Alltag im Zweiten Weltkrieg

Hallo, schon wieder habe ich eine Frage:
Meine Mutter musste kurz vor oder nach dem Kriegsende innerhalb von Berlin umziehen. Sie fand eine möblierte Zweizimmerwohnung in Steglitz. Aus ihren Erzählungen entnahm ich, dass ihr eigentlich nur ein Zimmer zugestanden hätte, aber sie habe sich als freischaffende Künstlerin ausgegeben, weil sie Stücke für Puppenbühnen

Wie fand man am besten eine Wohnung? Über Anzeigen im Berliner Morgenblatt?
War man nach Kriegsende, wenn man mehr Wohnraum zur Verfügung hatte, als einem zustand, grundsätzlich gezwungen, Fremde bei sich aufzunehmen, auch wenn man zur Miete wohnte?
Vielleicht hat ja jemand von Euch über manches Kenntnis oder weiß, wo ich nachlesen könnte.
Danke schon mal für jeden hilfreiche Tip mit vielen Grüßen.
Menaitsirch
 
Auch wenn ich mich da nicht genau auskenne, wie klingt das? Ein totalitäres System, zugestanden, freier Wohnungsmarkt, Wohnungsnot. Passt nicht richtig, oder?
Zumal, da Berlin 44 jede menge Luftangriffe erlebt hat, wie viele andere Städte auch, da wusste man doch nicht, ob die Wohnung, falls sie am morgen in einem Inserat gestanden hätte überhaupt noch existiert.
Also eher Stadtverwaltung, egal wer da das sagen hatte.
 
Danke. Soweit ich weiß, war aber die Suche und Zur-Verfügung-Stellung von Wohnraum eine Ausnahme im totalitären System und immer noch eine Sache der Privatwirschaft. So las ich das auch aus einem Aufsatz von Karl Christian Führer von 1997 in "Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte" heraus.
Mein Satz oben war mir übrigens leider zur Hälfte weggewitscht:
Also, meine Mutter hatte sich als freischaffende Künstlerin ausgegeben . Sie schrieb damals Puppenstücke für "Bareis Puppenbühne". Die finde ich leider nicht im Internet.
In der Feuerbachstraße hatte sie - es muss kurz vor Kriegsende gewesen sein, vielleicht auch kurz danach, zwei möblierte Zimmer als Untermietrin gefunden.
Unten im Haus war ein Papierwarengeschäft. Auch dazu wüsste ich gerne mehr. Papier war ja in Kriegszeiten immer rarer geworden. Gab es daür auch Bezugsscheine? Wie haben Maler ihren Malerbedarf befriedigt? Wie konnte solch ein Geschäft überleben?
Fragen über Fragen! Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig ich über das alltägliche Leben zu Kriegszeiten weiß.
 
Bei der Wohnung und der Wohnungssuche wischst Du leider einen entscheidenden Aspekt beiseite um ihn später wieder aufzunehmen. Denn Aspekte der Mangelwirtschaft. Nicht nur Rohstoffe wie Papier, Eisen oder Benzin unterlagen spätestens 44 einem mangel, sondern auch Wohnraum.
Meiner Großmutter wurde vorgeworfen sie wäre eine Kindsmörderin, weil sie 44 nicht aus Köln weg wollte.
Ende vom Lied war Evakuierung mit Kleinkind oder keine Lebensmittelmarken. Nach dem Krieg kam sie nicht mehr in ihre Wohnung. Da war von Amtswegen schon eine andere Familie drin.
 
Danke, ja . Das ist mir schon klar, dass Wohnraum kriegsbedingt rar war.
Aber meine Frage war ja, wie kam man damals überhaupt an eine Mietswohnung?
Und wie hatten Fachgeschäfte wie Schreibwarenläden mit ihrem eingeschränkten Warenangebot überleben können?
 
Danke, ja . Das ist mir schon klar, dass Wohnraum kriegsbedingt rar war.
Aber meine Frage war ja, wie kam man damals überhaupt an eine Mietswohnung?
Und wie hatten Fachgeschäfte wie Schreibwarenläden mit ihrem eingeschränkten Warenangebot überleben können?

Wie überleben wenn die Geschäftsgrundlage fehlt? Eine andere Arbeit annehmen. Verwaltung, Produktion und und und. Auch auf dem Arbeitsmarkt herrschte Mangel. Die Industrie, nicht nur Rüstung brauchte Leute. Ebenso der medizinische Bereich. Viele Männer waren an der Front, Verkrüppelt, in Kriegsgefangenschaft. Und die Frauen konnten nicht alle ersetzen. Es gab zwar Zwangsarbeiter, aber deren Motivation kann man sich vorstellen. Entweder arbeiten oder Kugel.
Nebenbei brauchte das Militär verdammt viel Material.
Als Beispiel eine Diskussion zum Thema Treibstoffe, hier im Forum.
https://www.geschichtsforum.de/thema/oel-und-treibstoffe-in-hitlers-krieg.15676/
 
Hallo,
herzlichen Dank für die interessanten Gedanken und Literaturanregungen. „Kanonen statt Butter“habe ich mir mal bestellt.
Schöne Feiertage !
 
Habe eben diesen Artikel "Mit Lebensmittelkarten ins Restaurant" aus der Lingener Tagespost gefunden.
Kann eider nicht den Beitrag lesen, aber der Titel scheint ja darauf hinzuweisen, dass Lebensmittelmarken auch im Restaurant eingesetzt wurden.
Kann mir aber nicht so recht vorstellen, wie das funktionieren soll!? Die Marken galten ja für eine bestimmte Menge an Lebensmitteln, z,B. Butter, Kartofeln, Fleisch, Milch usw.
Wie rechnet man das ab, wenn man ein komplettes Gericht vorgesetzt bekommt? :confused:
Ich habe letzten Sommer das Buch von Maria Wellershoff "Von Ort zu Ort" gelesen. Es ist eine sehr interessante Autobiographie. Manchmal hat sie einen "weichen" Blick auf Verwandte. Die Autorin ist eine geborene "von Thadden". Ihr Vater hatte mit der ersten Ehefrau (adelig) mehrere Kinder. Als Witwer hat er dann im fortgeschrittenen Alter eine junge Bürgerliche geheiratet, die man als Gesellschafter auf sein Landgut geschickt hatte. Die Kinder der ersten Ehefrau lehnten überwiegend den Kontakt mit der nicht standesgemäßen zweiten Frau und deren Kindern ab. Ihre Halbschwester (aus der ersten Ehe) war

https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_von_Thadden_(Widerstandskämpferin)

Ihr Bruder (aus der zweiten Ehe) war

https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_von_Thadden

zeitweise Parteivorsitzender der NPD. Insbesondere der Bruder wird sehr positiv beschrieben oder aber ausgeblendet. Während sie selbst auf ein erzkonservatives evangelisches Internat für höhere Töchter ging, war der Bruder Adolf auf eine NSDAP-nahen Eliteschule. Dies wird nur beiläufig erwähnt, aber nicht näher thematisiert.

Aber zum Thema:

Sie besucht im Krieg das Internat in Thüringen (Gotha ? ). Dort war nun eine ihrer jüngeren Schwestern Schülerin. Mit dieser besucht sie ein Tortencafe. Dafür hat sie sich Fett-/Buttermarken aufgespart, damit sie die Schwester und deren Freundin zum Kuchenessen einladen konnte.

Eine Zeit im Krieg war sie Kunststudentin in Leipzig. Da berichtet sie, dass sie als Studentin häufig in Gasthäuser ging. Dort hat sie jedoch nur vegetarische Gerichte gegessen. Dafür brauchte man keine Lebensmittelmarken. Für den Eintopf mit Fleisch wäre dies jedoch erforderlich gewesen.

Sie erzählt auch, dass die NS-Bonzen die "unnützen" Kunstfakultäten an den Unis schließen wollten. Die Studenten hätten stattdessen in der Rüstungsindustrie arbeiten sollen. Jedoch habe Hitler als Kunstfreund dies lange Zeit abgelehnt.

Was mich an dem Buch auch irritiert hat:
Das Gut der Familie in Hinterpommern wurde 1945 von den Sowjets eingenommen. Sie schreibt, dass ihre Mutter die russischen und polnischen Zwangsarbeiter auf dem Gut sehr gut behandelt habe. Daher hätten diese sie vor den Übergriffen der Sowjet-Soldaten geschützt. Den adeligen Frauen auf den benachbarten Gütern sei es dagegen sehr schlimm ergangen. Die Mutter hat die 19-jähige (?) Schwester der Autorin bei sich auf dem Gut behalten. Die Autorin wirft dann ihrer Mutter an anderer Stelle Egoismus vor. Wegen ihr sei der dort gebliebenen Tochter bei der sowjetischen Besatzung schlimmes passiert. Beide Aussagen (schützende Zwangsarbeiter) und traumatisierte Schwester passen jetzt irgendwie nicht zusammen.

Ich habe das Buch leider in meiner zweiten Wohnung in meiner Bibliothek. Daher alles nur aus dem Gedächtnis.
 
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Das Gut der Familie in Hinterpommern wurde 1945 von den Sowjets eingenommen. Sie schreibt, dass ihre Mutter die russischen und polnischen Zwangsarbeiter auf dem Gut sehr gut behandelt habe. Daher hätten diese sie vor den Übergriffen der Sowjet-Soldaten geschützt.

Ich arbeite in einer vor wenigen Jahrzehnten noch recht katholischen, ländlichen Gegend. Im Kommunalarchiv des Ortes befinden sich die Ausgaben einer polnischsprachigen Zeitung, die 1945, nach der Befreiung, von den damaligen polnischen DPs herausgegeben wurde, bevor diese repatriiert wurden. Es heißt, die ehemaligen polnischen Zwangsarbeiter, die gut behandelt worden seien, hätten die Bauernhöfe vor den marodierenden (weil hungrigen) befreiten sowjetischen Kriegsgefangenen geschützt und regelrecht Schutzmannschaften gebildet.
 
Zwei deutsche Nobelpreisromane enthalten vieles zum Thema Alltag im Zweiten Weltkrieg: Gruppenbild mit Dame (Böll) die Blechtrommel (Grass)
Hinzu kommen noch weitere literarische Verarbeitungen, die nicht so prominet gekürt wurden: u.v.a. Winterspelt (Andersch) aus dem Leben eines Fauns (Schmidt)
Ob diese als indirekte Quellen taugen?
 
Wobei man eines nicht vergessen darf: Wir sehen heute den Krieg an der Heimatfront als stetiges Auf-der-Hut-Sein vor Fliegerangriffen, Flucht in den Keller bzw. in den Bunker. Aber bis Sommer 1942 waren die Alliierten in der Defensive. Der Bombenkrieg über Dtld. nahm erst ab 1943 Fahrt auf (natürlich gab es auch 1939/40 schon Luftschläge gegen Dtld., aber vergleichsweise wenig). Wirklich massiv Wohnraumproblematiken gab es erst gegen Ende des Krieges, wobei hier Ausgebombte und Kriegsflüchtlinge zusammmentrafen.

Na ja, am 28. März 1942 zerstörte die RAF die Innenstadt von Lübeck, worüber Thomas Mann einen Aufsatz im Exil schrieb. Am 30. Mai 1942 flog die RAF einen Luftangriff mit über 1000 Bombern auf Köln. Die Kölner Innenstadt wurde in Trümmer gelegt und 45.000 Menschen obdachlos. Köln verwandelte sich in ein Flammenmeer. In einem Bericht des Londoner Daily Herald berichteten teilnehmer der Raid, dass der Himmel über Köln belebt war wie Picadilly Circus in der Rush Hour. Das brennende Köln war noch auf über 140 Meilen sichtbar, Piloten konnten von der holländischen Küste aus Köln sehen.

Im Verlauf des Jahres 1942 startete die RAF weitere 1000 Bomber-Angriffe auf Köln, Essen und Bremen. In den USA wurden 1942 mehr, als 40.000 Flugzeuge gebaut, davon 2625 B 17 Fliegende Festung und Liberator B24.

Es wurde weder die Kriegsindustrie lahmgelegt, noch der Widerstandswille der Bevölkerung gebrochen, aber es wurden Städte im Reich zunehmend Ziel von Luftangriffen. Deutschlands Städte waren 1942 noch ziemlich intakt. Wenn Luftwaffenchef Göring anfangs noch sagte, er wolle Meier heißen, wenn ein Flugzeug Deutschland bombardiert, so wurden doch Luftangriffe auf deutsche Städte 1942 häufiger, so dass man Bombenalarm zumindest auf dem Schirm haben musste.
 
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