Hielt sich Innozenz VIII. für verhext?

Koffie

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Vielleicht kann mir jemand bei einem Detail weiterhelfen.

Gestern habe ich die arte-Dokumentation "Hexen - Chronik eines Massakers gesehen" und bin über eine Aussage gestolpert, die mich stutzig werden ließ. Bei Minute 23:21 heißt es dort aus dem Off: "1484 beauftragt Papst Innozenz VIII., der glaubt verhext worden zu sein, den deutschen Inquisitor Heinrich Kramer mit einer Untersuchung."

Abgesehen von der m.E. etwas seltsamen Formulierung des Hauptsatzes hat mich der Nebensatz verblüfft, weil ich über das Entstehen der Bulle ein bisschen was gelesen und gehört habe, aber noch nie davon, dass Innozenz VIII. sich konkret für von Hexerei betroffen hielt. Kennt irgendjemand vielleicht eine Quelle, die darauf schließen lässt?
 
Ich habe überlegt, ob es eine Fehlübersetzung aus dem Frz. sei, aber das frz. Original ist identisch:

En 1484, le pape Innocent VIII pensant qu'il est ensorcelé, commande une enquête à l'inquisiteur Heinrich Kramer.​
 
Merkwürdig. Wurde im hiesigen Hexerei-Faden nicht aufgezeigt, dass Innozenz wenig hielt von Kramer?
 
In der Bulle von Innozenz Summa desiderantes, die Kramer Innozenz quasi "diktiert" haben soll, heißt es, dass vor allem in Deutschland Priester das Hexenwesen als Aberglauben predigten. (Also sie predigten nicht einen Aberglauben, dass es Hexenwesen gäbe, sondern dass Hexenwesen Aberglauben sei.) Die Bulle wendet sich dagegen.
 
Abgesehen von der m.E. etwas seltsamen Formulierung des Hauptsatzes hat mich der Nebensatz verblüfft, weil ich über das Entstehen der Bulle ein bisschen was gelesen und gehört habe, aber noch nie davon, dass Innozenz VIII. sich konkret für von Hexerei betroffen hielt. Kennt irgendjemand vielleicht eine Quelle, die darauf schließen lässt?
Ich habe auch über die Entstehung der Bulle ein bisschen was gelesen, und es würde mich sehr wundern, wenn ich eine solche sensationelle Erkenntnis, wie sie hier in einem Nebensatz formuliert wird, überlesen hätte.
Weniger wundern würde mich, wenn in einer Fernsehdoku aufgrund journalistischer Schlamperei barer Unsinn unters Volk gestreut worden wäre.

Ich weiß nicht, ob es sich lohnt, die Quelle des Unsinns aufzuspüren.

H. C. Erik Midelfort sah sich schon 1968 zur Feststellung genötigt, dass auf dem Gebiet der Hexerei wohl mehr purer Unsinn in Buchform seinen Niederschlag gefunden hat als auf jedem anderen historischen Gebiet. (wörtlich: "... that probably more pure bunk has found book-length expression in the field of witchcraft than in any other part of history.")
 
@El Quijote Danke für die Idee mit der Übersetzung.

Merkwürdig. Wurde im hiesigen Hexerei-Faden nicht aufgezeigt, dass Innozenz wenig hielt von Kramer?
Wenn er überhaupt eine spezielle Meinung von ihm hatte. Aber das eine schließt das andere ja erst mal nicht aus.

Weniger wundern würde mich, wenn in einer Fernsehdoku aufgrund journalistischer Schlamperei barer Unsinn unters Volk gestreut worden wäre.

Ich weiß nicht, ob es sich lohnt, die Quelle des Unsinns aufzuspüren.
Ich werde mich nicht Kopfstellen dafür, da in der besagten Doku tatsächlich auch Unsinn erzählt wurde ("Geburtenkontrolle! Hebammenjagd!"), der mir schon als solcher bekannt war :rolleyes:. Aber man soll ja unvoreingenommen bleiben und ich halte es nicht für prinzipiell ausgeschlossen, dass ein Papst dieser Zeit solche Anwandlungen gehabt haben könnte. Verbuche es aber auch gerne in diesem Fall unter ausgedachtem Quatsch.

(Ich habe die Sendung übrigens geschaut, weil ich vor Kurzem Jan Machielsens "The Basque Witch-Hunt" gelesen hatte. Und ich hatte mich schon gefreut, dass der auch dafür interviewt wurde. Leider werden seine Schlussfolgerungen und Neubewertungen aus dem Buch im Film in keinster Weise erwähnt. Schade.)
 
Ich werde mich nicht Kopfstellen dafür, da in der besagten Doku tatsächlich auch Unsinn erzählt wurde ("Geburtenkontrolle! Hebammenjagd!"), der mir schon als solcher bekannt war :rolleyes:.
Au weia!
Aber auch das wundert mich nicht. Es kommt in Dokus leider oft vor, dass ausgewiesene Fachleute interviewt werden, aus ihren Redebeiträgen werden dann ein paar Sätze herausgeschnitten, die ins Konzept der Sendungsmacher passen, und ansonsten wird dem Zuschauer der übliche Stuss erzählt.
Wir hatten uns hier mal über das Problem unterhalten:

Ich habe mir tatsächlich nur die paar Minuten um den zitierten Satz rum angesehen und werde mir den Rest der Doku jetzt ganz sicher nicht mehr antun.
Ich werde bei meinem nächsten Bibliotheksbesuch aber nochmal zumindest einen Blick in die einschlägige Literatur werfen.
 
@El Quijote Danke für die Idee mit der Übersetzung.


Wenn er überhaupt eine spezielle Meinung von ihm hatte. Aber das eine schließt das andere ja erst mal nicht aus.


Ich werde mich nicht Kopfstellen dafür, da in der besagten Doku tatsächlich auch Unsinn erzählt wurde ("Geburtenkontrolle! Hebammenjagd!"), der mir schon als solcher bekannt war :rolleyes:. Aber man soll ja unvoreingenommen bleiben und ich halte es nicht für prinzipiell ausgeschlossen, dass ein Papst dieser Zeit solche Anwandlungen gehabt haben könnte. Verbuche es aber auch gerne in diesem Fall unter ausgedachtem Quatsch.

(Ich habe die Sendung übrigens geschaut, weil ich vor Kurzem Jan Machielsens "The Basque Witch-Hunt" gelesen hatte. Und ich hatte mich schon gefreut, dass der auch dafür interviewt wurde. Leider werden seine Schlussfolgerungen und Neubewertungen aus dem Buch im Film in keinster Weise erwähnt. Schade.)
Als Quatsch würde ich das nicht bezeichnen, auch wenn es nirgends Indizien dafür gibt, dass Innozenz VIII sich selbst als verhext angesehen haben könnte. An Hexen geglaubt hat er aber bestimmt, denn die meisten seiner Zeitgenossen glaubten an Hexen, inkl. Gebildete und Humanisten (auch Luther glaubte an Hexen und hatte gelegentlich sogar Angst von ihnen).
Im vorliegenden Fall könnte ich mir vorstellen, dass Arte Innozenz VIII mit einem Papst verwechselt hat, der rund 150 Jahre vor ihm gelebt hat. Johannes XXII (gest. 1334, Papst in Avignon) sah sich durchaus ständig bedroht durch Hexen und Zauberei. Seine diesbezügliche Paranoia war allerdings auch nicht ganz unbegründet, denn sein Neffe war Opfer eines Giftanschlags - verbunden mit einem Bildzauber - des Bischofs von Cahors, Hugues Géraud, geworden. Das eigentliche Ziel des Anschlags war aber der Papst selbst gewesen. Der Anschlag auf seinen Neffen war gewissermassen ein dilettantischer Probelauf gewesen.
 
Im vorliegenden Fall könnte ich mir vorstellen, dass Arte Innozenz VIII mit einem Papst verwechselt hat, der rund 150 Jahre vor ihm gelebt hat. Johannes XXII (gest. 1334, Papst in Avignon) sah sich durchaus ständig bedroht durch Hexen und Zauberei. Seine diesbezügliche Paranoia war allerdings auch nicht ganz unbegründet, denn sein Neffe war Opfer eines Giftanschlags - verbunden mit einem Bildzauber - des Bischofs von Cahors, Hugues Géraud, geworden. Das eigentliche Ziel des Anschlags war aber der Papst selbst gewesen. Der Anschlag auf seinen Neffen war gewissermassen ein dilettantischer Probelauf gewesen.
Ach ja genau! Daran hatte ich ein ganz vage Erinnerung. Es war eine wilde Anekdote mit ausgehöhlten Brotlaiben, in denen Voodoo-Puppen (oder sowas in der Art) und sonstige Magie-Utensilien in die Stadt geschmuggelt wurde. Ich konnte es nur nicht mehr zuordnen, ich war mir nur ziemlich sicher, dass es nicht in Rom spielte.
 
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