Als mitlesender Gast möchte ich in keine Diskussion hier eingreifen, jedoch mal ganz allgemein einige Fakten zur Atlantisforschung beisteuern. Offensichtlich ist hier im Forum nicht jedermann geläufig, wie wirklich seriöse Atlantisforschung funktioniert.
Daher erlaube ich mir hier, einen Crash-Kus für Einsteiger anzubieten, wie man eine wissenschaftliche Atlantis-Theorie auf die Beine stellt. (Das hier vorgestellte Vier-Schritte-System dürfte für den Anfang völlig genügen, obwohl mir natürlich klar ist, dass wahre Profis selbstverständlich wesentlich kompliziertere Modelle bevorzugen, um zum selben Ergebnis zu gelangen.)
Schritt 1: Wie man auf die richtige Gegend kommt
Der erste Schritt ist noch ganz kinderleicht. Wir suchen uns irgendeine Gegend aus. Stadt, Land, Fluss oder sonstwas - piepschnurzegal. Paris oder Rom oder New York, der Mississippi, der Bodensee oder der Titicaca-See, die Dominikanische Republik oder Korea oder Sibirien.
Schritt 2: Wie man beweist, dass das auch die richtige Gegend ist
Dazu ist - sowohl für den Profi wie für den Laien - nun doch ein wenig Arbeit vonnöten. Wir nehmen nunmehr Platons Text heran und gehen ihn durch, inwieweit er mit unserer gewünschten Gegend übereinstimmt. Nehmen wir doch mal das Beispiel Sibirien (bzw. ganz genau: Westsibirien, meine derzeitige Lieblingshypothese):
- Bei Platon steht, Atlantis sei größer als (Klein)-Asien und Libyen zusammen. Stimmt haargenau! Schon allein Westsibirien ist tatsächlich viel größer als Kleinasien und Libyen zusammen.
- Bei Platon steht etwas von hoch aufgehäuftem, ja undurchdringlichem Sumpf. Stimmt haargenau! Sibirien ist im Sommer eine total sumpfige Gegend. Es gibt wohl kaum eine andere Gegend der Welt, wo es so viel Morast gibt. Schon allein das beweist, dass Atlantis wohl am ehesten in Sibirien zu suchen ist.
- Ferner ist im Text von "reichhaltigen Quellen und Flüssen an allen Orten" die Rede. Und die gibt es dort ja wohl "an allen Orten". Stimmt haargenau!
- Dann müssen wir nach einer großen Ebene suchen, die von Bergen umgeben ist und ans Meer grenzt. Die finden wir im westsibirischen Tiefland. Stimmt haargenau!
- Und wenn wir bislang richtig liegen (woran nicht der mindeste Zweifel bestehen kann), müsste nun "im äußersten Teil" unseres Atlantis eine Gegend namens "Gadei(ros)" oder so ähnlich zu finden sein. Und tatsächlich: Da finden wir die Gyda(n)-Halbinsel. Stimmt wieder haargenau! (Na ja fast, aber ein Buchstabe mehr oder weniger ist ja wohl piepschnurzegal.)
- Ein wichtiger Knackpunkt für die Lokalisierung von Atlantis ist das Vorkommen von Elefanten. In Sibirien? Na klar doch! Platon schreibt ja von einer Zeit, die damals schon 9000 Jahre vergangen war. Und damals gab es noch Vertreter einer Elefantenart in rauhen Mengen: Das sibirische Mammut! Stimmt wieder haargenau! (Die letzten Mammuts lebten übrigens noch zur Zeit der Pharaonen, wohlgemerkt!)
- Ausdrücklich werden kalte und heiße Quellen erwähnt. Passt haargenau! (Man denke an die Thermalquellen bei Tyumen!)
Die Reihe der Indizien ließe sich noch erweitern*, aber bereits jetzt haben wir so viele schlagende Beweise, dass wir unsere Theorie als felsenfest begründet ansehen können. Gehen wir nun zum nächsten Punkt über:
Schritt 3: Wie man den ganzen Rest passend kriegt
Nachdem nun also eindeutig und endgültig bewiesen ist, dass Westsibirien perfekt zu den Angaben Platons passt (während andererseits alle Gegenhypothesen an diesem oder jenem Punkt bereits scheitern, weil z. B. viel zu klein oder kein undurchdringlicher Schlamm oder keine Elefanten), müssen wir noch den Rest von Platons Angaben passend bekommen, die auf den ersten Blick vielleicht nicht so ganz hundertprozentig zu passen
scheinen.
So würde man bei der Erwähnung von allerhand agrarischen Nutzpflanzen nicht gerade auf Sibirien tippen. Aber halt! In Sibirien sind auch heute noch über 300 essbare Pflanzen heimisch - Gemüse, Beeren, sogar Obst. Und außerdem sagt Solon, dass Atlantis "
damals durchweg den Einwirkungen der Sonne zugänglich war". Es muss also in
damals, vor einigen Jahrtausenden, ein wärmeres Klima geherrscht haben, wodurch eine üppige Landwirtschaft möglich war, wie sie Platon beschreibt.
Vor allem müssen wir uns immer wieder klarmachen, dass Platon die Story nicht aus erster Hand hat und dass die Story über all die Jahrtausende durch Tradierung/Verfremdung gelitten hat. Wenn also etwas mal nicht ganz haargenau passen sollte, ist dies stets darauf zurückzuführen, dass halt doch immer wieder ein klein wenig Dichtung, Übertreibung oder schlichte Missverständnisse (vielleicht wurde ja nicht alles ganz korrekt aus dem Ägyptischen ins Griechische übersetzt) mit im Spiel sind. Damit sind wir eigentlich schon beim nächsten Schritt:
Schritt 4: Wie man Einwände abschmettert
Zunächst mal ist zu sagen, dass jeder, der mit irgendwelchen Einwänden kommt, damit lediglich beweist, dass er die Theorie samt ihrer erdrückenden Beweislage offensichtlich nicht gründlich genug studiert hat, dass er seine Vorurteile nicht abzustreifen vermag und es ihm an Offenheit gegenüber neuen Theorien mangelt, dass sich also letztlich seiner geistigen Beschränktheit und Sturheit wegen den errungenen wissenschaftlichen Durchbruch nicht wahrhaben will. Insbesondere Vertreter der Schulwissenschaft sind ja oft sowas von borniert und vernagelt, dass ihnen schier nicht zu helfen ist.Trotzdem wollen wir uns gerne dazu herablassen, auf Kritik jeglicher Art einzugehen, um damit zu beweisen, dass unsere Theorie nicht zu erschüttern ist.
Egal, ob wir nun Sibirien oder sonst eine Gegend gewählt haben -
ein stupider Einwand wird immer kommen: Platon sage klipp und klar, meinen die Kritiker, dass es sich bei Atlantis um eine Insel handelte, die a) im Meer lag, die b) größer war als (Klein)-Asien und Libyen zusammen und die c) verschwunden ist, alldieweil sie ganz plötzlich im Meer untergegangen ist.
Liebe Kritiker, wie kann man denn sooo naiv sein? So eine riesige Insel kann doch nicht von einem Tag auf den anderen im Meer versinken, wer glaubt denn sowas? Platon kann man an dieser Stelle unmöglich ernst nehmen. Vielleicht hat er da ein wenig geschwindelt. Oder zumindest furchtbar übertrieben. Oder vielleicht hat Platon das auch nur metaphorisch gemeint: Der Staat Atlantis und seine Kultur sind
untergegangen, aber nicht die ganze geographische Gegend. Vielleicht hat es nur eine regionale Überschwemmung gegeben oder es ist nur ein küstennahes Inselchen untergegangen, und mit der Größe der Insel meinte Platon halt nicht die Größe der Insel, sondern die Größe von irgendwas anderem, vielleicht dem gesamten atlantischen Einflussgebiet.
Wenn wir uns aber eine Gegend ausgesucht haben, die gar keine Insel ist? Bei der Dominikanischen Republik wären wir ja aus dem Schneider, aber was ist mit Paris oder Rom oder New York oder Korea oder Sibirien?
Keine Bange, eine "Insel" finden wir auf jeden Fall. Paris hat eine Seine-Insel, Rom eine Tiber-Insel, Manhattan in New York ist eine Insel, Korea ist immerhin eine Halbinsel, das zählt auch als Insel. Im Fall von Paris können wir darauf hinweisen, dass die ganze Gegend drumrum heute noch als Île de France ("Insel Frankreichs") bezeichnet wird (ob sie schon zu Platons Zeiten so genannt wurde, ist piepschnurzegal). Und im Fall Roms, dass die alten Römer ihre Mietskasernen als "Insulae" bezeichneten, man braucht also noch nicht einmal unbedingt etwas mit Wasser drumrum. Und außerdem, ein Trumpf sticht immer:
Regesta Imperii
Es reicht, wenn man eine Gegend findet, die irgendwie zwischen zwei Flüssen liegt. In Westsibirien, um wieder auf mein Lieblingsbeispiel zu kommen, böten sich die Flüsse Irtysch und Jenissej an. Die schließen eine riesengroße Insel ein, die tatsächlich größer ist als Kleinasien und Libyen zusammen! Na also!
Mit allen anderen Einwänden, die auf Platons Text basieren, verfahren wir ebenso:
- Platons Angaben sind an dieser Stelle halt ungenau.
- Platons Angaben sind an dieser Stelle halt übertrieben.
- Platons Angaben sind an dieser Stelle halt nicht wörtlich, sondern metaphorisch gemeint.
- Platons Angaben sind an dieser Stelle halt irgendwie korrumpiert
- Platons Angaben sind an dieser Stelle halt geflunkert.
- Platons Angaben sind an dieser Stelle halt aus sonst irgendeinem Grund piepschnurzegal.
Ein besonders dümmlicher Allerweltseinwand besagt stets, dass die Archäologen bislang nichts gefunden haben, was unsere schöne Theorie bestätigen würde. Diesen Einwand lasse man stets als Bumerang zurückkehren: Die Archäologen haben nur deswegen nichts gefunden, weil sie in ihrer typisch schulwissenschaftlichen Arroganz und Ignoranz noch gar nicht danach gesucht haben! (Wann hat denn je eine archäologische Atlantis-Expedition in Westsibirien stattgefunden, hä?!) Oder zumindest haben sie noch nicht an der richtigen Stelle gesucht. Oder falls doch, haben sie eben noch nicht gründlich genug gesucht.
Oder - falls man doch irgendwelche Spuren menschlicher Tätigkeit aus welcher Zeit auch immer gefunden hat - dann heißt das ja, dass man eben doch etwas gefunden hat! Nur sind die Funde bislang nicht richtig (nämlich in Richtung Atlantis) interpretiert worden!
Wenn nun aber alle Einwände abgeschmettert sind, heißt das dann doch im Endergebnis: Die Theorie ist durch nichts zu erschüttern! Was aber nicht falsifiziert ist, hat einen Anspruch darauf, als wissenschaftliche Theorie akzeptiert zu werden. Klaro?
* Ob man den endgültigen Beweise an der Qualität der Indizien oder an der Quantität der Indizien festmacht, ist eigentlich piepschnurzegal, zweiteres ist mehr eine Sache für Profis, die viel Zeit investieren wollen und weniger Hemmungen haben, nach dem Papagei-Prinzip zu arbeiten.