Der Akt der Republikflucht

Ich habe die Zahlen weiter oben längst aufgelistet: Von 1949 bis 1989 verließen 3,5 Millionen DDR-Bürger ihr Land, während 470 000 Westdeutsche in die DDR gingen.

Die Wanderungsbilanz ist mit rund 3 Millionen Flüchtlingen sowohl erschreckend als auch eindeutig.
 
Wenn man das noch in die jeweiligen Prozente am Bevölkerungsanteil umrechnen würde, wären die Zahlen noch extremer.
 
Ashigaru schrieb:
Das Unrecht liegt ja schon in der Gesetzeslage. Solche Argumente von: "Der Staat ließ uns ja keine Wahl..." hörte man bekanntlich nach 1945 auch von vielen NS-Tätern.
Genau! Und so hätte ich eben nicht gehandelt, das weiß ich genau. Denn schon bei meiner Musterung - etwa ein halbes Jahr vor Beginn der friedlichen Revolution - habe ich auf die Frage, ob ich ein Problem damit hätte, an der Grenze eingesetzt zu werden, geantwortet:
"Ja, denn ich würde nicht auf Menschen schießen."
Und schon das war damals eine mutige Tat. Aber wenn man ein Unrecht als solches erkennt, dann darf man sich diesem nicht unterwerfen, egal, wie die Gesetzeslage ist, sonst macht man sich mit schuldig.
 
Robert_Lee schrieb:
Warum hast du dann den Dienst an der Waffe nicht vollständig verweigert und bist zu den Bausoldaten gegangen?

Als ob das so einfach gewesen wäre.
Da mussten schon religiöse Gründe herhalten. Ich habe mich mit vielen Spatis damals unterhalten, weil sie im selben Gebäude untergebracht waren wie wir.

Und mal was anderes.
Ich zitiere aus dem Kopf, weil ich 168 Wachbelehrungen mitmachen musste.

Flo steht mit seiner Kalaschnikof auf Wache. es raschelt im Gebüsch.
Halt, wer da?
Halt stehen bleiben oder ich schiesse.
Ein Warnschuss in die Luft.
Wenn er dann immer noch bockig ist ein Schuss in die unteren Extremitäten, heisst Beine. Ich habe nie gehört, das es einen Befehl zum totschiessen gab.
Und wenn ein MVM (Militärische Verbindungsmission, also amis)Auto kommen sollte, hatten wir den Befehl die Scheiben abzudecken. Austeigen durften sie ja nicht. Und dann die nächste Russenkaserne verständigen.
Als ob ein Wachsoldat Zeitungen oder ähnliches dabei hätte.

Allerdings habe ich einmal getötet. Da hat sich eine Wildsau in meinen Postenbereich verirrt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Den Befehl zum Erschießen gab es auch nicht an der Grenze. Ich kann mir gut vorstellen, daß es oftmals Streßfaktoren waren, die den Schützen einen gezielten Schuß eben eine unkontrollierte Salve abgeben ließen. Immerhin war jedem Grenzsoldaten bekannt, daß es schon genug tödliche Zwischenfälle gab und als Schütze stehst du sowieso zwischen Baum und Borke. Entweder er oder ich. Da ist es schon besser, wenn nur ein Weildschwein mal daherkommt und noch besser, wenn überhaupt niemand den Weg kreuzt.

Im Dezember letzten Jahres hätte in Münster ein Wachsoldat auch bald jemanden über den Haufen geschossen. Glücklicherweise stand ein Unteroffizier rein zufällig in der Nähe, schaltete schnell und riß den sorglos Daherkommenden nach dem Warnschuß zu Boden. Wie sich dann herausstellte, hatte der als Weihnachtsmann verkleidete ein Walkman im Ohr und hörte deshalb die Anrufe und den Warnschuß nicht.
Nicht auszumalen, was passiert wäre, wenn der Uffz. dort nicht gestanden und reagiert hätte. Die Wache selbst hatte den im Dunkeln laufenden Weihnachtsmann nur als Schatten gesehen.
Der Wache wurde korrektes Verhalten zugesprochen.
 
Den Befehl zum Erschießen gab es auch nicht an der Grenze.

Es ist unklar, ob es ein zentralen, von ganz oben erlasssenen Schießbefehl gab. Es ist aber wahrscheinlich, dass er existierte, weil Honecker 1989 eine Order erließ, die so klingt, als sei der Schiessbefehl aufgehoben. Ohne Zweifel gab es aber jede Menge Dienstvorschriften etc., die sich mit dem Gebrauch der Schusswaffe der DDR-Grenzer befassen.
Hier
http://de.wikipedia.org/wiki/Schießbefehl#Schie.C3.9Fbefehl_in_der_DDR
findet sich einiges zu dem Thema.

Im Dezember letzten Jahres hätte in Münster ein Wachsoldat auch bald jemanden über den Haufen geschossen... Der Wache wurde korrektes Verhalten zugesprochen.

Du hast jetzt schon mehrfach bewiesen, dass du den Unterschied zwischen einer Bundeswehrkaserne und der Mauer bzw. Zonengrenze nicht kapierst oder bewußt nicht kapieren willst... reicht es nicht langsam?
 
Wo war denn der Unterschied? Beides war militärisches Sperrgebiet. Und wer unerlaubt in ebendiese Gebeite eindringt, hatte damals wie heute mit den entsprechenden Konsequenzen zu rechnen.
 
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Du hast es doch schon mindestens dreimal von verschiedenen Usern erklärt bekommen...

Die DDR sperrte ihre Bürger ab 1961 im Land ein, die wurden besonders in den Westen nur dann rausgelassen, wenn sie besonders privilegiert oder Senioren waren.
Die Mauer schützte nicht vor einem feindlichen Angriff aus Westberlin, sondern war eine gegen das eigene Volk gerichtete Grenze (was sich auch schön an ihrem Zickzack-Verlauf innerhalb Berlins absehen lässt, so dass selbst die kleinsten Schlupflöcher dicht waren). Republikflucht wurde (ziemlich einzigartig in der Welt) wie ein Verbrechen angesehen und vielfältig bestraft. Davon dürftest du wohl auch schon gehört haben.
Es gibt noch einen Unterschied: Wer in die Bundeswehr eintritt, und das geschieht heute nahezu freiwillig, unterzieht sich den Regeln der Militärgerichtsbarkeit, die sich in einigen Punkten deutlich von den Rechten des Normalbürgers unterscheidet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Den Straftatbestand der Republikflucht gab es ja erst seit 1954.
Wer vorher abbgehauen ist, hat lediglich ein Passvergehen begangen.

Das hätte zu nur niedrigen Geld-Strafen geführt, deshalb hat man bei denen die haarsträubendsten Anklagen zusammenfabriziert, damit man sie so richtig verknacken konnte. So 6 Monate Gefängnis aufwärts. (Bei Bedarf, ich habe ein Original-Urteil vorliegen)
Grüße Repo
 
Zitat Dieter: So standen hinter dem absoluten Höhepunkt von über 331 000 Geflüchteten im Jahr 1953 vor allem zwei politische Einschnitte: die Beschlüsse der 2. Parteikonferenz der SED im Sommer 1952 zum "planmäßigen Aufbau des Sozialismus" und die Niederschlagung des Volksaufstands am 17. Juni 1953.

Hier wäre aber noch zu bemerken, dass 1953 irgendwann der Stichtag für die Beantragung des Lastenausgleichs in der BRD war. Wer später kam, hat nichts mehr gekriegt. Das war in der DDR bekannt und hat ebenfalls zum Flüchtlingsstrom beigetragen.

Grüße Repo
 
Robert_Lee schrieb:
Warum hast du dann den Dienst an der Waffe nicht vollständig verweigert und bist zu den Bausoldaten gegangen?
Hi, Robert Lee!
Ich habe in der DDR gar keinen Dienst mehr geleistet, weil dann die Wende und die Einheit kam. Ich habe dann für den Bund Zivildiest geleistet.
In der DDR wäre ich mit einem Dienst als Bausoldat aber wohl nicht durchgekommen, denn so viel ich weiß, mußte man da in der Kirche sein. Religiös bin ich aber nicht. :prost:
 
Flo und Barbarossa haben es zwar schon auf den Punkt gebracht, aber der Vollständigkeit halber...

Barbarossa schrieb:
In der DDR wäre ich mit einem Dienst als Bausoldat aber wohl nicht durchgekommen, denn so viel ich weiß, mußte man da in der Kirche sein.

Zu diesem Thema zum Nachlesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Bausoldat
(da lohnt sich übrigens auch ein lesender Blick auf die Diskussionsseite des Artikels)

Und hier noch der Bericht eines Mannes, der es wissen muß: http://www.mdr.de/nah_dran/1228244-hintergrund-1213814.html

Das hört sich heutzutage etwas harmloser an als es wohl wirklich war - zur Info: ich habe einen Fall im Bekanntenkreis, der die genannte Situation der Bausoldaten durch ähnliche Erfahrungen bestätigen kann...
 
florian17160 schrieb:
Ich habe nie gehört, das es einen Befehl zum totschiessen gab.
Das kann ich absolut gestätigen. Ich hab den sogenannten Schießbefehl hier (Foto einer Kopie, müßte ich mal abtippen, wenns den nirgendwo sonst gibt). Darin sind vor einem gezielten Schuß soviele Sachen durchzuführen, zu rufen und zu beachten, sodaß es wirklich nur sehr selten dazu gekommen sein wird. Die hier genannte Zahl 200 innerhalb von 28 Jahren ist ja schon deutlich. Natürlich sind auch 200 zu viel, aber diese Größenordnung haben auch andere Länder.
 
Themistokles schrieb:
Welche Länder müssen denn noch auf Auswanderer schießen, wenn diese auf Ermahnungen nicht hören?
Auswanderer?? Bist Du sicher, nicht in der falschen Diskussion gelandet zu sein? Das Eingangsthema lautet ganz klar "Der Akt der Republikflucht". Die nächste Verallgemeinerung wäre ein unerlaubter Grenzübetritt allgemein. Wobei die Richtung für mich sekundär ist. Aber "Auswanderer", da hat man das Bild eines über die Reling gebeugten völlig verarmten, kinderreichen Ehepaars vor Augen, das das heißersehnte Land am Horizont auftauchen sieht - tut mir leid: "Thema verfehlt" :nono: . Wenn es ein Land zur Erhaltung seiner innenpolitischen und wirtschaftlichen Stabilität für unerläßlich hält, Grenzübertritte - egal in welche Richtung - bei Strafe zu verbieten, dann ist das zwar traurig, aber nunmal Tatsache. An der mexikanischen USA-Grenze sind es jährlich so viele Todesopfer, wie an der BRD-DDR-Grenze in 28 Jahren. Wie das Ergebnis einer kleinen Anfrage der PDS im Bundestag lautete, kamen zwischen 1990 und Mitte/Ende der 90er Jahre auch an der BRD-Grenze auch 20 bis 30 Menschen um. Wir werden wohl kaum klären können, ob es Terroristen waren, flüchtige Verbrecher, Verräter oder einfach Touristen, die sich verlaufen haben. Ich habe jetzt keine Zahlen weiter, aber ich glaube, es gibt genug totalitäre Regime aif der Welt, da führen die nicht mal Buch, wenn der Grenze einer erschossen wird.
 
saxo schrieb:
Darin sind vor einem gezielten Schuß soviele Sachen durchzuführen, zu rufen und zu beachten, sodaß es wirklich nur sehr selten dazu gekommen sein wird. Die hier genannte Zahl 200 innerhalb von 28 Jahren ist ja schon deutlich. Natürlich sind auch 200 zu viel, aber diese Größenordnung haben auch andere Länder.

Bei solchen Sätzen haut es mir den Zapfen raus.
Nachdem alle anderen Sperrmaßnahmen überwunden wurden, sind immer noch 200 Menschen an der Grenze erschossen worden. Wohlgemerkt Ausreisende, keine Drogenschmuggler und gegnerische Freischärler.

Und das sollen Zahlen sein die auch andere Länder vorzuweisen haben.

Hältst Du eigentlich alle Mitdiskutanten für blöd oder wie oder was??????????

Grüße Repo

NS: Macht doch hier endlich eine Forengruppe der "DDR-Apologeten" auf. damit die Herrschaften unter sich bleiben können.
 
Zuletzt bearbeitet:
saxo schrieb:
Wie das Ergebnis einer kleinen Anfrage der PDS im Bundestag lautete, kamen zwischen 1990 und Mitte/Ende der 90er Jahre auch an der BRD-Grenze auch 20 bis 30 Menschen um. Wir werden wohl kaum klären können, ob es Terroristen waren, flüchtige Verbrecher, Verräter oder einfach Touristen, die sich verlaufen haben. Ich habe jetzt keine Zahlen weiter, aber ich glaube, es gibt genug totalitäre Regime aif der Welt, da führen die nicht mal Buch, wenn der Grenze einer erschossen wird.


Quellen lieber Freund, Quellen.
Behaupten kannst du vieles.

Grüße Repo
 
Repo schrieb:
Quellen lieber Freund, Quellen.
Behaupten kannst du vieles.
Grüße Repo
Aber gern doch: http://dip.bundestag.de/btd/14/084/1408432.pdf
Daraus: "Insgesamt starben nach Angaben dieser Dokumentation infolge der staatlichen Abschottungspolitik im Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 2001 261 Flüchtlinge." Ist nicht genau das, was ich suchte, aber zeigt, daß es meinerseits nicht aus der Luft gegriffene Propaganda ist. Es kann auch sein, daß diese kleine Anfrage von der Bundesregierung nicht beantwortet wurde. Was leider durchaus nicht selten ist.
 
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