Balkankrieg 1912/13: Internationale Intervention

Warum plädierst du dann dafür, dass Italien mit Ö-U 1912/13 irgendeine Übereinkunft bzgl. Albanien hätte treffen können, die über die bestehenden Bündnisse hinausgehen würde? Da war es doch für Italien vernünftiger, sich nicht auf weitere Verpflichtungen gegenüber Ö-U einzulassen, wenn man mittelfristig das Trentino, Triest, Fiume/Rijeka und Istrien (nicht Isonzo, das ist ein Fluss) anstreben wollte; vernünftiger eher eine neutralere Rolle anzustreben, wie sie Italien ja auch bis 1915 innehatte.

Ich habe nicht für ein förmliches Bündnis plädiert, sondern angemerkt, dass ich es für geschickter gehalten hätte, Italien in eine Position zu bringen, in der die österreichische Einhegungspolitik gegenüber Serbien den italienischen Interessen deutlich eher entsprochen hätte.
Diese Möglichkeit wäre vielleicht gegeben gewesen, wäre man mit den albanischen Territorien anders verfahren.

Du vergisst dabei, dass das italienische Interesse an den albanischen Territorien nicht ein von mir zusammengesponnenes Szenario ist, sondern dass es durchaus real war.

Warum hätten die Italiener sich diese Territorien und die damit verbundenen Probleme ans Bein binden sollen? Weil sie es um der potentiellen Marinestützpunkte an der Gegenküste wollten.

Wer spricht von Verpflichtungen gegenüber Österreich-Ungarn? Ich spreche von identischen Interessen.
Hätten beide Staaten territorien besessen, die der serbische Staat für sich beanspruchte, hätten beide ein natürliches Interesse an der Einhegung serbischer Expansionsbestrebungen und der großserbischen Bewegung gehabt und natürlicher Weise mindestens in dieser Hinsicht kooperiert.
Auch ganz ohne förmliche Verträge.

Nizza und Savoyen wurden freiwillig per Vertrag abgetreten. Korsika war schon seit über 150 Jahren französisch, irredentistische Forderungen auf Malta mehr als zweifelhaft. Auf Malta spricht man mit Maltesisch einen arabischen Dialekt. Das Trentino und Istrien hingegen stand nicht nur bei ausgesprochenen Irredentisten auf dem Wunschzettel.

Zwei grundsätzliche Fehler:

1. Du wirfst erneut Absichen und Handlungen der Italienischen und hier auch der ehemals königlich Sardischen Regierungen mit den Wünschen und Zielen der Irredentisten durcheinander.

2. Du versuscht mit Maßstäben des 21. Jahrhunderts gegen die Wertmaßstäbe von Nationalisten aus dem 19. an und diese weg zu diskutieren.

Das das Königreich Sardinien Nizza und Savoyen seinerzeit an Frankreich abgetreten hatte, interessierte die Irredentisti im Bezug darauf, dass sie der Meinung waren, dass Italien Anspruch darauf gehabt hätte so wenig, wie es die deutschen Nationalisten interessierte, dass Elsass und Lothringen (und zwar in Teilen friedlich auf vertraglicher Basis) irgendwann mal an Frankreich abgetreten worden waren und der Wiener Kongress Frankreich diesen Besitzstand bestätigt hatte.

Ja, Korsika war schon seit 150 Jahren fraanzösisch. Inwiefern war das für diese Leute ein Gegenargument? Triest war schon seit dem Mittelalter habsburgisch/österreichisch, also schon ein paar Jahrhunderte länger als Korsika französisch war. Hinderte die Irredentisti nicht darann es haben zu wollen.

Ja, die Gemeinsamkeiten zwischen Maltesisch und Italienisch, beschränken sich warhscheinlich auf ein paar Lehnwörter.
Nur was interessieren sprachwissenschaftliche Finessen einen radikalen Nationalisten, der davon ohnehin keinen Schimmer hat.
Zumal schau dir an, welcher konstruierte etymologische Unfug seit anderthalb Jahrhunderten von irgendwelchen Nationalisten in die Welt gesetzt wird um zu beweisen, dass man sich ja verwandtschaftlich quasi schon auf irgendwelche antiken Bevölkerungen zurückdatieren kann und deswegen Anspruch auf Landstrich XY habe.

Und dann vergisst du darüber hinaus, dass die Argumentationen radikaler Nationalisten ohnehin keinem stringenten Muster folgt (und da machten die Irredentisti keine Ausnahme) und wenn ein Paradigma zur Rechtfertigung eigener Ansprüche nicht hinhaut, eben ein anderes bemüht wird.

Im Zweifel ist für diese Leute dann eben nicht entscheidend, was da gesprochen wird, sondern dass es bis ins 15. Jahrhundert mal zu Neapel/Sizilien gehört hatte.


Du kannst ja anzweifeln, dass diese Argumentationen und Ansprüche sinnvoll begründet waren, da gebe ich dir ja recht, dass ist unter heute wirkmächtigen Gesichtspunkten natürlich alles großer Unfug.

Ändert aber nichts daran, dass es diese Forderungen im irredentistischen Spektrum eben gab und dass sie nicht wegzuerklären sind.

Das entspricht einer Politik wie sie Giovanni Giolitti als Ministerpräsident Italiens bis 1914 praktizierte, die sich von einer eher anti-französischen Politik, wie sie Ex-MP Francesco Crispi vertrat, abwandte und sich demzufolge auch vom Dreibund distanzierte.

Die Distanzierung vom Dreibund geht allerdings auch auf die Verschlechterung des Verhältnisses zu Österreich-Ungarn und auf den Mangel gemeinsamer Interessen mit diesem zurück.
Beidem wäre mit einem anderen Handeln in der albanischen Angelegenheit durch die österreichische Seite yber durchaus entgegen zu wirken gewesen.
Eine Einbindung Italiens in Form einer Beteiligung an den albanischen Gebieten, die man in Italien ohnedies wünschte, hätte zum einen den Wert der Zusammenarbeit mit Österreich hinsichtlich der eigenen Großmachtsambitionen unterstreichen können.
Zum anderen hätte Italien dann Positionen am Balkan gehabt, die es dann gegenüber potentiellen serbischen Ansprüchen hätte sichern müssen, was geboten hätte sich mit Österreich darüber zu verständigen, wie man gemeinsam Serbien einhegt.

Die Tatsache dass Italien sich in dieser Form überhaupt so einfach weitgehend vom Dreibund, vor allem aber von Österreich lösen konnte hat auch einfach etwas damit zu tun, dass Italien über keine Positionen verfügte, zu deren Sicherung es einer Zusammenarbeit mit Österreich bedurft hätte, während allerdings die neuen italienischen Positionen in Libyen und in der Ägäis sehr stark davonabhingen, dass man mit Großbritannien und Frankreich ein einigermaßen vernünftiges Verhältnis hatte.
Wäre Italien allerdings im Balkan involviert gewesen, hätte es sich auch ein vernünftiges Verhältnis zu Österreich erhalten müssen, weil es dieses als Partner zur Einhegung Serbiens benötigt hätte.
 
Nur kurz noch hierzu:



Meinst du wirklich?

Ich stellt mir die Frage, weshalb Salandra, Sonnino und vor allem Cadorna als militärischer Fachmann aus neun Monate Krieg in Europa nicht ganz andere Schlüsse gezogen haben und nicht vorausgesehen haben, das auch Italien im Falle einer Intervention, ein langer Stellungskrieg, mit entsprechenden Verlusten, nicht erspart bleiben würde. An entsprechenden Informationen dürfte es ihnen kaum gefehlt haben.

Weil sie eben davon ausgingen, dass Österreich-Ungarn mit seinen Kräften am Ende sei und auch davon ausgingen, dass Parallel dazu, auch Rumänien seine Chance sehen und eine 4. Front aufmachen würde.

Nur kam eben 2 Wochen vor dem italienischen Kriegseintritt die Schlacht von Gorlice-Tarnow dazwischen, die für die Russen bekanntlich eine Katastrophe war und die ganze russische Südwest-Front mehr oder weniger zum Kollaps brachte, was Bukarest dazu veranlasste einen Rückzieher zu machen und die Finger vom Drücker zu lassen.

Wahrscheinlich unterschätzte man in Rom einfach die Tragweite der Ereignisse im Osten.

Hätten die Russen in Galizien, Polen und an den Kaparten den Druck aufrecht erhalten können und wäre Rumänien mitgegangen, dann wäre die Rechnung von Salandra & Sonnino wahrscheinlich aufgegangen, denn dann hätte es den Zentralmächten schlicht an Reserven gefehlt um diese Löcher zu stopfen.




Interessant ist auch, als es von Epirus aus zu Einfällen von Epiroten in das südliche Albanien kam, Italien zur Tat schritt. Italien besetzte Valona, war ja schon seit den Balkankriegen einZiel Italiens, und die vorgelagerte Insel. Von Valona nach Otranto waren es gerade einmal 60 Kilometer. Italien beherrsche also gewissermaßen die Straße von Otranto und hatte so eine gute strategische Position einkassiert. Und Österreich? Es hat nicht einmal protestiert, sondern nahm es hin.

Die italienische Besatzung fand im Dezember 1914 statt.
Zu dem Zeitpunkt war Österreich nicht in der Lage gegen irgendwas zu protestieren, es hing ja militärisch bereits arg in den Seilen.
Und unter diesem Umständen wollte man im Hinblick auf die ohnehin rapide verschlechterten Beziehungen zu Italien sicherlich nicht noch Öl ins Feuer gießen, immerhin wollte man sich wenigstens die italiensiche Neutralität erhalten.
 
Weil sie eben davon ausgingen, dass Österreich-Ungarn mit seinen Kräften am Ende sei und auch davon ausgingen, dass Parallel dazu, auch Rumänien seine Chance sehen und eine 4. Front aufmachen würde.

Italien hatte in den Jahrzehnten vor dem Weltkrieg einen Militärattaché in Wien, der sicher umfänglich über die Leistungsfähigkeit der ÖU Streitkräfte nach Rom berichtet haben wird. Italien sollte also in der Lage gewesen ein, sich ein halbwegs realistischen Bild zu machen.

Wie du schon richtig schreibst, brach kurz vor Italiens Eintritt in dem Weltkrieg die sehr erfolgreiche Offensive der Mittelmächte im Osten los. Spätestens hier hätte bei den Italienern die Glocken läuten sollen. Auch Rumänien wurde offenbar falsch eingeschätzt. Dort ließ man sich noch 1,5 Jahre Zeit.

Zu dem Zeitpunkt war Österreich nicht in der Lage gegen irgendwas zu protestieren, es hing ja militärisch bereits arg in den Seilen.

Österreich hat herbe Niederlagen hinnehmen müssen, richtig. Aber es war noch offensivfähig. Gorlice und Tarnow lassen grüßen.
Wie wollte sicher keine neue Front und war daher bereit die Kröte zu schlucken. Italiens Agieren war nicht gerade zimperlich. Man nutzte eiskalt eine Situation aus, denn man konnte davon ausgehen, das keine Macht etwas unternehmen würde.
 
Im Zweifel ist für diese Leute dann eben nicht entscheidend, was da gesprochen wird, sondern dass es bis ins 15. Jahrhundert mal zu Neapel/Sizilien gehört hatte.
Nööö, Malta gehörte in dieser Zeit zur Krone von Aragon, die zwar auch in Süditalien und Sizilien herrschte. Malta war aber Aragon (und später kurzzeitig auch Spanien) direkt unterstellt, bis es 1530 an die Johanniter überging.

Das das Königreich Sardinien Nizza und Savoyen seinerzeit an Frankreich abgetreten hatte, interessierte die Irredentisti im Bezug darauf, dass sie der Meinung waren, dass Italien Anspruch darauf gehabt hätte so wenig, wie es die deutschen Nationalisten interessierte, dass Elsass und Lothringen (und zwar in Teilen friedlich auf vertraglicher Basis) irgendwann mal an Frankreich abgetreten worden waren und der Wiener Kongress Frankreich diesen Besitzstand bestätigt hatte.
Dieses Argument funzt für 1912/13 nicht. Elsass-Lothringen gehörte (aufgrund des Friedens von Frankfurt 1871) in dieser Zeit zu Deutschland; Nizza und Savoyen aber nicht zu Italien.

Du machst einen grundsätzlichen Fehler: Du blendest das irredentistische Interesse Italiens an Territorium von Ö-U aus, dem ja auch 1919 größtenteils nachgekommen wurde, und konstruierst ein "strategisches Interesse" an Albanien für 1912/13. Unter Mussolini gab es ein Interesse an Albanien. Ob das aber tatsächlich strategisch oder eher megalomanisch war, sei mal dahin gestellt.

Warum hätte sich Italien 1912/13 mit dem Pulverfass Balkan in Albanien belasten sollen und sich damit eventuell auch in Gegensatz zur Entente bringen können, wenn es doch gleichzeitig auch auf ein maritimes Wohlwollen seitens der Entente angewiesen war, um die neuesten Eroberungen in Libyen und am Dodekanes zu sichern?
 
Wie du schon richtig schreibst, brach kurz vor Italiens Eintritt in dem Weltkrieg die sehr erfolgreiche Offensive der Mittelmächte im Osten los.

Die Frage ist da aber auch, wie aktuell Rom darüber und über den tatsächlichen Verlauf im Bilde war und realistisch einschätzen konnte, was da passierte.
Das sind ja durchaus noch nicht die Zeiten organisierter Nachrichtendienste und wenn man bedenkt dass Italien einen halben Monat später tatsächlich Krieg erklärte, werden auch diverse kostspielige Forderungen von italienischer Seite her schon angelaufen sein, was es sicherlich auch erschweren musste die Aktion abzublasen, zumal auf eine möglicherweise zweifelhafte Informationslage hin.


In der Hinsicht hatte es Bukarest sicherlich wesentlich einfacher, die Rumänien war an dieser Front einfach deutlich näher drann.

Österreich hat herbe Niederlagen hinnehmen müssen, richtig. Aber es war noch offensivfähig. Gorlice und Tarnow lassen grüßen.
Naja, aus eigener Kraft heraus war es nicht mehr wirklich offensivfähig.

Seit Ende 1914 war es doch durchaus so, dass deutsche Truppen unter v. Linsingen in Kleinpolen-Galizien hinzu gezogen werden mussten um die Lage zu stabilisieren.
Und Gorlice-Tarnow war auch nur möglich weil Deutschland die Hälfte der beteiligten Truppen stellte.
 
Naja, aus eigener Kraft heraus war es nicht mehr wirklich offensivfähig.

Jedenfalls hatte es Italien zu keiner Zeit an seiner Front einen echten Durchbruch zu schaffen. Und das war Italiens einzige Front. Österreich-Ungarn hatte noch zwei weitere Fronten.

Und 1916 startete man alleine die Südtiroloffensive. Der Gedanke, der dahinter stand, war eigentlich in Gegensatz zu Falkenhayns Gemetzel bei Verdun durchaus richtig. Nur, das der Verbündete lieber in Verdun aktiv werden wollte, mussten die Österreicher allein handeln. Dafür hatte man alles zusammengekratzt und die Offensive lief gut an. Die Italiener forderten Hilfe von den Verbündeten und die Russen starteten die Brussilow Offensive.
 
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Das sind ja durchaus noch nicht die Zeiten organisierter Nachrichtendienste und wenn man bedenkt dass Italien einen halben Monat später tatsächlich Krieg erklärte, werden auch diverse kostspielige Forderungen von italienischer Seite her schon angelaufen sein, was es sicherlich auch erschweren musste die Aktion abzublasen, zumal auf eine möglicherweise zweifelhafte Informationslage hin.

Italien hatte tatsächlich in London am 26.April 1915 den Pakt mit der Triple Entente unterzeichnet. Dieser Pakt verpflichtete Italien innerhalb eines Monats in den Krieg einzutreten. Italien konnte also gar nicht mehr umdisponieren. Man meinte ja auch in Rom nun nach der Unterzeichnung zügig des Dreibund kündigen zu müssen; nur, das ging überhaupt nicht, da der Vertrag eine fest vereinbarte Laufzeit hatte und keine Kündigungsklausel hatte. Ich bin zwar kein Jurist, denke aber, dass das Vertragsbruch gewesen war.
 
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Nööö, Malta gehörte in dieser Zeit zur Krone von Aragon, die zwar auch in Süditalien und Sizilien herrschte. Malta war aber Aragon (und später kurzzeitig auch Spanien) direkt unterstellt, bis es 1530 an die Johanniter überging.

Du hast insofern recht, als dass Malta 1400-schlag-mich-tot, wohl tatsächlich der Krone Aragons angegliedert wurde, was allerdings an dem Umstand, dass sie vormals dem Kgr. Sizilien angehörte nichts ändert.

Ob man Forderungen nach Gebieten jetzt mit irgendeinem Besitzstand aus dem 15. oder dem 14. Jahrhundert begründet, macht, ich denke da sind wir uns einig, keinen allzu großen Unterschied.

Es bleibt das gleiche Paradigma.


und konstruierst ein "strategisches Interesse" an Albanien für 1912/13.

Ja, die von mir angesprochenen Interessen an Albanien sind tatsächlich so konstruiert, als das Italien dann im Dezember 1914 die albanische Hafenstadt Valona/Vlora/Vlore besetzte und ein Italienischen Protektorat über Albanien proklamierte, was die Ententmächte im Londoner Vertrag von 1915 denn auch faktisch anerkannten, in dem sie Italien zusicherten künftig die Außenbeziehungen Albaniens zu leiten.

Du machst einen grundsätzlichen Fehler: Du blendest das irredentistische Interesse Italiens an Territorium von Ö-U aus

Nein, das blende ich durchaus nicht aus, sondern du blendest gekonnt aus, dass sich die Interessen der Irredentisten nicht auf österreichische Gebiete beschränken.



Dieses Argument funzt für 1912/13 nicht. Elsass-Lothringen gehörte (aufgrund des Friedens von Frankfurt 1871) in dieser Zeit zu Deutschland; Nizza und Savoyen aber nicht zu Italien.

Das Argument war, dass sich radikale Nationalisten und nichts anderes waren die Irredentisti am Ende sich in der Regel um Vereinbarungen, die ihre Regierungen irgendwann mal abgeschlossen hatten, nicht scheren, was Grenzziehungen betrifft, jedenfalls nicht dann, wenn diese Grenzziehungen dafür sorgen, dass irgendwelche Territorien, auf die entsprechende Nationalisten meinen Ansprüche anmelden zu können, im Ausland liegen.

Wenn du meinst, dass dadurch, dass Savoyen und Nizza 1860 von Sardinien an Frankreich abgetreten wurden, mit einem Federstrich sämtliches Anspruchsdenken dahingehend aus dem Köpfen der Irredentisti herausradiert worden wäre, dann irrst du dich oder verweschselst einmal mehr die Irredentisti mit der italienischen Regierung.

Natürlich, das offizielle Italien hatte auf diese Territorien verzichtet. Das offizielle Italien hatte allerdings auch nach den Kriegen 1860 und 1866/1867 den österreichischen Besitzstand anerkannt.
Die Irredentisti interessierten sich weder für die Abtretung noch für die Anerkennung. Die interessierten sich für die Aneignung von allem, was ihrem Verständnis nach Italien war.
Wozu neben den österreichischen Territorien Nizza, Savoyen, Korsika, Malta und auch das Tessin zählten.
 
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dann irrst du dich oder verweschselst einmal mehr die Irredentisti mit der italienischen Regierung.
Das klingt bei dir immer so, als ob in der italienischen Regierung niemals Irredentisti gewesen wären. Das ist kein grundsätzlicher Gegensatz, sondern war eine wichtige politische Bewegung in Italien dieser Zeit. Sidney Sonnino setzte sich als MP z.B. für den italienischen Erwerb von Ö-U Territorien ein. Bei Antonio Salandra sah das ähnlich aus.
was allerdings an dem Umstand, dass sie vormals dem Kgr. Sizilien angehörte nichts ändert.
Das normannische Sizilien: Dann könnte also Norwegen oder Dänemark "irredentistische" Forderungen auf Süditalien und Malta erheben. :D
 
Auf Sizilien kann am ehesten Griechenland Anspruch erheben, hat obwohl westlich und katholisch eine halbe Ewigkeit gedauert bis dort kein griechisch gesprochen wurde.
 
Das klingt bei dir immer so, als ob in der italienischen Regierung niemals Irredentisti gewesen wären.

Wohingegen es bei dir die ganze Zeit danach klingt, als hätten die Irredentisti Italien mit diktatorischen Vollmachten regiert und die Interessen der Irredentisti (allerdings nur diejenigen, die sich gegen Österreich richteten) seien automatisch die Interessen Italiens gewesen.

Der Irredentismo war eine wirkmächtige politische Strömung, der sich sicherlich aus der italienischen Politik nicht heraushalten ließ.
Das bedeutete aber durchaus nicht dass die italienischen Regierungen nicht anders gekonnt hätten als nach der Pfeiffe der Irredentisti zu tanzen.

Davon abgesehen, auch wenn man in Italien der Meinung war, die Irredentisti einbinden oder auf ihre Forderungen eingehen zu müssen, ließ das der Regierung noch immer Spielraum sich für verschiedene Konzeptionen zu entscheiden, auf welche Forderungen man sich denn einlassen wollte.

Sidney Sonnino setzte sich als MP z.B. für den italienischen Erwerb von Ö-U Territorien ein. Bei Antonio Salandra sah das ähnlich aus.

Ja, taten sie.
Aber bitte dabei den Kontext nicht außer acht lassen.

Die ursprünglichen Forderungen hinsichtlich des Trentino und des Isonzo wurden nicht auf Basis nationalistischer Anmaßungen, sondern auf Basis des Dreibundvertrags gestellt, der durchaus eine Kompensationsklausel beinhaltete, für den Fall, dass einer der Partner irgendwo territoriale Zugewinne verbuchen würde.

Darauf berief man sich in Italien, weil man wohl unterstellte, Österreich sei an serbischen Territorien interessiert. Österreich erklärte wiederrum nicht daran interessiert zu sein, nicht zuletzt auch aus dem Kalkül heraus die Kompensationsvereinbarungen nicht aktivieren zu wollen.


Da mit Frankreich und GB kein vergleichbarer Vertrag vorlag, konzentrierte sich die italienische Seite naturgemäß auf die österreichischen Territorien, weil sie da tatsächlich eine gewisse rechtliche Basis auf Kompensation hatten, wenn Österreich anderswo Gebiete annektieren würde, was durchaus im Bereich des Möglichen lag.

Von der Basis des Dreibundvertrags als Grundlage für die Kompensationsforderungen verabschiedete sich Italien erst 1915, als es offiziell aus dem Dreibundvertrag austrat.

Die Entscheidung auf wessen Seite es anschließend in den 1. Weltkrieg zu tun hat, war weniger durch eine grundsätzliche Abneigung gegenüber Österreich bestimmt, als viel mehr dadurch, dass man bei der großen Umverteilung, die man erwartete nicht leer ausgehen wollte und erwartete auf der Seite der Entente mit wenig Aufwand viel Beute machen zu können, was schlicht dem Kriegsverlauf geschuldet war.


Das normannische Sizilien: Dann könnte also Norwegen oder Dänemark "irredentistische" Forderungen auf Süditalien und Malta erheben. :D

Joa, dem Postulat das Russland der natürliche Erbe der Kiewer Rus und des Byzantinischen Reiches wäre zur Folge, müssten, wenn man den Unfug zu Ende denkt konsequenter Weise auch Griechenland und die Ukraine Anspruch auf Moskau anmelden können.
Dieser Umstand hindert auch heutige russische Nationalisten so überhaupt nicht, diesen Quatsch gebetsmühlenartig zu wiederholen.

Im Kern wäre sich als Italiener im beginnenden 20. Jahrhundert auf den Besitzstand des normannischen Sizilien zu berufen auch nicht absurder.

Ich hab ja nicht geschrieben, dass ich solche Ansichten sinnvoll fände oder nationalistische Ansichten überhaupt.
Allein das etwas vollkommen absurder Quatsch ist, hat noch nie dafür gesorgt, dass nicht irgendwer auf die Idee käme mit diesem absurden Quatsch seine Forderungen unterlegen zu wollen.
 
Wobei weiß jemand ne Statistik wie viele Sizilianer dies überhaupt wollten sich Italien anschließen, wenn sie es wollten ist ja alles paletti und der Polemik nicht Wert.

Das man in gemischten und historischen Grenzgebieten ein Kompromiss braucht ist klar, fühlt sich einer Unterdrückt, wird es zu Problemen kommen.
 
Wobei weiß jemand ne Statistik wie viele Sizilianer dies überhaupt wollten sich Italien anschließen, wenn sie es wollten ist ja alles paletti und der Polemik nicht Wert.

Es hatte 1860 nach Garibaldis Landung und dem Sturz des bourbonischen Königshauses im damaligen Kgr. Beider Sizilien durchaus eine Abstimmung hinsichtlich des Anschlusses an das neu entstandene Italien gegeben, in der sich eine Mehrheit für einen Anschluss aussprach.

Allerdings im gesamten ehemaligen Königreich Beider Sizilien, nicht nur auf der Insel selbst und sicherlich wird man dabei auch mindestens die weibliche Bevölkerung nicht gefragt haben, jedenfalls wäre das wohl zeitgenössisch unüblich gewesen.

Insofern ist die Bevölkerung jedenfalls mal gefragt worden, woraus sich nach heutigem Verständnis aber sicherlich keine belastbaren Zahlen für die Gesamtbevölkerung ableiten lassen.
 
Aber bitte dabei den Kontext nicht außer acht lassen.

Die ursprünglichen Forderungen hinsichtlich des Trentino und des Isonzo wurden nicht auf Basis nationalistischer Anmaßungen
Istrien, nicht Isonzo. Der Isonzo ist ein Fluß. Das ist ein wichtiger Kontext. Hinsichtlich der postulierten nationalistischen Anmaßung, sollte man zeitgemäss Wilsons Selbstbestimmungsrecht der Völker mitbedenken. Denn gerade im Tentino und in Istrien gab es eine große italienischsprachige Bevölkerungsmehrheit.
Wohingegen in Savoyen und in Nizza 1860 Volksabstimmungen den Anschluss an Frankreich billigten.
 
Es hatte 1860 nach Garibaldis Landung und dem Sturz des bourbonischen Königshauses im damaligen Kgr. Beider Sizilien durchaus eine Abstimmung hinsichtlich des Anschlusses an das neu entstandene Italien gegeben, in der sich eine Mehrheit für einen Anschluss aussprach.

Allerdings im gesamten ehemaligen Königreich Beider Sizilien, nicht nur auf der Insel selbst und sicherlich wird man dabei auch mindestens die weibliche Bevölkerung nicht gefragt haben, jedenfalls wäre das wohl zeitgenössisch unüblich gewesen.

Insofern ist die Bevölkerung jedenfalls mal gefragt worden, woraus sich nach heutigem Verständnis aber sicherlich keine belastbaren Zahlen für die Gesamtbevölkerung ableiten lassen.

Naja das war damals zwar falsch, aber durchaus üblich und Italien hat ja zusammengehalten trotz aller Probleme.

Immerhin ist Norditalien eines der industrialsiertesten Gebiete Europas und der Süden ein Agrarland. Das dieser Staat existiert ist schon mal ein Wunder, schon die Lira war für den Süden zu stark, der Euro ist eine Katstrophe.
 
Istrien, nicht Isonzo. Der Isonzo ist ein Fluß. Das ist ein wichtiger Kontext. Hinsichtlich der postulierten nationalistischen Anmaßung, sollte man zeitgemäss Wilsons Selbstbestimmungsrecht der Völker mitbedenken. Denn gerade im Tentino und in Istrien gab es eine große italienischsprachige Bevölkerungsmehrheit.
Wohingegen in Savoyen und in Nizza 1860 Volksabstimmungen den Anschluss an Frankreich billigten.

Nein, es ging in den ursprünglichen Forderungen tatsächlich nicht um Istrien sondern um das bis dahin bei Österreich verbleibene Isonzotal um Gorizia/Görz und Gradisca.
Görz und Gradisca – Wikipedia

Forderungen betreffend Triest, geschweigedenn des restlichen Istrien, geschweigedenn ganz Istriens inklusive Fiume/Rijeka wurden zunächst nicht gestellt, weil ziemlich kar war, dass Österreich auf Triest als seinen wichtigstenn Handelhafen an der Adria kaum freiwillig verzichten konnte, man in Italien aber noch an einer friedlichen Lösung interessiert war.

Die Formel "Trentino e Trieste", kam erst im späteren Verlauf auf als der Krieg für die Zentralmächte schief zu laufen begann und der Wert der italienischen Neutralität sich für Österreich dadurch steigerte, entsprechend Italien begann seine Forderungen hochzuschrauben.

Von irgendetwas, was über Trentino und Triest hinausging, sei das Südtirol, Istrien, Rijeka/Fiume, oder Dalmatien war vor 1915 nicht die Rede und 1915 auch nicht in den Unterhandlungen zwischen Italien und Österreich, sondern lediglich in denen zwischen Italien und der Entente.
 
Zuletzt bearbeitet:
Für Triest wäre es sowieso intelligenter wirtschaftlich gewesen ein Teil Österreichs zu bleiben, zwar läuft der Handel über Triest weiter, aber ist bei weitem nicht so stark wie es wäre wäre es Teil Österreichs und der Hafen für Mitteleuropa (Ungarn, Slowakei e.t.c.). Der Hafen von Triest ist innerhalb von untergeordneter Rolle. Ich bin kein Marineexperte, aber selbst das Königreich Jugoslawien mit seinen dalmatinischen Häfen exportierte über Thessaloniki, die scheinen sich einfach nicht zu eignen. Selbst SFRJ hat am Anfang über Thessaloniki, dann mit Gewalt über Ploce, Rijeka, Split und Bar.
 
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