Authentische Ausstattung in Spielfilmen

"Besser ist der Feind von gut genug", heißt es. Aber ich stimme Dir zu, es macht mehr Spaß, wenn die Details stimmen. Nur frage ich manchmal, wer das eigentlich würdigen kann. Ich würde jetzt Hadrian oder Marc Aurel nicht auf Anhieb auseinanderhalten können (aber den Wikingerhelm bei Gladiator fand ich daneben).

Wie gesagt, es kommt vor allem darauf an, was man daraus macht. Wenn Romeo schlecht spielt und seinen Text vergißt, dann nützt auch die authentische Renaissance-Ausstattung nichts mehr ...
 
Es ist wirklich leider so, dass in erster Linie die Story stimmen muss. Aber wenn sie das wenigsten täte! Man würde kleine (wohlgemerkt: kleine!) Fehler der Ausstattung leichter übersehen.

Aber schlimmer noch ist es, wenn die Charaktere eines Mittelalter-Films zwar ihrer Zeit gemäß gewandet sind, aber denken und handeln wie Menschen des 21. Jahrhunderts. Dabei ändert sich nichts so schnell wie Verhaltensnormen und Moral, man muss nur mal die 1960er Jahre mit der Jetztzeit vergleichen...
 
Ein Positivbeispiel für einen historischen Film, in dem alles stimmte, ist "Der Name der Rose", der 1327 spielt.

Hier passt einfach alles: Die Menschen sind ängstlich, abergläubisch, verschlagen, fanatisch, demütig - ganz dem mittelalterlichen Denken verhaftet.
Und die Ausstattung einfach spitze: Hier ist keiner frisch rasiert mit knitterfreier Kleidung, im Gegenteil, alle sind schmutzig, die Kleidung verdreckt, ungepflegt, man kann die Darsteller beinahe riechen.

Eine deutsche Filmillustrierte (keine Schleichwerbung, sie heißt aber so, wie das englische Wort für Kino) schrieb dazu:

"Produzent Bernd Eichinger, der auch «Die unendliche Geschichte» und «Das Geisterhaus» auf die Leinwand brachte, fand in Jean-Jacques Annaud einen Regisseur, der bei der aufwendigen Produktion seinen Ruf als Perfektionist bestätigte: Kleidung, Haartracht und die vielen kleinen Dinge des Alltags sind nach Originalvorlagen gefertigt. Für die Außenszenen bei Rom wurde die Abtei komplett nachgebaut - es entstand das größte Außenset seit Joseph L. Mankiewicz' «Cleopatra». (Zitatende)

Grüße,
Jacobum
 
Jacobum schrieb:
Die Menschen sind ängstlich, abergläubisch, verschlagen, fanatisch, demütig
Na, das ist nun nicht wirklich speziell kennzeichnend für das MA, das passt heute noch genau so ...
Bye
Suedwester
 
Jacobum schrieb:
Ein Positivbeispiel für einen historischen Film, in dem alles stimmte, ist "Der Name der Rose", der 1327 spielt.

Hier passt einfach alles:

Es ist schon eine Weile her, daß ich den Film gesehen habe, aber ich kann mich vage an eine Madonna erinnern, die eher an das 18. Jahrhundert als an das Mittelalter erinnert.

Mittelalter-Spezialisten werden sicher auch noch weitere Details finden, die nicht ganz "passen".
 
hyokkose schrieb:
Es ist schon eine Weile her, daß ich den Film gesehen habe, aber ich kann mich vage an eine Madonna erinnern, die eher an das 18. Jahrhundert als an das Mittelalter erinnert.

Mittelalter-Spezialisten werden sicher auch noch weitere Details finden, die nicht ganz "passen".

Hmm, bei mir ist es auch schon mehr als fünfzehn Jahre her... bist Du Dir bei der Madonna sicher... mir kommt gerade das Bild nicht mehr vor die Augen... :grübel: :grübel: :grübel:
Ich zähle den Film an sich schon zu den guten Filmen über jene Zeit; an grobe Fehler kann ich mich nicht erinnern - aber damals habe ich auch noch nicht so genau hingesehen, muß ich zugeben :rotwerd:
Wie gesagt habe ich den Film diesbezüglich in guter Erinnerung; mein Favorit ist und bleibt aber noch immer Hour of the Pig :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Also, ich habe soeben mal bei http://www.dieseher.de/ nachgesehen, der deutschen Internet-Adresse für Filmfehler.

Dort sind bei "Der Name der Rose" nur 2 kleinere Handlungsfehler aufgeführt. Jede historische Ungenauigkeit wäre bestimmt schon gefunden und angeprangert worden.

Was war das mit der Madonna?
 
Man möge mir verzeihen, wenn ich zu diesem älteren Thema meinen Senf hinzugebe, aber es ist erklärtermaßen ein Lieblingsthema von mir. :)

Was Authentizität bei der Ausstattung angeht, so kann ich beide Seiten mittlerweile hervorragend verstehen, weil ich mit beiden zu tun habe. Als Lateinlehrer besitzt man ja ohnehin eine eher klugsch... Geisteshaltung (wird behauptet... kann ich nicht zu Stellung nehmen), und ich war früher - schon zu Schulzeiten - radikalster Einstellung, was grobe Missachtung der Historie in Sandalenfilmen anging. Mein schönster Zeitvertreib war es, Filme wie den grottigen "Hannibal"/Annibale zu zerpflücken. So akribisch/destruktiv war ich eingestellt, bis ich anfing, mich ernsthaft mit Design zu beschäftigen und selber Ambitionen in die Richtung entwickelte. Meine sorgfältig recherchierten historischen Kostüme wurden nun wiederum von herausragenden Concept Artists zerpflückt. Zu langweilig, zu uniform, wagt nicht genug, dieser Retro-Look war in den 50er-Jahren modern...

Die meisten Designer haben den Umweg über das akribische historische Recherchieren nie gemacht. Und es ist extrem mühsam. Selbst wenn man gut dokumentierte und populäre Epochen durchkaut (Hochmittelalter, römische Kaiserzeit...) hat man extrem viel Arbeit damit, einigermaßen gesicherte Erkenntnisse über Kostüme und Austattung zusammenzutragen, die dann wenigstens minimal abwechslungsreich und variabel ist. Es ist erstens zeitsparender und zweitens leider auch visuell interessanter, direkt selber in die Vollen zu gehen, dabei als Inspiration alles zu verwenden, was auch nur im Entferntesten in die darzustellende Zeit passt.

Das unterscheidet den Kostümdesigner und den Illustrator auch ganz stark vom Reenactor - dieser ist auf größtmögliche Authentizität bedacht, jene müssen bedenken, dass sie gleich eine ganze Fülle von Varianten mitdesignen müssen, damit die verschiedenen Personen, die sie darstellen, nicht aussehen wie Klone, oder als hätten sie alle bei H&M gekauft. Da ist es Uderzo bei Asterix hoch anzurechnen, dass er die Römer wirklich alle in "Uniformen" gesteckt hat (wenn auch 100 Jahre zu früh), wobei hier sicher auch die Reproduzierbarkeit der einzelnen Zeichnung eine Rolle spielt, wenn es beim Comic schnell gehen muss.

Aktuelles Beispiel, mit dem ich mich zur Zeit herumschlage: Hilfe, sehen Germanen langweilig aus! Das macht die Darstellung keulenschwingender, hörnerstarrender Fellknäuel in "Gladiator" nicht besser, aber nachvollziehbar. ;)
 
Da ist es Uderzo bei Asterix hoch anzurechnen, dass er die Römer wirklich alle in "Uniformen" gesteckt hat (wenn auch 100 Jahre zu früh), wobei hier sicher auch die Reproduzierbarkeit der einzelnen Zeichnung eine Rolle spielt, wenn es beim Comic schnell gehen muss.
Das Uderzo Schienen- statt Kettenpanzer gewählt ist für mich völlig verständlich. Das elendige Geringel für einmal echt aussehendes Kettenhemd zu zeichen ist eine ekelhafte Arbeit.
Das Germanen schnell langweilig aussehen kanni ch mir gar nicht vorstellen. An Hosen, Oberteilen, eventuell Rüstung, Schildern, Helmen und Schwertern sollten doch jeweils mindestens 2...3 Varianten bekannt sein. Wenn die vielseitig kombiniert werden, wird es doch schnell interessant.
 
Das Uderzo Schienen- statt Kettenpanzer gewählt ist für mich völlig verständlich. Das elendige Geringel für einmal echt aussehendes Kettenhemd zu zeichen ist eine ekelhafte Arbeit.

Kann ich bestätigen. ;) Es wäre ja noch der allseits beliebte Lederpanzer geblieben - aber ich meine, bei Uderzo sind alle Muskelpanzer tatsächlich aus Metall, sofern mich meine Erinnerung nicht trügt?


Das Germanen schnell langweilig aussehen kanni ch mir gar nicht vorstellen. An Hosen, Oberteilen, eventuell Rüstung, Schildern, Helmen und Schwertern sollten doch jeweils mindestens 2...3 Varianten bekannt sein. Wenn die vielseitig kombiniert werden, wird es doch schnell interessant.

Wenn man in die augusteische Zeit geht, fallen Rüstungen und Helme leider direkt komplettamente weg. Schwerter tragen nicht viel zum Gesamterscheinungsbild bei - verschieden bemalte Schilde und dezent verschiedenfarbige Kleidung mit nem halben Arm hier, nem langen dort und nem kurzen da sind da echt das höchste der Gefühle - wobei ich mich nur zu gern eines besseren belehren lasse.
 
Es wäre ja noch der allseits beliebte Lederpanzer geblieben - aber ich meine, bei Uderzo sind alle Muskelpanzer tatsächlich aus Metall, sofern mich meine Erinnerung nicht trügt?

Das ist der Fall. Außerdem gibt es noch Schuppenpanzer, aber nur sehr selten!
 
Ein Positivbeispiel für einen historischen Film, in dem alles stimmte, ist "Der Name der Rose", der 1327 spielt.

Hier passt einfach alles: Die Menschen sind ängstlich, abergläubisch, verschlagen, fanatisch, demütig - ganz dem mittelalterlichen Denken verhaftet.
Und die Ausstattung einfach spitze: Hier ist keiner frisch rasiert mit knitterfreier Kleidung, im Gegenteil, alle sind schmutzig, die Kleidung verdreckt, ungepflegt, man kann die Darsteller beinahe riechen.

Eine deutsche Filmillustrierte (keine Schleichwerbung, sie heißt aber so, wie das englische Wort für Kino) schrieb dazu:

"Produzent Bernd Eichinger, der auch «Die unendliche Geschichte» und «Das Geisterhaus» auf die Leinwand brachte, fand in Jean-Jacques Annaud einen Regisseur, der bei der aufwendigen Produktion seinen Ruf als Perfektionist bestätigte: Kleidung, Haartracht und die vielen kleinen Dinge des Alltags sind nach Originalvorlagen gefertigt. Für die Außenszenen bei Rom wurde die Abtei komplett nachgebaut - es entstand das größte Außenset seit Joseph L. Mankiewicz' «Cleopatra». (Zitatende)

Grüße,
Jacobum
Aber waren die Rüstungen und Helme der Gardesoldaten (zuerst die der päpstl. Gesandten und dann die vom Inquisitor) nicht doch etwas zu spät angesiedelt, also eher spätes als frühes 14. Jahrhundert? (was rüstungstechnisch gesehen ja sehr viel ausmachen würde)
 
Die Beckenhauben mit dem abnehmbaren Nasenschutz? Eigentlich hat man die unter einem Kübelhelm getragen. Muss ich ma nachschauen, wann die gebräuchlich war. 14. Jahrundert ja, aber wann genau weiß ich aus dem Kopf nicht.
 
Da die Mehrzahl der Filmemacher und Produzenten wohl kaum die Absicht haben, Geschichte darzustellen, als vielmehr eine Unterhaltung vor historischem Hintergrund zu bieten, werden wir im Kino wohl vergebens auf historische Detailverliebtheit warten.

Was anderes ist das bei den diversen dramatisierten Dokus, die ja mit Einspielern und Kommentaren von Professoren und sonstigen Experten auf Wissensvermittlung setzen. Ich finde da sollte die Ausstattung und die Kostümgenauigkeit oberste Priorität haben, aber dort ist das wohl kostentechnisch auch nicht drin.
 
Mich stört auch sehr ,wenn man historische Figuren, von denen es Gemälde und Büsten gibt, nicht einmal ansatzweise ähnlich darstellt. Warum ist Heinrich der Achte in der Serie "Die Tudors", die mir eigentlich gut gefällt, als schlanker ,gutaussehender Typ dargestellt. Der Mann hatte ein dickes Mondgesicht mit rötlichem Bart. Auch Commodus hat ,im Gladiator, nicht einmal einen Bart, der seit Hadrian bei allen Kaisern üblich war und der auf allen seinen Büsten und Münzporträts, außer aus frühester Jugend, zu sehen ist. Sehr daneben fand ich auch diese weiße Hose, die man dem Commodus angezogen hat. Auch der Prinz Lucius Verus wirkte in seiner Aufmachung, mit der Langhaarfrisur und seinem Umhang eher wie eine Erscheinung aus dem Mittelalter ,als wie ein römischer Junge. Ein wenig mehr Rechersche dürfte doch für so teure Filme nicht zu viel verlangt sein.
 
Zu Gladiator gibt es viel zusagen :D
Aber zu den Tudors: Heinrich war nicht immer so dick. Schau dir mal Bilder von ihm in jungen Jahren an. Ich weis aber nicht wie...stattlich seine Figur war wärend der Sache mit den Boleyns.
 
Ich erlaube mir mal Cécile hier einmal zu zitieren, weil das Zitat der Historikerin Arnold hier noch besser hin passt.

Hier das Zitat von J.Anrnold aus "Patterns of fashion 1 Englishwoman's dresses and their constrution"

Zitat:
"Films, plays and documentary programms on television are often presented motst successfully in historical settings, with costumes reconstructed very closely form contemporary evidence, paying great attention to detail."

Das sollten sich mal die Macher von "Sphinx" und Co. hinter die Ohren schreiben.

Das mit den Darstellern, was galeotto anreißt, fällt mir auch desöfteren auf. Sind die Schauspieler überragend, ist das manchmal nicht so schwerwiegend, wie mir scheint. Peter Ustinov ähnelt ja nun Friedrich dem Weisen auch nicht wirklich, dennoch war er für "Luther" wahrscheinlich die denkbar beste Besetzung für die Rolle des Weisen.
Erstaunlich finde ich es oft eher, wenn neben dem Mangel an Ähnlichkeit eben das Äußerliche der Darsteller auch nichts von dem Charakteristischen der historischen Figur haben. Bei den Szenenbildern von "The Duchess" erkennt man das schön. Die echte Duchess of Devonshire war eine Schönheit ihrer Zeit, wogegen nunmal Keira Knightley nur so ein Modellgirl von heute ist. Der Darsteller von Henry VIII. in "The Tudors" hatte nichts vom Majestätischen, was uns auf den Gemälden gegenübertritt und was Richard Burton noch recht treffend verkörpern konnte. In "Jefferson in Paris" ist eben der Darsteller von Louis XVI nicht nur diesem völlig unähnlich sondern obendrein viel zu alt, wohl deutlich über 50, während der wahre Louis XVI keine 40 wurde...
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist doch seit 50 Jahren Hollywood - mindestens immer dasselbe
Rezept =)

Nimm ein paar gerade en vogue hochgeschossene Stars ( mit Oscars und anderen Insignien dekoriert ) , ein reisserisches Drehbuch , drehe massig
" Äktschn " und in US- Streifen auch gern mal wieder ein wenig " Showdance",
vorzugweise mit nackigen "Naturvolk"- Damen=)

Da kann mich nix- aber auch gar nix mehr überraschen:fs:
 
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