Scorpio
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Es ist zu unterscheiden zwischen einem abstrahierenden Generalstab, der ausschließlich in militärischen Kategorien denkend auf dem Reißbrett einen Feldzugplan, "militärisch pragmatisch" ohne Beachtung von Neutralität und politischer Dimension entwarf (ohne eine politische Führung - wie von Scorpio dargestellt), ...
und Eskalationen aus einer dem Schema von 1871 entspringenden und folgenden Vorstellung von Volkskrieg, gemischt mit Franktireurphobien und für Massenheere typischen, unkontrollierten, spontanen und auf "unterer" Ebene ablaufenden Gewaltspiralen.
Hierzu maßgeblich:
Horne/Kramer: Deutsche Kriegsgreuel 1914 - Die umstrittene Wahrheit:
"Das Verhalten der deutschen Soldaten gegenüber der feindlichen Zivilbevölkerung folgte im wesentlichen einem festen Muster. Dieses ergibt sich aus den größeren Zwischenfällen ... 84 von ihnen, das sind 65 Prozent, standen in unmittelbarem Zusammenhang mit Kampfhandlungen. Ob die Deutschen nun überzeugt waren, daß Zivilisten sich an dem Gefecht beteiligt hatten, oder ob dies nur ein Vorwand war, um andere Motive (Wut über Rückschläge, Rache für hohe Verluste) zu kaschieren, das Schicksal der Zivilisten war mit den Kämpfen eng verknüpft. In 29 Fällen (22 Prozent) wurde der Zwischenfall durch eine »Panik« entweder ausgelöst oder verschärft, das heißt durch eine unkontrollierbare und hysterische Reaktion der deutschen Truppen, die von den Offizieren nur mit Mühe unter Kontrolle gebracht wurde. Panikreaktionen trugen zu einigen der schwersten Zwischenfälle bei (Warsage, Visé, Aarschot, Andenne, Löwen, Lunéville) und hingen in 19 von 29 Fällen nicht mit einem Gefecht zusammen...
Demnach drängt sich der Schluß auf, daß das eigentliche Phänomen in dem deutschen Glauben an einen Volkskrieg bestand, ein außerordentlicher Fall von kollektiver Autosuggestion, wie er in einem modernen Heer seinesgleichen suchen dürfte. Eine Million Männer wurden von einem Wahn erfaßt, der die Vorstellung eines Franktireurkriegs für die Wirklichkeit hielt. Die deutschen Greuel waren das symptomatische Resultat der mobilisierenden Macht dieser Wahnvorstellung..."
Bdaian Das erklärt bestimmt auch die äußerst humane Vorgehensweise der demokratischen Armee der USA auf den Philippinen einige Jahre zuvor
Ich musste bei der von @silesia beschriebenen Gemengelage die zu Übergriffen gegen Zivilisten in Belgien und deinem Beitrag eher an das Massaker von My Lai 1968 während des Vietnamkrieges denken. Im März 1968 erhielt eine Einheit unter dem Kommando von Oberstleutnant Frank Barker den Auftrag das Dorf My Lai einzunehmen und nach Guerillieros des Vietcong zu durchsuchen. Die zivilen Bewohner galten US- Militärs als Sympathisanten und potenzielle Unterstützer des Vietcong. Die Soldaten begannen die Frauen des Dorfes zu vergewaltigen und brachten fast alle der 500 Einwohner um und erschossen das Vieh. Kaum einer der Soldaten verweigerte den Gehorsam, allerdings intervenierte ein Helikopterpilot, der drohte, auf die Soldaten der Einheit Barkers zu schießen, wenn die Übergriffe nicht eingestellt würden. Lt. Colonel Barker wurde für das Massaker nicht zur Verantwortung gezogen, und es versuchte das US- Militär zunächst, die Greuel zu vertuschen, doch wurden sie durch den Journalisten Seymour Hersh bekannt, der dafür 1970 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet wurde. Der Bericht Hershs trug wesentlich dazu bei, dass sich die Einstellung der amerikanischen Öffentlichkeit zum Einsatz in Vietnam änderte.