Man möge mir verzeihen, wenn ich zu diesem älteren Thema meinen Senf hinzugebe, aber es ist erklärtermaßen ein Lieblingsthema von mir.
Was Authentizität bei der Ausstattung angeht, so kann ich beide Seiten mittlerweile hervorragend verstehen, weil ich mit beiden zu tun habe. Als Lateinlehrer besitzt man ja ohnehin eine eher klugsch... Geisteshaltung (wird behauptet... kann ich nicht zu Stellung nehmen), und ich war früher - schon zu Schulzeiten - radikalster Einstellung, was grobe Missachtung der Historie in Sandalenfilmen anging. Mein schönster Zeitvertreib war es, Filme wie den grottigen "Hannibal"/Annibale zu zerpflücken. So akribisch/destruktiv war ich eingestellt, bis ich anfing, mich ernsthaft mit Design zu beschäftigen und selber Ambitionen in die Richtung entwickelte. Meine sorgfältig recherchierten historischen Kostüme wurden nun wiederum von herausragenden Concept Artists zerpflückt. Zu langweilig, zu uniform, wagt nicht genug, dieser Retro-Look war in den 50er-Jahren modern...
Die meisten Designer haben den Umweg über das akribische historische Recherchieren nie gemacht. Und es ist extrem mühsam. Selbst wenn man gut dokumentierte und populäre Epochen durchkaut (Hochmittelalter, römische Kaiserzeit...) hat man extrem viel Arbeit damit, einigermaßen gesicherte Erkenntnisse über Kostüme und Austattung zusammenzutragen, die dann wenigstens minimal abwechslungsreich und variabel ist. Es ist erstens zeitsparender und zweitens leider auch visuell interessanter, direkt selber in die Vollen zu gehen, dabei als Inspiration alles zu verwenden, was auch nur im Entferntesten in die darzustellende Zeit passt.
Das unterscheidet den Kostümdesigner und den Illustrator auch ganz stark vom Reenactor - dieser ist auf größtmögliche Authentizität bedacht, jene müssen bedenken, dass sie gleich eine ganze Fülle von Varianten mitdesignen müssen, damit die verschiedenen Personen, die sie darstellen, nicht aussehen wie Klone, oder als hätten sie alle bei H&M gekauft. Da ist es Uderzo bei Asterix hoch anzurechnen, dass er die Römer wirklich alle in "Uniformen" gesteckt hat (wenn auch 100 Jahre zu früh), wobei hier sicher auch die Reproduzierbarkeit der einzelnen Zeichnung eine Rolle spielt, wenn es beim Comic schnell gehen muss.
Aktuelles Beispiel, mit dem ich mich zur Zeit herumschlage: Hilfe, sehen Germanen langweilig aus! Das macht die Darstellung keulenschwingender, hörnerstarrender Fellknäuel in "Gladiator" nicht besser, aber nachvollziehbar.