BVG und BGH in Karlsruhe

Arne

Premiummitglied
Wie kam es eigentlich zu der Versammlung von Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe? Zwei wichtige Gerichte in einer Stadt, die vorher keine ähnlichen Reichsbehörden beheimatete.


War das so eine Art "Entschädigung", im Zusammenhang damit, daß Stuttgart Hauptstadt des neuen Bundeslandes wurde?
 
Wie kam es eigentlich zu der Versammlung von Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe? Zwei wichtige Gerichte in einer Stadt, die vorher keine ähnlichen Reichsbehörden beheimatete.


War das so eine Art "Entschädigung", im Zusammenhang damit, daß Stuttgart Hauptstadt des neuen Bundeslandes wurde?


so habe ich das zumindest verstanden.
So ist das eben im Förderalismus.
Wobei ich auch keine Ahnung habe, wieso das Reichsgericht einst ausgerechnet in Leipzig gelandet ist.
Wird ähnliche Gründe gehabt haben.

(aber unsere anderen Hauptstädtchen Freiburg und Tübingen gingen ganz leer aus)
 
Aus der NJW 2002
Index.html

Zit".....Dass angesichts dieses facettenreichen Befundes aus der Vorzeit der Residenz des Rechts von fehlender Rechtstradition nicht die Rede sein kann, möge allseits einleuchten"

Ich glaub die haben Angst wie damals in Bonn=)
 
Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 stellte sich neben der Hauptstadtfrage auch die Frage nach dem Sitz der höchsten Deutschen Gerichte.
Nach der örtlichen Zentralisierung der höchsten Instanzen von Legislative, Judicative und Executive im Dritten Reich[2] wurden der Sitz der Regierung und der Sitz der höchsten Gerichte auf die Städte Bonn und Karlsruhe verteilt. Das Kabinett war der Meinung, dass der Bundesgerichtshof seinen Sitz nicht am Sitz der Bundesregierung haben darf. Die obersten Gerichtshöfe und die parlamentarischen Instanzen sollten an verschiedenen Orten angesiedelt sein, damit auch die räumliche Distanz zur Regierung die politische Unabhängigkeit der höchsten Richter ausweist.[3]
Karlsruhe bot sich als „Residenz des Rechts” aufgrund der schon früh entwickelten Rechtstradition an.
Stadt des Rechts - Fischer Rechtsanwälte - Rechtsanwalt Andreas Fischer, Karlsruhe
 
Es ehrt Fischer, dass er für seine Heimatstadt eintritt. Blogger Karsten Schmelzle sieht es so (Unterstreichungen von mir, js):
1950 wurde der Bundesgerichtshof gegründet. Neben Karlsruhe bewarben sich auch noch Kassel, wegen seiner zentralen geografischen Lage und Köln, was von Adenauer favorisiert wurde. Karlsruhe erhielt den Zuschlag, weil hier das Erbgroßherzogliche Palais (Kriegsstaße/Herrenstraße) und eine entsprechende Anzahl bezugsfertiger Wohnungen zur Verfügung stand. Angeblich hatten die Kölner noch versucht die Karlsruher Bewerbung mit Hilfe eines Fotos des zerstörten Schlosses zu torpedieren.
Als 1951 dann das Bundesverfassungsgericht gegründet wurde, zog auch dieses nach Karlsruhe. Gründe hierfür waren, dass einige Bundesrichter am BGH auch Verfassungsrichter waren (es gab wohl zu wenige erfahrene und unbelastete Juristen) und das man die Idee hatte einige Infrastrukturen gemeinsam zu nutzen, wie bspw. Bibliothek, was aber nie stattfand. Das BVerfG residierte bis 1969 im Prinz-Max-Palais in der Karlstraße. [...] Es gibt also keine lange Rechtstradition in Karlsruhe. Auch das immer wieder geäußerte Argument, wonach man Karlsruhe für den Verlust der Landeshauptstadt entschädigen wollte zieht auch nicht unbedingt, den bei den Nationalsozialisten wäre Straßburg die Gauhauptstadt geworden. Aber fürs Stadtmarketing ist allemal gut.
(Blog Export: KarstenÂs)
 
Es ehrt Fischer, dass er für seine Heimatstadt eintritt. Blogger Karsten Schmelzle sieht es so (Unterstreichungen von mir, js):
Das ist ja auch nicht der Weisheit letzter Schluß. Das Standortgeschachere nach dem deutschen Karthago ist der Erinnerung wert.

Seriöse Darstellung:
Am.12 September 1949 wurde der DVP-Abgeordnete Professor Dr. Theodor Heus zum ersten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Regierung und Landtag suchten den Zentralitätsverlust, den Karlsruhe, die ehemalige Landeshauptstadt, seit 1945 erlitten hatte, nicht nur durch Industrieansiedlungen auszugleichen. Im Herbst 1949 beschloß der Ministerrat in Stuttgart, bei der Bundesregierung zu beantragen, dass Karlsruhe zum Sitz des Bundesverwaltungs- und des Bundesarbeitsgerichts bestimmt werde. Dies ließ sich zwar nicht erreichen. Dafür würde die Stadt 1950 Sitz des Bundesgerichtshofs. [...] 1951 kam das Bundesverfassungsgericht hinzu...
Paul Sauer, Nordbaden in
Becker, Josef / Gall, Lothar u.a: Badische Geschichte vom Großherzogtum bis zur Gegenwart. Herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung Baden - Württemberg.
Stuttgart, 1979

Oder:
Nach Abschluß der Tagesordnung wird noch der Punkt „Sitz der Bundesgerichte und Bundesoberbehörden", der nach Mitteilung des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates für eine der nächsten Kabinettssitzungen vorgesehen war, behandelt...
Kabinettsprotokolle Online "A. Sitz der Bundesgerichte und Bundesoberbehörden" (2.18.8:)
 
Schönen Dank für die erhellenden Hinweise.

Ich ziehe den Schluß, daß man BGH und BVG an einem Ort ansiedelte, weil
a) es zeitweise personelle Doppelbesetzungen gab
b) die Gerichte ursprüngliche gemeinsame Infrastrukturen nutzen sollten
c) die Bundesregierung der Meinung war daß die beiden obersten Gerichte einen gemeinsamen Sitz haben sollten (warum bleibt unklar)
 
c) die Bundesregierung der Meinung war daß die beiden obersten Gerichte einen gemeinsamen Sitz haben sollten (warum bleibt unklar)
Nix ist da unklar. Die Nordbadener, die Südbadener, die Württemberger und die Hohenzollern, kurz: Alle in diesem zusammengewürfelten Länderkonstrukt waren sich einig und haben die Initiative ergriffen. Abgestimmt wird über das, was auf der Tagesordnung steht. Da haben andere Länder(und -konstrukte) gepennt.
 
Nix ist da unklar. Die Nordbadener, die Südbadener, die Württemberger und die Hohenzollern, kurz: Alle in diesem zusammengewürfelten Länderkonstrukt waren sich einig und haben die Initiative ergriffen. Abgestimmt wird über das, was auf der Tagesordnung steht. Da haben andere Länder(und -konstrukte) gepennt.

Das kann man so sehen (und geschachert wird in solchen Dingen ja bis heute - siehe die 2008 errichtete Nationalakademie.)

Vielleicht ist es erwähnenswert, dass es zunächst nur 4 obere Gerichte zu verteilen gab: für die ordentliche, die Verwaltungs-, die Finanz- und die Arbeitsgerichtsbarkeit. Das nach GG vorgesehene "Oberste Bundesgericht" ist nie gebildet worden. Ob die "Kombination" BGH+BVerfG zwingend war, sei dahingestellt; BVerwG+BVerfG war - von der Rechtsmaterie her - noch etwas plausibler, verbot sich aber wegen der exponierten Lage Berlins.
 
Das kann man so sehen (und geschachert wird in solchen Dingen ja bis heute - siehe die 2008 errichtete Nationalakademie.)

Vielleicht ist es erwähnenswert, dass es zunächst nur 4 obere Gerichte zu verteilen gab: für die ordentliche, die Verwaltungs-, die Finanz- und die Arbeitsgerichtsbarkeit. Das nach GG vorgesehene "Oberste Bundesgericht" ist nie gebildet worden. Ob die "Kombination" BGH+BVerfG zwingend war, sei dahingestellt; BVerwG+BVerfG war - von der Rechtsmaterie her - noch etwas plausibler, verbot sich aber wegen der exponierten Lage Berlins.


Aber verteilt wurde duch letztlich quer durch die Republik.
Patentamt München, Arbeitsamt Nürnberg, Bundesbank Ffm. mehr fallen mir auf die Schnelle nicht ein, aber ich denke mal, dass versucht wurde "allen" was vom Kuchen zukommen zu lassen.
 
Aber verteilt wurde duch letztlich quer durch die Republik. Patentamt München, Arbeitsamt Nürnberg, Bundesbank Ffm
Ja klar, wobei die Bayern aus ökonomischer Sicht den besten Schnitt gemacht haben. Merkwürdig, dass mir spontan für Niedersachsen und Schleswig-Holstein nichts Spektakuläres einfällt - waren das vielleicht die "loser"?
 
Ja klar, wobei die Bayern aus ökonomischer Sicht den besten Schnitt gemacht haben.
Nicht wirklich. Seinerzeit war ja nicht absehbar, daß das Arbeitsamt einmal derart wachsen würde.

Nach NRW mit dem Hauptgewinn Bundeshauptstadt haben sich wohl Hessen und BaWü die besten Pfründen gesichert.

Wobei Hessen das wohl nur über die Bankenbedeutung Frankfurts geschafft hat.
Ansonsten liegt der Verdacht nahe, daß damals wie heute oder überhaupt schon immer auch nach politischen Gesichtspunkten verteilt wurde, d.h. die Bundesinstitutionen vorwiegend an Länder verteilt wurden, die parteipolitisch mit der Bundesregierung harmonierten.
Da blieben halt für "rote" Länder nur die Trostpreise à la PTA Braunschweig oder der intensive Blick in die Röhre (Bremen, Schleswig-Holstein).
 
R.A. schrieb:
Da blieben halt für "rote" Länder nur die Trostpreise à la PTA Braunschweig oder der intensive Blick in die Röhre (Bremen, Schleswig-Holstein).

Na ja, Hessen war damals auch "rot" und Georg August Zinn saß ab 1950 als Ministerpräsident so fest im Sattel, dass man ihn fast als letzten Kurfürsten bezeichnen möchte.
 
Ansonsten liegt der Verdacht nahe, daß damals wie heute oder überhaupt schon immer auch nach politischen Gesichtspunkten verteilt wurde, d.h. die Bundesinstitutionen vorwiegend an Länder verteilt wurden, die parteipolitisch mit der Bundesregierung harmonierten.
Da blieben halt für "rote" Länder nur die Trostpreise à la PTA Braunschweig oder der intensive Blick in die Röhre (Bremen, Schleswig-Holstein).

Vielleicht haben die dann mehr Bundeswehrstandorte bekommen:cool:

Es gibt doch auch heute zB MdB oder MdL die unabhänig vom Parteibuch erstaunlichstes für Ihre Wahlkreise herausholen, während andere alles verschlafen, und oftmals! die besseren Wahlergebnisse holen...
Versteh einer die Welt.
 
Vielleicht haben die dann mehr Bundeswehrstandorte bekommen:cool:/QUOTE]
Na ja, bei denen ging es doch eher darum (jedenfalls bei der Anfangsverteilung), was an Reichswehrinfrastruktur noch da war (und noch nicht von den Alliierten benutzt wurde) - und etwas spielten ja auch strategische Gesichtspunkte eine Rolle.

Es gibt doch auch heute zB MdB oder MdL die unabhänig vom Parteibuch erstaunlichstes für Ihre Wahlkreise herausholen, während andere alles verschlafen, und oftmals! die besseren Wahlergebnisse holen...
Leider richtig.
Die meisten Bürger können halt nicht nachvollziehen, ob "ihr" Abgeordneter bei einer Entscheidung wirklich etwas bewirkt hat oder nicht.
Und da zählt dann im Zweifelsfall die Präsenz auf dem Vereinsfest mehr als die Arbeit irgendwo in der Hauptstadt.
 
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