Preußen war vom militärischen Potential her der stärkste deutsche Teilstaat und konnte es sich wohl kaum erlauben, sich einfach auf die anderen Staaten zu verlassen und darüber das eigene Militär zu vernachlässigen.
Wer spricht davon das eigene Militär zu vernachlässigen?
Das ab und an etwas für die Reorganisation und Verbesserung des Militärs getan werden musste, ist völlig klar, dass stellte ja grundsätzlich niemand in Frage.
Noch unter Friedrich Wilhelm IV. waren von Preußen auch Initiativen zur Vergrößerung des Bundesheeres (also auch der preußischen Armee) und zur Verstärkung und besseren Armierung der Bundesfestungen ausgegangen.
Es ist aber in meinen Augen Humbug aus dem Umstand, dass es keinen größeren nummerischen Aufwuchs der regulären Armee mehr gab schließen zu wollen, dass keine Verbesserungen vorgenommen worden wären und man auf eine Vernachlässigung schließen könnte.
In Sachen Zündnadelgewehr und serienmäßiger Einführung von Hinterladern, damit verbunden wesentlich höhere Schussfrequenz, niedrigere Verlustraten, weil diese Waffen auch in Deckung nachgeladen werden konnten, und damit auch verbunden revolutionierun der militärischen Taktik, weg vom sperrigen unfelxiblen Formationsdenken, passierten ja durchaus Innovationen, die gutgeheißen wurden und zum Teil bereits vor dem Verfassungskonflikt angepackt waren.
In Sachen nummerischer Stärke weise ich noch einmal auf die Landwehr hin, die man nicht einfach so unter den Tisch fallen lassen kann. Die war keine im Frieden präsente Truppe, konnte aber im Kriegsfall das reguläre Heer zügig aufwachsen lassen und das Rekrutierungspotential stieg natürlich mit der wachsenden Bevölkerung und dem pool aus dem aktiven Dienst ausgeschiedener aber militärisch ausgebildeter Kader weiter an.
Bis in die 1860er Jahre hinwein, war Preußen nicht der Teilstaat mit dem größten militärischen Potential, dass war grundsätzlich unangefochten Österreich, was den Rekrutierungspool betrifft.
Österreich geriet in den 1860er Jahren Waffentechnisch bei der Infanterie gegenüber Preußen in Rückstand (nicht aber bei der Artillerie, die durchaus der Preußischen in Teilen überlegen war).
Das Österreichische Problem in dieser Zeit war eher finanzieller Natur, weil die Industrialiserung erst später in Gang gekommen war, dementsprechend die Kassen durch den wirtschaftlichen Fortschritt weniger gut gefüllt, weil der Krieg mit Frankreich 1859/1860 weitere finanzielle Lücken gerissen hatte, verstärkt durch den Verlust einer tendenziell eher reichen Provinz, der ausgeglichen werden musste und weil Österreichs Regierung unklugerweise am Experiment des Neoabsolutismus festhielt, was nicht unbedingt dafür sorgte, dass sich kapitalstarke Interessensgruppen ohne entsprechenden Stand bei Hofe besonders für diese Politik begeisterten.
Der Umstand, dass man in Österreich auf die flächendeckende Einführung von Hinterladern verzichtete, was Preußen 1866/1867 einen wichtigen Vorteil verschaffte, war nicht zuletzt auch (neben dem Konservatismus der Militärs) dem Umstand geschuldet, dass man in Österreich eine Kostenexplosion, wegen des höheren Munitionsverbrauchs fürchtete.
Das aber war ein kurzfristiges fiskalisches Problem, kein Problem des grundsätzlichen militärischen Potentials und hätte eine oder anderthalb Dekaden weiter, wäre es 1866/1867 nicht zum Krieg gekommen, schon völlig anders aussehen können.
Die damalige Umstände öffneten in den 1860er Jahren ein Zeitfenster dass eine temporäre preußische Überlegenheit gegenüber Österreich ermöglichte.
Es war aber alles andere als ausgemacht, dass das von Dauer sein würde.
Und was das Verlassen angeht:
Das Verlassen darauf Gefahren nicht allein gegenübertreten zu müssen, war Geschaftsgrundlage des Deutschen Bundes.
Das bedeutete nicht, dass man das Ausbaden militärischer Probleme völlig anderen überlassen konnte, aber man muss nicht so tun, als wäre der Bund grundsätzlich eine völlig impotente quantité négligiable gewesen, von der keine Unterstützung zu erwarten gewesen wäre.
Preußen konnte sich nicht darauf verlassen, dass ein Bundesheer alle eine Probleme lösen würde, aber es konnte sich darauf verlassen, dass ihm im Falle eines Angriffs einer auswärtigen Macht eines zur Hilfe kommen würde (und zwar im Fall Österreichischer Mitwirkung ein durchaus nicht zu unterschätzedens) und dass man nicht allein gegen Frankreich oder Russland würde antreten müssen (jedenfalls nicht, wenn man keine agressiven Ziele verfolgte).
Auch Wien scheute sich nicht zu versuchen das Bundesheer zu aktivieren, wenn es ihm nützlich erschien (1859, 1866).
Das ist jetzt aber extrem verkürzt dargestellt. Erstens hatte Dänemark den Krieg mit dem Bruch des Londoner Protokolls von 1852 durch die Novemberverfassung 1863 selbst provoziert. Zweites erfolgte die Bundesexekution im Dezember desselben Jahres formal gegen Holstein und Lauenburg, also Mitgliedstaat im Deutschen Bund. Der eigentliche Krieg gegen Dänemark wurde dann ja nur von Preußen und Österreich, ohne einen Beschluss des Deutschen Bundes geführt.
Eben, der Krieg gegen Dänemark (und davon rede ich, nicht von der Bundesexekution) wurde von Preußen und Österreich zusammen betrieben, obwohl keine der beiden Parteien oder ein anderes Mitglied des Deutschen Bundes vom Königreich Dänemark militärisch angegriffen worden war oder sonst wie in seiner Souveränität beeinträchtigt war.
@Turgot hatte ein preußisches Eingreiffen zu Gunsten Österreichs für abwegig erklärt, weil Österreichs Krieg gegen Sardinien-Piemot nicht von der Bundesakte gedeckt war, da kein Verteidigungskrieg.
Mit anderen Worten, er erklärt ein Zusammengehen mit Österreich außerhalb bestehender Bündnisverpflichtungen für abwegig.
Aber 1864 griffen, was den Krieg gegen Dänemark und die Aneignung der Elbherzogtümer durch die beiden deutschen Vormächte angeht, die Bundesakte mit dem Verteidigungfall auch nicht, mit diesem Handeln ging man deutlich über die Bundesakte hinaus und weder Wien, noch Berlin schienen eine solche Kooperation irgendwie für absurd zu halten, denn sonst hätten sie sie ja nicht betrieben.
Conclusion: Nur weil Turgot ein solches kooperativs Handels auch bei aggressiven Zielen für abwegig erklärt, mussten das die Zeitgenossen noch lange nicht so sehen, jedenfalls nicht prinzipiell.
Ich glaube kaum, dass Preußen ein Interesse daran haben konnte, in die Verteidigung des Habsburger Reiches in Italien (oder auch auf dem Balkan, das wäre ja dann quasi der nächste logisch Schritt), also von Gebieten, die mit dem Deutschen Bund nichts zu tun hatten, involviert zu werden und umgekehrt konnte Österreich kein Interesse daran haben, dass Preußen seine Stellung in Norddeutschland ausbaute.
Vom Balkan redete ich nicht.
Das wäre in der Tat kaum angegangen, weil das Preußen in Gegensatz zu Russland hätte bringen können.
Es hatte aber in der Revolutionszeit von 1848-1851 einen Präzedenzdall für die Erweiterung des Bundesgebietes gegeben.
1848 hatte hatte die Frankfurter Bundesversammlung die Aufnahme der preußischen Ostprovinzen, Ost- und Westpreußen und auch des Löwenanteils der überwiegend polnischsprachigen Provinz Posen in den Deutschen Bund beschlossen.
Die Rückabwicklung und der erneute Ausschluss der Provinzen aus dem deutschen Bund, 1851 auf Betreiben Österreichs, dass Preußen im Bund nicht nicht gestärkt sehen wollte, waren eine Folge der "Olmützer Punktation", von 1850, in der auch die Erfurter Union rückabgewickelt und der alte Zustand des Bundes weitgehend (bis auf kleinere Veränderungen, wie der Anschluss von Sigmaringen und Hechingen an Preußen) wiederhergestellt wurde.
Die Konsequenz dieses Vorgangs ist aber, dass der deutsche Bund durchaus auf Beschluss eines Bundesorgans erweitert werden konnte, Berlin hatte das 1848 de facto anerkannt und Wien würde gegen Bundesschutz für Lombardo-Venezien kaum etwas einzuwenden gehabt haben.
Die Aufnahme der beiden italienischen Territorien in den Deutschen Bund und damit die Festlegung darauf an ihrer Verteidigung mitzuwirken, wäre von dem her etwas gewesen, dass Berlin im Sinne eines Handels durchaus hätte anbieten können, um sich im Gegenzug für eine Stärkung Österreichs im Süden eine eigene Stärkung im Norden zu erkaufen.
Aufnahme Lombardo-Veneziens in den Deutschen Bund und Abtretung der beiden Exklaven in Würtemberg, im Gegenzug für ein Wiener Placet für eine Neuauflage einer verkleinerten Erfurter Union unter preußischer Führug im Norden.
Warum wäre das so abwegig gewesen?
@Turgot, beklagt, dass Wien auf die preußischen vorschläge für eine Reform des Bundes nicht einging, aber diese Vorschläge liefen darauf hinaus Preußen Parität zuzugestehen und es damit in allen deutschen Fragen zur Veto-macht zu machen.
Das Wien das nicht wollte und da lieber die Lombardei abtrat, als in Deutschland preußische Dauerobstruktion zu ermöglichen und überhaupt nichts mehr durchsetzen zu können, ist schon verständlich.
Wenn man demgegenüber ein Angebot gemacht hätte, dass Preußens Interessensphäre eindeutig auf den Norden begrenzt hätte, bei dem Preußen sich aus Süddeutschland (Sigmaringen/Hechingen) zurückgezogen und Österreich in Italien unterstützt hätte, wäre demgegenüber für Wien möglicherweise azeptabel gewesen, weil es dann nicht nur auf Einfluss hätte verzichten müssen, sondern auch etwas dafür bekommen hätte.
Während die Akzeptanz der Parität mit Preußen ohne dauerhafte Sichherheiten für die italienischen Gebiete, darauf hinausgelaufenn wäre eine lediglich einmalige Hilfe mit einem dauerhaften Machtverlust in Deutschland zu erkaufen.
Ich denke es kommt schon nicht nur darauf an, dass Preußen sich darin einließ Dinge vorzuschlagen, sondern auch darauf, worin diese inhaltlich bestanden