Ich lese gerade den
Münchhausen-Roman von Immermann. Einen Auszug daraus wollte ich euch nicht vorenthalten:
Inzwischen erzählte der Sammler ausführlich von dem Fundorte der verschiedenen Erwerbungen, rückte dann seinem Gastfreunde näher und sagte vertraulich: »Was aber die allerwichtigste Entdeckung dieser Reise ist; ich habe nun wahr und wahrhaftig den Ort gefunden, wo Hermann den Varus schlug.« »Ei, Ei, Ei«, versetzte der Hofschulze und schob seine Mütze hin und her.
»Alle sind sie auf dem falschen Wege gewesen, Clostermeier, Schmid, und wie sie heißen mögen, die darüber geschrieben haben!« rief der Sammler feurig. »Immer wollten sie den Varus in der Richtung auf Aliso, wovon doch auch noch kein Mensch ausgeforscht hat, wo es eigentlich gelegen – genug aber mitternachtwärts – sich zurückziehen lassen, und demnach sollte die Schlacht zwischen den Quellen der Lippe und Ems, bei Detmold, Lippspringe, Paderborn und Gott weiß wo noch? vorgefallen sein –«
Der Hofschulze sagte: »Ich glaube, der Varus mußte aus allen Kräften suchen, nach dem Rhein zu kommen, und das konnte er nur, wenn er ins offene Land gelangte. Drei Tage soll die Bataille gedauert haben, darin läßt sich schon ein Stück marschieren, und so bin ich vielmehr der Meinung, daß die Attacke in den Bergen, die unsre Börde einschließen, also gar nicht weit von hier vorgefallen ist.«
»Falsch! Falsch, Hofschulze!« rief der Sammler. »Hier unterwärts war alles besetzt und verstopft von Cheruskern, Katten und Sikambrern. Nein, weit mehr nach Mittag ist die Schlacht gewesen, der Ruhrgegend nahe, nicht weit von Arnsberg. Varus mußte sich durch das Gebirg hindurchworgen, er hatte nirgends einen Ausweg, und seine Gedanken standen auf den Mittelrhein, wohin der Weg quer durch das Sauerland geht. So dachte ich es mir immer, so, und jetzt habe ich die untrüglichsten Bestätigungszeichen entdeckt. Dicht an der Ruhr fand ich das korinthische Erz und kaufte die drei Götzen, und da sagte mir ein Mann aus dem Dorfe, daß kaum eine Stunde davon im Walde zwischen den Bergen eine Stelle liege, wo Knochen in ungeheurer Anzahl zwischen dem Sand und Kies aufgeschichtet seien. ›Hui!‹ rief ich, ›es wird Tag.‹ Ging mit einigen Bauern hinaus, ließ nachgraben, und siehe da, wir fanden Knochen, wie ich sie nur wünschte. Das ist also der Platz, wo Germanicus sechs Jahre nach der Teutoburger Schlacht die Überreste der römischen Legionen bestatten ließ, als er seine letzten Züge wider Hermann machte, und folglich habe ich dort das richtige Schlachtfeld entdeckt.«
»An die tausend und mehrere Jahre pflegen sich Knochen nicht zu erhalten«, sagte der Schulze und bewegte zweifelmutig das Haupt.
»Sie haben sich versteinert in den Mineralien dort«, sprach der Sammler zorneifrig. »Ich muß Euch nur den Glauben in die Hand geben, da ist einer, den ich mitgebracht habe.«
Er zog einen großen Knochen aus dem Busen und hielt denselben seinem Widerpart unter die Augen. »He, was ist das?« fragte er triumphierend.
Die Bauern starrten den Knochen verdutzt an. Der Hofschulze antwortete, nachdem er ihn prüfend betrachtet hatte: »Ein Kuhknochen, Herr Schmitz. Sie sind auf einen Schindanger gestoßen und nicht auf das Teutoburger Schlachtfeld.«