Warum plädierst du dann dafür, dass Italien mit Ö-U 1912/13 irgendeine Übereinkunft bzgl. Albanien hätte treffen können, die über die bestehenden Bündnisse hinausgehen würde? Da war es doch für Italien vernünftiger, sich nicht auf weitere Verpflichtungen gegenüber Ö-U einzulassen, wenn man mittelfristig das Trentino, Triest, Fiume/Rijeka und Istrien (nicht Isonzo, das ist ein Fluss) anstreben wollte; vernünftiger eher eine neutralere Rolle anzustreben, wie sie Italien ja auch bis 1915 innehatte.
Ich habe nicht für ein förmliches Bündnis plädiert, sondern angemerkt, dass ich es für geschickter gehalten hätte, Italien in eine Position zu bringen, in der die österreichische Einhegungspolitik gegenüber Serbien den italienischen Interessen deutlich eher entsprochen hätte.
Diese Möglichkeit wäre vielleicht gegeben gewesen, wäre man mit den albanischen Territorien anders verfahren.
Du vergisst dabei, dass das italienische Interesse an den albanischen Territorien nicht ein von mir zusammengesponnenes Szenario ist, sondern dass es durchaus real war.
Warum hätten die Italiener sich diese Territorien und die damit verbundenen Probleme ans Bein binden sollen? Weil sie es um der potentiellen Marinestützpunkte an der Gegenküste wollten.
Wer spricht von Verpflichtungen gegenüber Österreich-Ungarn? Ich spreche von identischen Interessen.
Hätten beide Staaten territorien besessen, die der serbische Staat für sich beanspruchte, hätten beide ein natürliches Interesse an der Einhegung serbischer Expansionsbestrebungen und der großserbischen Bewegung gehabt und natürlicher Weise mindestens in dieser Hinsicht kooperiert.
Auch ganz ohne förmliche Verträge.
Nizza und Savoyen wurden freiwillig per Vertrag abgetreten. Korsika war schon seit über 150 Jahren französisch, irredentistische Forderungen auf Malta mehr als zweifelhaft. Auf Malta spricht man mit Maltesisch einen arabischen Dialekt. Das Trentino und Istrien hingegen stand nicht nur bei ausgesprochenen Irredentisten auf dem Wunschzettel.
Zwei grundsätzliche Fehler:
1. Du wirfst erneut Absichen und Handlungen der Italienischen und hier auch der ehemals königlich Sardischen Regierungen mit den Wünschen und Zielen der Irredentisten durcheinander.
2. Du versuscht mit Maßstäben des 21. Jahrhunderts gegen die Wertmaßstäbe von Nationalisten aus dem 19. an und diese weg zu diskutieren.
Das das Königreich Sardinien Nizza und Savoyen seinerzeit an Frankreich abgetreten hatte, interessierte die Irredentisti im Bezug darauf, dass sie der Meinung waren, dass Italien Anspruch darauf gehabt hätte so wenig, wie es die deutschen Nationalisten interessierte, dass Elsass und Lothringen (und zwar in Teilen friedlich auf vertraglicher Basis) irgendwann mal an Frankreich abgetreten worden waren und der Wiener Kongress Frankreich diesen Besitzstand bestätigt hatte.
Ja, Korsika war schon seit 150 Jahren fraanzösisch. Inwiefern war das für diese Leute ein Gegenargument? Triest war schon seit dem Mittelalter habsburgisch/österreichisch, also schon ein paar Jahrhunderte länger als Korsika französisch war. Hinderte die Irredentisti nicht darann es haben zu wollen.
Ja, die Gemeinsamkeiten zwischen Maltesisch und Italienisch, beschränken sich warhscheinlich auf ein paar Lehnwörter.
Nur was interessieren sprachwissenschaftliche Finessen einen radikalen Nationalisten, der davon ohnehin keinen Schimmer hat.
Zumal schau dir an, welcher konstruierte etymologische Unfug seit anderthalb Jahrhunderten von irgendwelchen Nationalisten in die Welt gesetzt wird um zu beweisen, dass man sich ja verwandtschaftlich quasi schon auf irgendwelche antiken Bevölkerungen zurückdatieren kann und deswegen Anspruch auf Landstrich XY habe.
Und dann vergisst du darüber hinaus, dass die Argumentationen radikaler Nationalisten ohnehin keinem stringenten Muster folgt (und da machten die Irredentisti keine Ausnahme) und wenn ein Paradigma zur Rechtfertigung eigener Ansprüche nicht hinhaut, eben ein anderes bemüht wird.
Im Zweifel ist für diese Leute dann eben nicht entscheidend, was da gesprochen wird, sondern dass es bis ins 15. Jahrhundert mal zu Neapel/Sizilien gehört hatte.
Du kannst ja anzweifeln, dass diese Argumentationen und Ansprüche sinnvoll begründet waren, da gebe ich dir ja recht, dass ist unter heute wirkmächtigen Gesichtspunkten natürlich alles großer Unfug.
Ändert aber nichts daran, dass es diese Forderungen im irredentistischen Spektrum eben gab und dass sie nicht wegzuerklären sind.
Das entspricht einer Politik wie sie Giovanni Giolitti als Ministerpräsident Italiens bis 1914 praktizierte, die sich von einer eher anti-französischen Politik, wie sie Ex-MP Francesco Crispi vertrat, abwandte und sich demzufolge auch vom Dreibund distanzierte.
Die Distanzierung vom Dreibund geht allerdings auch auf die Verschlechterung des Verhältnisses zu Österreich-Ungarn und auf den Mangel gemeinsamer Interessen mit diesem zurück.
Beidem wäre mit einem anderen Handeln in der albanischen Angelegenheit durch die österreichische Seite yber durchaus entgegen zu wirken gewesen.
Eine Einbindung Italiens in Form einer Beteiligung an den albanischen Gebieten, die man in Italien ohnedies wünschte, hätte zum einen den Wert der Zusammenarbeit mit Österreich hinsichtlich der eigenen Großmachtsambitionen unterstreichen können.
Zum anderen hätte Italien dann Positionen am Balkan gehabt, die es dann gegenüber potentiellen serbischen Ansprüchen hätte sichern müssen, was geboten hätte sich mit Österreich darüber zu verständigen, wie man gemeinsam Serbien einhegt.
Die Tatsache dass Italien sich in dieser Form überhaupt so einfach weitgehend vom Dreibund, vor allem aber von Österreich lösen konnte hat auch einfach etwas damit zu tun, dass Italien über keine Positionen verfügte, zu deren Sicherung es einer Zusammenarbeit mit Österreich bedurft hätte, während allerdings die neuen italienischen Positionen in Libyen und in der Ägäis sehr stark davonabhingen, dass man mit Großbritannien und Frankreich ein einigermaßen vernünftiges Verhältnis hatte.
Wäre Italien allerdings im Balkan involviert gewesen, hätte es sich auch ein vernünftiges Verhältnis zu Österreich erhalten müssen, weil es dieses als Partner zur Einhegung Serbiens benötigt hätte.