- und Spanndienste" eingefordert wurden, es aber keine persönliche Unfreiheit mehr gab.

In den USA könnte man sagen, dass die Industrialisierung insofern eine zweispältige Entwicklung darstellte, dass sie im Norden dazu beitrug die Sklaverei abzubauen, während die sie im Süden aber stabilisierte und verfestigte.

Die Baumwollwirtschaft im Süden der Vereinigten Staaten, die das Gros der Sklavenarbeit ausmachte, wäre ohne die Industrialisierung in diesem Ausmaß gar nicht denkbar und sinnvoll gewesen, weil ohne mechanisierte Textilproduktion im industriellen Maßstab und ohne mechanische Möglichkeiten zur Entkernung der abgernteten Baumwolle solche Mengen an Baumwolle überhaupt nicht zu verarbeiten gewesen wären und schon überhaupt nicht zu moderaten, konkurrenzfähigen Preisen.
Hätte es die hierdurch erzeugte Nachfrage aber nicht gegeben, hätte das Bedürfniss an einem entsprechend großen Sklavenheer zum Betreiben dieser Wirtschaftsform genau so gefehlt, wie auf Seiten der Pflanzer das Kapital um überhaupt entsprechende Güterkomplexe und Sklavenbestände aufzubauen.

Insofern verdrängte die aufstrebende Industrie Formen unfreier Arbeit an ihrem Standort und in ihrem Einzugsbereich aus dem sie ihre Arbeitskräfte bezog.
Sie konnte aber auch den Effekt haben in anderen Teilen der Welt, wo sie nicht vorhanden, mit denen sie aber über Wirtschaftsbeziehungen verbunden war, Nachfrage nach unfreier Arbeit zu schaffen, wenn es um die Rohstoffproduktion ging.

Ökonomische Rationalität und moralisch-religiöse Bewegung verstärkten sich jedoch gegenseitig, und machten den Schritt weg von der Sklaverei letztendlich praktisch möglich. Alle vier Strömungen (religiöse Gewissensbewegung, philosophischer Universalismus, ökonomischer Wandel und politisch-mediale Öffentlichkeit) überlappten sich in etwa um 1800, es entstand ein historischer „Resonanzraum“, in dem sich eine moralische Idee plötzlich als handlungsfähig erwies.
Aber im Bezug auf die Sklaverei nur da, wo sie kaum praktische Relevanz als Wirtschaftsmodell hatte, abgesehen vom Handelssektor.

Wobei hier zu fragen wäre: Lagen der Unterbindung des Sklavenhandels möglicherweise auch noch andere Motive zu Grunde, die einfach auf Konkurrenzvermeidung zielten?

Damit den transatlantisschen Sklavenhandel zu verbieten und tatsächlich ihre Marine dafür einzusetzen das zu unterbinden, trafen die Briten ja vor allem auch die noch bestehenden französischen und spanischen Kolonialreiche, die zufällig in den Koalitions- und teilweise Napoléonischen Kriegen Kriegsgegner Großbritanniens waren.

Und auch hier könnte man argumentieren, dass das Verbot erst der ökonomischen Entwertung folgte.

Ein Großteil der Plantagenwirtschaft im karibischen Raum bestand ja aus Zuckerrohranbau und der wurde mit dem Aufkommen von Rübzucker zwar nicht auf einen Schlag unrentabel, aber mit der Gewinnung aus Rüben entfiel jedenfalls die Möglichkeit mit dem Zuckerrohr Höchstpreise zu erzielen und die ökonomische Bedeutung für den Außenhandel fiel.

Vorherige Gesellschaften kannten Empathie, Gerechtigkeitsvorstellungen und auch Sklavenbefreiungen, aber sie waren partikulär, nicht universal. Der entscheidende Durchbruch kam, als zum ersten Mal in der Geschichte der Begriff des Menschen selbst universal gedacht wurde.
Inwiefern kann man denn im 19. Jahrhundert von universeller Empathie sprechen?
Das 19. Jahrhundert ist zwar das Jahrhundert der Abschaffung der Sklaverei, es ist aber auch mindestens in seiner zweiten Hälfte das Jahrhundert des krassen (pseudo)biologischen Rassismus, der bis zur Entmenschlichung ging und die Blütezeit des Kolonialismus/Imperialismus.

Schaut man sich die Abolitionisten in den Vereinigten Staaten an, so wollten die zwar die Emanzipation der Sklaven aus ihrer Unfreiheit, die meisten wollten den Sklaven aber keine Bürgerrechte zubilligen und ein (wenn auch eher kleiner) Teil der Abolitionisten war grundsätzlich dagegen, befreite Afro-Amerikaner in den USA und ihrer Gesellschaft zu behalten, sondern sie ganz im Sinne von Rassentrennung, auf die Antillen oder nach Afrika zu verfrachten und sie dort anzusiedeln.
Der westafrikanische Staat "Liberia" ist unter US-Amerikanischer Protektion eingens dafür errichtet worden, um die "Rückführung", afroamerikanischer Sklaven nach Afrika zu ermöglichen und Abwanderung derselben explizit zu ermutigen.

Ist das "universale Empathie"? Weiß ich nicht. Ich würde das nicht so nennen.
Ich würde meinen die Motivation zur Abschaffung der Sklaverei lag, besonders in den USA, wo die Sklaverei tatsächlich relevant war in 3 Dingen:

1. Ihrer zunehmenden ökonomischen Bedeutungslosigkeit (Nordstaaten)
2. Kriegsmaßnahme
3. Bedürfnis unter den Staaten, die die Sklaverei bereits abgeschafft hatten und das moralisch zur Schau trugen nicht als Paria darzustellen. Insofern würde ich hinterfragen, inwiefern eine Ideologische Motivation, sofern sie dahinterstand tatsächlich den eigenen Ansichten entsprach oder mehr der Moral anderer Akteure mit der man nicht kollidieren wollte.

In Europa, wie gesagt, sehe ich die Aufhebung der Sklaverei vor allem als Nebenprodukt um die Auseinandersetzung um die Leibeigenschaft. Wenn man die Leibeigenschaft abschaffte, weil man Zwangsarbeit nicht mehr für angemessen hielt, musste damit logisch auch die Sklaverei fallen.

Meinen Ausführungen kann entnommen werden, daß die (weitgehende) Abschaffung der Sklaverei, und anderer Formen der organisierten, institutionalisierten Unfreiheit und Zwangsarbeit, alleine von Europa ausging. Es gab vorher in der Geschichte keine anderen grundsätzlichen, religiös-moralisch begründeten Bewegungen, die Sklaverei abzuschaffen.
Aber die Frage ist, war es unbedingt ein Erfolg dieser Bewegungen?

Wenn man vorraussetzt, dass die Sklaverei in Europa ein eher unbedeutendes Thema war, weil sie kaum vorkam, während der bedeutende Problemkomplex und der Transmissionsriemen zur Emanzipation die Leibeigenschaft war, könnte man provokant formulieren, dass sich die formale Abschaffung der Sklaverei in weiten Teilen Europas eher zufällig, als als Produkt, des durchschlagenden Erfolges einer Anti-Sklaverei-Lobby ergab, während das in den USA schlicht und einfach eine Kriegsmaßnahme war.
Es gab die Sklavereigegner. Aber sie hatten kleine Mittel ihre Intentionen tatäschlich durchzusetzen, bis die Südstaaten den Fehler machten ihre Abspaltung zu erklären und Krieg zu suchen.
Auch hier ging es den Aufständischen alleine um ihre eigene Freiheit, manche der (zunächst erfolgreichen) Aufständischen gingen sogar selbst zur Sklavenhaltung über.
Naja, man könnte jetzt sagen, dass war z.B. in den USA auch so. Man erstritt die eigene Freiheit gegenüber der englischen Monarchie, deswegen dachten die Sklavenhalter im Süden aber nicht im Traum daran, dass auch ihre Sklaven ein Recht auf Freiheit haben könnten.
Auch das war nicht universell.

Wenn wir über tatsächlich universelle Rechte als Maßstab, nicht nur auf dem Papier, sondern in der gelebten politischen Wirklichkeit reden, dann sind wir in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und dem Abbau der rassistischen Beschränkungen und Strukturen, die die Rechte vieler ehemaliger Sklaven de facot bis hierhin eingeschränkt hatten.
 
Im Gegenteil: betont wird von der sog. "antikolonialistischen Linken" alleine die Schuld der Europäer am atlantischen Dreieckshandel, ohne die weltweite Sklavenhaltung durch außereuropäische Gesellschaften in irgendeiner Weise zu thematisieren.
Die Sklavenhaltung außerhalb dessen ist für den Dreieckshandel selbst auch nicht von Belang, da fängt dann der Whataboutism an.

Das es Sklaverei in Afrika gab, half das System des Dreieckshandels aufzubauen. Aber betrieben wurde dieser Handel von den Europäern und nur von den Europäern. Die Afriker oder arabsichen Sklavenhändler verschifften keine Sklaven über den Atlantik um sie dort kommerziell in der Plantagenwirtschaft einzusetzen.
insofern ist der Befund, die Europäer als alleinverantwortlich für den Dreieckshandel zu sehen zutreffend, ohne sie, wäre er nicht unternommen worden.
Vielleicht nicht, weil andere Akteure moralische Skrupen davor gehabt hätten, jedenfalls aber weil ihnen die Fähigkeiten dazu fehlten, jedenfalls was den Atlantik betrifft (der indische Ozean ist eine andere Angelegenheit).

jedoch gesagt werden, ohne in irgendeiner Weise zu übertreiben:

ohne die europäischen Bewegungen der Aufklärung und der industriellen Revolution würde die Sklaverei als weltweite Institution noch heute bestehen.
Das ist nun rein spekulativ und durch nichts untermauert.

Wer anderes behauptet, möge darlegen, welche außereuropäischen grundlegenden Bewegungen zur Abschaffung der Sklaverei (und anderer Formen institutionalisierter Formen von Unfreiheit und Zwangsarbeit) es in der Geschichte gegeben hat.
Vielleicht solltest du zunächst belegen, dass moralisch/ideologisch motivierte Bewegungen überhaupt die entscheidende Rolle spielten und nicht die Produktionssteigerung, die unfreie Arbeit erst verzichtbar machte und sinnvolle Debatten über deren Abschaffung ermöglichte ohne damit direkt in den ökonomischen Suizid zu steuern?

Wenn nämlich die materielle Entwicklung, die evidentermaßen auch in anderen Erdteilen zumindest möglich war die Gelegenheit zu Debatten hierüber aufstieß, konnte die Abschaffung unfreier Arbeit im Prinzip von jedem Gebiet ausgehen, in dem sich die ökonomischen Verhältnisse dergestalt verschoben, dass es wirtschaftlich gangbar wurde.

Insofern wäre es eher als zufällig zu bezeichnen, dass das von Europa ausging.

Man sollte auch was Europa angeht nicht übersehen, dass mit der Welle des Hochimperialismus in der 2. Hälfte des 19. jahrhunderts die Kolonialmächte Formen de facto unfreier Arbeit zuließen, die im Mutterland längst geächtet wurden.

Das sie das taten, spricht nicht unbedingt für die Wirkmächtigkeit von Moral und ideengeschichtlichen Implikationen, sondern dafür, dass man tatsächlichen oder eingebildeten wirtschaftlichen Notwendigkeiten folgte und dementsprechend zur Anzapfung von Ressoursen in Gebieten, die für moderne kommerzielle Produktion nicht die nötige Infrastruktur und Ressourcen aufwiesen, ganz schnell wieder auf die alten Methoden erzwungener Arbeit zurückkam, nur ohne das so zu nennen.
 
Nun, tatsächlich besteht heute noch Sklaverei—und vornehmlich dort, wo die Werte der Aufklärung die geringste Eindringtiefe entfaltet haben: in ultraorthodoxen islamischen Staaten, außerdem in Diktaturen wie Nordkorea.
Das mag sein und bestreite ich ja gar nicht, ist aber keine Antwort auf die Frage, die ich an die These des Users gestellt hatte.

Sind denn die Werte der Aufklärung Anstoßgeber des Wandels oder, genau wie die Abschaffung der unfreien Arbeit ihr Produkt?

Gemeinhin, und hier appelliere ich ausdrücklich an den Pessimisten, sind doch Aufnahmen bestimmter Glaubessätze und Wertvorstellungen in den eigenen Wertekanon vor allem dann wahrscheinlich, wenn sie nichts kosten oder ihre Nichtadaption mit Nachteilen verbunden ist, während eine Adaption hochgradig unwahrscheinlich ist, wenn sie mit Kosten und Mühen verbunden ist.

Die Bevölkerung der USA am Beginn des 19. Jahrhunderts, hatte weitgehend einen ähnlichen Hintergrund. Das waren Leute von den britischen Inseln, und in Minderheiten aus den Niederlanden und dem Heiligen Römischen Reich. Die kamen alle aus dem gleichen westeuropäischen Topf, waren aus Gesellschaften in deren Oberschicht die Ideen der europäischen Aufklärung vertreten waren und hatten weitgehnd ähnliche religiöse Ansichten, die in der Regel irgendwo auf das Spektrum der protestantischen Glaubensrichtungen des Christentums rekurrierten.

Obwohl man also durchaus annehmen könnte, dass die weitgehend ähnliche Wertevorstellungen hatten, die durch die Ideen der Aufklärung, die sich ja auch in der US-Verfassung teilweise wiederspiegelten, jedenfalls beeinflusst gewesen sein dürfte (auch in den Südstaaten berief man sich ja gerne darauf, oder zummindest auf die eigene Interpretation davon), entwickelten Nord und Süd unterschiedliche Einstellungen zum Thema Sklaverei, sofern es die jeweils eigenen Territorien betrifft.

War hier, das mutmaßlich ähnliche Wertefundament handlungsleitend oder könnte es daran gelegen haben, dass im Norden durch die zunehmende Einwanderung stets genügend billige Arbeitskräfte zur Verfügung standen und sich Wirtschaftsmodelle, die dann auch mit der frühen Industrialisierung in Wechselwirkung standen, durchsetzen, die hochgradig von Konjunkturschwankungen abhängig waren, während im Süden die billigen Arbeitskräfte durch Einwanderung fehlten?


Und was Diktaturen wie Nordkorea betrifft:

Ich denke, wenn man sich ehrlich macht, ist am Ende auch der autoritäre Staatssozialismus ein Nebenprodukt der europäischen Aufklärung, der ist nämlich genuin auch in Europa entstanden.
Zwar in Russland, wo man jetzt behaupten kann, dass sei an das übrige Europa nur peripher angebunden gewesen, aber wenn man sich die Biographien der führenden Köpfe der Bolschewiki anschaut, dann waren das blöderweise einmal keine Hinterwäldler die die europäische Ideenwelt nicht kannten und rezipierten.
Ich würde mich so weit aus dem Fenster lehnen, zu behaupten, dass Lenins Konzept einer Modernisierungs- und Erziehungsdiktatur (wie übrigens vorrausgehend schon die gewaltsame Reformpolitik der russischen Zaren) durchaus Anleihen an das Konzept des "aufgeklärten Absolutismus" hat und Diktaturen, wie Nordkorea und China sind ein Stück weit Imitationen davon.
 
Im Gegenteil: betont wird von der sog. "antikolonialistischen Linken" alleine die Schuld der Europäer am atlantischen Dreieckshandel, ohne die weltweite Sklavenhaltung durch außereuropäische Gesellschaften in irgendeiner Weise zu thematisieren.
thematisiert wird das durchaus:
und daraus:
Seine Essays über den arabischen Sklavenhandel Le génocide voilé („Der verschleierte Völkermord“) und Étude de la traite négrière arabo-musulmane („Studie über den arabisch-muslimischen Sklavenhandel“) wurden für den Prix Renaudot 2008 nominiert.[1] N'Diaye vertritt die These, dass der orientalische Sklavenhandel, dessen Opferzahl er auf 17 Millionen beziffert, folgenschwerer war als der atlantische Sklavenhandel.
 
Ein erster, wenn auch langsamer Bruch kam durch das Christentum, das zwar Sklaverei lange tolerierte, aber den Gedanken einführte, dass alle Menschen vor Gott gleichwertig seien. Daraus wuchs später - besonders in protestantischen Bewegungen - das moralische Argument gegen die Sklaverei.
[...]
1772: Ein englisches Gericht erklärte in einem berühmten Urteil (Somerset Case), dass Sklaverei auf englischem Boden unrechtmäßig sei.
1787: Gründung der „Society for Effecting the Abolition of the Slave Trade“ - die erste große Menschenrechtsbewegung der Geschichte.
1807: Verbot des Sklavenhandels im gesamten Britischen Empire.
1833: Vollständige Abschaffung der Sklaverei im Empire.

Hier spielten protestantische Quäker, Evangelikale und frühe Menschenrechtler (Wilberforce u. a.) eine bedeutende Rolle. Großbritannien konnte diese Haltung später mit Hilfe seiner Seemacht weltweit durchsetzen, britische Kriegsschiffe fingen Sklavenschiffe auf allen Ozeanen ab.

Andere Länder folgten:

Frankreich: Abschaffung 1794 während der französischen Revolution, Wiedereinführung durch Napoleon 1802, endgültige Abschaffung 1848.
Lateinamerika: Nach den Unabhängigkeitskriegen schrittweise Abschaffung (meist bis 1850).
USA: Bürgerkrieg 1861–65, Abschaffung durch den 13. Verfassungszusatz (1865).
Brasilien: 1888 als letztes Land Amerikas.
Afrika / arabische Welt: formell erst im 20. Jahrhundert, teilweise sehr spät (Saudi-Arabien 1962, Mauretanien 1981).
Afrika und arabische Welt unter eines zu subsummieren, geht eigentlich nicht. Schon das subsaharauische Afrika lässt sich schwerlich unter eines subsumieren.

Oben wird die These vertreten, dass die Abolition insbesondere von protestantischen Kräften ausging. Oberflächlich betrachtet stimmt das, wenn man sieht, dass die ersten, die formal die Abschaffung der Sklaverei vorantrieben die Briten waren. Dann folgen aber Frankreich (katholisch) und "Lateinamerika" - gemeint ist Hispanoamerika, Brasilien kam erst später - (katholisch) und danach erst die wiederum (radikal-)protestantischen USA. Da müsste man schon mehr in die Tiefe gehen, um festzustellen, ob es da wirklich konfessionelle Unterschiede gab. Wenn ich an die Jesuiten denke, dann habe ich da einen relativ frühen Ansatz zur Befreiung vor der Sklaverei vor Augen, der aber anderswo bei Katholiken nicht so explizit zu finden ist. Die Jesuiten wurden schließlich in verschiedenen katholischen Ländern diffamiert und verfolgt.
Andererseits haben wir natürlich bereits bei den Bauernunruhen in Süddeutschland den Verweis auf die Herkunft aller Menschen von Adam und Eva (Als Adam grub und Eva spann - wo war denn da der Edelmann?). Aber es sind gerade protestantische Gruppen, die aus der Verfluchung der Nachkommen des Ham (eigentlich ja von dessen Sohn Kanaan) ein Recht ableiteten, afrikanische Menschen zu versklaven, da Ham und seine Nachfahren nach Süden gingen.
 
Das macht die von Europa ausgehende grundsätzliche Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei so einzigartig. Leider wird diese epochale europäische Leistung gegenwärtig praktisch nicht gewürdigt. Im Gegenteil: betont wird von der sog. "antikolonialistischen Linken" alleine die Schuld der Europäer am atlantischen Dreieckshandel, ohne die weltweite Sklavenhaltung durch außereuropäische Gesellschaften in irgendeiner Weise zu thematisieren. Es kann jedoch gesagt werden, ohne in irgendeiner Weise zu übertreiben:

ohne die europäischen Bewegungen der Aufklärung und der industriellen Revolution würde die Sklaverei als weltweite Institution noch heute bestehen.

Wer anderes behauptet, möge darlegen, welche außereuropäischen grundlegenden Bewegungen zur Abschaffung der Sklaverei (und anderer Formen institutionalisierter Formen von Unfreiheit und Zwangsarbeit) es in der Geschichte gegeben hat.

Ich gehe absolut d´accord mit der These, dass es ohne die Europäer und ohne die Bewegungen der Aufklärung, der Industriellen Revolution, ohne die großen Revolutionen, ohne die Amerikanische, Französische und die Industrielle Revolution niemals dazu gekommen wäre, dass die Institution der Sklaverei zu einem Anachronismus wurde, dessen Abschaffung sich langfristig im Laufe des 19. Jahrhunderts kaum noch aufhalten ließ.


Es hätte aber ohne die Europäer auch niemals den Transatlantischen Sklavenhandel und die Institution einer rassistisch motivierten Sklaverei gegeben. Es gab in Europa nichts, was dem gleichkam, es gab vielerorts noch Leibeigenschaft, es gab so etwas wie eine zeitlich begrenzte Schuldknechtschaft wie Indentured Servitude, aber eine solche Form der Sklaverei existierte in ganz Europa kaum noch irgendwo, und auch zwischen Sklaverei und Leibeigenschaft gab es beträchtliche Unterschiede, ein Leibeigener war und blieb eine rechtsfähige Person mit bestimmten Rechten.

Einzig und allein die Sachzwänge des frühen Kolonialismus, der Siegeszug von Agrarpflanzen wie Tabak und Reis, später der Siegeszug von "King Cotton" führte zur Form der Plantagen-Wirtschaft. Es wurden massenhaft billige Arbeitskräfte benötigt, und die waren nur in Afrika zu bekommen.

Einige der Gründungsväter der USA wie Thomas Jefferson hatten die Hoffnung, die Sklaverei werde sich von selbst erledigen. Ende des 18. Jahrhunderts waren die Böden in Maryland und Virginia ausgelaugt durch den Tabakbau, und viele der großen Plantagen in Georgia oder den Carolinas wurden teils mit afrikanischen Sklaven, aber auch in großem Stil mit weißen Indentured Servans bewirtschaftet.

Die Vorstellung, dass jeder Sklave ein Schwarzer und jeder Schwarzer ein Sklave sein musste, setzte sich in einem relativ kleinen Zeitraum durch. Nach dem Unabhängigkeitskrieg existierte Sklaverei noch legal im Staat New York und selbst in Massachusetts gab es Sklaven. Damals gab es auch noch schwarze Indentureds, und Weiße und Schwarze besuchten gemeinsam Tavernen. Eine Generation später, war das bereits ein Unding geworden.

Dazu trugen zwei Ereignisse bei: 1803 verdoppelten die USA ihr Territorium durch den Louisiana Purchase: Alabama, Louisiana und Missisippi wurden nach und nach Teil der Union. Etwa gleichzeitig erfand ein Yankee, Eli Whitney die sogenannte "Cotton-Gin", eine Baumwoll-Entkernungsmaschine wodurch die Produktivität eines Sklaven um das 50-Fache (!) gesteigert wurde. Es begann der Siegeszug von King Cotton, und natürlich war dann auch von Abschaffung der Sklaverei nicht mehr die Rede. Die Südstaateneliten investierten in mehr Land und noch mehr Sklaven.

Die Sklaven wurden nun nicht mehr in Afrika gefangen, sondern in den USA gezüchtet. Im Dred Scott-Prozess entschied der Oberste Gerichtshof, dass Schwarze keine Rechte besaßen, die zu respektieren sind, und durch den Fugitive Slave Act 1850 hörten die Nordstaaten mit einem Schlag auf, ein sicherer Hafen zu sein. Ein Sklave, der aus Virginia, Kentucky oder Maryland floh, der war nun nicht mehr in Ohio frei, sondern erst hinter der kanadischen Grenze. Tausende Afroamerikaner, selbst solche, die niemals Sklaven waren, wurden in den Süden verschleppt. Wenn jemand schwor: "Das ist mein ehemaliger Sklave von der XY-Plantage", konnte der Betroffene kaum etwas dagegen tun.

Waren die Abolitionisten um 1850 eine lächerliche Minderheit, für viele ein Synonym für "Troublemaker", so änderte sich durch den Fugitive Slave Act die öffentliche Meinung in den Nordstaaten.

Letztlich aber war die Sklaverei im 19. Jahrhundert ein Anachronismus geworden. Die Aufklärung war eine Bewegung, die grundsätzlich allen Menschen gewisse Grundfreiheiten zubilligte. Es war auch den Gründervätern der USA klar, dass es ein gigantischer Widerspruch zur Unabhängigkeitserklärung war. Wenn jeder Mensch das Recht auf Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück besaß, wie konnte man dann einer ganzen Gruppe von Menschen genau diese Rechte nehmen?

In Brasilien wurde die Sklaverei sozusagen schrittweise abgeschafft.
 
@Scorpio

"Ich gehe absolut d´accord mit der These, dass es ohne die Europäer und ohne die Bewegungen der Aufklärung, der Industriellen Revolution, ohne die großen Revolutionen, ohne die Amerikanische, Französische und die Industrielle Revolution niemals dazu gekommen wäre, dass die Institution der Sklaverei zu einem Anachronismus wurde, dessen Abschaffung sich langfristig im Laufe des 19. Jahrhunderts kaum noch aufhalten ließ".

"Letztlich aber war die Sklaverei im 19. Jahrhundert ein Anachronismus geworden. Die Aufklärung war eine Bewegung, die grundsätzlich allen Menschen gewisse Grundfreiheiten zubilligte. Es war auch den Gründervätern der USA klar, dass es ein gigantischer Widerspruch zur Unabhängigkeitserklärung war. Wenn jeder Mensch das Recht auf Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück besaß, wie konnte man dann einer ganzen Gruppe von Menschen genau diese Rechte nehmen?".

Das sind die Punkte, auf die es mir letztendlich ankommt. Und dies muss einfach wieder allgemein anerkannt werden. Es geht hier um historische Gerechtigkeit, aber auch um ein wichtiges, wenn nicht entscheidendes Stück europäischer Identität. Im Moment weht der Zeitgeist noch von ganz anderer Seite, im Zeichen von "Critical Whiteness", "Decolonization", "White Guilt" und ähnlicher ideologischer Kampfbegriffe.
 
Das sind die Punkte, auf die es mir letztendlich ankommt. Und dies muss einfach wieder allgemein anerkannt werden. Es geht hier um historische Gerechtigkeit, aber auch um ein wichtiges, wenn nicht entscheidendes Stück europäischer Identität.
@Stefan_Schaaf zweifelsohne. Betrachtet man isoliert die Geschichte der Sklaverei, so ist deren Abschaffung im Verlauf des 18. und 19. Jhs. der europäischen Kultur/Zivilisation zu verdanken - einer Kultur/Zivilisation, welche die Sklaverei nicht erfunden hatte, aber wirtschaftlich lange Zeit gehörig zu nutzen wusste in ihrer aggressiven kolonialistisch-imperialistischen Expansion, einer Kultur/Zivilisation, welche (Stichwort Frühkapitalismus) sich in technischem und wirtschaftlichen Fortschritt prosperierend der Sklaverei zugunsten der "Lohnsklaverei" bedienen konnte - - - aber statt dass ich in diese Richtung nun weiter abdrifte, will ich lieber auf den Umstand aufmerksam machen, dass das 18. & besonders das 19. Jh. von heute aus betrachtet eine Zeit unvereinbarer Widersprüche war. @Scorpio hat das sehr einleuchtend formuliert:
Es war auch den Gründervätern der USA klar, dass es ein gigantischer Widerspruch zur Unabhängigkeitserklärung war. Wenn jeder Mensch das Recht auf Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück besaß, wie konnte man dann einer ganzen Gruppe von Menschen genau diese Rechte nehmen?
Ein weiterer solcher gigantischer Widerspruch des 19. Jhs. ist: parallel zunehmende Rechtsstaatlichkeit (salopp formuliert), Abschaffung der Sklaverei - und der Kontrapunkt beginnender wissenschaftlicher Biologismus, Rassenlehre, Eugenik (Galston, Gobineau etc sind 19. Jh.). Verfeinerte Tischsitten bei den Buddenbrooks werden vom Totschläger im Pariser Slum kontrapunktiert (Th. Mann, E. Zola), Lalique Jugendstil parallel zu Stahlbeton"bunkern" usw. Das macht es einerseits schwierig, einen gerechten Blick auf diese Zeit zu werfen, andererseits machen diese Widersprüche es auch schwierig, ungetrübt eine der (vielen) Errungenschaften isoliert zu betrachten.
 
@dekumatland

"Einer Kultur/Zivilisation, welche die Sklaverei nicht erfunden hatte, aber wirtschaftlich lange Zeit gehörig zu nutzen wusste in ihrer aggressiven kolonialistisch-imperialistischen Expansion".

Ich weiß wirklich nicht, warum du dies so sehr herausstreichst. Expansion ist für Kulturen/Staaten normal, und dies verläuft in der Regel in aggressiver Form. Europa war da nicht anders als andere Weltgegenden auch. Das größte (zusammenhängende) Reich der Geschichte war das mongolische Weltreich. Wenn du Lust/Zeit hierfür hast, kannst du ja mal nachlesen, wie dieses Reich erobert wurde. Und was ist mit der islamischen Expansion? Die weitgehende islamische Eroberung Indiens, verlief die friedlich? Was bedeutet denn der Name "Hindukusch" (Die Herkunft des Namens Hindukusch wird, übersetzt als „Hindu-Mörder“, von dem Forschungsreisenden Ibn Battuta auf die zahlreichen Hindu-Sklaven zurückgeführt, die bei ihrem Weg von Indien nach Turkestan in diesen Bergen ums Leben kamen). Afghanistan und Pakistan waren einmal hinduistisch und buddhistisch geprägt. Jetzt sind sie praktisch zu 100% islamisch, ist aber sicherlich alles friedlich verlaufen! Und bevor du mir "whataboutism" vorwirfst: europäische Mächte werden hier schon anders angesehen und betrachtet als nichteuropäische. Als sei der Kolonialismus ein rein europäisches Phänomen, als hätten nichteuropäische Mächte niemals Imperialismus betrieben. Da wird schon mit verschiedenem Maß gemessen.
 
Ich weiß wirklich nicht, warum du dies so sehr herausstreichst.
Habe ich da irgendwas herausgestrichen, oder habe ich einige der Widersprüchlichkeiten des 18.-19. Jhs erwähnt? Und habe ich nicht deutlich gemacht, wie das zu verstehen ist?
Als sei der Kolonialismus ein rein europäisches Phänomen, als hätten nichteuropäische Mächte niemals Imperialismus betrieben.
das liest du in meinen Beitrag zwar hinein, aber das steht da nicht drin!
 
Meinen Ausführungen kann entnommen werden, daß die (weitgehende) Abschaffung der Sklaverei, und anderer Formen der organisierten, institutionalisierten Unfreiheit und Zwangsarbeit, alleine von Europa ausging. Es gab vorher in der Geschichte keine anderen grundsätzlichen, religiös-moralisch begründeten Bewegungen, die Sklaverei abzuschaffen. Was es gab, waren räumlich begrenzte Sklavenaufstände, die jedoch sämtlich früher oder später niedergeschlagen wurden, und sich nicht grundsätzlich gegen die Sklaverei als Institution richteten. Den aufständischen Sklaven ging es alleine um ihre eigene Freiheit. Als Beispiel mag der bekannte Sklavenaufstand der sog. Zandsch dienen:


Auch hier ging es den Aufständischen alleine um ihre eigene Freiheit, manche der (zunächst erfolgreichen) Aufständischen gingen sogar selbst zur Sklavenhaltung über.

Wir sollten die Haitianische Revolution 1791-1804 nicht unterschlagen. Das war, meines Wissens, der einzige erfolgreiche Sklavenaufstand, und er endete 1804 mit der Gründung des unabhängigen Staates Haiti. Die haitianische Revolution hatte auch Rückwirkungen auf die amerikanische Geschichte. Ein nicht unerheblicher Teil der Pflanzer-Aristokratie in Louisiana waren Kreolen, die früher Plantagen auf Hispaniola, Martinique und Guadeloupe besaßen. Auf Haiti waren vor allem Mischlinge, die mit ihren Herrn das Mutterland bereist hatten und Gedankengut der Aufklärung kennengelernt hatten, Träger der Revolution. Die Revolution begann aber damit, dass die Kreolen nach dem Vorbild der USA sich Repräsentation und Mitbestimmung in der Nationalversammlung wünschten. Da ging es dann um die Frage, wer repräsentiert werden sollte und wie weiß man dazu sein musste. Weiße Abolitionisten wie Jean Baptiste Chavannes verbündeten sich mit freien Schwarzen, stellten eine Truppe auf und probten den Aufstand, der niedergeschlagen wurde. 1791 erließ die Nationalversammlung einen Beschluss, der politische Rechte allen männlichen Einwohnern unabhängig von Hautfarbe und Herkunft garantierte und dafür nur ein Minimum an Eigentum voraussetzte. Dieser Beschluss wurde aber von den weißen Kolonisten blockiert und von der Verwaltung nicht umgesetzt. Im Norden Hispaniolas kam es zu einem erfolgreichen Sklavenaufstand unter Dutty Boukmann. 1792 erließ die Nationalversammlung ein Gesetz, das allen (Männern) Bewohnern der Kolonien die gleichen Rechte garantierte, und die Franzosen landeten mit 6000 Mann, um das gegen die Royalisten durchzusetzen. Nun betrat Toussant de L´Ouverture, der schwarze Napoleon" die Bühne. Er war Sohn eines Afrikaners aus Benin und war 1776 freigelassen worden. Toussant setzte sich in einem jahrelangen Bürgerkrieg durch, und es gelang ihm, bis 1798 Haiti zu erobern und gegen mehrere Landungsversuche der Franzosen und Briten zu halten. Toussant entwarf 1801 eine Verfassung Haitis. Unter Napoleon kam es zum endgültigen Bruch mit dem Mutterland. Bonaparte hatte die 1792 (?) abgeschaffte Sklaverei in den französischen Kolonien wieder eingeführt. Napoleon entsandte ein Korps von 6000 Mann, das Toussant gefangennahm und nach Frankreich schickte. Allerdings fehlte es an Unterstützung aus dem Mutterland und die Franzosen wurden blockiert von den Briten. Napoleon begrub seine kolonialen Pläne und verkaufte 1803 Louisiana an die USA. Die Franzosen mussten sich 1803 aus Haiti zurückziehen. 1804 wurde der Staat Haiti gegründet, er war der erste unabhängige Staat in Lateinamerika, und der erste, an dessen Gestaltung ehemalige Sklaven großen Anteil hatten.
 
Es kann jedoch gesagt werden, ohne in irgendeiner Weise zu übertreiben:

ohne die europäischen Bewegungen der Aufklärung und der industriellen Revolution würde die Sklaverei als weltweite Institution noch heute bestehen.

Wer anderes behauptet, möge darlegen, welche außereuropäischen grundlegenden Bewegungen zur Abschaffung der Sklaverei (und anderer Formen institutionalisierter Formen von Unfreiheit und Zwangsarbeit) es in der Geschichte gegeben hat.
Bereits 1526 wandte sich der kongolesische König Afonso I. gegen den portugiesischen Sklavenhandel in seinem Königreich - allerdings konnte er sich politisch nicht gegen Portugal durchsetzen. Afonso I. war der erste christliche König in Zentralafrika.

Die Haitianische Revolution führte erstmals zur dauerhaften Abschaffung der Sklaverei in der Moderne. Ein entscheidender Auslöser für die Revolution in dieser französischen Kolonie war selbstverständlich die Französische Revolution.
 
Zuletzt bearbeitet:
@dekumatland

Nein, ich meine nicht das Geschichtsforum. Ich gebe zu, daß dies sehr ungenau formuliert war. Ich nehme diese Formulierung zurück. Sie war zu ungenau, und bringt uns hier im Thema nicht weiter. Natürlich gibt es Widersprüchlichkeiten, und nicht nur das. Man sehe sich nur das furchtbare Kapitel der sog. "Kongogreuel" an. Mir ging es nur darum, herauszustellen, daß die generelle Ächtung und weitgehende Abschaffung der Sklaverei von Europa ausging, und Europa hierfür das geistige Fundament geschaffen hat. Widerspruchsfreiheit kann man bei dem Ausmaß des gesamten Themas aber, denke ich nicht erwarten.
 
Mir ging es nur darum, herauszustellen, daß die generelle Ächtung und weitgehende Abschaffung der Sklaverei von Europa ausging, und Europa hierfür das geistige Fundament geschaffen hat.
@Stefan_Schaaf und da stimme ich dir zu.

Allerdings hat @Maglor die haitianische Revolution genannt, welche wohl ohne die Société des Amis des Noirs in Zusammenhang mit der französischen Revolution nicht denkbar scheint (sie brachte recht verworrene Ergebnisse wie etliche selbsternannte Könige und Kaiser, hatte aber eine immense Außenwirkung - da muss ich mich noch einlesen; momentan halte ich das noch für ein "Nebenprodukt" der französischen Revolution) und Afonso I (Mvemba a Nzinga), der das Ausmaß des portugiesischen Sklavenhandels, mit dem er sich zunächst arrangiert hatte, eindämmen wollte (aus den spärlichen Wikipedia-Infos hierzu wird nicht ersichtlich, dass Afonso die Sklaverei abschaffen wollte)
 
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