Auswirkungen eines Sieges der deutschen Flotte im November 1918

Zumal der OHL und SKL nicht miteinander gesprochen haben, bei den Planspielen zum Schliefenplan. Im Grunde haben sie nie miteinander gesprochen. Der Krieg war schon zu Beginn verloren. Die Marine hat nämlich die Landeoperation der Britischen Truppen zur Unterstützung der Franzosen nicht gestört oder gar unterbunden. Und der Kaiser hat ja auf seine Risikoflotte gesetzt, diese aber kaum eingesetzt.
Und was währe das Ende vom Lied gewesen, mit der Entscheidungsschlacht in der Nordsee? Die Flotte versenkt, viel mehr Tote und der Versailler Vertrag währe doch so gekommen.
 
Hat sich denn die Versorgung der deutschen Bevölkerung durch die Kapitulation im November 1918 verbessert?
Relativ ja. Denn es mussten weniger Güter nach Belgien und Frankreich an die Front geschickt werden. Alleine die für den Transport aufgewendeten Ressourcen und Arbeitskräfte konnten im Reich die Situation verbessern.
 
Ach übrigens, US Schlachtschiffe waren auch schon in der Nordsee eingetroffen.

Es war die von Konteradmiral Rodman befehligte Neunte Schlachtschiffdivision mit New York, Wyoming, Florida, Delaware und Texas.

http://www.worldwar1.com/dbc/battlesh.htm

Integriert wurde sie als Sechstes Schlachtschiffgeschwader in die Grand Fleet und operierte nach britischer Taktik und übernahm auch die britischen Signalmethoden.

Die Allierten besaßen ein überwältigendes Übergewicht in der Nordsee, dass sie allerdings nicht für eine offensive Kriegsführung mit Großkampfschiffen nutzen mußten. Wobei Marder vermutet, dass Adm. Beatty offensiv auf das Auslaufen der Hochseeflotte reagiert hätte und versucht hätte, ihr den Weg abzuschneiden. Ob er das allerdings kurz vor Abschluss des Waffenstillstands getan hätte und das OK seines 1. Seelords bekommen hätte, scheint diskussionwürdig.

https://en.wikipedia.org/wiki/Naval_order_of_24_October_1918#British

In 1918 verfügte die Hochseeflotte über 10 moderne Schlachtschiffe und 6 Schlachtkreuzer, die den Kern der Flotte gegen GB gebildet hätte und die dann im Rahmen der Waffenstillstandsverhandlungen an GB sofort zu übergeben waren.

https://en.wikipedia.org/wiki/Naval_order_of_24_October_1918#German_fleet_2
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine weitere Stimme, neben Deist, die das Geschehen einordnet. In diesem Sinne stellt Groß fest:

" Die Marineführung zielte nicht auf das Wohl der Nation, sondern auf die Selbsterhaltung einer Teilstreikraft. Sie war derartig von ihren Partikularinteressen okkupiert, dass sie die Systemveränderungen im Kaiserreich, hin zur Politisierung des Krieges, nicht wahr nahm und den Reichskanzler nicht ernst nahm.
.....
Die Gefahr, dass die Flotte und damit die gesellschaftliche Stellung der Seeofffiziere und der Machtanspruch der Marine zur Disposition standen, war das Motiv der Marineführung. Hinter dem nationalen Pathos und dem Ehrbegriff der Marine verbargen sich handfeste egoistische Interessen."
.....
Dieses konnte selbstverständlich weder dem Kaiser und dem Reichskanzler im Krieg noch der Öffentlichkeit nach dem Krieg eröffnet werden. (S. 364ff)

Deswegen kamen diese Planungen der Marineführung auch erst ab ca. 1923 konkret an das Licht der Weimarer Öffentlichkeit. Bis dahin hatte die Marineführung den Kanzler und den Kaiser getäuscht.

Die Marineführung beanspruchte damit einen "Ehrbegriff", der über dem Begriff der nationalen Ehre stand, wie die Repräsentanten des Staates ihn 1918 definiert hatten und in praktische Politik umzusetzen hatten.


Groß, Gerhard P. (2009): Eine Frage der Ehre? Die Marineführung und der letzte Flottenvorstoß 1918. In: Jörg Duppler und Gerhard P. Groß (Hg.): Kriegsende 1918. Ereignis, Wirkung, Nachwirkung. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag , S. 349–365.
 
Aus damaliger Perspektive wäre es doch verständlich, wenn ein Land alles versucht um den Krieg zu gewinnen oder zumindest mit möglichst geringen Nachteilen da rauszukommen.
Man hat doch vier Jahre lang "alles versucht, um den Krieg zu gewinnen".
Auf beiden Seiten, unter ungeheuren Opfern.

Im Sommer 1918 war es dann so weit, dass Deutschland und seine Verbündeten den Krieg nicht mehr gewinnen konnten und jeder Tag, an dem weitergekämpft wurde, die Nachteile nur noch weiter vergrößerte.

Der OHL blieb nichts übrig, als die Politik zu einem möglichst schnellen Friedensschluss zu drängen. So heißt es in ihrem Offenbarungseid vom 2. Oktober 1918:

"Aber jeder Tag weiter bringt den Gegner seinem Ziel näher und wird ihn weniger geneigt machen, mit uns einen für uns erträglichen Frieden zu schließen. Deshalb darf keine Zeit verloren gehen. Jede 24 Stunden können die Lage verschlechtern und dem Gegner Gelegenheit geben, unsere augenblickliche Schwäche noch klarer zu übersehen."

Das hinterlässt bei mir den Eindruck, dass militärisch nicht alle Möglichkeiten bis zum Letzten ausgeschöpft wurden.

Deshalb war man 1939-1945 ja auch schlauer und hat gekämpft, bis "alle Möglichkeiten bis zum Letzten ausgeschöpft" waren.
 
Nachdem die Aktivität der Marineleitung korrekt in den Zusammenbruch des Kaiserreichs eingeordnet ist, noch der Verweis auf den vorletzten und den letzten Akt auf die Planungen zu einer finalen "Ausfahrt".

Der Widerstand der Matrosen gegen die selbstmörderischen Pläne der SKL führte zur Absage des O-Plans. Um eine Schadensbegrenzung vorzunehmen und lästigen Nachfragen zuvorzukommen, verfaßte Hipper noch am 30. Oktober 1918 einen Aufruf an die Besatzungen, in: "...dem jede Angriffsabsicht geleugnet und die Pflicht zur Verteidigung der bedrohten Seegrenzen in den Vordergund gestellt wurde. Die Offiziere suchten demnach nicht den Kampf gegen die feindliche Übermacht, sie ersehnten vielmehr den Frieden ebenso wie die Mannschaften." (Deist, S. 208)

Und in der Folge wurde diese leicht zynische Formulierung noch getoppt, indem man nach dem Scheitern der Planungen, sich der Rückendeckung durch Kaiser und Regierung für die "Verteidigung der bedrohten Seegrenzen versicherte. Und." Die Regierung, der man bisher mit Mißtrauen, ja Verachtung begegenet war, deren Repräsentanten, den Vizekanzler v. Payer, Levetzow [ein zentraler Protagonist der Marineplanungen] noch vor wenigen Tagen als einen "kleinen jämmerlichen Parteigänger ohne Sinn und Verstand für nationale Würde und Ehre" bezeichnet hatte, sollten nun gezwungen werden, die Konsequenzen einer ihr verheimlichten, verfehlten und gescheiterten Aktion zu tragen." (Deist, S. 209)

Ein Vorgehen, das im Stil an das von Ludendorff und Hindenburg erinnert.

In den ersten Jahren nach dem Krieg konnte die Marine verhindern, dass die Planungen bekannt wurden und den Neuaufbau der Marine empfindlich gestört hätten.

Das volle Ausmaß der Planungen wurde den Politikern erst bewußt, nachdem Dittmann - im Auftrag des Reichstags, im Rahmen der parlamentarischen Aufarbeitung des WW1, die entsprechenden Planungen als Bericht dem Reichstag vorlegte.

Aus der heutigen Sicht ist es erstaunlich, dass das Verhalten der SKL zu keinerlei nachträglichen Konsequenzen für die Protagonisten geführt hat.

Und es ist auffallend, dass der Narrativ lange Zeit das regierungskonforme Verhalten der Matrosen stärker stigmatisiert hatte, als Novemberverbrecher oder als Meuterer etc., wie die Admiralsrevolte gegen die Regierung im Fokus der Wahrnehmung stand.

Deist, Wilhelm (2009): Militär, Staat und Gesellschaft. Studien zur preußisch-deutschen Militärgeschichte. München: Oldenbourg
Dittmann, Wilhelm (1926): Die Marine-Justizmorde von 1917 und die Admirals-Rebellion von 1918: J.H.W. Dietz Nachf. Online verfügbar unter Die Marine-Justizmorde von 1917 .
 
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