Dieter schrieb:
Trotz deiner verbalen Künste kannst du mich nicht davon überzeugen, dass ein in unzählige Länder zersplitterter Staat vorteilhafter und effektiver ist, als ein Einheitsstaat oder einer, der lediglich aus wenigen Regionen besteht. Das gilt für die Neuzeit ebenso wie für das Mittelalter. Stell dir doch einmal vor, die Bundesrepublik bestünde aus etwa 100 Territorien (das Heilige Römische Reich hatte sogar nahezu 300 !!): 100 Ministerpräsidenten, 100 Landtage bzw. Parlamente, vor allem eine hundertfach aufgeblähte Bürokratie - kaum auszudenken, was solch ein staatliches Unikum an Geldern verschlingt, wie ineffizient es arbeitet und welchen Schaden eine Wirtschaft erleidet, die hundert Zollgrenzen überwinden muss!
Vielleicht gehst du einfach von (meiner Meinung nach) falschen Voraussetzungen aus: Für dich scheint sich staatliche Effektivität primär daraus zu ergeben, dass oben einer sitzt, der das Sagen hat, und der ganze Rest bitteschön nicht zu widersprechen hat - damit wäre ja die Effizienz des ganzen Staatswesens dahin. Du übersiehst dabei aber, dass Mitsprache, Machtbeteiligung und Repräsentativität elementare Elemente für die Funktionsfähigkeit eines Staates sind, heute wie zu jedem Zeitpunkt in der Geschichte auch. Ich wiederhole gerne noch einmal die oben genannten Begriffe Subsidiarität und Integration; Regionen und regionale Herrschaftsträger können gewisse Fragen einfach besser lösen als eine entfernte Zentralregierung (in Mittelalter sind sie häufig die einzigen, die manche Probleme überhaupt lösen können), und ihre Vertretung und Einbindung in den Gesamtstaat stärkt eher dessen Strukturen als dass sie sie schwächt. Das Mittelalter kennt die Frage von reichsfernen und reichsnahen Regionen, interessanterweise waren die reichsnahen Regionen durchaus die Gegenden, in denen starke Fürstengewalten vorherrschten - und das ist kein Zufall. Oder schauen wir uns die Zeit nach Friedrichs II. Tod an: Es bilden sich in einem langsamen Prozess die Kurfürsten heraus und übernehmen zentrale Funktionen für Bestand und Handlungsfähigkeit des Reiches - ein weiteres Beispiel dafür, wie starke Fürstenmacht und Funktionieren des Reiches miteinander einher geht.
Letztendlich ist die Summe der in einem Staat versammelten politischen Körperschaften egal, gleich ob es 16 Bundesländer, 100 oder 300 Reichsterritorien sind (ganz abgesehen davon, dass man auf eine Zahl von 300 nur durch Addition aller reichsunmittelbaren Herrschaften kommt, die aber keinesfalls alle Sitz und Stimme auf dem Reichstag hatten): es kommt allein auf die Organisation dieser Körperschaften an, darauf, wie ihre Zusammenarbeit gestaltet ist - und genau an diesem Punkt ist folgende Aussage schlichtweg vollkommen falsch:
Dieter schrieb:
Die regionalen Instutionen des Reichs waren übrigens machtlos bzw. ständig blockiert. Als der alte Maximilian das ändern wolllte, hat er ganz schön auf Granit gebissen. Reichstag und Reichsgericht waren zu effizienter Arbeit unfähig und lediglich die Reichskreise eigneten sich in bescheidenem Maße als Regierungsinstrument.
Weder Reichstag noch Reichsgerichte oder Reichskreise waren machtlos und auch nicht ständig blockiert. In der Tat haben sie funktioniert, sicherlich an einigen Stellen verbesserungsbedürftig und durchaus weit von den Maßstäben entfernt, die wir heute an moderne staatliche Institutionen stellen dürfen. All diese Einrichtungen haben aber tatsächlich die politische Funktionsfähigkeit des Reiches aufrecht erhalten, eine tragfähige Balance zwischen den teilweise grotesken Machtunterschieden der Reichsstände geschaffen und der Politik von Reich wie von Territorien einen notwendigen Rahmen gegeben. Und, btw, gerade die Verdienste Maximilians um eine Reichsreform waren alles andere als ein ergebnisloses "Auf-Granit-Beissen", sie waren es nämlich, die wichtige "verfassungs"mäßige Grundlagen für die nächsten dreihundert Jahre des Reiches legten (ergänzt übrigens 1555 und 1648, weiteren Daten, die eine Art Reformunfähigkeit des Reiches widerlegen).