Balfour Deklaration 1917

Steine gibst Du mir statt Brot!:cry:
Alle Einschätzungen sind letztlich individuell, auch die der Mitglieder des War cabinets 1917. Diese Männer sind aber zugleich diejenigen, welche die "britischen strategischen Ziele" formulierten,

Der Widerspruch liegt in der Sache begründet, und die Erwartung von "Brot" wäre, dem Inhalt der Erklärung zu folgen. "Steine" zu finden, :winke: ...ist die Überraschung und Einsicht, dass die Deklaration konträr zu Inhalt nur Folgendem diente: "Balfours declaration primary goal was to minimize King Husseins military shortcomings in World War I." [Ross, British Foreing Policy and the Arab Revolution in Palestine]. Wenn man es etwas umfassender formuliert: es ging um die Umsetzung der New Imperialism-Politik unter Lloyd George nach dem Kabinettswechsel. Wir waren doch oben schön dabei, die Hintergründe zu sezieren, und nicht (nur) die Ereignisse zu rekapitulieren.

Über die Ziele ist oben einiges gesagt worden: das Öl hatte ich oben angesprochen, und die strategische Basis Palästina als link zwischen Mittelmeer und dem Irak (auch in Einschätzung des Aufstiegs einer neuen Waffengattung: Luftstreitkräfte - der Faktor sollte hier nicht naheliegend auf Landwege verkürzt werden: man dachte durchaus visionär) ebenso, die Barriere für Suez ist unmittelbar offensichtlich.

Großbritannien setzte sich auch keineswegs zwischen alle Stühle, nur "nur neben ganz bestimmte, und bediente in der angepeilten divide et impera-Strategie [-> McCarthy] vertragstreu Frankreich und die zionistischen Verbände, hielt anderseits die arabischen Interessen kurz. Das erfolgte in nüchterner machtpolitischer Einsicht: eine militärische Kontrolle des gesamten Mittleren Ostens von Suez bis Persien und der Arabischen Halbinsel war logistisch undenkbar. So beschritt man verschiedene Wege: in Palästina andere als im Fall Syriens (absprachegemäß Frankreich überlassen) oder im Fall der Saudis. Selbst das Osmanische Reich war 1917 auf der Rechnung: mit einem entsprechenden Angebot, eine pro-forma-Herrschaft in Palästine behalten zu können (Gegenleistung: Kriegsaustritt).

Oben ist die Humanität angesprochen worden. Das Zitat "individueller Einschätzung" bezog sich selbstverständlich nur auf die von Dir auf S. 176 genannte Passage, also auf Balfour. Mein Hinweis sollte diese individuellen Äußerungen von der konsensual zwischen Premier, Foreign Office und Colonial Office abgestimmten Strategie scharf abgrenzen. Hierzu ist etwas auszuholen:

Beginnend mit Fromkin (A Peace to end all Peace - The Fall of the Ottoman Empire and the Creation on the modern Middle East) hat eine Serie von Historikern analysiert, dass hinter der philosemitisch scheinenden Deklaration - die Bezeichnung ist zugespitzt - antisemitische Einstellungen der Akteure (Ausnahme: Balfour) standen. Nichts ist hier so, wie es scheint, und deshalb war der Hinweis auf den Kontext (zB das kurz nachfolgende, parallele Angebot an Istanbul betreffend Palästina) wichtig. Selbst mit dem Großbritannien überwiesenen Gebieten hatte man erhebliche Schwierigkeiten, die zB auch die (vertragskonformen) Rückzüge zB aus Syrien erhellen: Von Mossul bis Basra lagen arabische Aufstände in der Luft (die nichts mit Palästina zu tun hatten), die erhebliche Opfer und beachtliche Truppenbindungen 1920 forderten. Alles in allem diente nur einer Strategie: Konsolidierung des Empires und Beseitigung aller Bedrohungen als Kriegsziel.

Faysal wurde somit ähnlich ausgeschaltet wie Hussein. Wie klar die Zonen abgegrenzt waren, zeigt ein Telegramm des War Office an Wingate/Allenby vom 25.9.1918: "... if Syria were to fall within the sphere of any European Power, that Power was to be France" [Fromkin, S. 334). Allenby informierte dementsprechend Faysal:
"(a) that France was to be the protected power over Syria
(b) that he, Faysal, as representing his father, King Hussein, was to have the Administration of Syria (less Palestine and the Lebanon Province) under French guidance and financial backing
...
(d) that he was to have a French Liasson Officer at once, who would work for the present with Lawrence, ..."

Die Reaktion Faysals fiel heftig aus, totale Ablehnung. Die Würfel waren allerdings gefallen. Abgesehen von Reibereien vor Ort und einigen Legenden hatten die Briten keinesfalls das Interesse, schon gar nicht die Vorgabe von oben, das Arrangement mit Frankreich "mit Waffengewalt durchzusetzen". Wieso auch: die Konfrontation in Syrien konnten sie Frankreich überlassen, die auch hier ihren Teil der Arbeit zu erledigen hatten, ansonsten waren die Zonen sauber abgesteckt und wurden buchstabengetreu realisiert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Widerspruch liegt in der Sache begründet, und die Erwartung von "Brot" wäre, dem Inhalt der Erklärung zu folgen. "Steine" zu finden, :winke: ...ist die Überraschung und Einsicht, dass die Deklaration konträr zu Inhalt nur Folgendem diente: "Balfours declaration primary goal was to minimize King Husseins military shortcomings in World War I." [Ross, British Foreing Policy and the Arab Revolution in Palestine]. Wenn man es etwas umfassender formuliert: es ging um die Umsetzung der New Imperialism-Politik unter Lloyd George nach dem Kabinettswechsel. Wir waren doch oben schön dabei, die Hintergründe zu sezieren, und nicht (nur) die Ereignisse zu rekapitulieren.

Über die Ziele ist oben einiges gesagt worden: das Öl hatte ich oben angesprochen, und die strategische Basis Palästina als link zwischen Mittelmeer und dem Irak (auch in Einschätzung des Aufstiegs einer neuen Waffengattung: Luftstreitkräfte - der Faktor sollte hier nicht naheliegend auf Landwege verkürzt werden: man dachte durchaus visionär) ebenso, die Barriere für Suez ist unmittelbar offensichtlich.

Großbritannien setzte sich auch keineswegs zwischen alle Stühle, nur "nur neben ganz bestimmte, und bediente in der angepeilten divide et impera-Strategie [-> McCarthy] vertragstreu Frankreich und die zionistischen Verbände, hielt anderseits die arabischen Interessen kurz. Das erfolgte in nüchterner machtpolitischer Einsicht: eine militärische Kontrolle des gesamten Mittleren Ostens von Suez bis Persien und der Arabischen Halbinsel war logistisch undenkbar. So beschritt man verschiedene Wege: in Palästina andere als im Fall Syriens (absprachegemäß Frankreich überlassen) oder im Fall der Saudis. Selbst das Osmanische Reich war 1917 auf der Rechnung: mit einem entsprechenden Angebot, eine pro-forma-Herrschaft in Palästine behalten zu können (Gegenleistung: Kriegsaustritt).

Oben ist die Humanität angesprochen worden. Das Zitat "individueller Einschätzung" bezog sich selbstverständlich nur auf die von Dir auf S. 176 genannte Passage, also auf Balfour. Mein Hinweis sollte diese individuellen Äußerungen von der konsensual zwischen Premier, Foreign Office und Colonial Office abgestimmten Strategie scharf abgrenzen. Hierzu ist etwas auszuholen:

Beginnend mit Fromkin (A Peace to end all Peace - The Fall of the Ottoman Empire and the Creation on the modern Middle East) hat eine Serie von Historikern analysiert, dass hinter der philosemitisch scheinenden Deklaration - die Bezeichnung ist zugespitzt - antisemitische Einstellungen der Akteure (Ausnahme: Balfour) standen. Nichts ist hier so, wie es scheint, und deshalb war der Hinweis auf den Kontext (zB das kurz nachfolgende, parallele Angebot an Istanbul betreffend Palästina) wichtig. Selbst mit dem Großbritannien überwiesenen Gebieten hatte man erhebliche Schwierigkeiten, die zB auch die (vertragskonformen) Rückzüge zB aus Syrien erhellen: Von Mossul bis Basra lagen arabische Aufstände in der Luft (die nichts mit Palästina zu tun hatten), die erhebliche Opfer und beachtliche Truppenbindungen 1920 forderten. Alles in allem diente nur einer Strategie: Konsolidierung des Empires und Beseitigung aller Bedrohungen als Kriegsziel.

Faysal wurde somit ähnlich ausgeschaltet wie Hussein. Wie klar die Zonen abgegrenzt waren, zeigt ein Telegramm des War Office an Wingate/Allenby vom 25.9.1918: "... if Syria were to fall within the sphere of any European Power, that Power was to be France" [Fromkin, S. 334). Allenby informierte dementsprechend Faysal:
"(a) that France was to be the protected power over Syria
(b) that he, Faysal, as representing his father, King Hussein, was to have the Administration of Syria (less Palestine and the Lebanon Province) under French guidance and financial backing
...
(d) that he was to have a French Liasson Officer at once, who would work for the present with Lawrence, ..."

Die Reaktion Faysals fiel heftig aus, totale Ablehnung. Die Würfel waren allerdings gefallen. Abgesehen von Reibereien vor Ort und einigen Legenden hatten die Briten keinesfalls das Interesse, schon gar nicht die Vorgabe von oben, das Arrangement mit Frankreich "mit Waffengewalt durchzusetzen". Wieso auch: die Konfrontation in Syrien konnten sie Frankreich überlassen, die auch hier ihren Teil der Arbeit zu erledigen hatten, ansonsten waren die Zonen sauber abgesteckt und wurden buchstabengetreu realisiert.


Das ist, gut herausgearbeitet, die britische Sicht.

Dass die Verträge mit den Franzosen buchstabengetreu erfüllt wurden, kann nicht weiter verwundern.

Dass die Araber ausgeschmiert wurden, ist auch Fakt. Mit den bekannten Folgen zuerst für Feisal und Familie, (nix mehr mit Hedschas, Irak und Syrien, heute hocken sie in Jordanien, bis ca 1950 auch da Ziehkinder der Tommies)
 
In den Jahren 1916 bis 1920, die für die Zukunft des Nahen Ostens nach dem Ende des Osmanischen Reiches bestimmend waren, begegneten sich die Araber und die Entente-Mächte wie auch die Entente-Mächte untereinander mit unverkennbarem und gerechtfertigtem Misstrauen.

Hier stießen französische und britische Interessen ebenso aufeinander wie sie auf das Interesse der Araber an einem eigenen Staat von Aleppo bis Aden trafen. Frankreich hatte 1860 in die blutigen Unruhen zwischen Christen, Drusen und Muslimen militärisch eingegriffen, die in dem Christenmassaker von Damaskus gipfelten, und die organisatorische Trennung des Libanon von Syrien angestoßen. Das „Reglement Organique“ von 1861/1864 bestimmte als internationale Vereinbarung, dass das Libanon-Gebiet in Zukunft durch einen Gouverneur osmanischer Staatsangehörigkeit und christlichen Glaubens regiert werden sollte.. Seit dieser Zeit hatte Frankreich in diesem Raum erheblich investiert und somit umfangreiche wirtschaftliche Interessen und fühlte sich auch als Schutzmacht der Christen.

In der McMahon-Hussein-Korrespondenz zwischen Juli 1915 und Januar 1916 hatte McMahon, autorisiert durch den Außenminister Grey, Hussein die Unterstützung bei der Gründung eines arabischen Staates in dem von Hussein vorgeschlagenen Gebiet zugesagt. Ausgenommen war dabei das Gebiet, das unter das „Reglement Organique“ fiel, ferner war ein Vorbehalt gemacht, „soweit dies ohne Verletzung der Interessen Frankreichs möglich sei.“ Französische Reaktionen darauf waren unfreundlich. Colonel Georges Carroux, damals Chef der französischen Militär-Mission bei Hussein im Hedschas, wertete dieses Agreement so:
“In this treaty, concluded without reference to her ally France Great Britain intended to shape to her advantage the future of the Middle East and …….. to reserve to herself a monopoly of political and economic influence, [that being] the eternal objective of her Eastern policy.” (zitiert nach John Keay, Sowing the Wind, London 1988, p. 135.
Er unterstellte Großbritannien eine ganz machiavellistisch geprägte Politik in dieser Region, zwar nicht ganz zu recht, aber ein klarer Beweis des gegenseitigen Misstrauens.

Wenig später (Mai 1916) wurde das Sykes-Picot-Agreement abgeschlossen, das die Interessengebiete Frankreichs und Großbritanniens im Nahen Osten abgrenzte. In diesem Agreement war Frankreich die direkte Herrschaft über Kilikien, das Vilayet Alexandrette und den Libanon zugesagt und die indirekte Herrschaft über Inner-Syrien bis zum und einschließlich des Gebiet von Mossul. Aus britischer Sicht hatte das damals den strategischen Reiz, dass zwischen britischen Gebieten und den der Regierung des Zaren zugesagten anatolischen Gebieten eine Pufferzone französischer Einflusssphäre eingeschoben war. Eine direkte Konfrontation mit Russland war damit ausgeschlossen. Das Abkommen sah auch einen „unabhängigen“ arabischen Staat in den Gebieten der französischen und britischen Einflusssphäre vor, verstieß damit also nicht völlig gegen die McMahon-Hussein-Korrespondenz, obwohl die Vorstellung eines solchen Staates schwerfällt.

In London stieß das Abkommen von verschiedener Seite auf Widerstand. Insbesondere die folgenden französischen Vorschläge, die Emire in Inner-Syrien und Mossul in der französischen Einflusssphäre sollten nur von den lokalen Arabern unter französischer Beratung ausgewählt werden, wurden als Versuch gewertet, die Haschemiten von der Herrschaft auszuschließen und die Entstehung eines arabischen Staates mit der Hauptstadt Damaskus zu verhindern. Das sei inkonsistent mit den Kriegszielen der Alliierten insgesamt. Es wurde auch die weiter bestehenden internationalen Verpflichtungen hingewiesen, die aus dem „Reglement Organique“ folgten und die die Frankreich zugesagte direkte Herrschaft über den Libanon ausschlossen.

Weitere Gründe für gegenseitiges Misstrauen folgten bald.

Die Balfour-Declaration vom 2. November 1917 brachte die britische Zustimmung zu den zionistischen Bestrebungen zum Ausdruck, in Palästina „eine Heimstätte“ (nicht „die“) für das jüdische Volk zu schaffen, ohne die Rechte anderer Gemeinschaften zu beeinträchtigen, zunächst ohne Widerstand von arabischer Seite.

Eine Steigerung des Misstrauens löste die Veröffentlichung des Sykes-Picot-Abkommens am 23. November 1917 aus, obwohl die Existenz einer derartigen Vereinbarung schon lange vermutet worden war. Sir Henry McMahon, der als britischer Hochkommissar in Ägypten – autorisiert vom Außenminister Grey - die Korrespondenz mit Hussein geführt hatte, trat nach der Veröffentlichung zurück.

Das „Arab Bureau“ in Kairo und insbesondere T.E. Lawrence hielten das Abkommen für Betrug an den verbündeten Arabern, deren Aufstand gegen die osmanische Herrschaft ja gerade durch die McMahon-Hussein-Korrespondenz ausgelöst werden sollte, die darauf vertraut hatten und die gemeinsam mit den Briten bis Süd-Palästina vorgerückt waren. Der acting director des „Arab Bureau“, Commander David Hogarth, reiste mit einem Brief von Sykes nach Djedda, der Hussein zusicherte:
“The Entente Powers are determined that the Arab race shall be given full opportunity of once again forming a nation in the world. This can only be achieved by the Arabs themselves uniting, and Great Britain and her Allies will pursue a policy with this ultimate unity in view.”
Dies musste Hussein als Zusage eines einheitlichen arabischen Staates werten.

In der Folge steigerte sich T.E. Lawrence’ Misstrauen gegenüber den französischen Intentionen bis zur veritablen Francophobie.

Einen erneuten Anlass zu französischen Misstrauen gab es im Juni 1918 mit der Declaration of the Seven. In der die britische Regierung erklärte, die künftige Regierungsform in den eroberten osmanischen Gebieten sollte auf der Zustimmung der Beherrschten basieren.

Weiteres Misstrauen säte dann der Verlauf der Offensive Allenbys im Herbst 1918. Während sich die Einheiten im westlichen Teil langsam nach Norden kämpften, marschierten Australische Kavallerie-Einheiten im Osten schnell auf Damaskus vor. Bei ihnen war auch eine französische Präsenz in der Region, nämlich eine Gebirgsgeschütz-Einheit unter dem korsischen Capitaine Pisani, die Picot gern bei den ersten Besetzern von Damaskus sehen wollte. Als diese Truppen am Nachmittag des 30. September 1918 unmittelbar vor Damaskus standen, ließ Allenby den Vormarsch stoppen. Feisals Beduinen rückten so als erste in Damaskus ein. Sie schlachteten versprengte osmanische Soldaten ab und plünderten den Suk. Am 2. Oktober folgten britische indische und australische Truppen und stellten die Ordnung wieder her. Am 3. Oktober kamen Allenby und Feisal und Allenby erkannte nunmehr Feisals Beduinen als eine alliierte kriegführende Macht an und machte Feisal zum Militärkommandanten einer Besatzungszone, die östlich des Jordan von Akaba bis Damaskus reichte. Feisal sah sich allerdings nicht nur als alliierter Militär-Kommandant, sondern in gleicher Weise als Vertreter von Hussein. Überall wehte die schwarz-grün-weiß-rote Fahne, bald auch außerhalb Husseins Kommandobereich bis nach Beirut. Das löste wilde französische Proteste aus und leitete die nächste Phase des Streits um Syrien ein.

Am 19. Oktober 1918 berichtete Allenby nach London, er habe Feisal die Versicherung gegeben, dass “whatever measures might be taken during the period of military administration they were purely provisional and could not be allowed to prejudice the final settlement by the peace conference, at which no doubt the Arabs would have a representative. ………... I reminded the Amir Faisal that the Allies were in honour bound to endeavour to reach a settlement in accordance with the wishes of the peoples concerned and urged him to place his trust whole-heartedly in their good faith.”

Am 7. November 1918 gaben GB und Frankreich die sog. Anglo-French-Declaration heraus, die den Arabern neue Zusicherungen gab:

„The goal envisaged by France and Great Britain in prosecuting in the East the War let loose by German ambition is the complete and final liberation of the peoples who have for so long been oppressed by the Turks, and the setting up of national governments and administrations deriving their authority from the free exercise of the initiative and choice of the indigenous populations.”

Das britische Außenministerium wollte mit dieser gemeinsamen Erklärung, der Frankreich nur widerstrebend zustimmte, auch Frankreich daran hindern, Teile Syriens zu okkupieren.

In einem privaten Treffen zwischen Lloyd George und Clemenceau schlossen die beiden zwischen dem 1. und 4. Dezember 1918 ein mündliches Agreement, das das Sykes-Picot-Agreement massiv veränderte. GB bekam Mossul, und zwar nicht als Gebiet indirekter, sondern solches direkter Herrschaft, und ebenso Palästina. Frankreich erhielt freie Hand in Inner-Syrien abseits der Küstenregion. Damit wurden auch die Zusagen der McMahon-Hussein-Korespondenz und zahlreicher darauf folgender Erklärungen der britischen Seite zugunsten der arabischen Unabhängigkeit obsolet. Auch an das „Reglement Organique“ hielt sich niemand mehr gebunden.

Zum amerikanischen Vorschlag, den Wunsch der Völker der Region durch eine Interalliierte Befragungs-Kommission ermitteln zu lassen, den die Franzosen heftig ablehnten, erklärte Lord Curzon nun, dies sei „the most absurd and inappropriate idea in the world.“

Die Einigung zu Lasten Feisals hielt, und der folgende Abzug der britischen Truppen aus Damaskus am 29. November 1919 dürfte einer der am meisten bedauerten Rückzüge von Kolonialtruppen aus einem okkupierten Gebiet gewesen sein. Gleichzeitig strich GB Feisal die Hälfte der ihm bisher gezahlten Subsidien.

Damit war das Schicksal Groß-Syriens besiegelt, sein Gebiet in eine französische, eine britische und eine britisch-arabische Zone effektiv aufgeteilt. Feisal hatte noch eine Gnadenfrist. Die Franzosen hatten nach dem Sykes-Picot-Agreement ja auch Kilikien als direktes Herrschaftsgebiet zugeteilt bekommen und besetzt. Dieses Gebiet hatte jedoch Kemal Atatürk als Teil des türkischen Heimatlandes erklärt und Frankreich musste wegen des harten Widerstandes der dortigen Bevölkerung und der türkischen Truppen dort stärkere Kräfte einsetzen. Nach einem Accord mit Atatürk gaben die Franzosen dort jedoch auf, bekamen Truppen frei und konnten damit die militärische Präsenz in Syrien verstärken. Die Marokkaner, Algerier und Senegalesen schlugen die unerfahrenen syrischen „Truppen“ Feisals am 24. Juni 1920 und Feisal ging nach London ins Exil.

Die Entstehung eines geeinten arabischen Nationalbewusstseins, die so lange als arabisches wie britisches Ziel erklärt worden war, war nun ausgeschlossen. Und unter den Folgen der damaligen Entscheidungen leiden seither ganze Generationen von Menschen.
 
Vielen Dank für den hervorragenden Beitrag.

Die Entstehung eines geeinten arabischen Nationalbewusstseins, die so lange als arabisches wie britisches Ziel erklärt worden war, war nun ausgeschlossen. Und unter den Folgen der damaligen Entscheidungen leiden seither ganze Generationen von Menschen.

So sehe ich das auch.
 
Interessante zusammenfassende Antworten die wesentlich mehr detallierte historische Hintergrundinformationen herauskristallisieren, vielen Dank. Erstaunlich mit welchen detaillierten Informationen hier diskutiert wird, super.

In den letzten Tagen hatte ich etwas noch gegoogelt über die Unterstützung zum Weltkrieg, überrascht hatte mich ein Stichpunkt von Silesia, Untestützung Kriegseintritt USA.

Nun bin ich auf Informationen über Samuel Landmann, Jews and Palestine (1936), gestossen, welcher darüber schreibt. Und ich habe auch gemerkt, dass in Bezug dieser Frage sich anscheinend ein Wespennest auftut. Gehören diese Schriften von S.L. noch zu den seriösen Informationen über historische Zusammenhänge oder driftet dies schon ab, möchte mich nicht verzetteln.

Danke
 
Wenig später (Mai 1916) wurde das Sykes-Picot-Agreement abgeschlossen, das die Interessengebiete Frankreichs und Großbritanniens im Nahen Osten abgrenzte. ...
Am 7. November 1918 gaben GB und Frankreich die sog. Anglo-French-Declaration heraus, die den Arabern neue Zusicherungen gab:...

Das britische Außenministerium wollte mit dieser gemeinsamen Erklärung, der Frankreich nur widerstrebend zustimmte, auch Frankreich daran hindern, Teile Syriens zu okkupieren...
In einem privaten Treffen zwischen Lloyd George und Clemenceau schlossen die beiden zwischen dem 1. und 4. Dezember 1918 ein mündliches Agreement, das das Sykes-Picot-Agreement massiv veränderte. GB bekam Mossul,

Zwischen Sykes-Picot und dem November-Agreement 1918 bestehen keine inhaltlichen Differenzen, beide Mächte waren an einem neuen Imperialismus im Mittleren Osten und einer Ablösung des Osmanischen Reiches interessiert:
"The Declaration was skillfully drafted so that it would show no inconsistency with the Sykes-Picot provisions. By mentioning Arab self-determination in Syria and Mesopotamia. Its creators were seeking to placate Arab opinion and Wilsonian morality." [Nevakivi : Britain, France, and the Arab Middle East, 1914-1920, S. 83]

Die dazwischen liegende Balfour-Deklaration war von Frankreich geschluckt worden, da man die Ziele in Syrien nicht zur Debatte stellen mochte. Bereits Ende 1917 und 1918 wechselten jedoch die Umstände: die wesentliche britische Zielstellung war das schnelle Ausscheiden des OR aus dem Krieg, und man war nicht bereits, diese schnelle Aussscheiden für Frankreichs Syrien-Pläne zu riskieren (Schneer, The Balfour-Daclaration weist auf die Friedenskontakte GB/OR in der Schweiz hin - ebenso Fromkin: A Peace to end all Peace und Ng: Entente Rivalry in the Near East 1914-1918).

Die Opposition kam über die Ideen 1917/18 aufgrund der Kriegslage, und die Renaissance der Great-Game-Szenarien für die Nachkriegslösung, die sich quer durch die britische Seite zogen: insbesondere die Indien-Interessierten wollten Syrien unter frz. Besitz als potenzielle Nachkriegsbedrohung der alten Linie Suez-Indien ausschließen - Opponenten dieses Standpunktes sahen das weniger dramatisch aufgrund der sicheren britischen Seeherrschaft im östlichen Mittelmeer und der gewaltigen Überlegenheit der Royal Navy mit Stand 1918 ggü. Frankreich.

In den Dezember-Gesprächen, die Fromkin schildert, gab es keinen Streit, da man an einem Strang zog ("Liberal Imperialism" als Konzept für den Nahen und Mittleren Osten). Clemenceau fragte Llyod-George nach seinen Wünschen, dieser nannte "Mosul". Cl. fragte, ob er weitere Wünsche habe: L-G antwortete "Palestine". Cl.: "You shall have it.". Cl. Bereitwilligkeit resultierte aus dem Umstand der britischen Präsenz und der Siege im Nahen und Mittleren Osten über die Osmanische Armee [-> Fromkin], verbunden mit dem Ziel, Syrien bis auf Ränder aus dem Sykes-Picot-Agreement zu halten. In den 1930ern bezog Frankreich auf Basis dieser Ordnung 40% seiner Öleinfuhr über Tripolis/Libanon (Khoury: Eine Neubewertung der französischen Kolonialpolitik in Syrien - die Mandatsjahre]
 
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Zwischen Sykes-Picot und dem November-Agreement 1918 bestehen keine inhaltlichen Differenzen, beide Mächte waren an einem neuen Imperialismus im Mittleren Osten und einer Ablösung des Osmanischen Reiches interessiert:

Sicher! Beide waren ja auch von Mark Sykes entworfen.

Allerdings hatten sich die Interessen der beiden Länder innerhalb des neuen Imperialismus im Nahen Osten seit dem Sykes-Picot-Agreement gewandelt, und seine Einhaltung lag nicht mehr im britischen Interesse.

Wie die Karte zeigt, hatte dieses Agreement Mossul der französischen Einflusssphäre zugeschlagen. 1916 hatte das Thema Öl noch nicht den Stellenwert, den es später bekam., und so schien Mossul mit seinem kurdischen Hinterland für Großbritannien unwichtig.

Zum Zeitpunkt des Waffenstillstands hing GB zu 80% von US-Lieferungen für seine Erdölversorgung ab. Das mittelöstliche Öl, vornehmlich die Anglo-Persian Oil Company, lieferte gerade mal 2% der US-Produktion.

Durch Lord Fishers forcierte Umrüstung der britischen Flotte auf Öl war die möglichst unabhängige Ölversorgung nun zu einem höchst wichtigen Thema geworden. Also bildete die Regierung das Petroleum Imperial Policy Committee „ to draw a plan for what steps should be taken to secure control of as much as possible of the world supply of natural petroleum.” Marian Kent, Oil and Empire. British Policy and Mesopotamia Oil 1900 – 1920, London 1976 p. 134.

Um das zu erreichen, gab es im wesentlichen zwei Möglichkeiten, nämlich

- einmal die Kontrolle über Öl-Gesellschaften und Konzessionen. Das wäre hier OT, und
- die Kontrolle über Territorien mit Ölvorkommen.

Das Gebiet von Mossul, wo Öl gefunden worden war, gehörte zur französischen Einflusssphäre und nach den Waffenstillstandsbedingungen nicht einmal zum von Osmanen zu räumenden Gebiet, nämlich Mesopotamien, das nach allgemeiner Auffassung die Wilajete Bagdad und Basra umfasste.

So geschahen nach dem Waffenstillstand zwei Dinge:

- Die von Mark Sykes formulierte Anglo-French-Declaration betonte noch einmal das politische Ziel, nationale Regierungen zu bilden auf der Grundlage der Wünsche lokalen Bevölkerung. Ein Adressat war sicher der transatlantische Verbündete mit seiner Politik der Selbstbestimmung. Ein anderer die arabischen Verbündeten GBs. Aber diese erneute gemeinsame Erklärung hinderte auch Picot, der ja allgemein als strikter Anhänger vollständiger Annexionen bekannt war, daran (und das war Sykes Absicht), in Syrien schnell Fakten zu schaffen. Picot strebte nämlich ein Gebiet direkter französischer Herrschaft vom Sandschak Alexandrette bis zum Sinai an, unter Einbeziehung Palästinas, das im Landesinneren das Wilajet Mossul mit einschloss.

- Zum andern marschierten die Briten nach dem Waffenstillstand weiter und besetzten vier Tage später Mossul. Hier hatte man, klar außerhalb Mesopotamiens (nach allgemeinem Verständnis die Wilajete Bagdad und Basra), nun ein Problem, das Arnold Wilson, der Civil Commissioner for Mesopotamia, elegant semantisch löste. Von Mesopotamien wurde hinfort nicht mehr gesprochen, sondern von 'Iraq' und Mossul als Bestandteil 'Iraqs'. Er schrieb . „’Iraq’ was simply a geographical expression, which, in order to avoid the vague connotations of 'Mesopotamia' we employed after the Armistice to denote the three Wilajet (Basra, Bagdad including Mosul)”.A.T.Wilson A Clash of Loyalties, Mesopotamia 1917-1920, London 1931 p.22. Gleichzeitig gewann man damit eine Abgrenzung nach Westen, die nicht mehr am Flussufer des Tigris, sondern irgendwo weiter westlich in der syrischen Wüste lag.

Damit hatte GB die gewünschten Fakten geschaffen. Nun blieb nur ein Problem: Dieses Gebiet lag in der französischen Einflusssphäre.

Und da kam Lloyd George ins Spiel, der im Gespräch Clemenceau zwischen dem 1. und 4. Dezenber 1918 GB dieses Gebiet und Palästina sicherte, gegen die Preisgabe seines Verbündeten Feisal zur Annektion durch Frankreich, zur direkten Herrschaft über ganz Syrien.

Das Sykes-Picot-Agreement war nun obsolet, GB hatte das Öl von Mossul unter direkter Herrschaft, außerdem eine stärkere Annäherung Frankreichs an den Suez-Kanal vermieden. Verlierer waren die Haschemiten und die Araber insgesamt, aber auch Francois Georges Picot. Wie man sieht, hat hier GB in wenigen Wochen konsequent und gleichzeitig elegant seine politischen Interessen durchgesetzt.
 

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Die arabische Partizipation im kampf gegen das Osmanische Reich ist von T.E. Lawrence im Nachhinein stark übertrieben worden. Der Zusammenbruch der türkischen Positionen zwischen dem Suez-Kanal und Damaskus ist im Wesentlichen auf die Feldzüge Allenbys zurückzuführen, nicht auf Lwarence of Arabia, der allerdings ein gewisses Talent dafür hatte, sich selbst hochzustilisieren.
Dass die Franzosen mit dem Libanon und Syrien einen Teil der Region kontrollieren durften, lag daran, dass sie als Schutzmacht für die orientalischen Christen angesehen wurden. Seit Napoleon III. hatte Frankreich deutlich für die maronitischen Christen im Libanon Stellung bezogen, viele Aramäer haben im Ersten Weltkrieg in französischen Einheiten gekämpft.
 
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