Trotzdem bleibt halt die Frage, inwieweit man solche Arbeitsdienste bei Leibeigenen berücksichtigt hat. Diese Angabe mit den "1,5% oder 2% " wirkt ja so, als sei die Leibeigenschaft kaum eine Belastung für die Betroffenen gewesen, von der persönlichen Unfreiheit mal abgesehen.
Nein, das übersieht einfach, dass die von Leibeigenen erbrachten Leistungen in erster Linie nicht dem Landesherren sondern dem Grundherren zu gute kamen.
Richard J. Evans erwähnt in seinem Buch "Das Europäische Jahrhundert, ein Kontinent im Umbruch 1815-1914" eine Untersuchung, die an Hand eines (ich meine niederösterreichsichen) Bauern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufzeigt, dass die Belastungen durch Abgaben, Naturalleistungen und Hand- und Spanndienste, die die bäuerliche Bevölkerung zu erbringen hatte, durchaus mit modernen Steuern und Abgabenlasten vergleichbar war.
Nur schuldeten sie diese eben nicht ihrem Fürsten und Landesherren, sondern ihrem Grundherren, die davon einen lächerlich geringen Teil an den Landesherren weitergaben.
Das heißt ein Bauer oder Leibeigener konnte durchaus, die Hälfte seines Einkommens (wenn man den Wert der Hand- und Spanndienste und die Naturalabgaben mal monetär berechnet) an Abgaben an seinen Herrn berappen, während davon allerdings nur lächerlich geringe Teile direkt in die Staatskasse flossen.
Das die landesherrliche Staatskasse daran anteilig relativ wenig abgreift, lag zum einen an den noch vorhandenen Steuerprivilegien/-Bevorzugungen der adligen Grundherren zum anderen liegt es aber auch an der Art und Weise wie sich Steuer und Abgabensysteme entwickelten.
Der Fürstenstaat der frühen Neuzeit, war weitgehend noch ein Domänenstaat, der sich weitgehend über den Verkauf der auf Staatsdomänen produzierten Güter, Zölle und Ämter- und Titelverkauf finanzierte, in relativ geringem Maße über direkte Besteuerung und Abgaben.
Wolfgang Reinhard bezeichnet in seinem kleinen Überblickswerk "Geschichte des modernen Staates" den Schritt vom "Domänen-" zum "Steuerstaat", der sich irgendwann zwischen dem 17. und dem 18. Jahrhundert vollzieht, mehr oder weniger als wichtige Wegmarke in der Herausbildung moderner Staatlichkeit, weil das die Finanzierung des Staates auf eine völlig andere Grundlage stellte.
Allerdings, lief die Umstellung auf Besteuerung als finanzielle Grundlage in sehr großem Maße nicht über den Weg direkter Steuern, sondern über den Weg indirekter Konsumsteuern.
Das es etwa im Zusammenhang mit der französischen Revolution zu extremem Unmut über die Praxis der Besteuerung kam, lag vor allem daran, dass das System der Abgaben so zugeschnitten war, dass es vor allem auf Konsumsteuern, wie etwa der verhassten "Gabelle", der Salzsteuer beruhte die vor allem die einfache Bevölkerung trafen, während große Vermögen und Einkommen des Großbürgertums, des Adels und der Kriche nicht oder kaum durch direkte Steuern betroffen waren, wohingegen Adel und Kirche entgegen populärer Vorstellungen durchaus nicht vollständig steuerfrei waren, weil sie die Konsumsteuern auf verschiedene Waren genau so bezahlen mussten, wie der Rest der Bevölkerung.
Nur war eben deren Anteil am Gesamtkonsum des Landes und somit auch ihr Steueraufkommen relativ gering.
Das gewohnheitsmäßig das Steuersystem zu immer größeren Teilen auf direkte Steuern hin umgebaut und damit deutlich progressiver wird (ich weiß nicht, ob es sowas früher in den Stadtrepubliken schonmal gab), ist im Wesentlichen eine Entwicklung die erst mit der Ausdehnung staatlicher Funktionen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herum kommt. und zum Teil auch erst nach dem Ersten Weltkrieg kommt:
de.wikipedia.org
"Völlig neu hinzu kam die
Umsatzsteuer, die bisher im Steuersystem unbekannt war. Von besonderer Bedeutung war jedoch die
Einkommensteuer. Ihr war hauptsächlich die Funktion zugedacht, den enorm gestiegenen Finanzbedarf des Reiches zu decken.
[6] Während im Kaiserreich die von den Ländern und Gemeinden erhobene Einkommensteuer maximal 4 % umfasste, stieg sie nun auf einen maximalen Spitzensatz von 60 %.[6] Zur Erhebung wurde die
Lohnsteuerkarte und der
direkte Lohnsteuerabzug eingeführt. Eine der umstrittensten Abgaben war das
Reichsnotopfer.
[7] "
Deswegen ist auch die populäre mit der Vormoderne verbundene Vorstellung staatlicher Steuereintreiber, die bei der Einfachen Bevölkerung an die Tür klopfen um sie um die Hälfte ihres Einkommens zu erleichtern und zu bedrücken falsch.
Nicht dass das da niemand an die Türe geklopft hätte um hohe Abgaben einzufordern, aber das war halt nicht der Staat oder der Landesfürst, sondern der Grundherr.
Der Landesherr sah im Zweifel relativ wenig von diesen Einnahmen.
Übrigens wahrscheinlich mit ein Grund dafür, warum die einfache Bevölkerung lange durchaus bereit war, an den guten Fürsten, König, whatever zu glauben, denn der belastete sie in wirtschaftlicher Hinsicht im Gegensatz zum Grundherren relativ wenig.
Das also Abgaben aus dem System der Leibeigenschaft, relativ wenig direkt* zu den landesherrlichen Einnahmen beitrugen ist für Teile der FNZ durchaus plausibel und steht nicht im Widerspruch zu den drückenden wirtschaftlichen Verhältnissen der Leibeigenschaft.
*indirekt dürfte der Anteil höher gewesen sein, weil auf Teile der von Leibeigenen hergestellten Produkte später noch Konsumsteuern und Zölle fällig wurden, die einen Großteil der Steuerlast/Abgabenlast ausmachten.