Besserer Start für die Menschheit?

Der Buchdruck seit dem 7. Jahrhundert war zunächst ein Blockdruck, hier ist es egal, welches Schriftsystem man benutzt. Das Blockdruckverfahren wurde parallel zum Gutenberg-Verfahren auch in Europa benutzt, durchgesetzt hat es sich nicht: Blockbuch – Wikipedia

In Ostasien wurde allerdings auch erstmals der Druck mit beweglichen Metall-Lettern entwickelt, siehe diese Diskussion:
Wer hat denn nun den Buchdruck erfunden?

Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, wurde für Bücher mit höheren Auflagen (bzw. Büchern, bei denen eine Nachfrage für spätere Nachdrucke zu erwarten war) der Blockdruck bevorzugt.
Der Letterndruck wurde eher für Druckwerke verwendet, für die man zu einer bestimmten Zeit eine beschränkte Anzahl von Exemplaren benötigte. (cum grano salis: Wo man heute den Fotokopierer benutzt, hat man mit Lettern gedruckt, wo man heute zum Verlag geht, hat man einen Blockdruck hergestellt.)

In Korea wurde zwar im fr15. Jahrhundert eine Buchstabenschrift entwickelt, deren Verwendung dennoch lange sehr begrenzt blieb - die klassische chinesische Schriftsprache blieb (ähnlich wie in Europa das Latein) noch lange die in Beamten- und Gelehrtenkreisen allein akzeptierte schriftliche Ausdrucksweise.
Ok, alles ja interessant, aber in welcher Beziehung steht es zu der Grundidee, die ich mal in einem wirtschaftshistorischen Vortrag gehört habe, dass der Buchdruck in China wegen der vielen Schriftzeichen nicht die Bedeutung erlangt hat wie später in Europa?
 
Das Wesentliche der Gutenbergsinnovation war die Wiederverwendbarkeit der beweglichen Lettern
Genau diese Innovation zeichnete auch den ostasiatischen Letterndruck vor Gutenberg aus.
Der Nachteil der Wiederverwendbarkeit ist: Wenn ich die Lettern für einen anderen Druck wiederverwenden will, muss ich die Druckform wieder auseinandernehmen, also "zerstören". Ein späterer Nachdruck ist nicht mehr möglich.

Die Druckstöcke für den Blockdruck sind als Ganzes wiederverwendbar. Im 13. Jahrhundert wurde in Korea der Druck des buddistischen Kanon (insgesamt über 160.000 großformatigen Druckseiten) mittels Blockdruck bewerkstelligt. Die Druckstöcke werden seit 1488 im Kloster Haeinsa aufbewahrt und sind bis heute in gutem Zustand erhalten, damit wurden noch viele Jahrhunderte später bis ins 19. und 20. Jahrhundert Nachdrucke hergestellt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Tripitaka_Koreana

sie war das auch aus ökologischen Sicht, obwohl die Lettern aus Bleilegierung waren und bis heute sind, sofern nicht vom (digitalen) Fotosatz verdrängt.
Na ja, das ist so nicht ganz richtig. Der Handsatz mit Einzellettern führt schon lange nur noch ein Nischendasein. Auch Setzmaschinen für Einzellettern haben sich nicht durchgesetzt. Die im 19. Jahrhundert erfundenen Setzmaschinen stellten Gussmatrizen her, aus denen dann ganze Zeilen gegossen wurden. Die Druckformen kann man dann entweder für spätere Nachdrucke aufbewahren, oder man muss das Blei wieder einschmelzen.
Ich kenne einen alten Schriftsetzer, der das Bleisetzen in seiner Ausbildung noch gelernt hat, in seiner Berufspraxis (ab den 1970ern) hat er es nicht mehr gebraucht.
Einzelne Betriebe benutzen die alten Linotype-Setzmaschinen heute noch:
Bleivergiftet

in welcher Beziehung steht es zu der Grundidee, die ich mal in einem wirtschaftshistorischen Vortrag gehört habe, dass der Buchdruck in China wegen der vielen Schriftzeichen nicht die Bedeutung erlangt hat wie später in Europa?
Darauf zielte mein Kommentar nicht ab, sondern auf das Stichwort "Buchdruck etwa ab dem 7. Jahrhundert". Der hätte sich nicht anders entwickelt, wenn Chinesisch damals in einer Buchstabenschrift geschrieben worden wäre.
Das Blockdruckverfahren war technisch schon ziemlich ausgereift und erlaubte optisch schöne Drucke mit relativ hohen Auflagen. Da kam das Jahrhunderte später entwickelten Letterndruckverfahren lange nicht hin.
Dass die Schrift ein besondererer Hemmschuh war, hatte ich im anderen Thread schon erwähnt:
https://www.geschichtsforum.de/thema/wer-hat-denn-nun-den-buchdruck-erfunden.57094/#post-817440
Gutenberg kam für seine Bibel mit ca. 300 Typen aus, für ein Buch in chinesischer Schrift benötigt man mehrere Tausend Typen.

Einen weiteren wichtigen Faktor in der Verbreitung des Buchdrucks sehe ich in Europa im Vorhandensein eines städtischen Bürgertums. Das gab es in dieser Form in Ostasien nicht. Städte waren Verwaltungszentren der herrscherlichen Bürokratie, diese bestimmte auch weitgehend, was publiziert werden sollte. Außer dem Staat waren es vor allem die Klöster, die (oft in abgeschiedenen Bergtälern) religiöse Schriften im Selbstverlag druckten.
 
Die im 19. Jahrhundert erfundenen Setzmaschinen stellten Gussmatrizen her, aus denen dann ganze Zeilen gegossen wurden. Die Druckformen kann man dann entweder für spätere Nachdrucke aufbewahren, oder man muss das Blei wieder einschmelzen.
Genau dieses Wiedereinschmelzen hat den Zeitungsdruck enorm beschleunigt und verbilligt, weil das Letternsetzen von Hand um Faktor 3-4 langsamer und entsprechend teuer war.

Das kam einer zweiten Informationsrevolution gleich, denn nun waren die so gedruckten Informationen auch ärmeren Schichten zugänglich, vorausgesetzt: sie konnten lesen. Bildungs- bzw. Lesevereine wurden gegründet und von der Obrigkeit nur ungern geduldet, weil schon damals galt: Wissen ist Macht.
 
Äh und was machte genau die Erfindung der Setzmaschinen im 19. Jahrhundert aus? Etwa dass der Setzer nicht mehr von Hand eine Bleiletter in eine Zeile fügen musste, sondern durch einen Knopfdruck irgendeinen Mechanisnus auslöste?
 
Wenn ich das recht verstehe, wurde also jede Zeile einer Zeitungs- oder Buchseite extra in Blei gegossen, bevor gedruckt wurde.. Für mich erstaunlich..
 
Ich gehe zurück zur Eingangsfrage die da lautete:

Also wo würden wir heute stehen, wenn nicht Werkzeuge, sondern Demokratie, Domestizierung oder Schrift und Sprache das erste große Ding gewesen wären?

Nun bin ich der Meinung, eine solche Frage läßt sich nur systemtheoretisch beantworten, weil wir keine Schriftbelege oder Datierungen haben. Letztendlich geht es um den Fortschritt in der Menschheit die der Fragesteller teils einkreist wenn er nach Demokratie, Domestizierung und Schrift frägt. Also Dinge die nicht direkt greifbar sind.

Ich bin kein Wissenschaftler, darum habt Nachsicht wenn meine Ausführungen etwas holzschnittartig sind. Aber ich bin vor etwa zwei Jahren, auf Grund einer Nachfrage bei der Uni Ulm auf Peter Mersch und dessen „Systemische Evolutionstheorie“ hingewiesen worden. Darin gibt es einen Kulturvergleich der Grundsätzliches beleuchtet.

Die Systematik geht so:
Darwins Evolutionstheorie war der Start für eine neue Denke. Aber seine Evolutionstheorie gilt nur für das Biologische und die Wildnis. Auch Darwin bemerkte bereits das seine Theorie nicht ganz glatt läuft. Beispiel das Rad eines Pfau.
Mittlerweile sind 150 Jahre ins Land gegangen, es wurde an der Theorie gefeilt und der Sozialdarwinismus kreiert, was nicht mehr oder weniger heißt, auch das Soziale ist evolutionsgetrieben.
Peter Mersch legt mit seiner „Systemischen Evolutionstheorie“ noch einen oben drauf indem er nachweist, das auch Superorganismen evolutionieren. Aber aufgepasst, er meint damit nicht nur Bienen- und Ameisenstaaten, sondern auch Staaten und Konzerne. Alle diese Systeme sind Evolutionsakteure und versuchen einen Kompetenzverlust zu vermeiden. Deswegen müssen sie permanent neue Energie (Ressourcen) aus der Umwelt aufnehmen. Hier verhalten sie sich nachhaltig gegenüber ihren eigenen Kompetenzen, aber ausbeutend gegenüber ihrer Umwelt. Insgesamt ergibt sich das Bild einer belebten Welt aus lauter Evolutionsakteuren, die allesamt bestrebt sind, Kompetenzverluste zu vermeiden. Der Wettbewerb num knappe Ressourcen zwingt sie zu ihren Verhaltensweisen. Damit lassen sich alle aktuellen Großprobleme der Menschheit erklären.
Um die kompetenzerhaltende Ressourcen zu gewinnen gibt es zwei Möglichkeiten. Mersch nennt es „dominante Kommunikation“ (Gewalt) und „Gefallen-wollen-Kommunikation“.

Durchforschen wir die menschliche Geschichte, so besteht diese weitestgehend aus Kriegen, also der „dominanten Kommunikation“. Diese Art der Auseinandersetzung (das Recht des Stärkeren) hat aber keinen positiven Einfluß auf die zivilisatorische Entwicklung.
Nach Peter Mersch beginnt die Zivilisation erst mit der Akzeptanz des Eigentum. Dies setzt aber eine Gesellschaftsstruktur voraus welche solche Meilensteine wie Demokratie, Schrift und Sprache erfordert. Damit wäre eigentlich von meiner Seite aus der Fragesteller bedient.

Was sich daraus für Szenarien ergeben haben, das steht auf einem anderen Blatt, bzw. hunderten von Blättern. Bei Interesse empfehle ich von Peter Mersch zwei Bücher.
„Evolution, Zivilisation und Verschwendung - der Anfang von allem“ und „Ich glaube das es wieder Krieg geben wird“. Beide reißen einen vom Hocker weil hier mal rein naturwissenschaftlich ein Mathematiker die Dinge betrachtet. Es ist ein abstraktes Gerüst, aber ein von unten nach oben geradliniges. Man erkennt das bei den üblichen Diskussionen nur mit Fetzen aus den verschiedensten Narrativen argumentiert wird. Typischerweise ist es nicht möglich in solchen Diskussionen die Systematische Evolutionstheorie einzubringen. Da ich Teilnehmer eines politischen Stammtisches bin, kann ich davon ein Lied singen.
 
Peter Mersch legt mit seiner „Systemischen Evolutionstheorie“ noch einen oben drauf indem er nachweist, das auch Superorganismen evolutionieren. Aber aufgepasst, er meint damit nicht nur Bienen- und Ameisenstaaten, sondern auch Staaten und Konzerne. Alle diese Systeme sind Evolutionsakteure und versuchen einen Kompetenzverlust zu vermeiden. Deswegen müssen sie permanent neue Energie (Ressourcen) aus der Umwelt aufnehmen. Hier verhalten sie sich nachhaltig gegenüber ihren eigenen Kompetenzen, aber ausbeutend gegenüber ihrer Umwelt. Insgesamt ergibt sich das Bild einer belebten Welt aus lauter Evolutionsakteuren, die allesamt bestrebt sind, Kompetenzverluste zu vermeiden. Der Wettbewerb num knappe Ressourcen zwingt sie zu ihren Verhaltensweisen. Damit lassen sich alle aktuellen Großprobleme der Menschheit erklären.
In der Natur führt das evolutorische Prinzip allerdings weniger zu Großproblemen als zu ziemlich komplexen und stabilen ökologischen Systemen.
 
Peter Mersch legt mit seiner „Systemischen Evolutionstheorie“ noch einen oben drauf indem er nachweist,
..... nicht nachweist, sondern allenfalls postuliert.

Alle diese Systeme sind Evolutionsakteure und versuchen einen Kompetenzverlust zu vermeiden.
Das geht aber nicht auf.
Wenn man sich die Entwicklung der Staatswesen z.B. in Europa im Verlauf der vergangenen 200 Jahre ansieht weisen die in the long run eher Tendenzen dazu auf eigene Kompetenzen abzubauen.

Sei es nach innen hin, etwa durch Gewährung von Verfassungen, Grundrechten, Pressefreiheit etc. oder nach außen hin durch die Auslagerung im klassischen Sinne staatlicher Rechte an supranationale Organisationen.


Ach wenn wir über wirtschaftliche Kompetenzen reden, sieht es doch in der Regel anders aus. Wenn Staatswesen in der Tat eine Tendenz zeigen würden hier an ihren strategischen Möglichkeiten um jeden Preis festzuhalten, wäre z.B. der europäische Steinkohlenbergbau als Energiegewinnungsquelle nicht nach und nach mehr oder minder abgewickelt worden.
Auch etwa Beschlüsse zum Ausstieg aus der Atomenergie stehen dem entgegen (und sind ja durchaus keine deutsche Spezialität).

Durchforschen wir die menschliche Geschichte, so besteht diese weitestgehend aus Kriegen
Da würden dir die meisten Frühgeschichtler wahrscheinlich tendenziell wiedersprechen und geltend machen, dass Gewaltanwendung, im Besonderen unter nomadischen Gruppen, die einerseits die Möglichkeit haben sich auszuweichen, sich andererseits den Verlust vieler Gruppenmitgleider nicht leisten können, eher die Ausnahme ist.

Davon einmal abgesehen, sind die Kategorien von "Krieg" und "Frieden", als sich einandnder gegenüberstehende absolute Obtionen, wie Münkler mal bemerkt hat, eine eher neuzeitliche Vorstellung.

De facto hat es ja in der Geschichte durchaus verschiedene Einrichtungen, wie etwa das Fehdewesen gegeben, die auf Gewalt als Auskunftsmittel für Konflikte zurückgriffen, ohne dass es sich im modernen Sinne als "Krieg" bezeichnen lassen würde.

Nach Peter Mersch beginnt die Zivilisation erst mit der Akzeptanz des Eigentum.

Eigentum woran? An Grund und Boden, Produktionsmitteln, anderen Menschen, Tieren, sonstigen persönlichen Gegenständen ohne besondere Funktion?

Und wessen Eigentum? Das Eigentum derer, die in der Hackordnung oben stehen, das Eigentum von Menschen generell oder gar das Eigentum irgendwelcher Gottheiten?

Und welche Form von Eigentum? Individuelles Eigentum, Gemeineigentum oder beides?

Das müsste man, wenn man es als These bringen wollte schon etwas genauer ausdefinieren.


Dies setzt aber eine Gesellschaftsstruktur voraus welche solche Meilensteine wie Demokratie, Schrift und Sprache erfordert

Bei Sprache wäre ich einverstanden, weil die Anerkennung von Eigentum, natürlich erst einmal voraussetzt sich über die Idee von Eigentum zu verständigen, wie immer die präzise aussehen mag.

Inwiefern sind aber Schrift oder Demokratie notwendig um die Akzeptanz von Eigentum durchzusetzen?

Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren die meisten Menschen in Europa Analphabeten, die sich des Auskunftsmittels der Schrift nicht bedienen konnten.
Trotzdem konnten sie sich untereinander über Eigentumsfragen durchaus verständigen.

Mir sind auch eine Menge Gesellschaften bekannt, die das Konzept von Eigentum, auch als Rechtskategorie sehr wohl kannten, aber alles andere als demokratisch organisert waren.


Das Konzept, wie du es vorstellst, halte ich in dieser Form für weitgehend widerlegt und ziemlich unausgegoren.
 
Nach Peter Mersch beginnt die Zivilisation erst mit der Akzeptanz des Eigentum. Dies setzt aber eine Gesellschaftsstruktur voraus welche solche Meilensteine wie Demokratie, Schrift und Sprache erfordert.
Verzeihung, aber dass die Demokratie und die Schrift Voraussetzungen für die Akzeptanz des Eigentum sind, ist schlicht Blödsinn. Weil es Eigentum schon gab, bevor man so etwas wie Demokratie oder Schrift kannte. Selbst Hunde und Affen kennen so etwas wie Eigentum, jedenfalls verteidigen sie ihr Futter gegen jeden, der es ihnen wegnehmen will.

Aber eigentlich will ich auf etwas anderes hinaus: Seit dem 10. September versuchst du uns Peter Merschs "Systemische Evolutionstheorie" in jetzt 3 verschiedenen Fäden zu "verkaufen". Deine Beiträge gleichen sich im Inhalt, denn die Botschaft ist immer gleich: Peter Mersch sei der neue Darwin.

Es ist völlig okay, wenn du von ihm begeistert bist, aber bitte, versuche seine Theorie nicht auf alles anzuwenden, was halbwegs zu passen scheint.
 
Selbst Hunde und Affen kennen so etwas wie Eigentum, jedenfalls verteidigen sie ihr Futter gegen jeden, der es ihnen wegnehmen will.

Dem würde ich wiedersprechen wollen. Möglicherweise haben Hunde und Affen eine Vorstellung von "Besitz", aber nicht von "Eigentum" als rechlicher Kategorie.


Es ist völlig okay, wenn du von ihm begeistert bist, aber bitte, versuche seine Theorie nicht auf alles anzuwenden, was halbwegs zu passen scheint.

Warum nicht? Letztendlich sieht man bei einer Allgemeingültigkeit beanspruchenden Theorie doch erst durch die Anwendung auf verschiedene Kontexte, was sie tatsächlich taugt und wo ihre Probleme sind.
 
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