Antike Kriegstraumata

Zunächst einmal Dank an alle.

Sicher ist die psychologische "Erkenntnis" jüngeren Datums, und es passte auch nicht in das Männerbild, was wohl auch noch für das 20. Jahrhundert teilweise gegolten haben dürfte; aber auffallend ist, dass man sich eigentlich erst seit Vietnam richtig damit beschäftigt und dass man jetzt zunehmend auch für spätere Zeitabschnitte/Epochen diese Traumata zu erkennen beginnt.
Ich bin absolut Deiner Meinung, Marcia, dass da schon "was zwischen den Zeilen" steht, nur hätte ich nach Sekundärliteratur gesucht. Mich verunsichert es etwas so wenig dazu zu finden.
Das Buch von Frau Alexander handelt allerdings auch über Homers Ilias und ich hätte eher an Arbeiten gedacht, die sich mit den großen Kriegen in der Antike diesbezüglich auseinandergesetzt hätten.

Aber trotzdem nochmals vielen Dank.
 
Zunächst einmal Dank an alle.

Sicher ist die psychologische "Erkenntnis" jüngeren Datums, und es passte auch nicht in das Männerbild, was wohl auch noch für das 20. Jahrhundert teilweise gegolten haben dürfte; aber auffallend ist, dass man sich eigentlich erst seit Vietnam richtig damit beschäftigt und dass man jetzt zunehmend auch für spätere Zeitabschnitte/Epochen diese Traumata zu erkennen beginnt.
Ich bin absolut Deiner Meinung, Marcia, dass da schon "was zwischen den Zeilen" steht, nur hätte ich nach Sekundärliteratur gesucht. Mich verunsichert es etwas so wenig dazu zu finden.
Das Buch von Frau Alexander handelt allerdings auch über Homers Ilias und ich hätte eher an Arbeiten gedacht, die sich mit den großen Kriegen in der Antike diesbezüglich auseinandergesetzt hätten.

Aber trotzdem nochmals vielen Dank.


Neben Homer ist sicher auch Livius eine gute Quelle. Der 2. Punische Krieg wurde mit allen verfügbaren materiellen und menschlichen Ressourcen geführt, ähnlich wie man es aus den Weltkriegen des 20. Jhds kennt.

Manches was Livius berichtet, erinnert fast an Szenen, die sich im Lager Friedland bei Göttingen abspielten. Die Mütter und Frauen der Legionäre erkundigen sich besorgt bei Veteranen nach dem Schicksal ihrer Familienangehörigen. Eine Mutter trifft der Schlag, als sie den totgeglaubten Sohn wieder trifft.

Das Bild von den römischen Kriegsheimkehrern, die müde, ausgebrannt und traumatisiert auf ihre verwüsteten Höfe, in ein ruiniertes Land zurückkehren, erinnert ebenfalls stark an Kriegsschicksale von Kriegsheimkehrern der weltkriege.
 
Meines Wissen beginnt die ernsthafte Auseinandersetzung mit Kriegstraumata als psychischer Krankheit erst mit dem Ersten Weltkrieg - Kriegszitterer etc. .
Das hat meiner Ansicht nach zwei Gründe: Bei diesem und den folgenden Konflikten handelte es sich um sehr große Konflikte, die mit wehrpflichtigen Massenarmeen vor den Augen einer interessierten Öffentlichkeit stattfanden. Durch die moderne Presse, später im 20. Jahrhundert auch noch Funk und Fernsehen konnten entsprechende Berichte schnell verbreitet werden. Aus Einzelschicksalen wurde ein (Massen-)phänomen.
Zum zweiten wurden die Konflikte im Laufe der Jahre immer intensiver: Wurden in der Antike in der Regel nur während der Feldzugssaison überhaupt Konflikte gesucht, die dann und wann mal in einer Schlacht eskalierten, so wurden die Kriege zeitlich immer intensiver: es wurde das ganze Jahr über gekämpft, dann auch noch den ganzen Tag lang und schließlich auch noch nachts. Die Zeiträume der - im wahrsten Sinne des Wortes - Entspannung wurden immer beschränkter. Der seelische Druck, der auf Menschen lastet, die 24/7 in einem bröckeligen Kaninchenbau unter dem Trommelfeuer schwerer und schwerster Artillerie liegen, ist weit größer, als wenn man siegesgewiss und in bester Stimmung nach Athen marschiert, sich dort einen Nachmittag lang prügelt und entweder siegreich ist, oder erschlagen oder festgenommen wird oder flüchtet und sich dann erst mal die Wunden leckt.
Die Tatsache, dass in der älteren Kriegführung der Abstand des eigentlichen Kampfgeschehens zur Bevölkerung zeitlich und räumlich relativ groß war und es keine Feldberichterstatter lag, ließ - aus den Augen, aus dem Sinn - vieles in anderem Lichte erscheinen.
Darüberhinaus war zu den handfesten Zeiten, in denen Psychologie keine große Rolle spielte, das Kriegstrauma von einer anderen Bezeichnung überschattet: Feigheit! Ebenso wie die ersten Kriegstraumatisierten auch erst als Feiglinge abgestempelt wurden (und z. T. heute noch werden?) hat man damals den sich merkwürdig verhaltenden Kerl zurück nach vorn geschubst oder auf der Stelle umgebracht (pour encourager les autres). Um irgendwelche Grenzen zwischen seelisch bedingtem und bewusstem "Angriffsversagen" dürfte sich in einer Welt, die im zwischenmenschlichen Bereich wesentlich brutaler war, als dies im 20. Jahrhundert der Fall war, niemand gekümmert haben.
Letzter Punkt: Wenn in der antiken Phalanx ein Hoplit aus welchem Grunde auch immer stehenbleiben oder weglaufen wollte, hatte er zur Ausübung keine Chance, da er in der kompakten Masse einfach mitgeschoben wurde.

Nach dieser laaangen Vorbemerkung mein Punkt:
Kriegstraumata gab es damals absolut (kleinere Heere, weniger Druck) wie relativ (geringere Intensität der Kriegführung) tatsächlich weniger, die Fälle, die dennoch auftraten, wurden als Fälle von Feigheit betrachtet und entsprechend sanktioniert; aber:

Wie sieht's aus mit dem Helden Hector, der mitten im Zweikampf mit Achilles plötzlich den Mut verliert und gegen alle Gewohnheit und Ethos wegrennt?
Wie sieht's aus mit Pompeius Magnus, der bei Pharsalos (möglicherweise unter der seelischen Last der Verantwortung) völlig zusammenbricht, bloß weil seine Reiterei dort hinten aufgerieben wird? Ich kenne aus der Frühen Neuzeit einige Fälle, wo bis dahin zuverlässige Veteranen vor ihrem 237. Gefecht völlig überraschend und ohne triftigen Grund im wahrsten Sinne des Wortes die Nerven verloren und durchdrehten.

Nachwort: Es gibt m. E. einen Auswuchs von Kriegstrauma, der noch seltener psychologisch betrachtet wird und wurde: der sogenannte oder auch "Blutrausch" - und dafür dürfte es in der Sekundärliteratur auch zur Antike genügend Erwähnungen geben.
 
Also ich weiß nicht ganz...

So fern sehe ich die militärischen Kontakte der Bevölkerung mit dem Heer auch nicht unbedingt, denn in Kriegszeiten kamen "Zivilisten" (Alte, Frauen und Kinder) durchaus mit der vollen Härte des Krieges in Berührung, was man ganz leicht sehen kann, wenn man beispielsweise die Darstellungen auf der Marcussäule in Rom betrachtet. Da werden Männer hingerichtet, zum Köpfen der eigenen Landsleute gezwungen, Frauen von ihren Kindern fortgerissen und zur Vergewaltigung weggeschleppt. Das war "Kriegsalltag" für Zivilisten, die mit feindlichen Soldaten in Berührung kamen und so fern kann es dann auch nicht in der psychischen Verarbeitung geblieben sein.

Ganz psychologisch unproblematisch würde ich auch antike militärische Kontakte nicht einschätzen. Du sagst ja selbst, dass es genug Fälle von (damals) unverständlicher "Feigheit" gab. Es gab aber auch Fälle von Selbstverstümmelung vor dem Kampf, um dem Krieg zu entgehen.
Plutarch berichtet meines Wissens nach von Marius, dass er seine Soldaten erst einmal durch kontrollierte Konfrontation mit dem Feind ihre Angst zu überwinden half - ein instinktiv psychologisch vollkommen richtiges Verhalten.
Ob ein Trommelfeuer mehr psychische Schäden zu erzeugen vermag, als ein hautnaher physischer Feindkontakt in einem Getümmel aus Waffenklirren, Todesschreien, Gestank aus Blut, Schweiß, Kot und Verbranntem und einer Rundumgefahr für das eigene Leben, das hauptsächlich von der eigenen Reaktionsgeschwindigkeit und physischen Kondition abhängt, kann ich jetzt so nicht beurteilen. Ich würde als kriegsferner Zivilist denken, dass das als psychischer Stressor durchaus gleichwertig ausfallen könnte, denn ein Trauma ist grundsätzlich auch etwas relativ- der eine überlebt die schlimmsten Kriege und Katastrophen vollkommen unbeschadet, der andere trägt schon beim Anblick der Bilder im Fernsehen einen bleibenden Schaden davon.

Aber du hast sicherlich Recht, dass die Quellenlage über ein gesellschaftlich stigmatisiertes Ausfallbild mager ist, was nicht heißen muss, dass es nicht ebenso existiert haben könnte.
Gut könnte auch der Hinweis auf den Gewaltexzess sein.

Danke für die Hilfe!
 
Zuletzt bearbeitet:
Eigentlich wollte ich hier zunächst auf einen Beitrag verzichten, weil die neuerliche Anfrage bereits an den älteren Thread angehängt wurde, in dem leider eine unschöne Auseinandersetzung zwischen mir und aquilifer standgefunden hatte; wie dem auch sei, er hatte zwei Literaturhinweise:

- J. Shay, Achilles in Vietnam. Combat Trauma and the Undoing of Charakter (New York-Toronto 1994)

- L. A. Tritle, From Melos to My Lai. War and Survival (London-New York 2000)

Ersteren hatte ich bald überprüfen können und war übrigens auch in deutscher Übersetzung erschienen; es bleibt zu sagen:

daß es darin eigentlich gar nicht um Kriegstraumata oder so ähnliches in der Antike geht. Der Autor benutzt die Ilias als eine Art Interpretationsfolie, um die Kriegsneurosen, die us-amerikanische Soldaten nach Vietnam entwickelten, zu verstehen.

Was Tritle betrifft [...], hast du tatsächlich recht, insofern er sich mit der Posttraumatischen Belastungsstörung als Kriegsneurose in der griechischen Antike beschäftigt hat; was auch wirklich interessant erscheint. Der Autor scheint ein Spezialist der Zeit zu sein und hat das Konzept der psychischen Störung scheinbar aufgegriffen; bin gespannt, wie er das belegt. Ebenso interessant, daß seine Überlegungen schon rezipiert werden (vgl. Slawomir Sprawski, Rezension: Ivan Jordović, Anfänge der Jüngeren Tyrannis. Vorläufer und erste Repräsentanten von Gewaltherrschaft im späten 5. Jahrhundert v. Chr, Bern / Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2005, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 10):

(http://www.sehepunkte.de/2006/10/10345.html)

Aber beschäftigt sich der Autor auch definitiv mit Kriegstraumata - wozu du letztendlich diesen Thread eröffnet hattest?

Tritle scheint es zu tun, deswegen sei aquilifer an dieser Stelle noch einmal gedankt für die Empfehlung!

Ich habe gerade nach Rom und Tritle gegoggelt und habe u. a. diesen aktuellen Hinweis gefunden:

- Philippe J. Birmes,Eric Bui, Rémy Klein, Julien Billard, Laurent Schmitt, Charlotte Allenou, Nicolas Job & Christophe Arbus, "Psychotraumatology in antiquity". Stress & Health 26/ 1 (2010) Issue 1, pp. 21-31

abstract schrieb:
From antiquity onwards, chroniclers have reported cases of agitation or stupor sometimes associated with terrifying nightmares. Responses during the impact of a traumatic experience have attracted attention: terror, confusion and disorganized behaviour during the fire of Rome; the numbness of Patroclus, and loss of bowel and bladder control among warriors. The same applies to the most obvious post-traumatic responses: the recurrent and intrusive distressing recollections of Gilgamesh, the dreams of battle in De Natura Rerum and the dissociative episodes concerning Marius. Although symptoms of re-experience are perfectly described, the long-term dissociative symptoms and their somatic components are also the object of unequivocal anecdotes. The scientific reading of the historical studies of a clinical and seemingly isolated fact contributes towards the establishment of modern psychotraumatology.
(Wiley InterScience :: Session Cookies)

Aber welcher Marius wird gemeint sein? Anscheinend Sullas Gegner (vgl. Lucretius' De Rerum Natura)
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielleicht paßt das etwas.

"Aber die Götter schufen für alle unheilbaren Leiden,..., ein Mittel. Geduld, das zu ertragen und Kraft. Einmal wird dieser betroffen, dann jener, eben sind wir so heimgesucht und wund, blutend stöhnen wir auf, aber es trifft auch bald wieder andere."(Archilochos, 13W)

Wenn man sich die konkrete Situation versucht vorzustellen, verwundet, in Todesgefahr, half der Gedanke, das es anderen ähnlich ergehen wird.


Wenn ein Gedanke einer anklagenden Gerechtigkeit ,warum widerfährt (gerade) mir das?´, durch eine Vergeltungs-Gewißheit beantwortet wird, lindert das den Schmerz.


Es steht eventuell in einem Kontext mit Homer.

Achilleus zu Lykaons Flehen ihn zu verschonen:“Siehst du nicht, wie ich selber so schön und groß an Gestalt bin? Denn dem edelsten Vater gebar mich die göttliche Mutter! Doch wird mir nicht minder Tod und Verhängnis nahn,...[Schrott:“Ich bin ebenso jung und fesch wie du und der Sohn eines großen Mannes und einer Göttin- auch mir wurde ein kurzes Leben beschieden.“]“ (21.G. 108-110)


Dieser Gerechtigkeits-Zusammenhang funktionierte auch umgekehrt:, Wieso sollte dir nicht schlimmes widerfahren, wenn es auch mir zustößt?´


Kann sein, das es ähnliche Gdanken auch bei Zivilisten gab.
 
So fern sehe ich die militärischen Kontakte der Bevölkerung mit dem Heer auch nicht unbedingt, denn in Kriegszeiten kamen "Zivilisten" (Alte, Frauen und Kinder) durchaus mit der vollen Härte des Krieges in Berührung, was man ganz leicht sehen kann, wenn man beispielsweise die Darstellungen auf der Marcussäule in Rom betrachtet. Da werden Männer hingerichtet, zum Köpfen der eigenen Landsleute gezwungen, Frauen von ihren Kindern fortgerissen und zur Vergewaltigung weggeschleppt. Das war "Kriegsalltag" für Zivilisten, die mit feindlichen Soldaten in Berührung kamen und so fern kann es dann auch nicht in der psychischen Verarbeitung geblieben sein.
Da hab ich mich unsauber ausgedrückt. Was Du sagst ist natürlich vollkommen richtig. Ich meinte aber weniger die Bevölkerung auf der Opferseite, sondern die Angehörigen der auswärts Kämpfenden. Wenn Papa/Sohn/Ehemann völlig verändert aus dem Krieg zurückkommt, dann ist das solange persönliches Familienpech, bis man mitbekommt, dass es vielen vielen anderen ebenso geht. Und da sind unabhängige Frontberichte per Zeitung, Fotografie, Radio oder gar bewegter Bilder viel besser für geeignet, als spärliche mündliche Berichte. Und "zeitlich befristete Aussetzer" beim Heer da draußen bekommen die Angehörigen/Heimatfront häufig gar nicht erst mit. Wenn der jeweilige Angehörige im Einsatz von seinem Vorgesetzten als Feigling in die Schlacht zurückgeprügelt oder hingerichtet wird, wurde das den Angehörigen häufig auch nicht so mitgeteilt - er war halt gefallen. Kein Zeugnis, kein Verdacht, kein (veröffentlichtes) Trauma.

Es gab aber auch Fälle von Selbstverstümmelung vor dem Kampf, um dem Krieg zu entgehen.
Völlig richtig! Wobei hier jedoch durchaus die jeweilige Motivation zu untersuchen wäre. Häufig genug dürfte hier geistesgegenwärtige Berechnung nach dem Motto: "Opfere Zahn, rette Leben" am Werk gewesen sein (z. B. zu Musketierszeiten) und kein psychisch/seelischer "Schaden".


Ob ein Trommelfeuer mehr psychische Schäden zu erzeugen vermag, als ein hautnaher physischer Feindkontakt in einem Getümmel aus Waffenklirren, Todesschreien, Gestank aus Blut, Schweiß, Kot und Verbranntem und einer Rundumgefahr für das eigene Leben, das hauptsächlich von der eigenen Reaktionsgeschwindigkeit und physischen Kondition abhängt, kann ich jetzt so nicht beurteilen. Ich würde als kriegsferner Zivilist denken, dass das als psychischer Stressor durchaus gleichwertig ausfallen könnte, denn ein Trauma ist grundsätzlich auch etwas relativ- der eine überlebt die schlimmsten Kriege und Katastrophen vollkommen unbeschadet, der andere trägt schon beim Anblick der Bilder im Fernsehen einen bleibenden Schaden davon.
Beides ist auf keinen Fall gleichwertig. Natürlich ist das Handgemenge Streß, aber man agiert & reagiert und kommt gar nicht zum denken oder grübeln. Mein oben genannter "Blutrausch" dürfte durchaus ein Symptom für das "Notprogramm" sein, dass in diesem Augenblick im Gehirn abläuft.
Ich war als Schöler mal in den französischen Forts um Verdun herum unterwegs. Wenn Du da fest auf den Boden stampfst, hast Du schon einen Mordswiederhall. Nun sitze da drin, im Dunkeln, es stinkt, weil um Dich herum zig hundert Kameraden sitzen und genauso Angst haben wie Du, ständig schlagen Mörderhämmer (feindliche Granaten und Minen) ein * Lautstärke *, möglicherweise hört man sie auch noch anfliegen *WARTEN, banges* und das ganze 7 oder 10 oder 14 Tage lang und Du denkst nach und grübelst und wirst dumpf und willst einfach nur noch raus und nach hauseundinFriedengelassenwerdenunddukannstnichtstunalswartenundduwirstsowieso
sterbenundalleanderenwerdenauchsterbenunddieseswahnsinnigmachendewarten
unddieserlärmunddiesergestankunddieseanspannung
 
Die Traumata der Verschütteten , sowohl in den Schützengräben wie in den Luftschutzbunkern, sollte man nicht vergessen. Auch das Situationen, in denen die Stresshormone nicht durch Agression oder Flucht abgebaut werden konnten.
Analogien, wenn auch vielleicht keine direkten Übereinstimmungen, in der Antike sind vorstellbar.
 
Man sollte die Zahlenverhältnisse nicht außer Acht lassen, zusätzlich zu den Bedingungen.

Die Heere in der Antike waren weitaus kleiner und noch kleiner war der Anteil, der überhaupt zum Kämpfen kommt in einer rangierten Schlacht! (nämlich nur die ersten Reihen, in denen ausgesuchte Leute stehen).

Außerdem war es für gefährdete Menschen einfacher, vorher wegzulaufen. Die Verwaltung war weit weniger entwickelt und so ein Nachverfolgen schwierig.

Das alles drückt die Zahl der Traumata-Opfer gewaltig, es ist also wenig verwunderlich, dass uns kaum Aufzeichnungen darüber erreicht haben.

Auch der Hauptgrund der Trauma fällt in der Antike weg: dauerhafte Anspannung. Heute ist der Soldat zum mindesten im Artilleriebeschuss und das dauerhaft. Gerade diese ständige Todesgefahr zerrt an den Nerven. Das gab es in der Antike und im Mittelalter noch nicht.
 
Kann ich nur dem zustimmen, was sky geschrieben hat.

Die Traumata entstanden/entstehen ja vor allem bei Dauerbelastung. Sowas gab es aber damals noch nicht.

Einmal eine mittelalterliche Schlacht war sicher nicht angenehm, und hatte sicher auch paar Schäden psychischer Natur zur Folge, aber ich bezweifle stark, dass man diese Schäden mit Schäden wie dem Schützengraben-Syndrom vergleichen kann.
 
noch was gefunden:

"Kann doch ein Mann nur dann wacker sich zeigen im Krieg, wenn sein Auge vermag den blutigen Mord zu ertragen."(Tyrtaios, 9D)

Zieht man andere Aussagen T.´s heran, in denen er sich vorwiegend mit dem Krieg beschäftigt, vom praktischen Handwerk bis zur inneren Motivation, kann man davon ausgehen, daß T. die Spartaner über den Krieg lehren wollte.

Hier bezieht er sich wohl auf die psychische Belastung.
Allein diese Tatsache, das er es erwähnt, deutet darauf hin, das er sich damit beschäfigte, bzw. beschäftigen mußte, wenn er die Soldaten auf den kampf vorbereiten wollte.

Das wäre nicht notwendig gewesen, hätte es keine Erfahrungen mit Kämpfern gegeben, deren Augen nicht den blutigen Mord ertragen konnten.

Eine These wäre dann, T.`s weitere Lehr-Anweisungen, auch im Hinblick auf Traumata-Behandlung/Vorbeugung zu verstehen.
 
Ich würde im Interesse der Threadverursacher, also Amalasvinthas und Aquilifers Freund (falls dessen Interesse nach den drei Jahren noch besteht) darum bitten, sich auf die Antike zu konzentrieren.
Für alle diejenigen, welche sich über die modernen Erscheinungen insbesondere respektive des Ersten Weltkrieges austauchen möchten, sei dieser Thread empfohlen:
http://www.geschichtsforum.de/f62/phys-psych-folgen-des-krieges-z-b-kriegszitterer-15542/
 
Die Belastungen in Feldzügen der Antike mögen anders als in modernen Kriegen gewesen sein, aber es ist doch sehr wahrscheinlich, dass auch diese Ereignisse dauerhafte Spuren in den Seelen der Menschen hinterlassen haben.

Wenn ein noch wenig erfahrener Soldat das Leid seiner Freunde und Kameraden erlebte, die vielleicht nicht einmal einen „heldenhaften“ Tod in der Schlacht starben (die Anführungszeichen sind hier unverzichtbar), sondern an Seuchen zugrunde gingen oder an den Folgen von Verletzungen dahinsiechten, oder jemand durch Kriegsverletzungen zum Krüppel wurde, kann ich mir kaum vorstellen, dass so etwas nicht traumatisierend wirkte.

Und je größer die Diskrepanz zwischen den eigenen idealisierenden, heroisch verklärenden Vorstellungen und Erwartungen an den Krieg einerseits und den realen Erfahrungen andererseits war, desto größer mag der Schock gewesen sein. Die neuzeitliche Kriegs- und Nachkriegsliteratur erzählt von jungen Männern, die es kaum erwarten konnten, in den Krieg zu ziehen und die dann gebrochen zurückkehrten. Ich glaube kaum, dass das in der Antike wesentlich anders war. Nur der Umgang damit hat sich mit der Zeit etwas geändert. Selbst in der Neuzeit war/ ist Verdrängen das allgemein Übliche.

Ein durch Verletzungen dauerhaft kampfuntauglicher Römer wurde entlassen, bekam vermutlich noch seinen Sold ausgezahlt und musste dann sehen, wie er zurecht kam. Die Veteranenkolonien wurden unter anderem gegründet, damit man sich im zivilen Leben gegenseitig unterstützte; das mag öfter funktioniert haben. Wie viele aber von Betteln und Almosen leben mussten, vielleicht dauerhaft seelisch Schaden genommen hatten und an mangelnder Versorgung frühzeitig starben, sagen uns die Geschichtsbücher nicht.

Ich habe bei Flavius Josephus ein wenig reingelesen. Die „Geschichte des Jüdischen Krieges“ hält sich mit realitätsnahen Beschreibungen von Kämpfen, Schlachten, Belagerungen nicht zurück. Ich habe mich auf Szenen konzentriert, die mir in Erinnerung geblieben waren und kann auch etwas übersehen haben, aber dort, wo ich etwas vermutete, habe ich nichts gefunden.

Bei den Kämpfen um Jotapata riet Josephus seinen Landsleuten, die römischen Soldaten, welche die Mauern erstürmen wollten, mit siedendem Öl zu übergießen. Obwohl sie die Qualen ihrer Kameraden miterlebten, verloren die Römer, wie Josephus schreibt, nicht ihren Mut und versuchten, weiter vorzudringen.

(Drittes Buch, 7. Kapitel, 28)

Ein andermal wurden römische Soldaten von einem Brand eingeschlossen. Dramatische Szenen spielten sich ab, aber Josephus musste erwähnen, dass die dem Tode Geweihten durch den Anblick ihres Feldherrn getröstet wurden, der noch versuchte, Hilfe zu leisten.

(Sechstes Buch, 3. Kapitel, 1)

Es ist zwar bekannt, dass die Feldherrn der Antike viel für die Kampfmoral, für die Versorgung ihrer Soldaten taten und Wert auf persönlichen Umgang mit ihnen legten, aber hier geht der Personenkult doch ein wenig weit, und man spürt deutlich, zu wessen Ruhm und Ehren Josephus diesen Kriegsbericht verfasste.

Ich habe noch ein wenig bei Plinius dem Jüngeren nachgelesen. Es ging mir weniger um Helden- und Soldatentum, was ja in seiner Briefsammlung kaum behandelt wird, sondern um den Umgang mit Trauer und Tod im zivilen Leben.

Zwei Briefe fielen mir auf, 3. Buch, 10 (an Vestricius Spurinna und dessen Frau Cottia), und 5. Buch, 16 (an Aefulanus Marcellinus). Im ersten Brief geht es um eine Trauerrede für Spurinnas Sohn, die Plinius gehalten hatte und ausarbeiten wollte, im zweiten Brief um einen besonders tragischen Trauerfall, den Tod eines noch jungen Mädchens. Plinius schreibt sehr mitfühlend und verständnisvoll, geht aber in beiden Fällen davon aus, dass die Zeit alle Wunden heilt.

In vielen derartigen Fällen mag das auch eingetreten sein.
 
Und je größer die Diskrepanz zwischen den eigenen idealisierenden, heroisch verklärenden Vorstellungen und Erwartungen an den Krieg einerseits und den realen Erfahrungen andererseits war, desto größer mag der Schock gewesen sein.

Ich glaube, das war nicht so.

Das oben genannte Zitat von Tyrtaios geht wie folgt weiter:

"...und sein Mut es ersehnt, wacker zu stehen am Feind...Das ist Tugend und Ruhm, das ist bei den Menschen der schönste und köstlichste Preis, den sich ein Jüngling erringt."

Zuerst werden die Gefahren klar benannt und danach eine heroisierende Motivation aufgebaut.
Welche vielleicht erst dann richtig tragen konnte, in einem Bewußtsein, das Heldenhaftes nur entsteht, wenn Grausames überwunden wird.
 
Ich glaube bzw. vermute, dass man in Antike und Mittelalter schon alleine deshalb weit weniger psychischen Schaden nach einer Schlacht davon trug, weil man schlicht und einfach den Tod erstmal gewohnt war (denken wir an die höhere Sterblichkeit, in Rom an die Gladiatorenkämpfe), anderer Blickwinkel auf das Thema Krieg (der Tod in der Schlacht als etwas erstrebenswertes, und nicht als etwas Böses, wie man es heute tut). Außerdem keine Dauerbelastung wie heute, wo man als Kämpfer nicht weiß, woher wo welche Gefahr kommt. Außerdem war man viel eher bereit, zur Waffe zur greifen.

Kurz: Man kann schlecht die psychische Gesundheit der Kämpfer von damals mit denen heute vergleichen. Zum Teil müssen ja sich heutige Kämpfer "Mut ansaufen".
 
Zuletzt bearbeitet:
"...und sein Mut es ersehnt, wacker zu stehen am Feind...Das ist Tugend und Ruhm, das ist bei den Menschen der schönste und köstlichste Preis, den sich ein Jüngling erringt."

Zuerst werden die Gefahren klar benannt und danach eine heroisierende Motivation aufgebaut.
Welche vielleicht erst dann richtig tragen konnte, in einem Bewußtsein, das Heldenhaftes nur entsteht, wenn Grausames überwunden wird.

Theoretisch mag sich sowas ja gut angehört haben.

Ich spare mir den Sarkasmus, der sich mir geradezu aufdrängt. Glücklicherweise leben wir heute in einer Zeit, wo die Absurdität solcher Heldenmythen nicht mehr unkommentiert bleiben muss.

Es ist natürlich spekulativ, sich in Menschen der Antike hineinversetzen zu wollen.
Ich bin überzeugt davon, dass die menschliche Leidensfähigkeit schon immer begrenzt war. Die körperliche und seelische Belastbarkeit mag sich allerdings von der heutiger Menschen unterschieden haben.
Im Krieg gab es, denke ich, genügend Situationen, die Menschen an die Grenzen ihrer Leidensfähigkeit und darüber hinaus brachten. Josephus schreibt, wie der Hunger die Bevölkerung in Jerusalem veränderte. Es gab kein Mitgefühl mehr, Verrohung und Verzweiflung machten sich breit. Für diese Erscheinungen, die er ausführlich beschreibt, macht der Geschichtsschreiber - so lese und empfinde ich es - Räuberbanden und die Anführer der Juden – nicht die Besatzer – verantwortlich.
 
Josephus schreibt, wie der Hunger die Bevölkerung in Jerusalem veränderte. Es gab kein Mitgefühl mehr, Verrohung und Verzweiflung machten sich breit. Für diese Erscheinungen, die er ausführlich beschreibt, macht der Geschichtsschreiber - so lese und empfinde ich es - Räuberbanden und die Anführer der Juden – nicht die Besatzer – verantwortlich.

Belagerung und offene Feldschlacht sind immer 2 Paar Schuhe:

Bei einer offenen Feldschlacht hatet man keine ständige Dauerbelastung: Nach längstem 5 Stunden (und das ist schon viel, die Schlacht auf dem Amselfeld dauerte mWn 3 Stunden), war die Sache vorbei. Das es da sowas wie Flashbacks gab, ist sicher. Wie schwer sich Diese auf die psychische Gesundheit auswirken, ist natürlich eine andere Frage.

Eine Belagarung ist eine Dauerbelastung, wo ständig die Gefahr besteht, das man durch irgendwas umkommt, ohne zu wissen, woher genau (man weiss aber von der Gefahr, das macht die Sache ja so belastend). Dann ständiges Elend durch Hunger, Krankheiten etc.
 
Kurz: Man kann schlecht die psychische Gesundheit der Kämpfer von damals mit denen heute vergleichen. Zum Teil müssen ja sich heutige Kämpfer "Mut ansaufen".

Und das was wohl die meisten vergessen: die Massenmedien, das Internet, etc...
Heutzutage wird man mit dem vollgepumpt.
Wieviele Frauen und Kinder in den letzten zweitausend Jahren umgebracht wurden, kann man sich nicht mal vorstellen, heute ist man bei einem Massaker praktisch live dabei - solange dies von Nutzen oder Interesse ist.
Kleinere Gemetzel können zu Völkermord hochstilisiert werden, während dann genozidöse Akte wie in Nigeria oder sonstwo als "Unruhen" bezeichnet werden.
Das kann man tatsächlich in keinster Weise vergleichen, eine vollkommen andere sozialpsychologische Konstellation.

Marcia: Und je größer die Diskrepanz zwischen den eigenen idealisierenden, heroisch verklärenden Vorstellungen und Erwartungen an den Krieg einerseits und den realen Erfahrungen andererseits war, desto größer mag der Schock gewesen sein.

Ich glaube, dass das Sterben früher mehr eine Selbstverständlichkeit war als heutzutage, wo es Konventionen und internationale Verpflichtungen gibt, die versuchen alles irgendwie zu regeln.
Man traf sich am Schlachtfeld und sah den Tod auf der anderen Seite, keine Heckenschützen, keine Minen, direkt und ehrlich.
Die "Propaganda" kam damals wohl eher von einem selber, als von einem Staatsapparat.

interessante Diskussion
 
Es ist sicherlich zutreffen, dass Tod damals mehr zur Lebenswelt gehörte, als heute. Dass man ihn deshalb weniger fürchtete, sehe ich dadurch für mich nicht bewiesen.

Ein ständig wiederkehrendes Argument für oder gegen Kriegstraumata, das ich immer wieder lese, ist die Dauerhaftigkeit der psychischen Belastungen. Nach dem was ich bisher zu dieser Problematik gelesen habe, kommt es gerade darauf nicht an. Es reicht ein Ereignis aus und das kann durchaus auch kurzzeitiger Art sein. Stunden, die auch bis in die Nachtstunden hineingehen konnten, dürften hier mehr als ausreichend gewesen sein.
Allerdings komme es auf die Intensität der Belastung an, die individuell unterschiedlich war. Also da spielten sicherlich die angeführten "Abhärtungen" eine Rolle, wie die schon angesprochene Todesgegenwart und auch die zuvor schon erwähnten Gladiatorenkämpfe. Allerdings bleibt bei letzten zu sagen, dass es sich hier - wohl nicht anders als heute - um keine unmittelbare Gewalterfahrung am eigenen Leib, sondern dem Dritter, noch dazu sozial Rangniederer oder von Tieren gehandelt hatte, so dass eine Eigenbetroffenheit ausgegblieben sein könnte (was nicht immer, aber wohl regelmäßig der Fall war). Anders verhält es sich da immer im Fall der Eigenbetroffenheit. Entscheidend für die Traumatisierung - so die Literatur - soll dabei das Auseinanderfallen von eigener Vorstellung und Belastbarkeit auf der einen und der Gewaltrealität auf der anderen sein. Wenn die betroffene Person sich psychisch vollkommen ausgeliefert oder über die eigenen Grenzen hinaus überfordert sieht, dann entstehen Traumata. Sie setzen eine Art psychische Schocksituation voraus und daher sind regelmäßig Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Frauen schneller traumatisierbar als der ganze Rest. Dies trifft auch für kriegsferne Zivilisten zu, die einem Abhärtungsprozess weniger ausgesetzt waren und sich noch dazu in Sicherheit wähnten, als beispielsweise andererseits Gebiete mit dauerhafter Feindberührung.

Noch zur Ehrlichkeit des Krieges und weil vorne der Feind steht, hinten standen auch Leute, nämlich die eigenen, wie beispielsweise bei Kämpfen der Germanen überliefert, die die Fahnenflüchtigen erschlugen.
Wer fahnenflüchtig war, war als Feigling erledigt und unterfiel wohl auch dem Kriegsrecht, also es lastete auf den Schultern eines Kämpfers auch ein enormer sozialer Druck seinen Mann zu stehen, so dass nur eine psychische Extremsituation einen dazu bewegen konnte, das alles über Bord zu werfen und in der Flucht sein Heil zu suchen.

Aber ganz recht, es ist durchaus interessant.
 
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