Der Knick im Limes

Es mag sein, daß die Zentrale falsche geographische Vorstellungen hatte. Die römischen Geometer mussten aber genau wissen in welcher Richtung sie bauten und daß sie in einem Winkel aufeinandertreffen würden. Die Römer hatten zwar massive Probleme, Längengrade festzustellen, aber Breitengrade und Himmelsrichtung waren auch damals schon trivial.

Die Frage ist, wie koordiniert und geplant die Ursprünge des Limes - eine Heerstrasse mit Kastellen - entstanden ist. Wenn das zwei Provinzgouverneure ohne übergreifende Koordination begonnen haben, dann ist das Ergebnis nicht verwunderlich.
 
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Nach etwas Nachdenken gebe ich zu, dass die Anweisungen aus der Zentrale vielleicht doch genauer waren. Wir wissen nicht, welche geographischen Vorstellungen dort zu welcher Zeit herrschten. Wenn Karten ähnlich der Tabula Peutingeriana (Darauf gehörte das Dekumatland nicht mehr zum Reich und ist nicht dargestellt.) regelmäßig für die Planungen benutzt wurden, mag der Knick nicht aufgefallen sein. Die regelmäßige Nutzung wird ja auch die ursprüngliche vielleicht korrektere Vorstellung verformt haben.

Wie schon ausgeführt, können dazu noch unklare Befehle kommen.

Thomas Becker, der derzeit beim hessischen Landesdenkmalamt vieles zum Limes macht, hat eine Art zentrale "Reißbrettplanung" eher bestritten. Sein Aufsatz dazu erschien vor drei Jahren, ich werde morgen mal reinschauen und ein wenig was dazu schreiben.
 
So, hier mal etwas zum Aufsatz "Von einer Grenze umgeben? Zur Einheitlichkeit der Grenzziehung am hessischen Abschnitt des Limes" von Thomas Becker, erschienen in Ausbüttel, Frank (hrsg.), Die Römer im Rhein-Main-Gebiet, S. 194-209, Stuttgart 2012.

Leider kein schwer beeindruckender Aufsatz, da er nur einen Vorgriff auf angekündigte spätere Arbeiten darstellt und bis dato eher Einzelbeispiele aneinander reiht. Becker teilt seine Beobachtung in drei Teile.

1. Eigentlicher Limes. Becker zeigt mehrere Anomalien von den häufig als einheitlich aufgefassten Stadien - "Postenweg" - Palisade - Wallgraben auf. Eine davon, die altbekannten Trockenmauern am Taunuskamm, ergibt sich wohl aufgrund geologischer Gebenheiten. Er führt aber auch ein sechs Kilometer langes Limesstück bei Kemel an, wo offenbar nie ein Graben bestand, oder kleinere Abschnitte, an denen statt Palisade ein Flechtwerkzaun festgestellt wurde (gibt es auch am rätischen Limes).

2. Wachtürme. Der entscheidende Teil des Aufsatzes. Becker meint, geographisch unterschiedliche Turmstrukturen feststellen zu können.
Konkret benennt er dies an zwei Holzturmtypen mit einem jeweils unterschiedlichen Grundriss. Der erste davon wurde demnach an einem 40 Kilometer langen Stück zwischen den Kleinkastellen Becheln und Adolfseck gebaut. Der zweite davon tritt in sechs Fällen zwischen den Kastellen Zugmantel und Saalburg auf.

Für die Steinturmphase stellt Becker vier unterschiedliche Grundgrößentypen an bestimmten Limesabschnitten fest, ohne dies näher zu präzisieren:
1. Strecke: Holzhausen bis Saalburg
2. Strecke: Saalburg bis Ockstädter Wald (Kleinkastell bei Friedberg)
3. Strecke: Ockstädter Wald bis Kleinkastell Hainhaus (nördlich Arnsburg)
4. Strecke: Hainhaus bis Groß-Krotzenburg.

3. Kastelle: bei den Kleinkastellen identifiziert er einen größeren Typus (für 80 Mann) und einen kleineren (für 30 Mann), die sich wohl aufgrund strategischer Fragen bei der Positionierung ergäben). Die größeren Kastelle seien ohnehin nicht häufig und zu vielseitig, "die funktionelle Nutzung scheint ... gegen die Ausbildung von typologischen Mustern zu sprechen".


Nur an einer Textstelle legt er ein wenig offen, wie er sich die Erbauung des Limes im größeren Rahmen vorstellt: "Berücksichtigt man die aufgeführten Variationen bei den Holz- und Steintürmen am Limes, scheinen Unterschiede in der baulichen Gestaltung zwischen verschiedenen Abschnitten wahrscheinlich. Dies korrespondiert mit den Beobachtungen am Hadrianswall in Großbritannien, wo sich für die Wachttürme, aber auch für die Milecastles (Kleinkastelle) verschiedene Bauformen herausarbeiten und durch die dort vorhandenen Bauinschriften den drei an der Errichtung beteiligten Legionen legio II Augusta, legio VI Victrix und legio XX Valeria Victrix zuweisen lassen.

Der gesamte Limesbau hätte demnach in der Obhut der anwesenden Legionen gelegen, die jeweils bestimmte Abschnitte zugewiesen bekommen hätten, wie es am Hadrianswall gut beobachtet werden konnte.
Es gibt einiges, was dafür spricht - u.a. die Anlage einiger größerer, für Legions-Abteilungen (Vexillationen) geeigneter und offenbar nicht länger besetzter Lager wie in Heddernheim, Heldenbergen, Kesselstadt, Bad Nauheim-Goldstein und vielleicht auch Arnsburg. Andererseits ist die Theorie am Hadrianswall durch eine Vielzahl epigrafischer Funde gestützt, die am hessischen Limes in dieser Dichte fehlen. Die Anwesenheit der Mainzer 22. Legion ist allerdings im Umfeld der Kastelle Langenhain und Butzbach belegt.
 
Die Streckenführung am nördlichsten Wetteraulimes habe ich übrigens auch nie verstanden. Geht man in Pohlheim nur 150-200 m weiter nach Norden. kann man das gesamte Lückebachtal überblicken, und hat den Sturzkopf, den Dünsberg und den Schiffenberg im Blick. So, wie der Limes ausgeführt war, sieht man nicht allzu viel, höchstens Richtung Süden, also innerhalb des Limes (heute stört da ein Waldstück).
Das ergibt für mich sehr wenig Sinn.
 
Hmm ich war selber erst am Wochenende da, am rekonstruierten Limesturm Nähe Grüninger Warte. Welche Stelle meinst du genau ?
 
Der Limes "stoppt" dort vor einer Hügelkette, die Wetterau und Gießener Becken voneinander trennen. Von Butzbach bis Dorf Güll ist er übrigens in google maps in diesem Fall exzellent zu erkennen, da Feldwege über 15 Kilometer dem Verlauf folgen.
 
Ich geh da am Wochenende nochmal Gassi und versuch das nachzuvollziehen. Aber die "Heimatkanzel" war ja auch eine Flakstellung, die hat wirklich gute Übersicht über Gießen.
 
Das vom Turm aus geschossene Foto zeigt ja den Blick Richtung Holzheim wenn ich nicht komplett falsch liege, die Warte ist in der anderen Richtung.
 
Auf Bild 1 bei meinem Link sieht man es schon recht gut, nämlich dass man nix sieht.

An der Rekonstruktion des Turms bei Grüningen wurde allerdings seit Anbeginn kritisiert, dass er zu niedrig gebaut wurde. Es ist natürlich schwer zu sagen, ob mehr zu sehen wäre, wenn der Turm 3-4 Meter höher wäre.
 
Da wir auch bei Verwaltungseinteilungen sind:

Jörg Scheuerbrandt, Exercitus. Aufgaben, Organisation und Befehlsstruktur römischer Armeen während der Kaiserzeit, Diss., Freiburg 2004 erarbeitet S.124-130 auch die Organisation der Auxilien am Limes zur Zeit Hadrians. Diese seien in 6 Abteilungen gegliedert gewesen. Jeweils 2 benachbarte seien nochmals zusammengefasst worden.

Die Grenzen legt er:

1. zwischen Niederberg und Saalburg
2. zwischen Arnsburg und Echzell
3. zwischen Goßkrotzenburg und Seligenstadt
4. bei Wörth (eigtl. zwischen Obernburg und Oberscheidenthal)
5. zwischen Wimpfen und Böckingen

Die 1. und 4. Strecke Beckers hätten hier also eine Entsprechung.
 
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Wobei der Dünsberg von dort zu sehen ist, wenn ich mich richtig erinnere; er ist ja ein relativ dominanter Berg.

Ob man nun die Spitze sieht, man blieb definitiv etliche Meter unter dem Bergkamm, was militärisch keinen Sinn ergibt.

Und nachdem man in augusteischer Zeit im nahegelegenen Lahntal sehr aktiv gewesen war (Waldgirmes, Dorlar, Dünsberg usw.), fällt schon auf, wie betont man dieses Gebiet mied.
 
Ja. Genau da. Hätte man den Limes 200m Richtung "Heimatkanzel" verschoben, erschiene das wesentlich sinnvoller.

Ich war nochmal dort - man sieht vom Turm aus genau auf den sanft abfallenden Hang vor dem Limes.
Vielleicht war das die Absicht- eine militärische Formation stoppt man freilich besser wenn sie bergauf marschiert, aber heimliche Grenzverletzer lassen sich evtl besser erkennen wenn man die ganze Fläche in dieser Neigung vor sich hat, statt einen Hang hinunter zu schauen.
 
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