Attische Demokratie überschätzt?

Cicero war fest überzeugt von der Senatsherrschaft auch wenn er selber nur ein Secondo war. Er war gegen die Erteilung des römischen Bürgerrechts an einige Latiner durch Caesar.
Kann es sein, dass Du da etwas durcheinanderbringst? Die Latiner hatten zu Caesars Zeiten doch schon längst das römische Bürgerrecht. Caesar verlieh aber Sizilien das Latinerrecht, was Cicero (obwohl er sich, seit er als Quaestor auf Sizilien gedient hatte und seit dem Prozess gegen Verres, als eine Art Patron Siziliens betrachtete) ablehnte. (Marcus Antonius verlieh den Sizilianern nach Caesars Ermordung sogar das römische Bürgerrecht, was aber bald wieder rückgängig gemacht wurde.)

Bei 35 000 oder max 20% der erwachsenen Einwohner als Wahlvolk , Vater und Mutter mußten Athener sein, damit man das Bürgerrecht hatte, ist von Volksherrschaft im weitesten Sinn nicht zu sprechen. Man könnte da auch von einer erweiterten Aristokratie reden, da nur die "edlen " Athener, die mit Geburtsrecht seit Generationen, Wahl bzw Losberechtigt waren. Am Ende hatten ja nur die Athener, die stadtnah wohnten und die noch dazu durch ihre Vorfahren Athener waren, überhaupt die Möglichkeit, politisch aktiv zu sein.

Alles eine Frage der Definition. Definiere ich die römische Nobilitas als Bürger mit vollem Bürgerrecht, dann ist auch Rom eine klassische Demokratie.
Der Unterschied ist aber der, dass in Athen alle nach damaligem Verständnis für eine politische Betätigung in Frage kommenden Personen (= freie Männer mit Vollbürgerschaft) zumindest aktiv gleich wahl- und stimmberechtigt waren. In Rom hingegen gab es auch unter den nach damaligem Verständnis für eine politische Betätigung in Frage kommenden Personen (= freie Männer mit römischem Bürgerrecht) Abstufungen, z. B. in den Centuriatscomitien mit ihrem Klassenwahlrecht.
Der Unterschied zu einer Aristokratie wiederum ist der, dass in einer Aristokratie auch von den freien Männern mit Vollbürgerschaft nur ein kleiner Teil (volle) politische Rechte hat.
Dass nur in oder nahe Athen lebende Athener ihre Rechte regelmäßig voll ausüben konnten, war ein praktisches Problem, kein rechtliches. (Auch heute ist es nicht in allen Demokratien so, dass im Ausland lebende Bürger vom Ausland aus wählen können.)
 
Ich sehe den Unterschied anders.
In Rom hatten Leute ein "teilweises " Bürgerrecht, was es in Athen nicht gab.
Nur die Nobilitas hatte das volle Bürgerecht (passives und aktives Wahlrecht), und zu diesem Kreis gehörten sogar in der Frühzeit zugezogene Fremde (einige angeblich etruskische Familien)
In Athen fast eine Unmöglichkeit. Hier hatte die Mehrheit der Bewohner eben überhaupt kein Bürgerrecht, auch wenn es sich um Freie handelte.
 
Ich sehe den Unterschied anders.
In Rom hatten Leute ein "teilweises " Bürgerrecht, was es in Athen nicht gab.
Nur die Nobilitas hatte das volle Bürgerecht (passives und aktives Wahlrecht), und zu diesem Kreis gehörten sogar in der Frühzeit zugezogene Fremde (einige angeblich etruskische Familien)

Soweit mir bekannt, gab es in Rom kein eingeschränktes, sondern nur ein volles römisches Bürgerrecht. Das war mit dem aktiven und passiven Wahlrecht verbunden. Etwas anderes ist die Tatsache, dass z.B. in der Heeresversammlung die Stimmrechte so verteilt waren, dass die Vermögenden - nämlich Ritter und 1. Klasse - bei Abstimmungen über die absolute Mehrheit verfügten.

Bis zum Jahr 212 gab es die Möglichkeit, Bewohnern eroberter Gebiete ein eingeschränktes Bürgerrecht ohne Wahlrecht, jedoch mit Kriegsdienstpflicht zu verleihen (Civitates sine suffragio). Der Oberschicht eroberter Provinzen oder auch bestimmten Einzelpersonen wurde zuweilen als Auszeichnung das volle Bürgerrecht verliehen. Mit der "Constitutio Antoniniana" erhielten dann 212 alle frei geborenen Einwohner des Imperium Romanum das volle Bürgerrecht.
 
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Wilfried meint, dass in Rom der Bürger ein "teilweises" oder "einegschränktes" Bürgerrecht hatte, weil sie auch formal nicht den gleichen Einfluss hatten wie Römer der Oberschicht. Die Gewichtung des Bürgers innerhalb der Bürgerschaft war vom sozialen Stand abhängig, nicht nur faktisch (das ist heute nicht anders), sondern auch per Gesetz. Das ist auch richtig und klassifiziert die römische Republik (grob gesagt) als Oligarchie, was auch deine Aussage war, Dieter. ;)

Soweit (bzw insofern, wenn ich damit überhauot richtig liege) gehe ich auch konform, allerdings verstehe ich das nicht:

In Athen fast eine Unmöglichkeit. Hier hatte die Mehrheit der Bewohner eben überhaupt kein Bürgerrecht, auch wenn es sich um Freie handelte.

Das ist mE Unsinn, auch im Vergleich zu Rom. Es stimmt, dass das römische Bürgerrecht immer weiter ausgedehnt wurde, aber das geschah im Zusammenhang mit der Ausbreitung und Etablierung des römischen Reiches, ert über Italien, dann über immer größere Gebiete. Etwas derartiges kann es in Athen gar nicht gegeben haben, da das "attische Reich" kein Jahrhundert lang bestand hatte.

Die Metöken war in Athen eine klare Minderheit. Die Mehrzahl der attischen Freien waren Menschen, die zur "Bürgerschaft" gehörten, und sich in die Liste der Bürger eintragen lassen konnten, wenn sie nicht grade Frauen waren, oder Minderjähtig, oder (evtl) keinen eigenen Haushalt führten, oder etc. Aber keines dieser Etc gilt für Rom nicht auch.

Die Ausweitung des Bürgerrechts in Rom war va eine Sache der späten Republik, und dann der Kaiserzeit. Ob es eine praktikable Möglichkeit gab, als Fremder römischer Bürger zu werden, als Rom noch ein kleiner Stadtstaat unter vielen war, kA.
 
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Es hängt alles an dem Begriff "Adel/Patrizier" "Bürger" ....
Was die Athener als Herrschaft des Volkes ansahen, hängt auch daran, wen sie zum Volk der Athener zählten.
Naja, und dem Bedeutungswandel des Begriffs "Demokratie". Die attische Form von Demokratie unterscheidet sich ja denn doch von unserer Auffassung, das z.B. Volksvertreter gewählt werden (einen Rat der 500 gibts ja auch bei uns,~17 x), mit allerdings z.T. anderen Aufgaben und vorallem, der wird gewählt und nicht ausgelost.

Was ich eigentlich verdeutlichen will, es gibt eben auch noch andere Stammesgesellschaften ,-und die attische Gesellschaft ist eine-, die im heutigen Sinne z.T. demokratisch organisiert waren.
 
In Rom hatten Leute ein "teilweises " Bürgerrecht, was es in Athen nicht gab.
Nur die Nobilitas hatte das volle Bürgerecht (passives und aktives Wahlrecht), und zu diesem Kreis gehörten sogar in der Frühzeit zugezogene Fremde (einige angeblich etruskische Familien)
Zu Dieters Ausführungen möchte ich noch ergänzen, dass "Nobilitas" kein Rechtsbegriff ist, sondern eine informelle Bezeichnung (wie "Oberschicht" etc.) - obendrein eine, die eher von der modernen Geschichtsschreibung verwendet wird als von den Römern selbst.* Schon daraus ergibt sich, dass mit der Zugehörigkeit zur Nobilitas keine besonderen Bürgervorrechte verknüpft gewesen sein konnten. Rechtlich bedeutsam war stattdessen die Unterscheidung zwischen Patriziern und Plebejern - das blieb sie auch nach Ende der Ständekämpfe, weil nur Plebejer am concilium plebis teilnehmen durften und nur sie das aktive und passive Wahlrecht für die Volkstribunen und die plebejischen Aedilen hatten, während den Patriziern bestimmte Priesterposten vorbehalten blieben. Unterschiede im Bürgerrecht als solchem waren damit aber nicht verknüpft, außerdem konnten sowohl Patrizier als auch Plebejer zur "Nobilitas" gehören. Dazu kommt noch die Einstufung in verschiedene Centurien (für die Comitia Centuriata) und die Zugehörigkeit zu verschiedenen Curien (für die Comitia curiata) und Tribus (für die Comitia tributa). Beim Bürgerrecht selbst ist aber nur, wie von Dieter bereits erwähnt, zwischen dem vollen Bürgerrecht und dem Bürgerrecht sine suffragio zu unterscheiden.
(* Das gilt auch für Begriffe wie "Optimaten" etc. Römische Autoren verwendeten verschiedene Ausdrücke. Cicero z. B. bezeichnete sie meist einfach als "boni"="die Guten".)

Die der Überlieferung nach "in der Frühzeit zugezogenen Fremden" - wie z. B. die sabinischen Claudier - erhielten das Bürgerrecht und wurden unter die Patrizier oder die Plebejer aufgenommen. Für diese Frühzeit ist der Begriff "Nobilitas" aber noch sinnlos, da ohnehin fast die ganze Macht in den Händen der Patrizier lag.
 
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Naja, und dem Bedeutungswandel des Begriffs "Demokratie". Die attische Form von Demokratie unterscheidet sich ja denn doch von unserer Auffassung, das z.B. Volksvertreter gewählt werden ...

Im antiken Athen ließen sich alle Entscheidungen in Form von Beschlüssen der Volksversammlung herbeiführen, die von den stimmberechtigten Bürgern gebildet wurde. Die modernen Demokratien waren für eine solche direkte Mitwirkung zu groß. Sie lösten das Problem durch die Wahl von Repräsentanten bzw. "Volksvertretern", die im Parlament quasi stellvertretend politische Entscheidungen treffen.

Der demokratische Kerngedanke ist damals wie heute derselbe: Gleichheit aller Bürger, die an politischen Entscheidungen durch Stimmabgabe mitwirken. Dass sich die demokratischen Institutionen dabei wandeln und im Abstand von Jahrtausenden neue Aspekte wie Verfassung, Gewaltenteilung und Menschenrechte hinzukommen, kann nicht verwundern.

Was ich eigentlich verdeutlichen will, es gibt eben auch noch andere Stammesgesellschaften ,-und die attische Gesellschaft ist eine-, die im heutigen Sinne z.T. demokratisch organisiert waren.

Welche sollen das sein?
 
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