Besiegt oder Befreit?

xxxx

  • xxxx

    Stimmen: 8 42,1%
  • xxxxx

    Stimmen: 11 57,9%

  • Umfrageteilnehmer
    19
  • Umfrage geschlossen .
Hurvinek schrieb:
Ich bin in einer Diktatur groß geworden, und dachte diese sei die beste Lebensform. Ich bin 1989/90 befreit worden, hatte ein paar Jahre zu tun, mit dieser Freiheit und einhergehenden Selbstbestimmung klarzukommen. Und nur freiheitsliebende Menschen werden wiederum für Freiheit kämpfen und der nächsten Diktatur (des Kapitals) ihre Stirn bieten.
Soviel zur wiederkehrenden Geschichte der Menschheit.

Lieber Hurvinek,
zu Deiner Lebensgeschichte. Hattest Du keine Verwandten im Westen und konntest kein Westfernsehen sehen, um wenigstens einen vagen Vergleich anstellen zu können? :confused: Ich habe die Hälfte meiner Verwandtschaft in Sachsen, Thüringen oder Sachsen-Anhalt, da hat aber auch zu DDR-Zeiten keiner ein gutes Haar an dem Regime gelassen, obwohl einer sogar in der SED war. Am 9.10. in Leipzig waren sie dabei.
Mit der Diktatur des Kapitals hast Du natürlich recht. Aber darüber dürfen wir ja nicht schreiben, weil wir uns sonst in der Politik bewegen würden. :rolleyes:
 
heinz schrieb:
Mit der Diktatur des Kapitals hast Du natürlich recht. Aber darüber dürfen wir ja nicht schreiben, weil wir uns sonst in der Politik bewegen würden. :rolleyes:
Wenn wir uns die Diktaturdefinition von ursi in
http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=92899&postcount=22
ansehen (der ich voll zustimme), kommt mir der Spruch von der Diktatur des Kapitals so unangemessen vor wie weiland (wir sind in der Geschichte) der Spruch vom "Konsumterror".

Beides ist (war) ein inflationärer Missbrauch der Vokabeln "Diktatur" und "Terror", der unterstellt, dass Terroropfern nichts schlimmeres zuzustoßen pflege, als dass sie zu bestimmten Konsumgewohnheiten gedrängt würden, und Diktaturen nichts schlimmeres seien, als dass große Kapitalgesellschaften politisch relevante Fakten setzen.
:runter:
 
fingalo schrieb:
Wenn wir uns die Diktaturdefinition von ursi in
http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=92899&postcount=22
ansehen (der ich voll zustimme), kommt mir der Spruch von der Diktatur des Kapitals so unangemessen vor wie weiland (wir sind in der Geschichte) der Spruch vom "Konsumterror"
:runter:

Wenn man Diktatur nichtwertend einfach als Herrschaft versteht, wie das früher gemacht wurde, dann ist es durchaus nicht unangemessen von der Herrschaft des Kapitals zu sprechen. Nicht in dem Sinn, dass einige Konzerne, Banken, oder sonstige "böse" KapitalistInnen (vielleicht noch Juden) die Politik und die Welt beherrschen, sondern in dem Sinn, dass das Kapitalverhältnis, als gesellschaftliches und apersonales Verhältnis, das nur durch Personen vermittelt wird, die Gesellschaft bestimmt, und das auch nur in letzter Instanz.
 
Linker schrieb:
Wenn man Diktatur nichtwertend einfach als Herrschaft versteht, wie das früher gemacht wurde, dann ist es durchaus nicht unangemessen von der Herrschaft des Kapitals zu sprechen. Nicht in dem Sinn, dass einige Konzerne, Banken, oder sonstige "böse" KapitalistInnen (vielleicht noch Juden) die Politik und die Welt beherrschen, sondern in dem Sinn, dass das Kapitalverhältnis, als gesellschaftliches und apersonales Verhältnis, das nur durch Personen vermittelt wird, die Gesellschaft bestimmt, und das auch nur in letzter Instanz.
Man könnte auch einfach sagen: Geld regiert die Welt
 
Linker schrieb:
Wenn man Diktatur nichtwertend einfach als Herrschaft versteht, wie das früher gemacht wurde, dann ist es durchaus nicht unangemessen von der Herrschaft des Kapitals zu sprechen. Nicht in dem Sinn, dass einige Konzerne, Banken, oder sonstige "böse" KapitalistInnen (vielleicht noch Juden) die Politik und die Welt beherrschen, sondern in dem Sinn, dass das Kapitalverhältnis, als gesellschaftliches und apersonales Verhältnis, das nur durch Personen vermittelt wird, die Gesellschaft bestimmt, und das auch nur in letzter Instanz.

Und was ist daran schlimm?
Effizienz und Leistung setzen sich durch, das ist die Grundlage unseres Reichtums und weit besser wie eine Diktatur des Proletariats.
 
fingalo schrieb:
Beides ist (war) ein inflationärer Missbrauch der Vokabeln "Diktatur" und "Terror", der unterstellt, dass Terroropfern nichts schlimmeres zuzustoßen pflege, als dass sie zu bestimmten Konsumgewohnheiten gedrängt würden, und Diktaturen nichts schlimmeres seien, als dass große Kapitalgesellschaften politisch relevante Fakten setzen.
:runter:

Lieber Fingalo,

ich habe heute Deine Antwort entdeckt, darum kann ich Dir heute erst antworten. Betrachte Dir die aktuellen Vorgänge bei VW, Mercedes, Opel oder Karstadt. Immer wenn angekündigt wird, dass wieder ein paar Tausend Menschen entlassen werden, gehen die Aktuenkurse für die betreffenden Firmen in die Höhe. Oder man erpreßt wie bei Siemens von den Arbeitern mehr Aebeitszeit für ein niedriges Gehalt und verkauft dann die Firma an ein taiwanesisches Unternehmen.:( Ich nenne das, die Diktatur des Kapitals.
 
heinz schrieb:
Lieber Hurvinek,
zu Deiner Lebensgeschichte. Hattest Du keine Verwandten im Westen und konntest kein Westfernsehen sehen, um wenigstens einen vagen Vergleich anstellen zu können? :confused: Ich habe die Hälfte meiner Verwandtschaft in Sachsen, Thüringen oder Sachsen-Anhalt, da hat aber auch zu DDR-Zeiten keiner ein gutes Haar an dem Regime gelassen, obwohl einer sogar in der SED war. Am 9.10. in Leipzig waren sie dabei.
Mit der Diktatur des Kapitals hast Du natürlich recht. Aber darüber dürfen wir ja nicht schreiben, weil wir uns sonst in der Politik bewegen würden. :rolleyes:

Den Vergleich hatte ich schon, aber die Realität war mir im Westen unbekannt. Ich kannte nur Fernsehen. Und da gefiel mir Gerhard Löwenquals Sendung am besten, weil dort der Osten gezeigt wurde. Das Zentralkomitee und die gottgleiche SED waren mir auch suspekt. 1988 fing ich an Radio Moskau (auf deutsch über Mittelwelle) zu hören, nachdem der Sputnik verboten wurde. Ich weiss noch, dass ich meinen Eltern sagte: "Nun ist es schon wieder so weit, dass man Radio Moskau heimlich hören muss."
 
Besiegt oder befreit? Das scheint mir die falsche Fragestellung zu sein ... Warum?

Weil man nur echte Gegensätze gegensätzlich behandeln kann, und Befreiung vs. Niederlage ist kein Gegensatz!
Das Gegenteil von Befreiung ist Unterdrückung, das Gegenteilt von Niederlage ist Sieg.
Befreiung-Unterdrückung ist dabei ein politischer Gegensatz, Sieg-Niederlage ein militärischer.

Die Frage ist also nicht: Befreiung oder Niederlage, sondern: politische oder militärische Sicht auf den Mai 1945.
Dass der Mai 1945 (aus Sicht des OKW) eine Niederlage war, bestreite ich keine Sekunde. Allerdings war der II. WK eben kein Krieg wie jeder andere, weil hinter den deutschen Truppen eine politische Führung mit einer Ideologie stand, die es ganz offen auf Versklavung von Millionen und physische Vernichtung weiterer Millionen abgesehen hatte. Eine rein militärische Sicht verbietet sich daher von selbst.

Politisch war es zunächst auf jeden Fall für die Mehrheit der Menschen Befreiung, die ca. 1942 unter deutscher Herrschaft standen, also die Mehrheit der Europäer. Insoweit es für einen gewissen Teil der Deutschen Unterdrückung war (z.B. die ehemaligen Mitglieder der NSDAP), ist das vor allem als Rückwirkung der deutschen Aggressionen in den Jahren zuvor zu verstehen. Mit Sicherheit hat es genauso Deutsche gegeben, die eine Befreiung empfunden haben. Die deutsche Niederlage ist nicht der Gegensatz zur Befreiung, sondern ihre Voraussetzung!

PS @stepanowitsch: Grundlage des europäischen und amerikanischen Reichtums war (ist) die politische Abhängigkeit und Armut in anderen teilen der Welt- angefangen mit den Conquistadores bis zur WTO.
 
Ganz deiner Meinung!

Interessanter hätte sich die Diskussion vielleicht gestaltet unter dem Titel
"Besiegt und befreit".

;-)
 
Seinem Schicksal gemäß hat jedes Volk bei dieser Fragestellung seine eigenen Gefühle: Sieg oder Niederlage, Befreiung von Unrecht und Fremdherrschaft oder Übergang zu neuer Abhängigkeit, Teilung, neue Bündnisse usw.

Für uns Deutsche ist der 8. Mai 1945 jedenfalls kein Tag zum Feiern, denn Menschen, die ihn bewusst erlebten, blicken auf ganz unterschiedliche Erfahrungen zurück. Der eine kehrte heim, der andere wurde heimatlos. Dieser wurde befreit, für jenen begann die Gefangenschaft. Viele waren einfach nur froh, den Bombenhagel überlebt zu haben und mit dem Leben davongekommen zu sein.

Eins lässt sich auf jeden Fall sagen: Viele Deutsche standen verbittert vor zerrissenen Illusionen, andere Deutsche jedoch waren dankbar für den geschenkten Neuanfang.

Ich meine daher, dass sich die Frage "Besiegt oder Befreit" nicht so holzschnttartig beantworten lässt, da dazwischen unzählige Schattierungen liegen. Ob sich die Mehrzahl der Deutschen beim Einmarsch der Alliierten "befreit" fühlte, lässt wohl nicht mehr zuverlässig ermitteln. Dass sie Grund hatten, über den Untergang der Nazi-Herrschaft dankbar zu sein, wird sich den meisten aber wohl bald erschlossen haben, spätestens nach Bekanntwerden der ungeheuren Greueltaten des Regimes ... sofern ihnen das verborgen geblieben war - aber das ist ein anderes Problem!
 
:motz:

Dieter schrieb:
Seinem Schicksal gemäß hat jedes Volk bei dieser Fragestellung seine eigenen Gefühle: Sieg oder Niederlage, Befreiung von Unrecht und Fremdherrschaft oder Übergang zu neuer Abhängigkeit, Teilung, neue Bündnisse usw.

Für uns Deutsche ist der 8. Mai 1945 jedenfalls kein Tag zum Feiern, denn Menschen, die ihn bewusst erlebten, blicken auf ganz unterschiedliche Erfahrungen zurück. Der eine kehrte heim, der andere wurde heimatlos. Dieser wurde befreit, für jenen begann die Gefangenschaft. Viele waren einfach nur froh, den Bombenhagel überlebt zu haben und mit dem Leben davongekommen zu sein.

Eins lässt sich auf jeden Fall sagen: Viele Deutsche standen verbittert vor zerrissenen Illusionen, andere Deutsche jedoch waren dankbar für den geschenkten Neuanfang.

Ich meine daher, dass sich die Frage "Besiegt oder Befreit" nicht so holzschnttartig beantworten lässt, da dazwischen unzählige Schattierungen liegen. Ob sich die Mehrzahl der Deutschen beim Einmarsch der Alliierten "befreit" fühlte, lässt wohl nicht mehr zuverlässig ermitteln. Dass sie Grund hatten, über den Untergang der Nazi-Herrschaft dankbar zu sein, wird sich den meisten aber wohl bald erschlossen haben, spätestens nach Bekanntwerden der ungeheuren Greueltaten des Regimes ... sofern ihnen das verborgen geblieben war - aber das ist ein anderes Problem!

Auch richtig. Und vielen Dank für Deine Mühe, Dieter.

Jetzt muss ich aber mal was loswerden:
Was mich an diesem Thread fürchterlich ärgert, steht ganz oben: diese "Abstimmung"!

Ich frage mich, was sich der Urheber einer so dummen Fragestellung eigentlich gedacht hat!?

Eine (nicht einmal richtig verteilte) "Empfindungs-, Gefühls-, Meinungs-Frage (also rein subjektiv und das quer durch an 16- wie an 70jährige)? In einem Historikerforum?

Und dazu eine "VOLKSABSTIMMUNG"?

Beim heissesten aller deutschen THEMEN?
Bei der größten, mit immer unklareren (unreflektierteren und unwissenden) Salz zugestreuten, also nach 60 Jahren immer noch OFFENEN WUNDE?
Bei einem so vielschichtigen und tiefsitzenden SCHMERZ, einer derartigen Mit-SCHULD, die manche aber nicht einmal hatten, weil sie tatsächlich auf der anderen Seite standen, eine SCHULD, die von allen, die auf der Siegerseite standen oder sich schnell dazugesellten auch weidlich und bis heute (bis zur heutigen unbeteiligten Generation) IN VERLETZEND schamloser Weise ausnutzt wird, dass selbst damalige oder nachgeborene Antifaschisten schon von dieser Schuld GEQUÄLT sind.
Und vor allem bei einem derartigen VERLUST - an wunderbaren Menschen, an Kunst und Kultur und tausender anderer großartiger und hochentwickelter Qualitäten der deutschsprachigen Kultur - wie kann man da so ... ahhh.

Sind wir (auch hier?) schon beim "TED für logisch kläglich auseinaderdividiertes Geschichstempfinden angelangt? :motz:

Wer auch immer das war, soll sich hier mal dazu stellen! Denn: intelligente Menschen können nur beides ankreuzen - mit BAUCHWEH.

Entschuldigt meinen Ärger. Aber so geht das nicht.
 
@ning: bravo!!

mir ist wurst, wer warum auf diese dämliche abstimmungsidee kam. aber vielleicht könnte man ja einrichten, daß der abstimmungsunfug außerhalb des off-topic bereiches deaktiviert wird.
 
ning schrieb:
Wer auch immer das war, soll sich hier mal dazu stellen! Denn: intelligente Menschen können nur beides ankreuzen - mit BAUCHWEH.

Entschuldigt meinen Ärger. Aber so geht das nicht.

Derjenige welcher diese Umfrage letztes Jahr ins Netz stellte, ist kein Mitglied mehr dieses Forums. Er kann dazu keine Stellung mehr nehmen.

Die Umfrage habe ich bearbeitet. Löschen konnte ich sie leider nicht :grübel:
 
Zuletzt bearbeitet:
ponzelar schrieb:
aber vielleicht könnte man ja einrichten, daß der abstimmungsunfug außerhalb des off-topic bereiches deaktiviert wird.

Ganz kurz etwas :eek:fftopic:
Dagegen!
Nur weil einige Leute es nicht verstehen, Umfragen zu erstellen, die entsprechend aussagerelevant sind, ist dies IMHO kein Grund, die Möglichkeit der Umfragenerstellung in den Sachthemen zu deaktivieren :runter:
Mir war bzw. ist es bspw. im "Ritterorden" Thema schon wichtig, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie die Interessenlage dazu hier im Forum ist... :fs:
 
Saint-Just schrieb:
Besiegt oder befreit? Das scheint mir die falsche Fragestellung zu sein ... Warum?

Weil man nur echte Gegensätze gegensätzlich behandeln kann, und Befreiung vs. Niederlage ist kein Gegensatz!
Das Gegenteil von Befreiung ist Unterdrückung, das Gegenteilt von Niederlage ist Sieg.
Befreiung-Unterdrückung ist dabei ein politischer Gegensatz, Sieg-Niederlage ein militärischer.

Danke!!

Auch ich empfinde diese Fragestellung nicht als kontrovers.

Aus militärischer Sicht kann getrost von "Besiegt" sprechen.

Aus ethischer, moralischer Sicht kann man getrost von "Befreit" sprechen.

Aus menschlicher sowie aus politischer Sicht muss das jeder der damals dabei war für sich selbst ausmachen! Das ist meines Erachtens eine rein persönliche Charaktersache. Und da genau setzt die kontroverse Diskussion zu dieser Fragestellung an. Es geht dabei nicht um Fakten, sondern es geht um den Umgang mit diesen.
Es wird demnach zu einer rein persönlichen Frage, die jeder so beantworten sollte wie er zu dieser Thematik steht. Es ist nur die Frage, ob das hier etwas zu suchen hat.

Meines Erachtens nach: Nein!

Dieter schrieb:
Seinem Schicksal gemäß hat jedes Volk bei dieser Fragestellung seine eigenen Gefühle: Sieg oder Niederlage, Befreiung von Unrecht und Fremdherrschaft oder Übergang zu neuer Abhängigkeit, Teilung, neue Bündnisse usw.

Für uns Deutsche ist der 8. Mai 1945 jedenfalls kein Tag zum Feiern, denn Menschen, die ihn bewusst erlebten, blicken auf ganz unterschiedliche Erfahrungen zurück. Der eine kehrte heim, der andere wurde heimatlos. Dieser wurde befreit, für jenen begann die Gefangenschaft. Viele waren einfach nur froh, den Bombenhagel überlebt zu haben und mit dem Leben davongekommen zu sein.

Eins lässt sich auf jeden Fall sagen: Viele Deutsche standen verbittert vor zerrissenen Illusionen, andere Deutsche jedoch waren dankbar für den geschenkten Neuanfang.

Ich meine daher, dass sich die Frage "Besiegt oder Befreit" nicht so holzschnttartig beantworten lässt, da dazwischen unzählige Schattierungen liegen. Ob sich die Mehrzahl der Deutschen beim Einmarsch der Alliierten "befreit" fühlte, lässt wohl nicht mehr zuverlässig ermitteln. Dass sie Grund hatten, über den Untergang der Nazi-Herrschaft dankbar zu sein, wird sich den meisten aber wohl bald erschlossen haben, spätestens nach Bekanntwerden der ungeheuren Greueltaten des Regimes ... sofern ihnen das verborgen geblieben war - aber das ist ein anderes Problem!

Absolut Deiner Meinung :hoch: :hoch: :hoch: !
 
Dieter schrieb:
Ich meine daher, dass sich die Frage "Besiegt oder Befreit" nicht so holzschnttartig beantworten lässt, da dazwischen unzählige Schattierungen liegen. Ob sich die Mehrzahl der Deutschen beim Einmarsch der Alliierten "befreit" fühlte, lässt wohl nicht mehr zuverlässig ermitteln. Dass sie Grund hatten, über den Untergang der Nazi-Herrschaft dankbar zu sein, wird sich den meisten aber wohl bald erschlossen haben, spätestens nach Bekanntwerden der ungeheuren Greueltaten des Regimes ... sofern ihnen das verborgen geblieben war - aber das ist ein anderes Problem!

Lieber Dieter,
Du hast mit Deiner Wahrnehmung völlig recht. Es kam immer auf die Situation des einzelnen an, ob er sich befreit oder besiegt fühlte.
Nach den Greueltaten, die über die Nazis bekannt wurden, muß heute jeder die Niederlage als Befreiung ansehen. :)
 
Ich bin erst seit Januar hier, deshalb ein verspäteter Beitrag.
Das Ende des zweiten Weltkrieges habe ich, 16-jährig, in München als Zivilist erlebt. Mir war zwar bewußt, daß das Deutsche Reich bzw. die deutsche Wehrmacht besiegt wurde; persönlich fühlte ich mich aber nicht als "besiegt". 1944 hoffte ich noch, beeinflußt von der damaligen Propaganda, auf einen Sieg der deutschen Waffen (Ich war damals und bis März 1945 Luftwaffenhelfer bei einer Flak-Einheit [Flak = Fliegerabwehrkanone]). Zum Reichsarbeitsdienst oder zur Wehrmacht war ich infolge eines Fehlers bei der Erfassung für den Dienst nicht mehr einberufen worden. Ich verfolgte das Geschehen Ende April/Anfang Mai 1945 mit einer gewissen Neugier ohne große gefühlsmäßige Beteiligung.
"Befreit" fühlte ich mich nach dem Einmarsch amerikanischer Truppen und nach dem offiziellen Kriegsende eine gute Woche später auch nicht. Ich empfand allerdings Erleichterung, daß die Luftangriffe auf München und andere deutsche Städte vorüber waren und daß ich nicht mehr mit Heranziehung zum Wehrdienst rechnen musste.
Der Ereignisse dieser Zeit (Anblick amerikanischer Soldaten und Panzer, Plünderungen, Befehle der Militärregierung, Ablösung nationalsozialistischer Vorgesetzter in meinem Lehrbetrieb, Schwarzhandel) waren für mich interessant und neuartig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Lieber Franzei,

wie war es mit der Lebensmitelversorgung nach dem Zusammenbruch. Soviel wie ich als Kind mitbekommen habe, war diese bis zur Währungsreform sehr schlecht.:confused:
 
Subjektiv wird man die Frage "Besiegt oder befreit?" je nach Einstellung, Lebensumständen und Erlebnissen bei Kriegsende höchst unterschiedlich beantworten können.
Objektiv betrachtet war es - wie hier schon mehrmals gesagt wurde - sowohl ein Besiegtwerden (der deutschen Wehrmacht) als auch eine Befreiung von der nationalsozialistischen Diktatur. Das Gefühl der Befreiung konnte für viele erst allmählich entstehen, als sie den Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie erkannten und erlebten. Da für viele in den ersten Jahren nach dem Krieg das Hauptproblem Hunger und schwierige Wohnverhältnisse waren, konnte sich das Erkennen einer "Befreiung" erst verspätet und allmählich einstellen.
 
Hallo Heinz, die Lebensmittelrationen, die man über Lebensmittelmarken zugeteilt erhielt, waren nach Kriegsende noch wesentlich niedriger, als im letzten Kriegsjahr. Genaueres weiß ich nicht mehr, aber wer nur von den Marken leben musste, war ziemlich unterernährt. In den ersten Wochen nach Kriegsende bzw. der Besetzung durch die Amerikaner konnten viele von Vorräten zehren, die sie sich bei Plünderungen angelegt hatten. Es wurden so ziemlich alle Läden, in denen es Brauchbares gab, ausgeräumt.

Den Anfang machten vorwiegend die befreiten ausländischen Arbeiter (größtenteils Zwangsarbeiter, in der damaligen Terminologie "Fremdarbeiter"). Die Deutschen schlossen sich sehr rasch an. Schließlich wurden unter Aufsicht des amerikanischen Militärs auch große Verpflegungslager geplündert, was dazu beitrug, daß in der Folgezeit nur noch geringe Rationen ausgegeben werden konnten.
Wer Verwandte oder Freunde auf dem Lande hatte, versuchte bei diesen etwas Eßbares zu ergattern ("Hamstern"). Wer irgendwelche Wertgegenstände besaß, versuchte, diese gegen Lebensmittel einzutauschen, entweder bei Bauern auf dem Lande oder am schwarzen Markt in der Stadt.
Das Geld war ziemlich wertlos. Man konnte damit seine Markenrationen kaufen und - sobald wieder öffentliche Verkehrsmittel in Betrieb waren - die Fahrscheine bezahlen sowie die Wohnungsmiete und die Stromrechnung. Sonst bestand die Hauptwährung aus Zigaretten.
Zum Beispiel war es mir möglich, Nazi-Souvenirs bei amerikanischen Soldaten gegen amerikanische Zigaretten einzutauschen, z.B. drei bis fünf Stangen für einen Dolch, wie ihn jeder Hitlerjunge besaß. Meine älteren Arbeitskollegen brachten mir geeignete Gegenstände, ich beschaffte dafür Zigaretten und konnte jeweils eine Stange als "Provision" für mich abzweigen. Für die Zigaretten konnte man, wenn man es nicht vorzog, sie zu rauchen, Butter und andere rare Lebensmittel erhalten.

In den Jahren 1946/1947 bestand mein Frühstück fast immer aus zwei bis drei gekochten Kartoffeln und einer Tasse Ersatzkaffee. Dies war aber nur möglich, weil meine Mutter von Verwandten auf dem Lande immer wieder einen Sack Kartoffeln erhielt. Das Mittagessen bestand entweder aus dem sogenannten Stammgericht einer Gastwirtschaft, das ohne Marken erhältlich war. Fast immer handelte es sich um sehr fettarmes, wässriges Kartoffelgemüse. Von daheim bekam ich als Tagesverpflegung meist nur zwei dünne Scheiben Brot, die extrem dünn mit Margarine bestrichen waren, mit.
Die aß ich fast immer schon um 9 Uhr vormittags,weil sich da schon wieder der Hunger meldete. Abends gab es fast immer Gemüse mit Kartoffeln, kleine Stücke Fleisch nur ganz selten.
Aufgrund der "Kartoffeldiät" war mein Ernährungszustand zumindest optisch nicht schlecht.
Ich hoffe, ich konnte ein einigermaßen plastisches Bild der damaligen Verpflegungslage zeichnen. Es ist allerdings sehr subjektiv.
 
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