Boxeraufstand in China: ein Völkermord Kaiser Wilhelm II.?

Ich habe bin fündig geworden.

Der authentische Text war in der Weserzeitung, der Bremerhavener Zeitung und der Hamburger Nachrichten erschienen. "Unter diesen Umständen ist natürlich jeder Versuch zu unterlassen, den von den genannten Blättern gebrachten ausführlichen Text anzuzweifeln", befahl der Staatssekretär von Bülow dem Auswärtigen Amt.

Röhl, Wilhelm II. , Band 3, Der Weg in dem Abgrund, S. 111
 
Schön, dass der Thread mal wiederbelebt wird, auch wenn das meiste schon dran war.

Das stimmt so nicht. Es waren gleich mehrere Lokale Zeitungen (z.B. die Nordwestdeutsche Zeitung aus Bremen,das Hamburger Fremdenverkehrsblatt, die Weserzeitung und das Wilhelmhavener Tageblatt) die die die Rede im Originalwortlaut mit geringen Abweichungen voneinander veröffentlichten.
Ausserdem war es nicht ein Journalist der "heimlich" auf einem nahen Dach saß, sondern auf einem Foto des Ereignisses (s.u.) kann man sehen, dass auf einem Dach direkt gegenüber des Kaisers, ein ganzer Pulk an Journalisten saß die Mitschrieben.
Der amtliche Text wurde erst im Nachhinein aus Berlin verteilt und dann auch noch in drei verschiedenen Fassungen, zwei kürzeren und dann einer längeren die der ursprünglichen auch näher kam. Die von der Presse veröffentlichten sind da schon plausibler und schlüssiger.

Die Rede wurde auch in diesem Sinne von den verabschiedeten Soldaten verstanden und in Briefen zitiert, und es wurd eim Nachhinein im Reichstag besprochen, im Zusammenhang mit der Diskusion über das im Auge einiger Abgeordneten rechtswidrige Verhaltens deutscher Truppen in China und der Erschiessung Gefangener.

Das Ganze wurde 1976 von Bernd Sösemann in der Abhandlung "Die sog. Hunnenrede Wilhelms II, textkritische und interpretatorische Bemerkungen zur Ansprache des Kaisers vom 27. Juli 1900 in Bremerhaven" veröffentlicht in "Historische Zeitschrift, Band 222" detailliert untersucht.

Die von Bülow zensierte, "offiziöse" (im nichtamtlichen Teil des Reichsanzeigers veröffentlichte) wird hier der in der Nordwestdeutschen Zeitung veröffentlichten - dem Original näherkommenden - Version gegenübergestellt:

(GES,M) Kaiser Wilhelm II: Der Text der "Hunnenrede" - Eine Gegenüberstellung der beiden Versionen

Von Bülow hat die Rede in vielen Formulierungen geändert und insgesamt etwa um ein Drittel gekürzt. Wilhelm II. soll darob "not amused" gewesen sein:

Bei der Abendtafel wurden die Zeitungen gebracht. Der Kaiser griff nach ihnen und wahr sehr verwundert, seine Rede nur in der ihr von mir gegebenen Fassung, d. h. unter Weglassung der bedenklichen Wendungen, zu finden. "Sie haben ja gerade das Schönste weggestrichen", meinte er zu mir, der ich ihm gegenübersaß, weniger erzürnt als enttäuscht und betrübt. Da wurde ein kleines, in Wilhelmshaven erscheinendes Blatt gebracht, das die kaiserliche Rede in extenso veröffentlicht hatte. Ein Mitarbeiter dieses Blättchens hatte, auf einem Dache sitzend, die Rede nachstenographiert und sofort publiziert, ohne daß Wiegand oder ich es hatten hindern können. Er hatte auch schon die betreffende Nummer seines Blattes nach Bremen, Hamburg, Hannover, Emden und Berlin in Tausenden von Exemplaren expediert, froh über das gute Geschäft, das er machen würde. Der Kaiser war entzückt, als er nun seine Rede in ihrem vollen Wortlaut las, aber weniger erfreut, als ich, während er nachher seine Zigarre rauchte, ihn über seine Auslassungen zur Rede stellte ...





Die Version, die Sösemann zitiert, entstammt der "Weser-Zeitung" und dem "Wilhelmshavener Tagblatt" vom 29. Juli.
Sie ähnelt sehr der oben verlinkten unzensierten Version, weicht aber in einzelnen Formulierungen ab. Ich zitiere sie komplett:

"Die Ansprache des Kaisers an die Truppen des ostasiatischen Expeditionskorps lautet, wie die hiesige Filiale des officiösen Wolff'schen Telegraphenbureaus meldet, wörtlich wie folgt:


Zum ersten Mal, seitdem das deutsche Reich wieder erstanden ist, tritt an Sie eine große überseeische Aufgabe heran. Dieselben sind früher in größerer Ausdehnung an uns herangetreten, als die meisten Meiner Landsleute erwartet haben. Sie sind die Folgen davon, daß das deutsche Reich wieder erstanden ist und damit die Verpflichtung hat, für seine im Auslande lebenden Brüder einzustehen, im Momente der Gefahr. Mithin sind nun die alten Aufgaben, die das alte römische Reich nicht hat lösen können, von neuem hervorgetreten und das neue deutsche Reich ist in der Lage, sie zu lösen, weil es ein Gefüge bekommen hat, das ihm die Möglichkeit dazu giebt. Durch unser Heer, in 30jähriger angestrengter, harter Friedensarbeit, sind viele hunderttausende von Deutschen zum Kriegsdienst herangebildet worden. Ausgebildet nach den Grundsätzen Meines verewigten großen Großvaters, bewährt in drei ruhmvollen Kriegen, sollt Ihr nunmehr auch in der Fremde drüben [Zeugniß] ablegen, ob die Richtung, in der wir uns in militärischer Beziehung bewegt haben, die rechte sei. Eure Kameraden von der Marine haben uns schon gezeigt, daß die Ausbildung und Grundsätze, nach denen wir unsere militärischen Streitkräfte ausgebildet haben, die richtigen sind und an Euch wird es sein, es ihnen gleich zu thun. Nicht zum geringsten erfüllt es uns alle mit Stolz, daß gerade aus dem Munde auswärtiger Führer das höchste Lob unseren Streitern zuerkannt wurde.
Die Aufgabe, zu der Ich Euch hinaussende, ist eine große. Ihr sollt schweres Unrecht sühnen. Ein Volk, das, wie die Chinesen, es wagt, tausendjährige alte Völkerrechte umzuwerfen und der Heiligkeit der Gesandten und der Heiligkeit des Gastrechts in abscheulicher Weise Hohn spricht, das ist ein Vorfall, wie er in der Weltgeschichte noch nicht vorgekommen ist und dazu von einem Volke, welches stolz ist auf eine vieltausendjährige Cultur. Aber Ihr könnt daraus ersehen, wohin eine Cultur kommt, die nicht auf dem Christenthum aufgebaut ist. Jede heidnische Cultur, mag sie noch so schön und gut sein, geht zu Grunde, wenn große Aufgaben an sie herantreten. So sende ich Euch aus, daß Ihr bewähren sollt einmal Eure alte deutsche Tüchtigkeit, zum zweiten die Hingebung, die Tapferkeit und das freudige Ertragen jedweden Ungemachs und zum dritten Ehre und Ruhm unserer Waffen und Fahnen. Ihr sollt Beispiele abgeben von der Manneszucht und Disciplin, aber auch der Ueberwindung und Selbstbeherrschung. Ihr sollt fechten gegen eine gut bewaffnete Macht, aber Ihr sollt auch rächen, nicht nur den Tod des Gesandten, sondern auch vieler Deutscher und Europäer. Kommt Ihr vor den Feind, so wird er geschlagen, Pardon wird nicht gegeben; Gefangene nicht gemacht. Wer Euch in die Hände fällt, sei in Eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Ueberlieferung gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutschland in China in einer solchen Weise bekannt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen. Ihr werdet mit Uebermacht zu kämpfen haben, das sind wir ja gewöhnt, unsere Kriegsgeschichte beweist es. Ihr habt es gelernt aus der Geschichte des Großen Kurfürsten und aus Eurer Regimentsgeschichte. Der Segen des Herrn sei mit Euch, die Gedanken eines ganzen Volkes begleiten Euch, geleiten Euch auf allen Euren Wegen. Meine besten Wünsche für Euch, für das Glück Eurer Waffen werden Euch folgen! Gebt, wo es auch sei, Beweise Euren Muthes, und der Segen Gottes wird sich an Eure Fahnen heften und es Euch geben, daß das Christentum in jenem Lande seinen Eingang finde. Dafür steht Ihr Mir mit Eurem Fahneneid, und nun glückliche Reise. Adieu Kameraden."

Gerade sehe ich, dass ich den Link dazu vergessen habe:
Bülow zur Hunnenrede
 
Tut mir sehr leid. Ich habe nicht den Faden von vorn bis hinten durchgelesen. Da du dich durch die Blume beklagst, warum hättest du es sonst für erforderlich gehalten, dies hier extra zu erwähnen?, über die eben teilweise doppelte Information, habe ich eine Frage: Wo liegt nun eigentlich der tatsächliche Mehrwert deines Beitrages?
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben