Gusstiegel zur Bronzeherstellung in einem einfachen Gehöft der Eisenzeit. War das normal?

Rummelsdorf

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Habe gestern folgenden Artikel über das Linder Bruch gelesen:
Joachim, Hans-Eckart. „Ein Siedlungplatz der jüngeren Eisenzeit in Köln-Porz“. Rechtsrheinisches Köln - Jahrbuch für Geschichte und Landeskunde, Band 29 (2003): S. 1-10.

Es handelt sich um ein ehemaliges Gehöft oder eine kleine Gehöftgruppe auf einer Insel. In der Schicht »Lind 4« (2.-1. Jahrhundert v. Chr.) fanden sich u.a. auch zwei komplette Gusstiegel zur Bronzeherstellung (und mehrere Bruchstücke).

Leider steht dort nicht, was mit dem Tiegel gegossen wurde. Ich vermute Schmuck oder andere Luxusgegenstände, da ich davon ausgehe, das für Alltagsgeräte das preiswertere und besser verfügbare einfache Schmiedeeisen benutzt wurde (Eisenerze und Rennöfen sind im nahen Königsforst nach gewiesen worden).

Was ich mich frage ist, was Gusstiegel zur Bronzeherstellung in einem einfachen Gehöft der Eisenzeit zu suchen haben? War das normal? Wurde in jedem eisenzeitlichen Bauernhof Bronze gegossen? Gab es wichtige Alltagsgegenstände die im 2.-1. Jahrhundert v. Chr. nicht aus Eisen hergestellt werden konnten? Kupfer und Zinn kommen von weit her und sind entsprechend teuer… oder zumindest teurer als das deutlich lokaler verfügbare Eisen. Es führt ein eisenzeitlicher Fernhandelsweg fast unmittelbar (keine 250 Meter) an diesem Gehöft vorbei (der Mauspfad), also wäre die Materialbeschaffung kein großes Problem. Trotzdem kommt mir das irgendwie seltsam vor…

Lg, Horst (von Rummelsdorf)
 
Wenn die Insel eine Rheininsel war, wird der Rhein der wichtigere Handelsweg sein.
Warum Bronze? Leichter zu gießen als Eisen,Stahl gab es noch nicht, daher auch korrosionsbeständiger.
Rasiermesser wurden aus Bronze hergestellt, Spiegel (die noch kein Glas hatten) ebenso.
Metalle haben eine große Recycling-Fähigkeit, man brauchte also nicht Kupfer, Arsen, Zinn - Altmetall ging auch.
Bronze hat gegenüber Eisen Vor- und Nachteile.
 
Leider steht dort nicht, was mit dem Tiegel gegossen wurde. Ich vermute Schmuck oder andere Luxusgegenstände, da ich davon ausgehe, das für Alltagsgeräte das preiswertere und besser verfügbare einfache Schmiedeeisen benutzt wurde (Eisenerze und Rennöfen sind im nahen Königsforst nach gewiesen worden).

Was ich mich frage ist, was Gusstiegel zur Bronzeherstellung in einem einfachen Gehöft der Eisenzeit zu suchen haben? War das normal? Wurde in jedem eisenzeitlichen Bauernhof Bronze gegossen? Gab es wichtige Alltagsgegenstände die im 2.-1. Jahrhundert v. Chr. nicht aus Eisen hergestellt werden konnten? Kupfer und Zinn kommen von weit her und sind entsprechend teuer… oder zumindest teurer als das deutlich lokaler verfügbare Eisen. Es führt ein eisenzeitlicher Fernhandelsweg fast unmittelbar (keine 250 Meter) an diesem Gehöft vorbei (der Mauspfad), also wäre die Materialbeschaffung kein großes Problem. Trotzdem kommt mir das irgendwie seltsam vor…

Lg, Horst (von Rummelsdorf)
Das ist für das Spätlatène nicht unüblich, Werkstätten befinden sich in größeren "Handwerker"-Siedlungen oder in Handwerkervierteln von Oppida aber auch in Gehöften. Möglicherweise hat auf der Insel jemand für den Eigenbedarf produziert. Wie EQ schon sagte, Recycling war üblich, und ich habe leider erst in den letzten Monaten gelesen, dass z.B. in Süddeutschland im Spätlatène bei der Buntmetallverarbeitung verstärkt Blei verwendet wurde (ich war mir neulich in einen Thread unsicher, für was im Frühlatène Blei im Bergbau abgebaut wurde (Braubach am Rhein). Möglicherweise wurde auf der Insel im Winter im Nebenerwerb produziert. Was wurde produziert: Fibeln, Ringe, Gürtelhaken? Also auch Alltagsgegenstände, Fibeln sind schmückend, dienen jedoch auch dazu Kleidung zu drappieren und zusammenzuhalten. Woher kam das Metall, wenn nicht aus dem Recycling? Vielleicht aus dem Siegerland. Garner et al. 2014 - Zu den Anfängen der Eisen- und Buntmetallgewinnung im nördlichen Siegerland - AiW

Der verstärkte Einsatz von Blei und Antimon kann erfolgt sein, weil Zinn knapp geworden ist, oder weil sich die Mode geändert hat, die neuen Legierungen erscheinen wohl silbriger (Schwab R., 2014, S.157 -Eisenzeitliche Kupferlegierungen und Kupfermetallurgie zwischen Alpen und Eifel)

Ich habe eben einen Text zu den Funden gelesen, der Rezensent ist ebenfalls von den erhaltenen Holzartefakten beeindruckt, Butterfässer, hölzerne Netzschwimmer, Wäscheklopfer(!), Karde (kammartiges Gerät zur Fasererzeugung), Kniehölzer, ein Schild und hölzerner Schwertgriff:
"Insgesamt bietet Porz-Lind Einblicke in das Holz-Fundspektrum, wie sie bislang nirgends in Mittel- und Westeuropa möglich waren. Zurecht bemerkt Joachim (S. 39), daß man nur erahnen kann, wie ausgedehnt, technisch versiert und qualitätvoll die Holzverarbeitung in den größeren Siedlungen wie den Oppida gewesen sein muß."
Buchbesprechung von Christian Möller, Trier
Hans-Eckart Joachim, P o r z - L i n d – E i n m i t t e l - b i s s p ä t l a t è n e z e i t l i c h e r S i e d l u n g sp l a t z i m „ L i n d e r B r u c h “
( S t a dt K ö l n ) . Mit Beiträgen von Renate Gerlach u. a. Rheinische Ausgrabungen 47 (Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2002).
 
Zuletzt bearbeitet:
In Bibracte, einem Oppidum der Haeduer, wurde in einer auf Buntmetallverarbeitung spezialisierten Werkstatt, die als Rekonstruktion in der Museumsausstellung präsentiert wird, eine standardisierte und serialisierte Fibelproduktion entdeckt. In einem Guss wurden gleich 12 Rohlinge hergestellt. Dargestellt ist diese Werkstatt im Museum als arbeitsteiliger Familienbetrieb, in dem "alle" beteiligt sind.

Das Metall-Recycling war nicht so einfach, wie man es sich vorstellen könnte. Ich habe gestern Abend noch den Artikel von Schwab (s.o.) gelesen,
die Wiederverwendung führte zu einer Entzinnung der Bronze, da Zinn in einem Oxidationsprozess zu Zinkoxid wird, das wohl nicht wiederverwendbar ist. Falls gewünscht, kann ich den chemischen Prozess als Laie und Nicht-Metallurg versuchen wiederzugeben, wie ihn Roland Schwab beschreibt. Unten eine neuere Veröffentlichung: Schwab bemängelte 2014 den damaligen Forschungsstand in Deutschland, er selbst hatte die Buntmetallfunde von Manching analysiert, vielleicht hat sich die Datenlage in den letzten 11 Jahren verbessert.

Neuer Tagungsband: Schwab, R. 2024, Recycling von Bunt- und Edelmetall am Ende der Eisenzeit in Süddeutschland, in O. Heinrich-Tamaska, M. Becker, M. Hardt, H. Meller (Hrsg.), Verwerten – Verarbeiten – Verformen: Recycling von Bunt- und Edelmetall von der Bronzezeit bis zum Mittelalter, 4. Internationaler Workshop des Netzwerks Archäologisch-Historisches Metallhandwerk, 15.–17.05.2019 in Leipzig/Halle (Saale)

Bild der Fibelproduktion im Wachsausschmelzverfahren: aus Bibracte: Anfertigung der Gussformen aus Ton, Wachsmodelle
Gegossene Rohlinge, Schlackenreste, bearbeitetes Vorprodukt (Musée de Bibracte)
Screenshot 2025-11-19 at 08-00-00 Bibracte.png
 
Und auf Facebook gefunden: Rekonstruierter Familienbetrieb der Buntmetallverarbeitung aus dem Museum von Bibracte auf dem Mont Beuvray:
(sogar ein Hund ist mit beschäftigt:))
Screenshot 2025-11-19 at 08-22-25 Facebook.png
 
Ich habe mir vor einiger Zeit die LIDAR-Profile dieser Grenzregion genau angeschaut, im nordöstlichen Siegerland. Die Landschaft ist durch mittelalterlichen und neuzeitlichen Bergbau stark überformt. Was ich aber zu sehen meinte, sind markierte Lagerplätze nahe der Verkehrswege, und kleinere Umwallungen und Wegsperren, die ich nicht für mittelalterlich halte. Bis zu den Untersuchungen von Manuel Zeiler und dem Bergbaumuseum Bochum gab es dort eine gewisse Forschungslücke.

Es gab mittelalterlichen Silber- und Buntmetallabbau und -Verarbeitung (z.B. die sehr bekannte und gut dokumentierte Bergbausiedlung Altenberg bei Müsen).
Aber, für Kupfer hätte ich weitaus ergiebigere Gebiete im südlichen Sauerland und östlichen bergischen Land (z.B. Reichshof) erwartet.

Ich habe eben einen Text zu den Funden gelesen, der Rezensent ist ebenfalls von den erhaltenen Holzartefakten beeindruckt, Butterfässer, hölzerne Netzschwimmer, Wäscheklopfer(!), Karde (kammartiges Gerät zur Fasererzeugung), Kniehölzer, ein Schild und hölzerner Schwertgriff:
"Insgesamt bietet Porz-Lind Einblicke in das Holz-Fundspektrum, wie sie bislang nirgends in Mittel- und Westeuropa möglich waren. Zurecht bemerkt Joachim (S. 39), daß man nur erahnen kann, wie ausgedehnt, technisch versiert und qualitätvoll die Holzverarbeitung in den größeren Siedlungen wie den Oppida gewesen sein muß."
Buchbesprechung von Christian Möller, Trier
Hans-Eckart Joachim, P o r z - L i n d – E i n m i t t e l - b i s s p ä t l a t è n e z e i t l i c h e r S i e d l u n g sp l a t z i m „ L i n d e r B r u c h “
( S t a dt K ö l n ) . Mit Beiträgen von Renate Gerlach u. a. Rheinische Ausgrabungen 47 (Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2002).
Das ist beeindruckend, und lenkt den Blick auf in der Vergangenheit weniger beachtete wirtschaftsgeographisch bedeutende Funde.kq
 
Ich habe mir vor einiger Zeit die LIDAR-Profile dieser Grenzregion genau angeschaut, im nordöstlichen Siegerland. Die Landschaft ist durch mittelalterlichen und neuzeitlichen Bergbau stark überformt. Was ich aber zu sehen meinte, sind markierte Lagerplätze nahe der Verkehrswege, und kleinere Umwallungen und Wegsperren, die ich nicht für mittelalterlich halte. Bis zu den Untersuchungen von Manuel Zeiler und dem Bergbaumuseum Bochum gab es dort eine gewisse Forschungslücke.

Es gab mittelalterlichen Silber- und Buntmetallabbau und -Verarbeitung (z.B. die sehr bekannte und gut dokumentierte Bergbausiedlung Altenberg bei Müsen).
Aber, für Kupfer hätte ich weitaus ergiebigere Gebiete im südlichen Sauerland und östlichen bergischen Land (z.B. Reichshof) erwartet.


Das ist beeindruckend, und lenkt den Blick auf in der Vergangenheit weniger beachtete wirtschaftsgeographisch bedeutende Funde.kq
Der 11 Jahre alte Text von Roland Schwab ist spannend, ich habe den Tagungsband, im Internet konnte ich den Artikel leider nicht finden.
Insbesondere die Verwendung von Blei war mir nicht bewusst: schon im Frühlatène wurde ein Weichlötverfahren auf Blei-Zinnbasis mutmaßlich aus Etrurien übernommen (dort nachgewiesen im 6.Jahrhundert BC) - wurden die Kopien der etruskischen Schnabelkannen zusammengelötet?
Ich bewundere das metallurigische Wissen dieser Schmiede/Schmiedinnen, ich dachte vor dem Lesen des Artikels, Recycling von Bronze, einfach einschmelzen und wieder in eine Form gießen, was soll daran problematisch sein? Da hatte ich das Zinnfigurengießen der Kindheit im Kopf. Die Legierungen, so schreibt Schwab, der mittleren und jüngeren Latènezeit enthalten fast durchweg hohe Bleianteile, oft mehr als Zinn, es tritt ab LTC2 eine Gusslegierung auf, in der Zinn komplett durch Antimon und Arsen ersetzt ist. Das gleiche Phänomen findet sich bei den gegossenen Potinmünzen (LT D1 - ab 150 v.Chr.) - diese Legierungen wurden auch für Radamulette, Gürtelringe und Haken, Spiegel und Statuetten eingesetzt. Mangel - oder Modeerscheinung fragt Schwab (also Mangel an Zinn). Vielleicht beides? Die neuen Legierungen treten gleichzeitig mit den Silbermünzen auf, er vermutet, dass der silbrige Schimmer imitiert werden sollte, dies kann jedoch auch mit einem hohen Zinnanteil gelingen (>15%). Und jetzt wird es kompliziert: Antimon und Arsen aus Fahlerzkupfer z.B. aus den Mittelgebirgen und den Ostalpen können Zinn im Eutektoid (?) substituieren/ersetzen und intermetallische Phasen ausbilden z.B. Cu4Sb oder Cu3As - Kupferverbindungen. Den Rest kürze ich ab, jedenfalls erstarren die neuen intermetallischen Phasen (?) an den äußeren Zonen des Gussstücks, dadurch entsteht der Silberglanz (metallurgisch inversive Blockbildungen). Die neuen Legierungen sind ein Hinweis auf Abbau der Kupfererze in den deutschen Mittelgebirgen und in den Alpen, bei griechischen, etruskischen oder römischen Objekten spielt Fahlerzkupfer keine Rolle.
Und jetzt kommt die Altmetallverwertung dazu: Bronze reagiert beim Schmelzen und nimmt Gase auf, verschlackt, nach Sauerstoffaffinität oxidieren die Legierungsbestandteile, besonders Zinn(!), der zu Zinndioxid oxidiert, das reichert sich dann in der Schlacke an. Die Bronze verarmt - kommt jetzt noch ein Zinnmangel dazu, eine Knappheit auf dem Markt, eine Teuerung, und gleichzeitig die Modeerscheinung, silbern cool und schick zu finden, muss durch Zugabe Antimonhaltigen Kupfererzes die Entzinnung ausgeglichen werden. Rein auf Altmetallrecycling konnte so Schwab eine Bronzegießerei nicht basieren, es wäre nicht möglich gewesen standardisierte Legierungen z.B. für Fibeln herzustellen.

Weiter interessant: nach Untersuchungen an spätlatènezeitlichen Radamuletten* im treverischen Gebiet (Martberg, Wallendorf) korrelieren in Wallendorf die Bleiisotopenwerte gut mit lokalen Bleierzen, was für einen schon vorrömischen Bleierzabbau z.B. in der Eifel spricht. In Martberg allerdings mit Blei aus der Toskana oder Carthago Nova in Südostspanien (ähnliche Befunde gab es in Manching). Schwab vermutet Bleihandel schon im Spätlatène! Auch das Kupfer aus den Bronzen vom treverischen Martberg zeugen von lokalen/regionalen Kupferabbau. Schwab vermutet, weil der Bleierzabbau nach der römischen Eroberung sehr schnell einsetzt, und der metallurgisch versierte Einsatz von Blei im Silberrecycling umgesetzt wird, dass es bereits vor der römischen Okkupation einen lokalen Blei - und Silberbergbau gegeben hat. Dafür sprechen auch die Funde von Braubach am Rhein. Roman lead mining in Germany: its origin and development through time deduced from lead isotope provenance studies
Ausführlicher in englisch: Roman lead mining in Germany: its origin and development through time deduced from lead isotope provenance studies.

*Radamulett - das Rad ist das Attribut des Himmels - und Donnergottes Taranis , siehe Darstellung unten - Radamulette sins häufige Votivgaben z.B. im Umgangstempel auf dem Martberg
250px-Taranis_Jupiter_with_wheel_and_thunderbolt_Le_Chatelet_Gourzon_Haute_Marne.jpg
 
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Erst mal danke für eure Einschätzung!

Wenn die Insel eine Rheininsel war, wird der Rhein der wichtigere Handelsweg sein.

Es ist keine Rheininsel sondern eine kleine Insel in einem Sumpf (ehemaliger Siegarm der vom Wasser der Mittelterasse genährt wurde) nahe des Mauspfades. Aber der Rhein ist auch nicht weit weg…

Das ist für das Spätlatène nicht unüblich, Werkstätten befinden sich in größeren "Handwerker"-Siedlungen oder in Handwerkervierteln von Oppida

Eben… ich hätte gedacht, das Bronze eher in den Handwerkervierteln der Oppidas verarbeitet und von dort aus verhandelt werden würde.

Was wurde produziert: Fibeln, Ringe, Gürtelhaken? Also auch Alltagsgegenstände

Würde man das auf einem Bauernhof wirklich selber herstellen? Ich würde denken, das die so was eher gelegentlich einhandeln. Erst recht die von El Quijote erwähnten Rasiermesser und Spiegel…

Ich habe eben einen Text zu den Funden gelesen, der Rezensent ist ebenfalls von den erhaltenen Holzartefakten beeindruckt, Butterfässer, hölzerne Netzschwimmer, Wäscheklopfer(!), Karde (kammartiges Gerät zur Fasererzeugung), Kniehölzer, ein Schild und hölzerner Schwertgriff:
"Insgesamt bietet Porz-Lind Einblicke in das Holz-Fundspektrum, wie sie bislang nirgends in Mittel- und Westeuropa möglich waren. Zurecht bemerkt Joachim (S. 39), daß man nur erahnen kann, wie ausgedehnt, technisch versiert und qualitätvoll die Holzverarbeitung in den größeren Siedlungen wie den Oppida gewesen sein muß."
Buchbesprechung von Christian Möller, Trier
Hans-Eckart Joachim, P o r z - L i n d – E i n m i t t e l - b i s s p ä t l a t è n e z e i t l i c h e r S i e d l u n g sp l a t z i m „ L i n d e r B r u c h “
( S t a dt K ö l n ) . Mit Beiträgen von Renate Gerlach u. a. Rheinische Ausgrabungen 47 (Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2002).

Haha, witzig… die Rezension ist fast länger als der mir zur Verfügung stehende Text im RRHK (offensichtlich nur eine Zusammenfassung, ist aber nicht als solche gekennzeichnet).

Ja, neben den vielen bearbeiteten Holzgegenständen (1196, u.a. ein Einbaum und ein Kinderschwert) sind auch die Menge der erhaltenen Pflanzenreste einmalig am Niederrhein.
Joachim schreibt dazu:
»…von Lind 4 ist neben anorganischen Resten… […] …ein bislang von keinem anderen eisenzeitlichen Fundplatz des Niederrheins belegbare Zahl von Pflanzenfunden bekannt…«

In der erwähnten Rezension steht übrigens noch das bleihaltige Bronze verarbeitet wurde und eine Schleifwanne fand man auch.

Bisheriges Fazit für mich:
Das die da für den Eigenbedarf Bronzegegenstände hergestellt haben, kann ich nach wie vor nicht so recht glauben. Aber so einen "rekonstruierten Familienbetrieb" wie ihn das Bild von Biturigos darstellt, könnte ich mir schon vorstellen… insbesondere wegen des Fernhandelsweges in der Nähe.
 
Ich bin später auch nachdenklich geworden, ob meine Vermutung der Buntmetallverarbeitung für den Eigenbedarf stimmt.

1. Siedlungsgröße: Funde von Buntmetallverarbeitung in der Spätlatènezeit sind (auch) in kleineren Siedlungen gefunden worden; dafür gibt es zahlreiche Beispiele.
Nachdem ich die Rezension gelesen habe, habe ich den Eindruck, dass die Siedlungsgröße in Porz-Lind nicht bekannt ist.
"So bleibt als einziger nennenswerter Befund ein ovaler, nach Westen hin offener Grabenbereich von 10 m Länge und 6 m Breite (S. 13 Abb. 8). Allerdings fanden sich außerhalb des Grabenbereichs noch zwei weitere Pfostenstellungen (Stellen 1 und 8, die Profilschnitte zu den
Befunden fehlen leider, ebenso die Beschreibung zu Stelle 8) und zwei flächigere Befunde nördlich davon (Stellen 5 und 6). Verf. nimmt durchaus nicht zu unrecht eine der in etwa zeitgleichen Siedlung von Köln-Porz-Westhoven (Cl. Giovanna Peschke, s. oben) vergleichbare Bebauung mit Pfostenständerhäusern an. Dennoch sollte vielleicht auch eine Bauweise mit Schwellbalken in Betracht gezogen werden, auch wenn derartiges naturgemäß schwer nachweisbar ist." (Rezension.Christian Möller, Trier, 2002, siehe oben)

Die zahlreichen Keramikfunde (>9000) und Holzartefakte (>1000) sprechen nicht dafür, dass an diesem Siedlungsplatz nur ein Gehöft mit ca. 10-15 Einwohnern stand, auch angesichts einer Belegungsdauer von ca. 140 v.Chr. bis zur Zeitenwende nach den Dentrodaten.

2. Eigenbedarf oder Berufshandwerker: leider fehlen in Porz-Lind alle Metallfunde. Anhand derer wäre es leichter die Frage zu beantworten, z.B. anhand des technischen Könnens der Schmiede bei Reparaturen. Der Aufwand zur Herstellung von Gussformen für doch seltene Neuanfertigungen, das Beheizen eines Schmelzofens mit Holzkohle, das erscheint mir doch gemessen am Wert doch ein unökonomischer Einsatz von Arbeitskraft, Ressourcen und Arbeitszeit, wenn nur für den Eigenbedarf gearbeitet wurde. Leider wird diese Frage selten in den Fundberichten diskutiert. Bei den Ausgrabungen in der Feddersen Wierde wurden ebenfalls Gußtiegel und eine Gußform gefunden. Dort ist die Annahme, dass der Eisenschmied gleichzeitig auch die Buntmetallverarbeitung durchgeführt hat, dafür wurde ein Schmelzofen betrieben. Gefunden wurden dort auch Blockdüsen für Blasebalge, die in einem Winkel von 10 - 28° eingesetzt wurden (siehe auch Bild der Rekonstruktion von Bibracte im Bild der Werkstatt oben links). Die gefundene Gussform in einem Kalkstein diente zur Anfertigung einer standardisierten Gürtelschnalle (ab 2.Jhdt n.Chr). Gefunden wurden auch Fibeln, an denen Reparaturen durchgeführt wurden. Hier fällt die Einordnung leichter, einen Berufshandwerker zu identifizieren. Kleinere Häuser ohne Stallteil wurden in Feddersen Wierde Handwerkern zugeordnet. All das fehlt in Porz-Lind: eine Werkstatt, Zubehör für den Betrieb eines Schmelzofens, der Ofen selbst, Gußformen, und letztlich auch Hausgrundrisse. Ebenfalls ist kein Werkzeug zur Metallbearbeitung gefunden worden - bedingt sicher durch das saure Moormilieu der Fundschichten. Quelle:
Buntmetallverarbeitung auf der Dorfwurt Feddersen Wierde, Jörn Schuster, in Römische und Germanische Bunt- und Edelmetallfunde im Vergleich. Archäometallurgische Untersuchungen ausgehend von elbgermanischen Körpergräbern, 1998

Unten reparierte Fibel von der Feddersen Wierde

Screenshot 2025-11-20 at 21-18-48 (68) Römische und Germanische Bunt- und Edelmetallfunde im V...png
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessant das Ergebnis der Diskussion zur Einschätzung der Organisation der Metallverarbeitung auf der Feddersen Wierde, die aufgrund der Vielzahl der Funde doch wesentlich validere Ergebnisse möglich macht:
"Hier anschließende Fragen bezüglich der Organisation des buntmetallverarbeitenden Handwerks auf der Feddersen Wierde wurden bereits an anderer Stelle ausführlich und unter Einbeziehung der Überreste der Eisenverarbeitung abgehandelt (SCHUSTER u. DE RIJK 2001). Danach wurden für die
in der Metallverarbeitung auf der Feddersen Wierde tätigen Personen zwei Organisationsformen unterschieden, und zwar einerseits bäuerliche Handwerker, die sowohl Eisen als auch Buntmetall zu verarbeiten wußten, aber noch in die landwirtschaftliche Produktion eingebunden waren („bäuerliche Polytechniker“). Andererseits wird es Handwerker gegeben haben, die nicht mehr in den landwirtschaftlichen Produktionsprozeß eingebunden, aber auch nicht auf nur eine Tätigkeit spezialisiert waren. Diese wurden als „polytechnisch begabte Berufshandwerker“ bezeichnet. Hauptargument für die Ablehnung eines ausgeprägten Spezialistentums auf der Wurt bildet das Verbreitungsbild und die verhältnismäßig geringe
Menge an Rückständen der Metallverarbeitung." aus
Probleme der Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet 30 Feddersen Wierde 6,
Jörn Schuster Die Buntmetallfunde der Grabung Feddersen Wierde Chronologie – Chorologie – Technologie, 2006

Ich halte in Porz-Lind immer noch einen "bäuerlichen Polytechniker" für möglich, der für die gesamte Siedlung Reparaturen durchführt, einfache Artefakte für bäuerliche Tätigkeiten wie Ringe für Geschirre oder Gürtel gießt, und Eisengeräte schärft und repariert, vielleicht sogar schmiedet.
Bei den latènezeitlichen Eisengeräten wurden oftmals große Qualitätsunterschiede festgestellt. Die einfachen Dorfschmiede haben den metallurgischen Prozess nicht so versiert beherrscht wie ausgebildetete Spezialisten, aufwändige Techniken der Metallbearbeitung werden nur von wenigen angewendet. Es gab im Spätlatène sehr verschieden organisierte Metallwerkstätten und Bearbeitungen. Es ist nicht immer so, dass das Kleinhandwerk qualitativ schlechter ist: in der standardisierten "Massenproduktion" lässt sich ein Qualitätsverlust gegenüber den einfacher organisierten "polytechnisch begabten Berufshandwerkern" feststellen.
 
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Wer auch immer an der unteren Sieg siedelte, hatte einen schiffbaren Fluss und damit Handels- und Absatzmöglichkeiten über Rhein, Lippe, Lahn und Mosel, außerdem Anschluss an die Handelswege der umliegenden bedeutenden Metallvorkommen im rheinischen Schiefergebirge.

Diese kleinen Warften konnten unscheinbar wirken und trotzdem bedeutende Umschlagplätze und Zwischenstationen für Händler sein. Siedlungen im Mündungsbereich der Nebenflüsse hatten eine Funktion wie Binnenhäfen heute.

In den nicht ganz so stark zersiedelten Mündungsbereichen von Sieg und Lahn wären weitere Siedlungsfunde ähnlicher Art zu erwarten, und ein ähnlich guter Erhaltungszustand bei vergänglichen Materialien wie Holz, Pflanzen und Leder zu erhoffen.
 
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Wer auch immer an der unteren Sieg siedelte, hatte einen schiffbaren Fluss und damit Handels- und Absatzmöglichkeiten über Rhein, Lippe, Lahn und Mosel, außerdem Anschluss an die Handelswege der umliegenden bedeutenden Metallvorkommen im rheinischen Schiefergebirge.

Diese kleinen Warften konnten unscheinbar wirken und trotzdem bedeutende Umschlagplätze und Zwischenstationen für Händler sein. Siedlungen im Mündungsbereich der Nebenflüsse hatten eine Funktion wie Binnenhäfen heute.

In den nicht ganz so stark zersiedelten Mündungsbereichen von Sieg und Lahn wären weitere Siedlungsfunde zu erwarten.
Deine Vermutung ist interessant, es gibt tatsächlich eine Parallele an der Lahn, in Lahnstein wurden Häuser gefunden, allerdings Frühlatène, in denen bronzeverarbeitende Werkstätten vermutet werden - Zitat: "Diese Hausgrundrisse gehören zu den wenigen, bisher bekannten Gebäuderesten im Bereich der östlichen Hunsrück-Eifel-Kultur. Die zumindest aus den Hütten 1-2 und 4 stammenden Metallgeräte, Halbfertigfabrikate oder Abfall- und GuBstücke sowie das Fragment eines Gußlöffels und ein Bleierzstiick legen nahe, hier vor allem bronzeverarbeitende Werkstätten anzunehmen" (Abb. 40,1-5; 23,3; 54,47)1'9. aus Braubach und seine Umgebung in der Bronze - und Eisenzeit, 1977, Hans Eckart - Joachim.

Braubach und sein Erzabbau und Verhüttung liegt nur gut 5 km von den Bronzewerkstätten an der Mündung der Lahn in den Rhein entfernt.
Hier hatte ich mich getäuscht, punkto Verwendung von Blei war mir komplett entgangen, welche Rolle es ab dem Mittellatène in der Buntmetallverarbeitung gespielt hat: Römische Minen in der Germania Magna
 
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Nachdem ich die Rezension gelesen habe, habe ich den Eindruck, dass die Siedlungsgröße in Porz-Lind nicht bekannt ist.

Das ist richtig… genaue Maße finde ich leider nicht. Aber die Insel war nicht groß.

Joachim schreibt:
»…dass von der eigentlichen Siedlung auf einer Flugsanddüne infolge tiefer Bepflügung kaum noch Reste vorhanden waren.«
[…]
»Wegen der Scherbenstreuung und der zahlreichen Scherben im östlichen Uferbereich ist auf jeden Fall aber davon auszugehen, dass unmittelbar am Seeufer ein Gehöft oder eine Gehöftgruppe gestanden haben muss.«

Die Scherben waren nicht weit verstreut, sondern alle am östlichen Seeufer. Zur Siedlungsgröße siehe auch die Rekonstruktion des Siedlungsplatzes…

Die zahlreichen Keramikfunde (>9000) und Holzartefakte (>1000) sprechen nicht dafür, dass an diesem Siedlungsplatz nur ein Gehöft mit ca. 10-15 Einwohnern stand, auch angesichts einer Belegungsdauer von ca. 140 v.Chr. bis zur Zeitenwende nach den Dentrodaten.

9000 Keramikfunde klingen schon reichlich… andererseits, wenn ich mir so anschaue, was sich in den letzten 30 Jahren so in meiner Wohnung alles angesammelt hat… ツ

Joachim hat sich das wohl eher als einzelnes Gehöft vorgestellt:
Rekonstruktion_Porz-Lind.jpg

2. Eigenbedarf oder Berufshandwerker: leider fehlen in Porz-Lind alle Metallfunde. Anhand derer wäre es leichter die Frage zu beantworten, z.B. anhand des technischen Könnens der Schmiede bei Reparaturen.

Doch, man fand… Joachim schreibt: »Darüber hinaus kamen einige steinerne und metallische Funde zutage.« Leider nichts genaueres…

Der Aufwand zur Herstellung von Gussformen für doch seltene Neuanfertigungen, das Beheizen eines Schmelzofens mit Holzkohle, das erscheint mir doch gemessen am Wert doch ein unökonomischer Einsatz von Arbeitskraft, Ressourcen und Arbeitszeit, wenn nur für den Eigenbedarf gearbeitet wurde.

Das denke ich auch.

All das fehlt in Porz-Lind: eine Werkstatt, Zubehör für den Betrieb eines Schmelzofens, der Ofen selbst, Gußformen, und letztlich auch Hausgrundrisse. Ebenfalls ist kein Werkzeug zur Metallbearbeitung gefunden worden

Stimmt auch wieder… besonders das man außer den Tiegeln und der Schleifwanne nichts gefunden hat, was mit dem gießen und bearbeiten von Metall zu tun hat, beispielsweise die von dir erwähnten Düsen für den Blasebalg in den zahlreichen Keramikresten… schon seltsam.

Danach wurden für die in der Metallverarbeitung auf der Feddersen Wierde tätigen Personen zwei Organisationsformen unterschieden, und zwar einerseits bäuerliche Handwerker, die sowohl Eisen als auch Buntmetall zu verarbeiten wußten, aber noch in die landwirtschaftliche Produktion eingebunden waren („bäuerliche Polytechniker“). Andererseits wird es Handwerker gegeben haben, die nicht mehr in den landwirtschaftlichen Produktionsprozeß eingebunden, aber auch nicht auf nur eine Tätigkeit spezialisiert waren. Diese wurden als „polytechnisch begabte Berufshandwerker“ bezeichnet.

Ich sehe drei Möglichkeiten:

1. Sie haben für den Eigenbedarf gearbeitet. Aber da mag ich nicht recht dran glauben.

2. „Bäuerliche Polytechniker“. Schon eher… ich habe aber nicht auf dem Schirm, ob es in der Nähe im 2.-1. Jahrhundert v. Chr. noch andere Gehöfte/Siedlungen gab. Die Grabhügelfelder entlang des Mauspfads stammen aus der Hallstattzeit (800-450 v. Chr.)… das zur selben Zeit bewohnte Westhoven war zu weit weg, denke ich…

3. „Polytechnisch begabte Berufshandwerker“. Durch die unmittelbare Nähe eines Fernhandelswegs erscheint mir diese Möglichkeit auch nicht unwahrscheinlich. Das Bild des "rekonstruierten Familienbetriebs" kann ich mir gut im Linder Bruch vorstellen.

Vielleicht war es etwas zwischen den Möglichkeiten 2. und 3.… sie betrieben keinen Ackerbau, sondern Viehzucht und Fischfang. Das stelle ich mir nicht so arbeitsintensiv vor wie den Anbau von Getreide. Sie könnten also nicht nur im Winter Bronze bearbeitet haben und auf dem Mauspfad damit gehandelt haben.

Nun, ich denke weitere Mutmaßungen führen wohl nicht weiter… aber ich habe jetzt einen besseren Eindruck gewonnen, wie ich mir das vielleicht vorzustellen habe… vielen Dank an alle, besonders an Biturigos!

Wer auch immer an der unteren Sieg siedelte, hatte einen schiffbaren Fluss und damit Handels- und Absatzmöglichkeiten über Rhein, Lippe, Lahn und Mosel, außerdem Anschluss an die Handelswege der umliegenden bedeutenden Metallvorkommen im rheinischen Schiefergebirge.

Mist… habe mich undeutlich ausgedrückt… die Insel steht auf einem vermutlich eiszeitlichen Rheinarm (der Rhein mäanderte stark in der Kölner Bucht), in dem später eine Zeit lang die Sieg parallel zum Rhein geflossen ist… manche glauben bis kurz vor Leverkusen… im 2.-1. Jahrhundert v. Chr. war es ein Bruchgebiet welches vom Grundwasser der nahen Mittelterasse gespeist wurde; ohne Verbindung zu Rhein oder Sieg.

Hier noch mal die genaue Lage.

Die jetzige Siegmündung ist Luftlinie etwa 8,7Km und der Rhein bei Porz-Zündorf etwa 5,1Km entfernt. Aber ein eisenzeitlicher Fernhandelsweg, der Mauspfad, befand sich nur 250m entfernt. Ich denke, eventuelle Handelstätigkeiten wurden über den Mauspfad abgewickelt (sei es der Einkauf von Rohmaterial oder der Verkauf von Fertigprodukten).

»Ein Charakteristikum dieses Weges ist, dass er auf der gesamten Länge zwischen Sieg und Ruhr von (keltischen) Siedlungs- und Grabfunden begleitet wird. Deren Datierung in die Hallstattzeit und La-Tène-Zeit gestattet es, ein vergleichbares Alter für den Mauspfad anzunehmen.«
[…]
»Trotz seiner geringen Breite spielte der Weg mutmaßlich eine große Rolle in der früheisenzeitlichen Erschließung der rechtsrheinischen Heideterrasse; er war möglicherweise sogar der Hauptweg, über den südländische Kultur in den Norden vordrang.«
Quelle: Wikipedia über den Mauspfad
 
@Rummelsdorf :
Viel mehr werden wir so nicht eingrenzen oder ein Ergebnis erzielen können. Dazu ist die Befundlage zu wenig ergiebig. Meiner Ansicht nach bleibt alles Weitere hypothetisch bzw. spekulativ.

Gegen einen spezialisierten Familienbetrieb spricht:

1. der Siedlungsplatz, möglicherweise nach der Beschreibung doch ein Einzelgehöft. Spezialisierte Betriebe sind nicht gleichzeitig in der Landwirtschaft tätig, sondern produzieren wenigstens für einen regionalen Markt. Der Arbeitsaufwand für die landwirtschaftlichen Tätigkeiten ist hoch, auch in einem Viehbetrieb, siehe die gefundenen Butterfässer, z.B. ist die Milchverarbeitung eine beständige arbeitsintensive Tätigkeit. In einem Oppidum ist ein Markt vorhanden, sie erfüllen regionale Mittelpunktfunktionen, kulturell, ökonomisch, politisch-rechtlich. Münzfunde treten überwiegend in solchen Zentralorten auf. Ein spezialisierter Betrieb würde dort seine Grundversorgung sicherstellen können. Auf der Feddersen Wierde wurde angenommen, dass die Berufshandwerker („polytechnisch begabte Berufshandwerker“ ) in den Häusern ohne Stallungen leben und arbeiten.

2. Der Befund, es müssten wenigstens Formen aus Ton oder Stein, tönerne Düsen, verziegelter Lehm, Holzkohlenfunde gefunden werden, wenn die Metallreste vergangen wären. Viel spannender erscheinen mir die Holzartefakte. ein Holzhandwerker? Aber auch für diesen Nachweis fehlen Werkzeuge, eine Drehbank z.B.

Ein etwas jüngerer Feinschmiedeplatz von Warburg-Daseburg, ebenfalls ein Einzelgehöft mit Landwirtschaft, bietet an Funden Ofenüberreste, verziegelten Lehm, Schmelztiegel, Holzkohle, Abfälle von Bronze und Blei, Halbfabrikate, zwei Bronzefibeln, einen Feinschmiedehammer und Eisenluppe.
Zum Feinschmiedeplatz Warburg - Daseburg schreibt Karl Peschel: " Es mag schon viel gewonnen sein, daß sich die Einheit von Landwirtschaft und Gewerke hier auf engstem Raum darstellt, gewissermaßen beim Haus und als ein Familienbetrieb, so daß jeder Gedanke an ein Wanderhandwerk oder übergroßes Spezialistentum, das heißt Absonderung von der Nahrungswirtschaft, fern bleibt. Ein weitergehendes Ordnungsgefüge vor Ort erscheint mir durch den Befund indessen nicht hinreichend gedeckt. Daß es sich um eine bescheidene, jedenfalls recht lokale Produktionsstätte gehandelt hat, zeigen die Erzeugnisse. Urteilt man nach den Halbstücken, die allein den Betrieb nachvollziehen lassen, so wurden in erster Linie leichte Fibeln aus Bronze hergestellt." Siedlung und Werkstätten von Feinschmieden der älteren Römischen Kaiserzeit bei Warburg-Daseburg. Klaus Günther, 1990, Rezension Karl Peschel

Unten Rekonstruktion Schmiede im Einzelgehöft Warburg-Daseburg, etwa 20/30 bis 50/60 n.Chr, rechts die dortige Fibelproduktion

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