Balkankrieg 1912/13: Internationale Intervention

Die ursprünglichen Forderungen hinsichtlich des Trentino und des Isonzo wurden nicht auf Basis nationalistischer Anmaßungen, sondern auf Basis des Dreibundvertrags gestellt, der durchaus eine Kompensationsklausel beinhaltete, für den Fall, dass einer der Partner irgendwo territoriale Zugewinne verbuchen würde.

Das war schon von Italien ein wenig an den Haaren herbeigezogen. Österreich-Ungarn hatte zu jenem Zeitpunkt in Serbien keine militärischen Erfolge und Eroberungen vorzuzeigen. Und außerdem hatte Berchtold immer wieder unmissverständlich erklärt, kein serbisches Territorium für Österreich zu beanspruchen.

Tatsächlich änderte sich die italienische Haltung von der Neutralität zum forschen Auftreten gegenüber seinen Verbündeten Österreich-Ungarn, als zu erkennen war, das die Schlacht an der Marne von den Deutschen nicht gewonnen werden würde.

In Italien hatte praktisch niemand ein Interesse daran auf Seiten der eigenen Verbündeten in den Krieg einzutreten. Denn die Ziele an der Adria und auf dem Balkan waren nicht mit denen Österreich-Ungarns zu vereinbaren.
Und erschwerend, ich führte es schon einmal aus, wäre es für Italien militärisch kein leichtes Unterfangen gewesen, auf Seiten der Mittelmächte in den Krieg einzutreten. Ich erinnere an die englische und französische Flotte und die langen, ausgedehnten italienischen Küsten. Der größere Teil der Bevölkerung Italiens wollte keinen Krieg, sondern die Neutralität.

Aber ein nicht zu verachtender Teil der Verfechter der Neutralität wollte sich diese von Wien entsprechend bezahlen lassen. Es gab in der italienischen politischen Elite das Denken, wenn der Nachbar territorial sich was holt, dann wollen wir auch was haben.
Salandra, Sonnino und Cadorna unterschätzten, vor dem Hintergrund der österreichischen Niederlagen, fatal den Gegner und meinten wohl in einer Art von Spaziergang kurz mal nach Triest durchzumarschieren. Aber gerade gegen den ehemaligen Verbündeten hatte die ÖU Truppen eine hervorragende Kampfmoral. Die Erbitterung gegen Italien war riesengroß.
 
Das war schon von Italien ein wenig an den Haaren herbeigezogen. Österreich-Ungarn hatte zu jenem Zeitpunkt in Serbien keine militärischen Erfolge und Eroberungen vorzuzeigen.
Die Annexion von Bosnien 1908 konnte man in Italien doch durchaus als territoriale Expansion seitens Ö-U ansehen, wenn auch nicht gegenüber Serbien. Klar, Bosnien war schon seit 1878 österreichisch besetzt, aber mit der Annexion änderte sich der Status.
 
Eben, es änderte sich lediglich der Status. Mehr nicht. Es war kein wirklicher, tatsächlicher Zugewinn. Darüber hinaus hat Wien Konstantinopel finanziell entschädigt.
 
Ich bin kein Marineexperte, aber selbst das Königreich Jugoslawien mit seinen dalmatinischen Häfen exportierte über Thessaloniki, die scheinen sich einfach nicht zu eignen.

Ich denke nicht, dass das grundsätzlich an mangelnder Eignung liegt, sonern dass es viel mehr einfach mit der Geschichte des dalmatischen Küstenlands zu tun hat.

Die dalmatinischen Häfen hatten ja wegen des Grenzverlaufs zunächst zwischen Venedig, dann zwischen Österreich-Ungarn und dem Osmanischen Reich im Prinzip kein eigenes Hinterland oder eben nur ein sehr kleines dessen Handel sie hätten abwickeln können.

Jedenfalls keines, von dem sie nicht durch eine Zollgrenze abgeschnitten gewesen wären.

Das dürfte sehr kontraproduktiv gewesen sein und änderte sich erst mit der Annexion Bosnien-Herzegowinas durch ÖU.

Entsprechend dürften diese Häfen, ausgenommen vielleicht Rijeka, dass so weit mir bekannt, gerade auch im Hinblick auf den Kriegsschiffbau von der ungarischen Regierung gefördert wurde, ganz einfach eine verzögerte Entwicklung gehabt haben.
 
Die Verhandlungen um eine Kompensation für Italien begannen bereits Ende 1914. Salandra hatte schon im Oktober im Parlament den netten Begriff vom "sacro egoismo" geprägt. Wird man in Wien sicher "gerne" gehört haben. Rom meinte sich ein entsprechendes Auftreten angesichts der militärischen Großwetterlage erlauben zu können.
Berchtold wollte den Forderungen Italiens im Prinzip nachgeben, aber der ungarische Ministerpräident Tisza sorgte für seine Entlassung. Nachfolger wurde Burian. Der meinte das Recht auf seiner Seite zu haben, verkannte aber eben die machtpolitische Situation vollkommen.
 
Eben, es änderte sich lediglich der Status. Mehr nicht.
Das ist ja nicht wenig.
Von einer Region die bisher lediglich eine vorübergehende Verwaltung durch Ö-U, mit dem Sultan als offiziellen Souverän, wurde es nun echter Teil Habsburgs. Damit konnte Bosnien reformiert werden und Investitionen auf eine bessere rechtliche Grundlage gestellt werden. Und man konnte dort Soldaten rekrutieren.
...würd ich mal sagen.
Das OR hat das wenig gekratzt und natürlich hat alles einen Preis.
 
Angelo Gatti, ein Vertrauter Cadornas, notierte in seinem Tagebuch das Folgende:

"Der gesamte Krieg war nichts anderes als eine einzige Lüge. Wir sind in den Krieg eingetreten, weil die Männer, die uns regieren, die Männer mit dem Traum uns hineingestoßen haben. Man darf aber nicht zulassen, das Träume zum Ausgangspunkt für Politik werden. Politik ist Wirklichkeit. Man riskiert die Zukunft einer Nation nicht wegen eines Traumes, wegen des Wunsches nach mehr nationaler Größe."
 
Das war schon von Italien ein wenig an den Haaren herbeigezogen. Österreich-Ungarn hatte zu jenem Zeitpunkt in Serbien keine militärischen Erfolge und Eroberungen vorzuzeigen. Und außerdem hatte Berchtold immer wieder unmissverständlich erklärt, kein serbisches Territorium für Österreich zu beanspruchen.

Naja, Berchtold behauptete das. Die Frage ist eben, glaubten ihm die Italiener das oder gingen die davon aus, dass man sie auf deutsch gesagt vera****en wollte?

Der finanzielle Aufwand und auch der Blutzoll, den Österreich-Ungarn und Deutschland mit diesem Krieg auf sich nahmen, machte es sicherlich für außenstehende nicht so ganz einfach zu glauben, dass es da lediglich um die Bestrafung Serbiens und um keinerlei territoriale Veränderungen ging.

Ich erinnere an die englische und französische Flotte und die langen, ausgedehnten italienischen Küsten.

Naja, der Großteil der Britischen Flotte war allerdings durch die Deutsche in der Nordsee gebunden und zusammen mit der Österreichisch-Ungarischen Flotte, die ja mit den 4 Schlachtschiffen der Tegetthoff-Klasse durchaus auch ein bisschen was aufzubieten hatte, wäre man für Frankreich im Mittelmeer durchaus ein ernstzunehmender Gegner gewesen.

Der größere Teil der Bevölkerung Italiens wollte keinen Krieg, sondern die Neutralität.

Das ist sicherlich richtig.

Aber ein nicht zu verachtender Teil der Verfechter der Neutralität wollte sich diese von Wien entsprechend bezahlen lassen. Es gab in der italienischen politischen Elite das Denken, wenn der Nachbar territorial sich was holt, dann wollen wir auch was haben.

Nur war das ja nicht lediglich italienische Denke, sondern im Dreibundvertrag verankert.

Und bei dem Blutzoll den der Krieg mit sich brachte und bei den immensen Kosten, die er verursachte, war der Gedanke sicherlich nicht unberechtigt, dass Österreich und Deutschland es kaum bei einem Status-Quo-Ante-Frieden hätten belassen können und es zu territorialen Veränderungen kommen musste.

Womit dann der Kompensationsartikel des Dreibundvertrags gegriffen hätte, wenn ich mich nicht täusche.
So weit hergeholt waren die italienischen Forderungen auf dieser Basis nicht.
 
Das ist ja nicht wenig.
Von einer Region die bisher lediglich eine vorübergehende Verwaltung durch Ö-U, mit dem Sultan als offiziellen Souverän, wurde es nun echter Teil Habsburgs. Damit konnte Bosnien reformiert werden und Investitionen auf eine bessere rechtliche Grundlage gestellt werden. Und man konnte dort Soldaten rekrutieren.
...würd ich mal sagen.
Das OR hat das wenig gekratzt und natürlich hat alles einen Preis.

Die vorübergehende Verwaltung dauerte schon recht lange an. Wien hatte in Vergangenheit, vor der Annexionskrise, schon mit Russland vereinbart gehabt, Bosnien und Herzegowina annektieren zu können.

Aber das führt jetzt vom Thema weg.
 
Der finanzielle Aufwand und auch der Blutzoll, den Österreich-Ungarn und Deutschland mit diesem Krieg auf sich nahmen, machte es sicherlich für außenstehende nicht so ganz einfach zu glauben, dass es da lediglich um die Bestrafung Serbiens und um keinerlei territoriale Veränderungen ging.

Den Spieß kann man auch sehr gut umdrehen. Und es ging, wenn man sich die entsprechenden Dokumente ansieht, in der Julikrise "nur um die Strafaktion gegen Serbien".
 
Naja, der Großteil der Britischen Flotte war allerdings durch die Deutsche in der Nordsee gebunden und zusammen mit der Österreichisch-Ungarischen Flotte, die ja mit den 4 Schlachtschiffen der Tegetthoff-Klasse durchaus auch ein bisschen was aufzubieten hatte, wäre man für Frankreich im Mittelmeer durchaus ein ernstzunehmender Gegner gewesen.

Der Rest der Royal Navy und die französische Flotte hätten, so meine ich, ausgereicht, um Italien ernstlich, bei den langen Küsten, Probleme zu bereiten.
 
Naja, Berchtold behauptete das. Die Frage ist eben, glaubten ihm die Italiener das oder gingen die davon aus, dass man sie auf deutsch gesagt vera****en wollte?

Das interessierte die Italiener herzlich wenig. Die Neutralität sollte von Wien bezahlt werden. Das war der Punkt und nicht ob sie Berchtold seinen Versicherungen nun Glauben schenkten oder nicht.
 
Das interessierte die Italiener herzlich wenig. Die Neutralität sollte von Wien bezahlt werden. Das war der Punkt und nicht ob sie Berchtold seinen Versicherungen nun Glauben schenkten oder nicht.

Ich denke schon, dass das ein Punkt ist.
Ganz einfach weil der Umstand einen einen Weltkrieg vom Zaun zu brechen, bloß um ein paar serbische Nationalisten zu bestrafen eben nicht so unbedingt ganz plausibel klingt und das eben eine Menge Raum gibt, da andere Ziele territorialer Art hinter zu vermuten.
 
Den Spieß kann man auch sehr gut umdrehen. Und es ging, wenn man sich die entsprechenden Dokumente ansieht, in der Julikrise "nur um die Strafaktion gegen Serbien".

Ja, ging es tatsächlich und wir können das nachvollziehen, weil wir heute Einblick in die Dokumente haben.

Aber es saß bei den entsprechenden Beratungen in Berlin, Wien und Budapest eben kein Vertreter der italienischen Regierung mit am Tisch, die hatten darin keinen Einblick.

Und das man im Bezug auf das an Serbien gerichtete Ultimatum seitens Wien den eigenen aus dem Dreibundvertrag resultierenden Informatiospflichten gegenüber Italien nicht nachgekommen war, sondern die italienische Regierung damit vor ein fait accompli stellte, wird nicht gerade dazu beigetragen haben, das das was Wien deklarierte in Rom für besonders glaubwürdig gehalten wurde.
 
Die Annexion von Bosnien 1908 konnte man in Italien doch durchaus als territoriale Expansion seitens Ö-U ansehen, wenn auch nicht gegenüber Serbien. Klar, Bosnien war schon seit 1878 österreichisch besetzt, aber mit der Annexion änderte sich der Status.

Italien meldete in diesem Kontext anno 1908 auch durchaus Kompensationswünsche an, die man in Wien allerdings geflissentlich ignorierte.

Ein Punkt, bei dem ich mit @Turgot, was die Bewertung Italiens angeht außnahmesweise mal übereinstimme und der hier fairer Weise erwähnt sein will, ist dass Italien sich, als es wegen Libyen den italienisch-osmanischen Krieg lostrat, damit durchaus auch über österreichische Interessen hinwegsetzte und mit Rhodos und einigen ägäischen Inseln durchaus auch innerhalb Europas gewisse Zuwächse zu verzeichnen hatte.

Man könnte also, wenn man so wollte behaupten, dass Italien und Österreich-Ungarn damit quitt gewesen seien, weil jeder von beiden sich einmal komplett an den Interessen des anderen vorbei bereichert hatte.

In der Folge setzte dann allerdings Österreich seine Position in Albanien auch entgegen der italienischen Interessen durch, was in Rom sicherlich nicht besonders gut ankam.

Und die Situation in der Juli-Krise und danach muss man sich auch mal etwas näher anschauen.

Tatsache ist, dass obwohl gemäß Dreibundvertrag sowohl Berlin, als auch Rom über einen solchen Schritt zuvor in Kenntnis hätten gesetzt werden müssen, Berlin und Wien die Sache mit dem Ultimatum an Serbien komplett hinter dem Rücken der Italiener ausheckten (Rom hätte ja möglicherweise auf die Bremse treten können, wenn es informiert gewesen wäre).
Und dann das ganze deutsch-österreichische Lavieren innerhalb der Juli-Krise um sich ja in keine Großmachtskonferenz einlassen zu müssen.

Da war von österreichischer und auch von deutscher Seite auf diplomatischer Ebene schon viel Handeln gegen die italienischen Interessen und viel Verlogenheit und Falschheit dabei.

- Der italienische Standpunkt, sich an dieser Aktion nicht beteiligen zu müssen, weil das in diesem Sinne kein Verteidigungskrieg war, bei dem der Bündnisfall gegeben gewesen wäre, war durchaus berechtigt.
- Der Standpunkt für eventuelle Zugewinne Österreich-Ungarns kompensiert werden zu wollen, war auf Basis des Dreibundvertrags ebenfalls berechtigt.


Nun verkündeten Wien und Budapest zwar keine Eroberungsabsichten zu verfolgen, die Frage ist aber, wie glaubwürdig war das unter diesen Umständen?

- Wien und Berlin hatten gerade einen veritablen Weltkrieg vom Zaun gebrochen, bei dem selbst wenn er in 2-3 Monaten entschieden wäre, klar sein musste dass er mindestens einigen hunderttausend Menschen das Leben kosten würde und dass er auf Seiten aller Beteiligten die Staatsbudges mehrerer Jahre verschlingen würde.
Das man einen solchen Einsatz an Menschen und Material einzig mit dem Zweck erbringen würde, um Serbien zu bestrafen, durfte man hinsichtlich der Plausibilität der Behauptung ohne Einblick in die interenen Beratungen in Berlin, Wien und Budapest gehabt zu haben, sicherlich getrost anzweifeln.

- Österreich-Ungarn und Deutschland hatten bei ihren vorangegangenen Aktionen in der Julikrise Italien absichtlichtlich und vertragswidrig aus ihren Absprachen herausgehalten und die ganze Aktion hinter dem Rücken Roms eingestielt.
Wenn der Aufwand für diesen Krieg noch nicht Grund genug war Berchtolds Verlautbarung, dass es keine Eroberungsabsichten gäbe anzuzweifeln, dann spätestens am diesem Punkt, weil man Italien im Vorhinein im Kontext der Krise hintergangen hatte.

- Das Szenario, dass Österreich-Ungarn sein Gebiet erweiterte und im Anschluss italienische Forderungen nach Kompensation gemäß Dreibundvertrag einfach mal fröhlich ignorierte, hatte es ja bereits 1908 schon einmal gegeben.
Es war von italienischer Seite her der Österreichisch-Ungarischen Regierung also durchaus zuzutrauen, dass sie 1914 möglicherweise ähnliches im Schilde führte.

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Der italienische Standpunkt Kompensation haben zu wollen und zwar möglichst sofort und nicht erst im Nachgang des Krieges, damit Wien dass dann wieder wie 1908 fröhlich ignorieren kann, hat unter diesen Umständen eine gewisse Logik.
Und zwar eine die nicht auf überschäumenden Nationalismus abzielte, sondern eine, die befürchtete um Vorteile, die ihr aus dem Dreibundvertrag möglicherweise zustünden gebracht zu werden, weil man eben diese Erfahrung mit Wien in der bosnischen Angelegenheit schon einmal gemacht hatte und sich Wien und Berlin auch im direkten Vorfeld des Krieges nicht so unbedingt vertrauenswürdig verhalten hatten.


Das sind innere Dynamiken und Probleme zwischen Österreich-Ungarn und Italien gewesen, die vor allem auch aus den bestehenden Vertragsverhältnissen und der Vorgeschichte seit 1908 herrührten.

Der Irredentismo mag dabei insofern eine Rolle gespielt hatten, als dass die Straße die italienische Regierung natürlich bedrängte und diese, auch vor den bestehenden vertraglichen Verhältnissen sich immer stärkerem Druck ausgesetzt war irgendeinen Vorteil für Italien zu präsentieren.

Gegenüber Frankreich bestanden entsprechende Verträge nicht und es gab dementsprechend auch keine Kompensationsansprüche, die man durchpauken konnte und bei denen man durchaus von einem gewissen Standpunkt her der Meinung sein konnte, das Recht auf seiner Seite zu haben.

Da liegt der Hauptunterschied, abgesehen davon, dass es ab September/Oktober 1914 einfach deutlich realistischer schien die eigenen Vorstellungen gegenüber den Zentralmächten, durchzusetzen, als gegenüber den Entente.
 
Ich denke schon, dass das ein Punkt ist.
Ganz einfach weil der Umstand einen einen Weltkrieg vom Zaun zu brechen, bloß um ein paar serbische Nationalisten zu bestrafen eben nicht so unbedingt ganz plausibel klingt und das eben eine Menge Raum gibt, da andere Ziele territorialer Art hinter zu vermuten.

Ein Thema über das man trefflich diskutieren kann. Vor allem über die Ausführung "einen Weltkrieg von Zaun zu brechen". Und du unterstellst Absichten, von denen mir bisher nichts bekannt ist und ich habe zum Thema sehr viel konsumiert.

Aber grundsätzlich: Für die Kriegsschuldfrage würde ich vorschlagen einen separaten Faden zu eröffnen.
 
Aber es saß bei den entsprechenden Beratungen in Berlin, Wien und Budapest eben kein Vertreter der italienischen Regierung mit am Tisch, die hatten darin keinen Einblick.

Und das man im Bezug auf das an Serbien gerichtete Ultimatum seitens Wien den eigenen aus dem Dreibundvertrag resultierenden Informatiospflichten gegenüber Italien nicht nachgekommen war, sondern die italienische Regierung damit vor ein fait accompli stellte, wird nicht gerade dazu beigetragen haben, das das was Wien deklarierte in Rom für besonders glaubwürdig gehalten wurde.

Ja, da hast du Recht. Es bestand tatsächlich diese Informationspflicht. Der hat übrigens Rom beim Tripoliskrieg auch nicht genügt. Die Entente war besser informiert, als die eigenen Verbündeten.

Der Grund für die nicht stattgefundene Information seitens Berlin und Wien ist der, das man der italienischen Regierung in der Frage des Umganges, genauer der Diskretion oder des vertrauensvollen Umganges, einfach nicht vertraute. Und es stellte sich heraus, dass dieses Misstrauen nur zu berechtigt war.
 
Italien meldete in diesem Kontext anno 1908 auch durchaus Kompensationswünsche an, die man in Wien allerdings geflissentlich ignorierte.

Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir nicht zu viele Themata auf einmal beackern.

Nicht ignorierte, sondern einen anderen Standpunkt, einen ablehnenden Standpunkt, einnahm. Es wurde ein defacto in ein dejure Zustand umgewandelt. Italien hatte mit der Besetzung der Inseln nun tatsächlich sein Territorium vergrößert. Der Ballhausplatz hat darüber aber Rom nicht die Pistole auf die Brust gesetzt!

Überhaupt ist es einmal wert, einmal hervorzuheben, als Italien seinen Eroberungsfeldzug in Nordafrika veranstalte, da hat sich Wien nicht so brutal gegenüber seinen Bündnispartner verhalten. Wien hätte Rom ein Ultimatum stellen können. Da hätten die Italiener ganz massive Probleme bekommen, denn Italien hätte wohl kaum seine Truppen schnell genug zu den Alpen transportieren können. Das hätte eine Katastrophe für Italien werden können.

Auch hätte Wien, wenn man so wie Rom dachte und handelte, die Erdbebenkatastrophe von 1908 brutal ausnutzen können. Hat man aber nicht.

Ich sehe hier zwischen Wien und Rom durchaus einen wesentlichen Unterschied in der Art und Weise, Stichwort der heilige Egoismus Roms, des Umgangs mit dem Bündnispartner.

n der Folge setzte dann allerdings Österreich seine Position in Albanien auch entgegen der italienischen Interessen durch, was in Rom sicherlich nicht besonders gut ankam.

Auf welcher Grundlage ist nun Wien verpflichtet gewesen, Italien bei der Durchsetzung seiner Interessen, vor allem wenn diese den eigenen klar entgegenstehen, zu unterstützten? Italien wollte auf dem Balkan mitmischen und sich an der östlichen Adria häuslich niederlassen. Es fällt ins Auge, dass das nicht im Interesse Wiens ist. Das wusste auch Rom und trotzdem verfolgte man dieses Projekt gegen seinen Verbündeten weiter. Wien war da auf dem Balkan schon etwas länger und Rom wollte sich da gewissermaßen reindrängen und an der östlichen Adria Marinestützpunkte errichten. Zu welchem Zweck? Na, wohl um die Adria zu beherrschen. Und hierbei sollte Wien helfen?

Tatsache ist, dass obwohl gemäß Dreibundvertrag sowohl Berlin, als auch Rom über einen solchen Schritt zuvor in Kenntnis hätten gesetzt werden müssen, Berlin und Wien die Sache mit dem Ultimatum an Serbien komplett hinter dem Rücken der Italiener ausheckten (Rom hätte ja möglicherweise auf die Bremse treten können, wenn es informiert gewesen wäre).
Und dann das ganze deutsch-österreichische Lavieren innerhalb der Juli-Krise um sich ja in keine Großmachtskonferenz einlassen zu müssen.

Zur Informationspflicht siehe #157. Übrigens, zu dem auf die Bremse treten. Das war exakt der Grund, weshalb Rom seine Verbündeten eben nicht über den Tripoliskrieg informierte. Unmittelbar vor Eröffnung der Feindseligkeiten erhielt man Kenntnis von dem Überfall. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

Die anderen Zeilen behandeln die Julikrise. Nur kurz ein paar Worte dazu. Na, warum wohl keine Konferenz? Die Mittelmächte würden da majorisiert werden, so zumindest die Befürchtung und das wollte man nicht. Und warum machte Petersburg so einen furchtbaren Alarm? Es war nicht einmal mit Serbien verbündet. Wien hatte klar angekündigt, kein serbische Territorium annektieren zu wollen. Es ging darum, Serbien seinen Willen aufzuzwingen.
Aber wie schon ausgeführt, die Julikrise ist wirklich ein eigener Faden wert.

Das Szenario, dass Österreich-Ungarn sein Gebiet erweiterte und im Anschluss italienische Forderungen nach Kompensation gemäß Dreibundvertrag einfach mal fröhlich ignorierte, hatte es ja bereits 1908 schon einmal gegeben.
Es war von italienischer Seite her der Österreichisch-Ungarischen Regierung also durchaus zuzutrauen, dass sie 1914 möglicherweise ähnliches im Schilde führte.

Du hast wirklich eine ausgesprochene negative Meinung von den Zentralmächten. Mit 1908 wiederholst du dich mittlerweile schon zum dritten Male. Ich habe dazu bereits Auskunft gegeben.:)

Weshalb siehst du das italienische Agieren so unkritisch? Stattdessen arbeitest du dich intensiv an Wien ab.
Was ist mit dem Tripoliskrieg und den heiligen Egoismus 1914/15? Wie schon ausgeführt, Österreich-Ungarn hatte sich in vergleichbarer Situation ganz anders verhalten.

Der italienische Standpunkt Kompensation haben zu wollen und zwar möglichst sofort und nicht erst im Nachgang des Krieges, damit Wien dass dann wieder wie 1908 fröhlich ignorieren kann, hat unter diesen Umständen eine gewisse Logik.

Nur dass das für Wien undurchführbar war und das wußte man in Rom auch. Wie sollte man das dann bitte der eigenen Öffentlichkeit verkaufen können, das man den eigenen Verbündeten Italien mit eigenen Territorium bezahlt, damit dieser die Füße still hält.
 
Gegenüber Frankreich bestanden entsprechende Verträge nicht und es gab dementsprechend auch keine Kompensationsansprüche, die man durchpauken konnte und bei denen man durchaus von einem gewissen Standpunkt her der Meinung sein konnte, das Recht auf seiner Seite zu haben.

Das jetzt reine Spekulation. Der damalige österreichische Außenminister war halt so unfassbar dämlich im Zuge der Verlängerungsverhandlungen des Dreibundes aus freien Stücken heraus den Italienern diese Kompensationsklausel anzubieten. Und gegenüber Frankreich hätte Italien sich so ein Verhalten nicht gewagt zu erlauben.


Da liegt der Hauptunterschied, abgesehen davon, dass es ab September/Oktober 1914 einfach deutlich realistischer schien die eigenen Vorstellungen gegenüber den Zentralmächten, durchzusetzen, als gegenüber den Entente.

Italien hatte den Dreibundvertrag durch seine Kündigung gebrochen. Diese war gar nicht möglich. Der Witz an der Sache, ist der, das es Italien gewesen war, das während des Tripoliskrieges die vorzeitige Verlängerung, die erst 1914 in Kraft trat, wünschte. Sehr vornehmes Verhalten.
 
Italien wollte die Adria beherrschen, es übersah hierbei komplett die Interessen der anderen Anrainerstaaten, insbesondere seines Verbündeten Österreich-Ungarn und auf dem Balkan, wo schon zwei Großmächte in Konkurrenz standen, ein entschiedenes Wörtchen mitreden. Rom war sich natürlich bewusst, "dass man in fremden Revieren wildern ging".

Italien hatte ja sogar in Oberitalien, als es keine Kompensation für Bosnien gegeben hatte, eine Teilmobilmachung durchgeführt. Ziemlich aggressiv würde ich das nennen.

1909 folgten die Abmachungen mit dem Zarenreich bezüglich des Balkan. Mit Frankreich hatte Rom sich schon einige Jahre früher verbunden. Das italienische Handeln zwischen den Bündnisblöcken war schon sehr speziell. Dem Geiste nach, war das italienische Agieren nicht mit Dreibund zu vereinbaren.

Als im Zuge der Balkankriege ein großes Serbien im Entstehen war, da musste man sich an Österreich anlehnen, da dieses ebenfalls ein Vordringen der Serben, welches von den Russen unterstützt wurde, an die Adria verhindern wollte. Das Ergebnis war Albanien.

Auch im südlichen Kleinasien prallten die Interessen Italiens auf denen Österreich-Ungarns und verschärften die Spannungen.

Die Gegensätze zwischen Österreich-Ungarn und Italien, als nämlich Italien den Krieg ausweitete, da es in Nordafrika nicht zum Erfolg kam und in der Folge sich dort gegen die Einheimischen gründlich blamierte, auch hier hatte sich Italien gründlich verschätzt, denn die Einheimischen wollten von einer italienischen Herrschaft nichts wissen, trugen nicht zur Besserung der Beziehungen bei. In Italien war der Nationalismus zu jenen Zeitpunkt sehr präsent und das Rufen nach "den unerlösten Gebieten" wurde lauter.
 
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