Beteiligung der Zivilbevölkerung am Judenpogrom

Noch ein Hinweis:
Die württ. SA hatte 1933 ein Millionen-Darlehn beim Württ. Staat aufgenommen, und nicht zurückgezahlt.
Als die Mahnungen (beim Geld vor allem war bei den Nazis die Freundschaft zu Ende) immer dringender wurde, kam von Berlin der Erlass:
"Die SA wäre "damals" (also 33) Truppe gewesen, das Geld sei demnach als Kosten der Landesverteidigung zu verbuchen"
Was für 1938 den Umkehrschluss zulässt, dass die SA da eben keine Truppe mehr war!


Nachweise für beides bei Bedarf gerne.

Dazu - nicht speziell zu diesem Fall - gibt es ein interessantes Urteil vom obersten Parteigericht: "Eine andere Frage ist die, ob der absichtlich unklar, in der Erwartung gegeben Befehl, der Befehlsempfänger werde den Willen des Befehlsgebers erkennen und danach handeln, nicht im Interesse der Disziplin der Vergangenheit angehören muss. In der Kampfzeit mochte er in einzelnen Fällen notwendig sein, um einen politischen Erfolg herbeizuführen, ohne dem Staat die Möglichkeit zu geben, die Urheberschaft der Partei nachzuweisen. Dieser Gesichtspunkt fällt heute weg. Auch die Öffentlichkeit weiß bis zum letzten Mann, das politische Aktionen wie die des 9. November von der Partei organisiert und durchgeführt sind, ob dies zugegeben wird oder nicht. [...] Der Soldat aber darf nicht in die Lage gebracht werden, Überlegungen anzustellen, was er nun eigentlich nach dem Willen des Befehlsgebers zu tun habe, ob der Befehl auch wirklich so gemeint sei, wie er lautet; denn möglicherweise kommen solche Überlegungen einmal in wichtigen Angelegenheiten zu einem falschen Ergebnis...." Zitiert nach Hofer, a.a.O.

Das Parteigericht versteht also die SA-Männer nach wie vor als Soldaten.
 
Damit wäre Goebbels der Urheber dieses Befehls.


Ich wage mal die Vermutung, dass es nicht belegt werden kann, analog dem "Befehl zum Holocaust".
Aber für mich gibt es keinen Zweifel, dass auch hinter diesen Schweinereien der Gröfaz persönlich steckt.
Das wurde auf "nationalsozialistische Art" geregelt.

Man beachte auch zB den "Röhmputsch" als noch viel mehr Rücksichten genommen werden mussten. Nix weiß man genau genommen.
 
Um die Reaktionen der Bevölkerung abschätzen zu können, kann man vielleicht vorsichtig Rückmeldungen wie die des Bielefelder Bürgermeisters Budde zu Rate ziehen.

Dieser meldete bei den Bielefeldern sei „das Verständnis für die Bekämpfung des Judentums unbedingt vorhanden, auch wird es allgemein als selbstverständlich hingenommen, wenn, um die Juden unschädlich zu machen, außerordentlich scharfe Maßnahmen zur Anwendung kommen.“

Kritik habe sich allerdings wegen der Zerstörung von Sachwerten bei dem Vorgehen gegen jüdische Geschäfte geregt. „Mit Kopfschütteln und z. T. eisigem Schweigen wurde dieser Tatbestand hingenommen.“ Laut Budde, da die zerstörten Werte „über kurz oder lang doch in arischen Besitz übergegangen“ wären.

„Des Weiteren war in der Bevölkerung auch sofort bekannt, daß es sich hier nicht um eine spontane Entrüstung des Volkes gehandelt hat, sondern, daß hier ein Vorgang zur Auslösung kam, der organisiert war.“

Budde hatte darüber hinaus Probleme mit der undurchsichtigen Befehlskette, die zu der Aktion geführt habe. Da gegen bestehendes Recht verstoßen worden wäre, hätte nur der „Führerwille“ das Vorgehen legitimieren können. Ob er selbst den „Willen des Führers“ erfüllt habe, daran zweifle er. Ihm sei lediglich von der Gestapo mitgeteilt worden, die Ordnungspolizei habe sich desinteressiert zu zeigen. Die aus seiner Sicht fehlende Legitimation war für Budde nicht mit seinem Diensteid zu vereinbaren.

Bei einer Ausstellung vor einigen Jahren, war mir auch besonders das Desinteresse der Feuerwehr aufgefallen. In Bielefeld sei die Feuerwehr erst 4 Stunden nach der Brandstiftung zu der Synagoge gerufen worden. Da das Feuer nicht mehr zu löschen war, sind nur die Nachbarhäuser geschützt worden. Ähnliches habe ich für die Umgebung von Bielefeld in Erinnerung. Ein Bild im genannten Werk macht schnell deutlich, dass Synagoge und Feuerwache in direkter Nachbarschaft lagen (Turnerstraße und Kesselbrink). Die hätte man nicht rufen müssen, die konnten das Feuer knistern hören.

Erwähnt wird der Tagebucheintrag eines jüdischen Mädchens, aus dem hervorgeht, dass ein Lehrer („ein berüchtigter Nazi“), die Kinder zu der brennenden Synagoge geschickt habe. Er hielt es wohl für lehrreich. Eine andere Lehrerin habe den in der Schule verbliebenen jüdischen Kindern gegenüber ihr Bedauern ausgedrückt.

Solche Rückmeldungen müssen doch auch zentral ausgewertet worden sein. Das war doch sicher sehr interessant für die Nazis. Kann man die Pogrome im November 1938 nicht vielleicht auch als eine Art „Testlauf“ betrachten. An Hand der Reaktionen der Bevölkerung konnte man die weitere Vorgehensweise gegen die Juden in Deutschland planen.

Quelle: Im Zeichen des Hakenkreuzes; Bielefeld 1933 - 1945. Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek, Bielefeld. 1983

Die von mir zitierten Textstellen finden sich auf S.123
 
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