Begründung Hitlers - Euthanasie Programm

War aber nicht die Auslöschung der Juden von Hitler von Anfang an geplant, und lediglich die Organisation musste beraten werden?
Es mag sein, dass das in den aberwitzen Ideen so einiger Nazis vorkam. Aber einen solchen Plan gab es zunächst nicht. Man hatte andere aberwitzige Ideen, wie die Juden in cummulo nach Madagaskar zu verfrachten. Diese Idee wurde erst mit dem Krieg aufgegeben. Es gibt natürlich hinreichend Gewaltphantasien gegenüber Juden, wie etwa in Mein Kampf, wo H. schreibt, man hätte alle Juden "unter Gas" halten sollen, damit meinte er allerdings kein Zyklon B sondern die chemischen Kampfstoffe des Ersten Weltkrieges, derentwegen er selbst zeitweise erblindet war. Und natürlich die Rede vom 31. Januar '39, wo er die "Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa" prophezeit. Selbst die fanatischsten Nazis dürften den Holocaust im Januar 1939 für undurchführbar gehalten haben, wenn er zum damaligen Zeitpunkt schon geplant gewesen wäre.
 
War aber nicht die Auslöschung der Juden von Hitler von Anfang an geplant, und lediglich die Organisation musste beraten werden?

Schwer zu sagen, was Hitler ab wann konkret geplant hat. Geplant hat er von Anfang an ein "judenfreies" Deutschland. Der katalanische Journalist Eugeni Xammar interviewte Hitler wenige Stunden vor dem Putsch am 8. November 1923 und veröffentlichte folgende Aussagen unter dem Titel Adolf Hitler o la ximpleria desencadenada (Adolf Hitler oder der entfesselte Unsinn):

Si volem que Alemanya visqui, hem d’eliminar els jueus [...]
En tot Alemanya hi ha més d’un milió de jueus. ¿Què hi vol fer? ¿Els vol matar tots en una nit? Seria la gran solució evidentment, i si això pogués passar la salvació d’Alemanya estaria assegurada. Però no és possible. Ho he estudiat per tots cantons i no és possible. El món se’ns tiraria al damunt, en compte de donar-nos les gràcies, que és el que hauria de fer. [...] Ja hem vist que el pogrom no és possible. No queda més que l’expulsió en massa.

Wenn wir wollen, dass Deutschland lebt, müssen wir die Juden eliminieren...
In ganz Deutschland gibt es mehr als eine Millionen Juden. Was wollen Sie da machen? Wollen Sie die in einer Nacht alle töten? Das wäre selbstverständlich die große Lösung, und wenn das geschehen könnte, wäre die Rettung Deutschlands gesichert. Aber es ist nicht möglich. Ich habe es von allen Seiten studiert, und es ist nicht möglich. Die Welt würde über uns herfallen, anstatt uns den schuldigen Dank zu erweisen. [...] Wir haben gesehen, dass das Pogrom nicht möglich ist. Es bleibt nichts anderes übrig als die Massenvertreibung.

Una entrevista amb el diable - 22 nov 2019

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Wow, wo hast du das denn ausgegraben? (man googelt ja nicht nach "Hitler-Interview mit einem katalanischen Journalisten November 1923", wenn man nicht weiß, dass das existiert.)
 
Wenn wir wollen, dass Deutschland lebt, müssen wir die Juden eliminieren...
In ganz Deutschland gibt es mehr als eine Millionen Juden. Was wollen Sie da machen? Wollen Sie die in einer Nacht alle töten? Das wäre selbstverständlich die große Lösung, und wenn das geschehen könnte, wäre die Rettung Deutschlands gesichert. Aber es ist nicht möglich. Ich habe es von allen Seiten studiert, und es ist nicht möglich. Die Welt würde über uns herfallen, anstatt uns den schuldigen Dank zu erweisen. [...] Wir haben gesehen, dass das Pogrom nicht möglich ist. Es bleibt nichts anderes übrig als die Massenvertreibung.

Una entrevista amb el diable - 22 nov 2019

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Von daher glaube ich auch nicht, das es von Anfang an geplant war, den Holocaust so durch zu führen. Den jüdischen Mitbürgern das Leben so sauer zu machen, das sie freiwillig Deutschland verlassen, unter Verzicht alles, außer einigen Erinnerungen, ja.
Schließlich musste man bis 1939 den Nachbarstaaten noch etwas Sand in die Augen streuen. Hat aber nicht so geklappt, weil z.B. jüdische Einwanderer in Palästina nicht gerade mit offenen Armen empfangen wurden.
Endgültig ist auf der Wannseekonferenz erst die Massenvernichtung der jüdischen Bevölkerung verabschiedet worden. Auch wenn in der Vorbereitung schon 1941 die Richtung klar war.
 
Es begann im Prinzip mit einer gewissen Paranoia, dass insbesondere jüdische Männer ein Problem für die kämpfende Truppe im Rücken der Front darstellen würden*, weshalb man vom zwölfjährigen bis zum Greis Juden erschoss.
Parallel zur Ermordung vermeintlich gefährlicher jüdischer Männer ermorderten die Einsatzgruppen der SS, SD und "Sicherheitspolizei" in Polen und der Sowjet-Union unmittelbar nach dem deutschen Angriff auf diese Staaten auch psychische Kranke und Behinderte. Diese frühen Patientenmorde beschränkten sich noch auf Polen, Russen, Juden u.a. Volksdeutsche Behinderte blieben noch veschont.
Häufig vergessen wird auch die Ermordung von mit Tuberkolose erkrankter sowjetischer Kriegsgefangenen. Hier ist die "Euthansie" als Bestandteil des "Hungerplans" und des Völkermordes - im Nazi-Jargon "völkische Flurbereinigung".

Übrigens war auch das Vorgehen der Nazis gegen die Behinderte von Anfang an geplant. Zumindest in "Mein Kampf" die Zwangssterilisationen angekündigt. Hitler forderte in "Mein Kampf" auch die Sterilisation von Menschen, die an den Infektionskrankheiten Syphilis und Tuberkolose erkrankt waren. Das zeigt auch wie wenig Hitler wirklich von Vererbungslehre verstand. Tatsächlich wurde Tuberolose lange für eine Erbkrankheit gehalten, aber der Erreger der Tuberkolose wurde bereits 1882 durch Robert Koch entdeckt.
 
War aber nicht die Auslöschung der Juden von Hitler von Anfang an geplant, und lediglich die Organisation musste beraten werden?
@-muck-
Ich würde das ein wenig anders formulieren, folge aber Deinem Ansatz.
Die "Organisation" ist ja die eigentliche Planung, während die Absicht dies zu tun weit vorher bestand.
Wie u. a. aus dem von @Sepiola verlinkten Interview hervorgeht.
Es musste auch der richtige Zeitpunkt für die konkrete Planung und Organisation abgewartet, bzw. nach Möglichkeit auch herbeigeführt, werden.
Aber das ist eher ein Detail zu Deiner berechtigten Frage.
 
Schau dir doch mal Survival of the fittest an. Tötet da ein Spatz einen anderen? Oder ein Galapagosfink einen anderen? Der Sozialdarwinismus ist eine rassistische Perversion dessen, was Charles Darwin oder Alfred Russell Wallace entdeckt haben. Aus ihren Theorien kann man nicht ableiten, dass es das Recht von Menschen ist, andere zu versklaven und zu töten. Aus ihren Theorien kann man nicht ableiten, dass Artgenossen einander töten.

Vielleicht mit ein bisschen mehr Fakten und weniger Emotionen argumentieren? Es gibt unzählige kannibalische Tiere. Um nur eine heimische Beispielart zu nennen: Feuersalamander. Wenn dessen Larven in hoher Dichte in einem Gewässer vorhanden sind, werden die kleineren Larven angegriffen, ihnen die Kiemenbüschel rausgebissen und aufgefressen. Dieses Verhalten macht auch Sinn, denn bei zu hoher Dichte im begrenzten Gewässerlebensraum würde sonst möglicherweise keine der Larven die Entwicklung abschließen, wegen Nahrungsmangel und hoher Konkurrenz. Selbstverständlich sollte man das Verhalten von Tieren nicht auf Menschen übertragen.
Ich stimme dir absolut zu dass es kein Recht des Menschen gibt, andere Menschen zu töten. Aber es passiert natürlich trotzdem ständig und das sollte man auch benennen und anprangern und nicht in Wunschdenken schwelgen
 
Vielleicht mit ein bisschen mehr Fakten und weniger Emotionen argumentieren?
Empfindest du das so, dass ich emotional geworden wäre? Sehe ich nicht so, nehme ich aber zur Kenntnis.

Es gibt unzählige kannibalische Tiere. Um nur eine heimische Beispielart zu nennen: Feuersalamander. Wenn dessen Larven in hoher Dichte in einem Gewässer vorhanden sind, werden die kleineren Larven angegriffen, ihnen die Kiemenbüschel rausgebissen und aufgefressen. Dieses Verhalten macht auch Sinn, denn bei zu hoher Dichte im begrenzten Gewässerlebensraum würde sonst möglicherweise keine der Larven die Entwicklung abschließen, wegen Nahrungsmangel und hoher Konkurrenz. Selbstverständlich sollte man das Verhalten von Tieren nicht auf Menschen übertragen.
Kinderkannibalismus gibt es bei Amphibien häufig. Das ist aber keine gezielte Selektion, sondern schlicht: „ist klein, bewegt sich, ist Futter“, bei manchen Fröschen ist es so, dass die Brut, die als erstes aus dem Laich schlüpft, eine Chemikalie ins Wasser gibt, welche das Wachstum von Artgenossen mit einer fremden Laich-DNA hemmt, damit es nicht zu Nahrungskonkurrenz kommt, also die Kaulquappen des Laichs, aus dem als erstes geschlüpft wurde die besten Überlebenschancen haben. Das ist alles richtig. ABER: mit der Evolutionstheorie und ihrer Perversion des Sozialdarwinismus - der eigentlich sogar im Widerspruch zur Evolutionstheorie steht, wenn man sich mal auf die rassistische Denkweise einlässt* - hat das nichts zu tun.

*wenn man sich auf die rassistische Denkweise einlässt und akzeptiert, dass menschliche Rassen nicht homo erectus, homo naledi, Australopithecus, Neandertaler und Sapiens seien, sondern dass man den HSS in „Rassen“ unterteilen könne, dann müsste man mit Darwins Survival of the Fittest feststellen, dass die existierenden „Rassen“ die letzten 200.000 Jahre erfolgreich bestritten haben. Einer dieser „Rassen“ nun das Lebensrecht abzusprechen, hieße also Darwin in sein Gegenteil zu verkehren. Da wir HSS aber die einzige derweil existierende menschliche Rasse sind, ist natürlich die Unterteilung des Menschen nach Hautfarben (und da macht Rassismus ja nicht halt, antislawischer Rassismus oder Antisemitismus sind ja Rassismen, denen Hautfarben egal sind, die Einteilung der europäischen Völker in „nordisch“, „westisch“ und „ostisch“, wie man sie in nationalsozialistischen Schulbüchern finden kann, sind Zeugnisse von rassistischer Unterteilung europäischer Völker) per se Unsinn. Es ist also im Sozialdarwinismus nicht mehr die Natur, die darüber bestimmt, ob ein Wesen seine Gene weiter gibt, sondern der Beamte, der Gruppenzugehörigkeit definiert und willkürlich darüber befindet, ob eine Gruppenzugehörigkeit dazu berechtigt, seine Gene weiterzugeben oder eben nicht.
 
*wenn man sich auf die rassistische Denkweise einlässt und akzeptiert, dass menschliche Rassen nicht homo erectus, homo naledi, Australopithecus, Neandertaler und Sapiens seien, sondern dass man den HSS in „Rassen“ unterteilen könne, dann müsste man mit Darwins Survival of the Fittest feststellen, dass die existierenden „Rassen“ die letzten 200.000 Jahre erfolgreich bestritten haben. Einer dieser „Rassen“ nun das Lebensrecht abzusprechen, hieße also Darwin in sein Gegenteil zu verkehren. Da wir HSS aber die einzige derweil existierende menschliche Rasse sind, ist natürlich die Unterteilung des Menschen nach Hautfarben (und da macht Rassismus ja nicht halt, antislawischer Rassismus oder Antisemitismus sind ja Rassismen, denen Hautfarben egal sind, die Einteilung der europäischen Völker in „nordisch“, „westisch“ und „ostisch“, wie man sie in nationalsozialistischen Schulbüchern finden kann, sind Zeugnisse von rassistischer Unterteilung europäischer Völker) per se Unsinn.
(**Anmerkung zur Anmerkung) das ist nach heutiger Kenntnis natürlich richtig - aber hatte der anthropologische und humanbiologische Kenntnisstand der völkisch-nationalen "Rassismus-Epoche" schon die unterstrichene Kenntnis?
 
Tut das was zur Sache? Es geht darum, dass der Sozialdarwinismus selbst dann, wenn man die Richtigkeit rassischer Unterteilung akzeptieren würde, eine Perversion der Thesen von Darwin darstellte, da die existierenden Wesen ja bereits das Zwischenprodukt der Evolution wären. Wenn nun ein selbst der Evolution unterworfenes Individuum plötzlich Hand an die Evolution legt (was bewusst nur Menschen möglich ist), dann lässt sich das nicht mit Darwin oder Wallace rechtfertigen.
 
Tut das was zur Sache?
Ich denke, ja (und wundere mich über den harschen Tonfall der Frage) - warum ja? Weil der heutige politisch korrekte Bewerter argumentativ ins Fettnäpfchen tritt, wenn er wettert "die 1933-45-Nazirassisten hätten gefälligst googeln müssen, wie es um moderne Genetik bestellt ist" ((ich hab das jetzt sehr salopp ausgedrückt)) - der fachliche Spielraum der "Eugenik" Ende 19. und 1.Hälfte 20. Jh. (biologistische Muster usw) befand sich im Kenntnishorizont der damaligen Zeit.
Um nicht falsch verstanden zu werden: damit rechtfertige oder relativiere ich nichts!
Es geht darum, dass der Sozialdarwinismus selbst dann, wenn man die Richtigkeit rassischer Unterteilung akzeptieren würde, eine Perversion der Thesen von Darwin darstellte, da die existierenden Wesen ja bereits das Zwischenprodukt der Evolution wären.
Das ist ein triftiges Argument, über welches biologistische bzw sozialdarwinistische Denk-/Erklärungsmuster stolpern müssten! Ob man das aber im Zeitraum 1883 (Galton) bis 1945 so gesehen haben kann (oder nicht sehen wollte?) weiß ich nicht - ich vermute, dass mehr oder weniger eugenische, sozialdarwinistische, biologistische Anschauungen gar zu sehr common sense, quasi selbstverständlich waren und kaum hinterfragt wurden. Und - leider! - haben daran die Publikationen von Heinrich Rickert, der den negativen Begriff Biologismus prägte, seinerzeit (1899 und 1911!) nichts geändert.
 
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Weil der heutige politisch korrekte Bewerter argumentativ ins Fettnäpfchen tritt, wenn er wettert "die 1933-45-Nazirassisten hätten gefälligst googeln müssen, wie es um moderne Genetik bestellt ist" ((ich hab das jetzt sehr salopp ausgedrückt))
Wer hätte in diesem Sinne gewettert? @El Quijote sicher nicht. Übrigens hat die Bewertung nichts mit politischer, sondern mit naturwissenschaftlicher Korrektheit zu tun.
 
Der Tonfall war nicht harsch (gemeint).
Weil der heutige politisch korrekte Bewerter argumentativ ins Fettnäpfchen tritt, wenn er wettert "die 1933-45-Nazirassisten hätten gefälligst googeln müssen, wie es um moderne Genetik bestellt ist" ((ich hab das jetzt sehr salopp ausgedrückt)) - der fachliche Spielraum der "Eugenik" Ende 19. und 1.Hälfte 20. Jh. (biologistische Muster usw) befand sich im Kenntnishorizont der damaligen Zeit.
Aber genau deswegen habe ich mich doch darauf eingelassen, (und deshalb verstehe ich unseren Disput auch nicht) die rassistischen Vorstellungen (Rassismus heute funktioniert ja nach wie vor auf Grundlage dieser Denkmuster) für einen Moment hypothetisch ernst zu nehmen. Selbst wenn sie ernst nimmt, steht der Sozialdarwinismus im Widerspruch zur Evolutionslehre a la Darwin/Wallace.
 
Selbst wenn sie ernst nimmt, steht der Sozialdarwinismus im Widerspruch zur Evolutionslehre a la Darwin/Wallace.
Weitaus populärer als Darwin war in Deutschland allerdings Haeckel, und dieser hat die entscheidenden Steilvoragen geliefert. Dass er damit von Anfang an einen Irrweg beschritten hat, stellte sich bald heraus, es wurde aber kaum zur Kenntnis genommen
www.mdr.de/wissen/wie-haeckels-schueler-die-rassistischen-theorien-seines-meisters-widerlegte-100~amp.html
 
Selbst wenn sie ernst nimmt, steht der Sozialdarwinismus im Widerspruch zur Evolutionslehre a la Darwin/Wallace.
einerseits ja (sehe ich genauso) - andererseits darf man nicht vergessen, welche Macht "Wissenschaft" hat! Und im Zeitraum 1880 bis über 1945 hinaus war allerlei Eugenik mitsamt allen noch so kruden biologistischen, sozialdarwinistischen Begründungen vorherrschend in allerlei Wissenschaft. Die Vertreter dieser Ansichten waren keine Spinner oder Postkartenmaler, die daheim im finstren Winkel grübelten, sondern Ärzte, medizinische Wissenschaftler, Anthropologen usw usw. (natürlich ist es erstaunlich, dass und wie viel Wissenschaft da quasi Irrlehren folgte und verbreitete) Und diese daraus resultierende unsägliche "Rassenhygiene" samt Rassenlehre, Rassengesetzen usw. war kein Alleinstellungsmerkmal Nazideutschlands: das erste staatliche rassenbiologische Institut wurde 1922 in Schweden installiert Staatliches Institut für Rassenbiologie – Wikipedia und dessen Wirken, Intention kann nicht eben als erfreulich bezeichnet werden.
Wie gesagt, die Publikationen von H. Rickert fanden nicht die Resonanz, die sie verdient hätten.
 
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In Portmanns von Galen-Biographie wird der Kardinal damit zitiert, dass dem "Euthanasie"-Programm der Nazis auch versehrte Veteranen des Ersten Weltkriegs zum Opfer fielen. Wie kam es eigentlich dazu, wie erklärt sich dieser Widerspruch zum Weltbild der Nazis, die das Selbstopfer fürs Vaterland immerhin zur höchsten Tugend erhoben hatten?

Kriegsversehrte waren eigentlich keine Opfer von T4 und ähnlichen Aktionen oder Sterilisationen. Wer Opfer geworden sein könnte, waren Leute, die durch ihre Erlebnisse im WKI einen dauerhaften und offensichtlichen psychischen Knacks bekommen haben. Leute, die unter Drogen- und Alkoholabhängigkeit litten, die als „asozial“ oder „arbeitsscheu“ galten, deren Zustand man ihrem Erbgut und nicht ihrer Biographie anlastete. Inwieweit Lamarckismus noch eine Rolle spielte, müsste man in Einzelfällen prüfen. Z.B. war Johann Paul Kremer ein Anhänger lamarckistischer Thesen und unternahm in Auschwitz entsprechende „Forschungen“.

Die Angaben sind ohne Gewähr, aber wenn ich mich nicht sehr täusche, wurden teilweise sogenannte "Kriegszitterer" in die Aktion T 4 einbezogen.

Grundsätzlich sollten Kriegsinvaliden nicht in die Aktion T 4 einbezogen werden. In der öffentlichen Darstellung war natürlich nie von Mord und Totschlag die Rede, vielmehr war die Rede von "Gnadentod", war die Rede davon, "Ballastexistenzen" gnädig zu erlösen.

1941 kam ein Film in die Kinos mit dem Titel "Ich klage an". In der Handlung geht es um Tötung auf Verlangen. Hanna Heyd ist eine lebenslustige Frau, die unheilbar an multipler Sklerose erkrankt. Ihr Mann ein Arzt forscht unermüdlich daran, ein Heilmittel zu entwickeln, trotz eines kurzfristigen Teilerfolgs verschlimmert sich der Zustand von Fr. Heyd innerhalb kurzer Zeit. Ein vermeintlicher Durchbruch in den Forschungen ihres Mannes erweist sich als Irrtum. Die Patientin bittet ihren Mann wiederholt um aktive Sterbehilfe. Als sich die Hoffnungen zerschlagen, gewährt der Ehemann seiner Frau ihre Bitte. Ein Kollege zeigt ihn daraufhin an, und der Ehemann wird deswegen angeklagt. In dem Prozess dreht der Angeklagte den Spieß um: Die Tötung auf Verlangen wird als quasi-humanitärer Akt gerechtfertigt. Der Fall Heyd wird kontrovers diskutiert von den Schöffen. Dr. Lang, der Kollege von Heyd war es, der ihn deswegen angezeigt hat, im weiteren Verlauf der Handlung ändert er seine Einstellung. Er behandelt ein Kind wegen Hirnhautentzündung und erhält das Leben des Kindes, allerdings um den Preis, dass das Kind blind, gelähmt und geistesgestört in eine Anstalt überstellt werden muss, und die Eltern Lang fragen, warum er es nicht hat friedlich sterben lassen. Dr. Lang entlastet daraufhin den Angeklagten, der in eigener Sache ein Plädoyer hält und um ein Urteil bittet, "um Klarheit zu schaffen für sich und zukünftige Fälle."

Mit dem Verweis auf Kriegsinvaliden ging es von Galen wohl vor allem darum, aufzuzeigen, dass prinzipiell jeder theoretisch Opfer der Aktion T 4 werden konnte, dass es nicht bloß "andere", "Degenerierte, Erbkranke etc." treffen konnte, sondern dass auch ganz normale Leute durch eine Kriegsverletzung zu "Ballastexistenzen", "unnützen Fressern" werden konnten. Das Bewusstsein, womöglich selbst Opfer von Euthanasie werden zu können, führte innerhalb der Bevölkerung zu massiver Beunruhigung, weshalb T 4 vorläufig gestippt wurde.
 
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