17 juli 1953 ein Aufstand oder Protest

bübchen

Neues Mitglied
Hallo an alle Helfer,
ich bin im 4.Semester und studiere in Göttingen Geschichte.
Gerade besprechen wir im Seminar,ob der 17 Juli 1953 ein Aufstand war oder ein Protest oder Streik.
Hab versucht mich zu informieren aber nirgends finde ich eine klare Antwort:(
Hat einer eine Idee?Bestenfalls mit Belegen.
Danke
B.Ial
 
Im Ohr klingt einem der Aufstand vom 17. Juni und so sieht es auch die Bundeszentrale. Da ich davon ausgehe, dass du selbst in der Lage bist, mit Suchmaschinen umzugehen, nehme ich mal an, dass dir das nicht reicht und du eher nach den Gründen für eine Unterscheidung suchst?
 
Dieses Thema ist im Netz sehr ausführlich und umfassend dargestellt.
Verschlechterung der Lebensverhältnisse. Mangelwirtschaft und steigende Preise.
Unmittelbare Anlass waren Arbeitsnormenerhöhungen.
Dies löste einen Streik unter den Bauarbeitern in der „Stalinallee“ in Berlin aus.
Dieser Streik entwickelte sich im rasenden Tempo zu einen Volksaufstand, bekam politische Charakter (Freie, geheime Wahlen) und ergriff die Zentren in der DDR.
Im gleichen rasenden Tempo steuerte Spitzi und seine Mannen gemeinsam mit den Russen dagegen.
M.W. die Organisatoren des Aufstandes unterhielten/verständigten sich Untereinander mittels des eigenen Telefonnetzes der Deutschen Reichsbahn.
Protest wäre mir zu ungenau, nicht zutreffend.
Streik, der aber solch eine Dynamik entwickelte, dass man diesen Vorgang schon als Volksaufstand bezeichnen kann.
 
Hallo Ralf M,
es stimmt man findet im Internet viel was ich ja leider auch verwirrt!Für mich wäre es wichtig die Bedeutung de Begriffe Protest,Aufstand und Streik zu klären (in der Geschichtswissenschaft)Dann bestenfalls mit Belegen sagen zu können es war erst ein Streik und dann ein Protest. Gibt es denn Vertreter in der Geschichtswissenschaft die genau dies behaupten?
lg
 
Zuerst war es ein Streik der Arbeiter, die unter erheblichem Druck die Berliner Stalinallee (heute Karl-Marx-Allee) fertigstellen sollten und für mehr Lohn, sowie bessere Arbeitsbedingungen aufstanden.
Dann kamen noch andere Unzufriedene hinzu, die sich vor Ministerien zusammenrotteten und dafür sorgten, dass sich der Arbeiterstreik zu einem Flächenbrand in der jungen DDR ausweitete.
Das beantworteten die Russen mit Panzern.
 
Hallo,
vielen Dank für eure Antworten! Die Gründe wieso es zu einem Volksaufstand kam sind mir wirklich bekannt.
Ich würde gerne Wissen,ob es hier jemanden gibt der die Begriffe Protest,Aufstand,Streik durch Vertreter der Geschichtswissenschaft erklären kann. Kennt einer außerdem Vertreter die behaupten es war ein Streik weil.... oder ein Protest weil...ein Aufstand weil...
lg
B.Ial
 
Ich würde sagen, Aufstand ist etwas hoch gegriffen. So beteiligten sich nicht alle Bevölkerungsschichten daran. Bei den Bauern blieb es weitestgehend ruhig. Deshalb gab es auch ein Nord-Süd-Gefälle. Mal von den Werfstandorten abgesehen, blieb es z.B. in Mecklenburg recht ruhig. Die Bauern hingen an ihrer durch die Bodenreform (Junkerland in Bauernhand) erworbene Scholle. Die Zwangskollektivierung in die LPGs kam erst Ende der Fünfziger Jahre in Schwang. Anders sah es bei Gewerbetreibenden im Norden aus. Allerdings wurden diese durch die Aktion Rose "ruhiggestellt". Wer nicht im Gefängnis saß, hatte erheblich einen "Köttel inne Büx".
 
Ich würde gerne Wissen,ob es hier jemanden gibt der die Begriffe Protest,Aufstand,Streik durch Vertreter der Geschichtswissenschaft erklären kann.

Allgemein werden die Begriffe duch die Zielsetzung, den Umfang und durch die Intensität unterschieden. Dabei sind diese drei obigen Konstrukte in ihren Bedeutungen nicht "exklusiv". Ansonsten hilft Wiki zu den einzelnen Begriffen weiter.

Generell: Die Systematisierung der Begriffe ist weniger ein Problem der Geschichtswissenschaft, die es eher ablehnt, ihre Konstrukte präzise zu definieren. Ein positives Gegenbeispiels ist beispielsweise Wehler, in Anlehnung an Weber. Die Geschichtswissenschaft legt dabei die fundierte, quellengestützte faktenorientierte Grundlage für das Verständnis historischer Ereignisse.

Eine Systematisierung erfolgt demgegenüber im Bereich der Politologie, Soziologie bzw. der politischen Soziologie.

Das wohl derzeit beste Übersichtswerk zu dem Thema kommt von Opp.

Theories of Political Protest and Social Movements: A Multidisciplinary ... - Karl-Dieter Opp - Google Books

Wichtige Arbeiten kommen von Tilly, Skocpol, Gurr, Coser, Opp oder auch Dahrendorf und vielen anderen. Insgesamt, wie Opp zeigt, ein sehr vielschichtiges Thema.
 
Ich würde dies auch als Aufstand betrachten.
Der Verlauf zeigte es ja eindeutig.

War man vielleicht anfangs noch der Meinung, na ja da protestieren paar Bauarbeiter auf der Stalinallee wegen Arbeitsnormen und Lohn, also so eine Art gewerkschaftlicher Arbeitskampf - Warnstreik (es erfolgten ja Arbeitsniederlegungen), so war sehr bald klar, hier geht es um etwas mehr.

Und wenn die Russen damals nicht sofort eingegriffen hätten, hätte sich das mit den Aufbau des Sozialismus in der DDR (II. Parteikonferenz Juli 1952) erledigt.

Die Stimmung war nicht gut und wenn’s dann irgendwo losgeht, entwickelt so etwas immer eine eigene Dynamik.

Woher auch sollte die Stimmung gut sein?

Wegen ein paar Aussagen, wir bauen etwas für die Zukunft auf?

M.W. verhängten dann sowjetische Stadtkommandanten im Gebiet der DDR zeitweilig den Ausnahmezustand.
Und einen Ausnahmezustand verhängt man auch nicht, weil ein paar Bauarbeiter in Berlin mehr Kohle haben wollten.
Zumindest war es in der sächsischen Kleinstadt so wo ich damals lebte. Der Stadtlautsprecher hing an der Seite des Hauses wo ich wohnte und knarrte da nachts los. Ich war 12 Jahre alt.

Was die Bauern anbelangt.

In Mecklenburg Vorpommern hatten wir m.E. eine andere Ausgangslage als in Thüringen, Sachsen und Sachsen Anhalt, ggf. noch Teile von Brandenburg.

Unruhe entstand unter den Bauern als offiziell die II. Parteikonferenz im Juli 1952 auch Maßnahmen zur Bildung von Genossenschaften beschlossen hatte.

Damit waren die Weichen gestellt und den Bauern in Thüringen, Sachsen usw. war klar, welche Zukunft für sie geplant ist.

Elena Demke/Chrisoph Hamann/Falco Wekentin (Bundeszentrale für politische Bildung 2013) haben für die Jahre 1952, beginnend ab September bis Juli 1953 eine Tabelle zur Flucht der Bauern erstellt.
PDF Tabelle -> google -> „Flucht der Bauern aus der DDR 1952 und 1953.“

Diesen Zusammenhang sollte man schon beachten, nämlich II. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 und Beginn nennenswerter Flucht von Bauern ab September 1952.
Soweit erst einmal ein paar weitere Gedanken.
 
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