Bekannte Nachkriegswissenschaftler und ihre NS-Verstrickung

balticbirdy

Ehemaliges Mitglied
Gibt es eigentlich einen Thread der die Ausbildung und das Leben im KZ behandelt? Ich habe mit der Suchfunktion leider "noch" nichts gefunden.
Arno Surminski: Die Vogelwelt von Auschwitz
http://www.j-zeit.de/archiv/artikel.988.html
Kennt jemand das Buch?
Es bezieht sich übrigens auf Günther Niethammer – Wikipedia, einen bekannten Ornithologen, der zum Wachpersonal gehörte und tatsächlich einen Fachartikel
"Beobachtungen über die Vogelwelt von Auschwitz", in: Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien, Band 52, 1941, S. 164-199
zum Thema verfasste.
Seiner späteren Karriere tat das übrigens keinen Abbruch.

EDIT: Ich habe sogar die Originalarbeit gefunden. Mag jeder selbst urteilen.
http://www.biologiezentrum.at/pdf_frei_remote/ANNA_52_0164-0199.pdf
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich habe darum gebeten, die Verstrickung bekannter Nachkriegswissenschaftler in NS-Verbrechen in einen Extra-Thread zu legen und bitte um rege Beteiligung mit Beispielen.

Es ist übrigens bezeichnend, dass Niethammer die Existenz des KZ nur in einem Halbsatz der Einleitung erwähnt, wo er sich auch noch namentlich bei Rudolf Höß bedankt. Was dort stattfand, was er als SS-Mitglied dort überhaupt zu suchen hatte - natürlich keine Silbe darüber.
Es muss allerdings erwähnt werden, dass Niethammer schon abkommandiert war, als die Massenmorde in den Gaskammern stattfanden. Deshalb kam er vor einem polnischen Gericht nach dem Krieg auch mit 3 Jahren davon.
 
Zuletzt bearbeitet:
Schon legendär ist der Fall des SS-Hauptsturmführers und »Ahnenerbe«-Ideologen Hans Schneider, der sich völlig neu erfand und als Germanistikprofessor Hans Schwerte zum linken Ideologiekritiker und Literatursoziologen wurde, hoch geachtet, bis 1995 niederländische Journalisten den Fall aufdeckten.
Schwerte, schreibt der Historiker Bernd-A. Rusinek, »hatte vor der Gruppe 47 vorgetragen (…), seine Habilitationsschrift Faust und das Faustische von 1962 brach der germanistischen Ideologiekritik und der Rezeptionsgeschichte Bahn (…) Er setzte sich für die Vertretung des Fachs Deutsch-Jüdische Literaturgeschichte [in Aachen] ein und war mit Pierre Bertaux befreundet, dem Widerstandskämpfer und Hölderlin-Experten.« Schwerte schlug sich voll auf die Gegenseite der Nazis.
vgl NS-Vergangenheit: Unheimliches Abendland | Kultur | ZEIT ONLINE
Zu Schwerte/Schneider
Hans Ernst Schneider – Wikipedia
 
Zuletzt bearbeitet:
Würdet Ihr Paul Carell als "Historiker" akzeptieren?
Oder eher als "Schriftsteller"

Eher Schriftsteller, wenn überhaupt. Ich würde den Herrn Schmidt eher als unverbesserlichen Propagandisten bezeichnen. Zu Universitären Ehren oder gar einer Erwähnung in der seriösen Wissenschaft hat er es m. W. zumindest nicht gebracht.

Einen, den man noch erwähnen könnte, obwohl sein wissenschaftliches Wirken eher in die Zeit vor/während des NS fällt, wäre Peter Petersen.

Zu ihm und zu weiteren führenden Pädagogen hat kürzlich Benjamin Ortmeyer geforscht:

Benjamin Ortmeyer: Mythos und Pathos statt Logos und Ethos – Zu den Publikationen führender Erziehungswissenschaftler in der NS-Zeit: Eduard Spranger, Herman Nohl, Erich Weniger und Peter Petersen, Beltz Verlag, Weinheim 2009.

Peter Petersen (Pädagoge) – Wikipedia

Rassenideologe als Patron: Ein Problem namens Petersen - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - SchulSPIEGEL
 
In die gleiche Riege wie Carell lassen sich auch Henri Nannen und Werner Höfer einreihen, keine Wissenschaftler, ich weiß - aber wenn Repo darf, darf ich auch ;)

Eher passender zum Thema noch eine Literaturempfehlung: Frei (Hrsg): "Karrieren im Zwielicht - Hitlers Eliten nach 1945"
 
In die gleiche Riege wie Carell lassen sich auch Henri Nannen und Werner Höfer einreihen, keine Wissenschaftler, ich weiß - aber wenn Repo darf, darf ich auch ;)

Eher passender zum Thema noch eine Literaturempfehlung: Frei (Hrsg): "Karrieren im Zwielicht - Hitlers Eliten nach 1945"


Bei Nannen und Höfer könnte man aber die Läuterung vom Saulus zum Paulus unterstellen.
Was bei Carell nun so gar nicht zu finden ist.
 
Darauf hab ich gewartet. Was, bitte schön, hat der sich zuschulden kommen lassen außer ein brillianter Kopf gewesen zu sein?

Da kann man locker mit Wernher von Braun kontern, dessen Stecken beileibe nicht frei von Dreck war.
Wernher von Braun – Wikipedia

Ach du lieber Schutzheiliger der Latrinenleerer....

Was habe ich jetzt falsch gemacht?


Also, eine "gewisse" NS-Verstrickung kann man da schon unterstellen. Denen ohne Verstrickung haben sie einen s.g. "Stellungsbefehl" übersandt.
Mindestens einen gewissen "Wert" muss seine Arbeit für die Führung des Nazi-Reiches schon gehabt haben.

Aber Sorry, ich wusste nicht, dass ich da eine Ikone eingestaubt habe.
 
@Repo: Also, eine "gewisse" NS-Verstrickung kann man da schon unterstellen. Denen ohne Verstrickung haben sie einen s.g. "Stellungsbefehl" übersandt.
Mindestens einen gewissen "Wert" muss seine Arbeit für die Führung des Nazi-Reiches schon gehabt haben.

Aber Sorry, ich wusste nicht, dass ich da eine Ikone eingestaubt habe.

Nach deiner Definition wäre jeder, der zwischen 33 und 45 frei rumlief, verstrickt gewesen. Mir geht es im dem Thread aber um Leute, die mehr oder weniger persönliche Schuld auf sich geladen haben und eigentlich an den Galgen oder zumindest für lange Zeit zu "Vater Philipp" gehört hätten.
 
Mir geht es im dem Thread aber um Leute, die mehr oder weniger persönliche Schuld auf sich geladen haben und eigentlich an den Galgen oder zumindest für lange Zeit zu "Vater Philipp" gehört hätten.

So hatte ich Dich allerdings nicht verstanden.
Nochmals Entschuldigung.

Die Beispiele, auch von Dir, sprechen aber auch eine andere Sprache.
Für was willst Du den Lorenz an den Galgen bringen?
Auch den Niethammer. Ist ja drastischer. Trotzdem.
Den Richthofen?
 
Darauf hab ich gewartet. Was, bitte schön, hat der sich zuschulden kommen lassen außer ein brillianter Kopf gewesen zu sein?

Da kann man locker mit Wernher von Braun kontern, dessen Stecken beileibe nicht frei von Dreck war.
Wernher von Braun – Wikipedia

Auch da scheint es, trotz gegenteiliger Aussage, Dreck zu geben

Im permanenten Zugzwang wurden ihm
machtige Nazis wie PostministerWilhelm Ohnesorge,
der Hitler gern die atomare Wunderwae besorgen
wollte, zum Auftraggeber. Ardenne erklarte Ohnesorge
die Potenzen einer Uranbombe, woraufhin der
Minister mit ihm Entwicklungsvertrage abschloss.
Der Baron nahm sich nun der Isotopentrennung beim
Uran an. Dies trug ihm den Vorwurf Werner Heisenbergs
und Carl Friedrich von Weizsackers ein, ein
skrupelloser Manager gewesen zu sein, der fur jeden
eine Bombe gebaut hatte
.
So errichteten bis zu 700 KZ-Haftlinge den
so genannten Zyklotron-Bunker im Nachbarinstitut,
das der Baron gleichwohl geleitet hat
. Der
NS-Forschungsrat sprach ihm auerordentliche
Kriegswichtigkeit zu. Ardennes Mitarbeiter Fritz
Houtermans erkannte Mitte 1941 die stabile Kettenreaktion,
woraufhin Ardenne dessen Text an
die Spitzen der Kernphysik sandte

Edit:
 
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Einer der bedeutendsten Archäologen der Nachkriegszeit - zumindest was die Ur- und Frühgeschichte betrifft - erntete seinen ersten wissenschaftlichen Rum als Haithabu-Ausgräber ausgerechnet in dem ansonsten von Pseudo-Wissenschaftlern bevölkerten SS-Ahnenerbe:

Herbert Jankuhn – Wikipedia

Seiner späteren Karriere tat es keinen Abbruch, obwohl er sogar norwegische Kollegen denunziert haben soll.

Unter den Historikern gab es nicht wenige, die trotz ihrer Verstrickung ins NS-Geschichtsbild nach 1945 weitermachten, als hätte es das 3. Reich nie gegeben. Dies war auch großes Thema des kontroversen Historikertages von 1998. Besonders bekannte Beispiele:

Theodor Schieder – Wikipedia
Werner Conze – Wikipedia
Hermann Aubin – Wikipedia

Nur wenige hatten, muss man fast sagen, Pech und konnten nach 1945 zumindest keine Professuren mehr erlangen.
Der Himmler-Freund, besonders engagierte Nationalsozialist und Rechtshistoriker
Karl August Eckhardt – Wikipedia
durfte nach dem Krieg "nur" an den MGH weiterarbeiten.

Auch der Sproß einer bedeutenden Historiker-Familie fand keine universitäre Verwendung mehr:
Wilhelm Mommsen – Wikipedia

Sein Cousin überstand es dagegen schadlos, dass er einer "Archivars-Truppe" angehörte, die in den besetzten sowjetischen Gebieten herumreiste und Archivalien einkassierte:

Wolfgang A. Mommsen – Wikipedia

Er wurde später Präsident des Bundesarchivs. Sein zwiespältiges Verhältnis zum Nationalsozialismus war hier allerdings erstaunlicherweise von Vorteil, insofern, dass er gut darin gewesen sein soll, NS-Nachlässe und -unterlagen zu besorgen, die natürlich heute von hohem Wert sind.
 
Nach deiner Definition wäre jeder, der zwischen 33 und 45 frei rumlief, verstrickt gewesen.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich zeitweilig schon durchaus den Gedanken hatte. Mit halbwegs fundierten Gründen.
Die regional tätigen Historiker zB, ..... also mir ist noch keiner aufgefallen, der nicht zumindest "etwas" Dreck am Stecken hatte. Nix Richtung Galgen oder Gefängnis, aber Dreck durchaus.
Ich sammle historische Zeitungen, habe aber die Nazi-Zeit weitgehend ausgeklammert. Besitze aber nichts desto Trotz ein paar. Was da dem Führer in den A..... gekrochen wird! Es ist schlicht Ekel erregend.
Aber klar, Forschung und Lehre sind abhängig vom Staat, und wer ist schon in der Lage diese Stellen auf die "Kirchweih zu laden", und als Privatgelehrter weiter zu machen.
Wer will also entscheiden welche publizierte "A....kriecherei" fröhlich geleistet wurde, und welche mit der geballten Faust in der Tasche.


Mir geht es im dem Thread aber um Leute, die mehr oder weniger persönliche Schuld auf sich geladen haben und eigentlich an den Galgen oder zumindest für lange Zeit zu "Vater Philipp" gehört hätten.

Meinem "Feeling" nach, sind von denen nicht sooo viele davongekommen. Ärgerlich sind die "Filbingers", von denen, genau umgekehrt, eigentlich alle davongekommen sind.
 
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