13. August 1961

Ich vermute @Arne Alexander hat es in der "Aktuellen Kamera" gesehen - die begann im DDR-Fernsehen 19.30 Uhr. Keinem Beteiligten waren die Konsequenzen klar. Man wollte die Ausreisewilligen eigentlich nur direkt loswerden, nicht mehr via Ungarn. Von einer durchlässigen Grenze oder gar ihrer Öffnung nach beiden Seiten war keine Rede - die Bürger interpretierten es auf ihre Weise und schufen vollendete Tatsachen.

Es war Radio, Fernsehen mochte ich noch nie. Und es war ein westlicher Sender, wohl HR3 (damals noch etwas solider als heute).

Ernster: Die Öffnung der Grenze war seit Ende Oktober auf der Tagesordnung, entsprechende Gesetzentwürfe wurden diskutiert - in diesem Punkt irre ich mich definitiv nicht. Auch wenn davon nach dem 9. November kaum noch die Rede war: Die Erwartungen für den Termin der Grenzöffnung schwankten zwischen 1.12., Weihnachten bzw. 1.1.1990 spätestens.

Und natürlich war der 9. November in der Form eine Inszenierung, normalerweise kam man als Ostdeutscher gar nicht in die Nähe der Grenze, aber an dem Abend war es "zufällig" anders. - Aber das wäre auch wieder ein eigenes Thema.

@Gandolf: Mir ging es hier um die Selbstverständlichkeit, mit der Grenzöffnung mit Grenzbeseitigung gleichgesetzt wurde.Ob die Alternative eine Chance gehabt hätte, ist ein anderes Thema, und du magst durchaus recht haben mit deiner Einschätzung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Diskutiert wurde über ein "Reisegesetz", dessen Entwurf als unzureichend empfunden wurde. Von einer "Maueröffnung" war m.W. nicht ernsthaft die Rede. Es wurden doch alle völlig überrascht - auch das Politbüro und die Grenztruppen.
 
Da dieses Reisegesetz allgemeine Reisefreiheit versprach, verstehe ich das als Maueröffnung (nicht -abriß, das stimmt). Richtig ist auch, daß das Gesetz allgemein als unzureichend bewertet wurde - aber nur wegen eines vorgesehenen Stempels, der im Paß sein müsse, damit der auch wirklich zum Reisen berechtigte. Einerseits klingt das in der Tat recht spitzfindig, verdächtig. Andererseits kommen in einen Paß immer irgendwelche Stempel, sowieso behält jede Regierung prinzipiell gewisse Manipulationsmöglichkeiten. Ich würde also sagen, das Problem war eine Frage des grundsätzlichen Vertrauens zur eigenen Regierung. Ohne Zweifel jedoch war das Thema der Grenzöffnung vor dem 9.November auf der Tagesordnung, (Weil die fehlende Reisefreiheit derjenige Punkt war, der mich am meisten schmerzte, kann ich mich gerade an diese Umstände sehr gut erinnern.)

So interessant die Frage Überraschung oder Inszenierung ist, hat es Sinn, das hier zu diskutieren?
Gut, den Eindruck, daß man an der Grenze wenigstens teilweise vorbereitet gewesen muß, habe ich schon angedeutet. Mein Hauptgrund zur Annahme einer Inszenierung bezieht sich aber auf Schabowski.
Der war Parteichef von Ostberlin und vergleichsweise intelligent. Daß der Umgang mit 'Westjournalisten' eine delikate Angelegenheit ist, gehörte zu den Konstanten der DDR und muß auch Schabowski in Fleisch und Blut übergegangen sein. Da liest er auch im größten Streß nicht irgendeinen Zettel vor, dessen Inhalt er nicht kennt. Und ich habe es ja live im Radio gehört, so arg stressig war es gar nicht. Und Schabowski traue ich die nötigen schauspielerischen Fähigkeiten ohne weiteres zu, die gehörten auch zu seinem Job.
Es ist ja auch Standardrepertoir der Kommunisten der stalinschen Tradition, notfalls den Laden lieber dem 'Klassenfeind' zu übergeben als andere linke Kräfte zum Zuge kommen zu lassen, man vergleiche die Kämpfe in Barcelona 1937. (War ansonsten natürlich eine ganz andere Situation, weiß ich.)
 
@Werner Alexander: Mein Hauptgrund zur Annahme einer Inszenierung bezieht sich aber auf Schabowski.
Der war Parteichef von Ostberlin und vergleichsweise intelligent. Daß der Umgang mit 'Westjournalisten' eine delikate Angelegenheit ist, gehörte zu den Konstanten der DDR und muß auch Schabowski in Fleisch und Blut übergegangen sein. Da liest er auch im größten Streß nicht irgendeinen Zettel vor, dessen Inhalt er nicht kennt.
Jeder hat mal weniger lichte Momente. Und der Druck, unter dem die Führung stand war enorm. Ich glaube nicht an eine Inszenierung. Ohne die Westmedien, die das verkürzt und sinnentstellt wiedergaben, wären die Leute nicht zur Mauer gelaufen, sondern hätten sich in den nächsten Tagen brav ihren Stempel geholt. Es lief aus dem Ruder und Schabowski wurde zur tragischen Figur.
 
Ich habe es so in Erinnerung, daß sich ca. 19.30 Uhr die bekannte Szene mit Schabowski abspielte, in der 'versehentlich' die Grenzöffnung verkündet wurde, daß zu der Zeit eine Bundestagssitzung in Westberlin stattfand - und weiter, wie oben geschildert. Es ließe sich nachprüfen, wie zuverlässig mein Gedächtnis da ist.
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Es ist nicht sehr zuverlässig.
Kann man sagen, ohne irgendwo nachgeschlagen zu haben, Seit den 4-Mächte-Vereinbarungen über Berlin Anfangs der 70er fanden keine bundestagssitzungen in berlin mehr statt
 
Ein milder Herbstwind wehte am Morgen des 9. November 1989 durch das Rheintal, als Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) pünktlich um neun Uhr die 174. Sitzung der 11. Wahlperiode eröffnete.
...
Als gegen 20 Uhr die ersten noch vagen Nachrichten von der Öffnung der Mauer in Bonn bekannt werden, unterbricht die amtierende Präsidentin Annemarie Renger (SPD) die Bundestagssitzung von 20.22 bis 20.46 Uhr. Das Wort zu einer kurzen Regierungserklärung erhält anschließend Rudolf Seiters, der Chef des Bundeskanzleramts.

Deutscher Bundestag - Blickpunkt Bundestag 9/99
 
Was sind Ostdeutsche? Die fühlten sich doch nie als Ost-Einheitsbrei.
Und die Franken? Schon eine Minderheit in Bayern.
Da gebe ich dir voll recht. Wie hieß es noch in einem DDR-Schlager in den ´70ern?

"Doch kommt der Sachse nach Berlin, dort könn'se ihn nich' Leiden!
Da wolln'sen eene drüber ziehn, da wolln'se mit ihm streiten!
Und tut mern ooch verscheißern - sei' Liedchen singt er eisern:

Sing, mei Sachse, sing!..."
:devil:
 
Ein milder Herbstwind wehte am Morgen des 9. November 1989 durch das Rheintal, als Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) pünktlich um neun Uhr die 174. Sitzung der 11. Wahlperiode eröffnete.
...
Als gegen 20 Uhr die ersten noch vagen Nachrichten von der Öffnung der Mauer in Bonn bekannt werden, unterbricht die amtierende Präsidentin Annemarie Renger (SPD) die Bundestagssitzung von 20.22 bis 20.46 Uhr. Das Wort zu einer kurzen Regierungserklärung erhält anschließend Rudolf Seiters, der Chef des Bundeskanzleramts.

Deutscher Bundestag - Blickpunkt Bundestag 9/99

Also haben sie doch im Bundestag gesungen. Danke für den Link Mercy.
Und Annemarie Renger, ich erinnere, war einst die Sekretärin Kurt Schumachers.
Wenn der noch diesen Tag hätte erleben dürfen....

Herbert Wehner, der schon am hinüberdämmern war, soll laut Tochter und Ehefrau den ganzen Abend vor dem Fernseher gesessen haben, es wird schon noch etwas angekommen sein.
 
Na klar wurde gesungen im Bundestag - das hätte ich dir auch so sagen können, nur eben nicht in Westberlin (wie behauptet wurde), sondern in Bonn.
:cool:


Wer hat sich in jener Nacht auch für den Deutschen Bundestag interessiert.....
Da ist man Zeuge von Ereignissen der Weltgeschichte, was interessiert da eine Routine-Plenarsitzung:still:

Aber nochmals, gab es sie letzten 100 Jahre einen Anlass an dem das Absingen von "Einigkeit und Recht und Freiheit" angebrachter war?
 
Wer hat sich in jener Nacht auch für den Deutschen Bundestag interessiert.....
Da ist man Zeuge von Ereignissen der Weltgeschichte, was interessiert da eine Routine-Plenarsitzung:still:
Genau! :yes:
Aber nochmals, gab es sie letzten 100 Jahre einen Anlass an dem das Absingen von "Einigkeit und Recht und Freiheit" angebrachter war?
Na ja, am 3. Oktober 1990 vielleicht noch, aber da wurde statt dessen herzhaft gelacht. =)
 
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