Deutsche Weltmachtpolitik 19. - 20. Jahrhundert

Das ist doch alles kontrafaktische Geschichte. Halten wir uns doch lieber an die Fakten. Eine Besetzung geschweige denn Annektion der deutschsprachigen Gebiete Österreichs war nicht die Absicht Bismarcks; mit gutem Grunde.

Und Napoleon III. hatte nicht die Absicht sich in den Krieg einzumischen. Er hatte auf seine Kompensation für die Nichteinmischung, vergebens, gewartet.
 
Napoleon III. ließ Bismarck im September 1866 durch Benedetti wissen, das er bereit sei den Norddeutschen Bund anzuerkennen. Als Gegenleistung wollte Napoleon III. die Unterstützung Preußens 1. bei der Einverleibung Luxemburgs und darüber hinaus auch bei 2. der Annektierung der französischsprachigen Gebiete Belgiens.

Was wollte Napoleon damit erreichen? Es ging ihm um die Ausdehnung des französischen Einflußbereich in Belgien. Dies hätte durch das Luxemburgischen Eisenbahnnetz realisiert werden können. Und durch den Erwerb Luxemburgs konnte Frankreich Belgien ohnehin stärker unter Druck setzten, damit des den französischen Zollverein beitrat.

Und natürlich hätte Napoleon III. damit in der französischen Öffentlichkeit sein Prestige aufpolieren können. Die französischen Absichten in Bezug auf Belgien sollten nach dem Willen Napoleon III. das schreckhafte Licht der Öffentlichkeit nicht erblicken.

Dieser Allianzvorschlag wurde von Bismarck nie unterzeichnet. Es ging ihm defintiv zu weit, im Bedarfsfall Frankreich militärisch gegen Belgien zu unterstützen. Zudem ja auch ungewiss gewesen wäre, wie Großbritannien auf so einen Schritt reagiert hätte. Jedenfalls hat Bismarck im deutsch-französischen Krieg das Papier in der Presse bekannt machen lassen, mit dem Ziel die englische Öffentlichkeit gegen Frankreich zu beeinflussen.
 
Das ist doch alles kontrafaktische Geschichte. Halten wir uns doch lieber an die Fakten.
Ich bin immer noch der Meinung, dass so manche kontrafaktische Erwägung auf einer soliden Basis noch immer einen Gedankengang wert ist, ansonsten wird man dazu neigen Geschichte in überdeterminierter Weise zu betrachten.

Eine Besetzung geschweige denn Annektion der deutschsprachigen Gebiete Österreichs war nicht die Absicht Bismarcks; mit gutem Grunde.
Darüber scheinen König Wilhelm und auch Moltke unter dem Eindruck von Königgräz aber zunächst mal etwas anderer Meinung gewesen zu sein. Realiter konnte Bismarck seine Position durchsetzen, aber war das selbstverständlich?
Ich würde meinen nein.

Und Napoleon III. hatte nicht die Absicht sich in den Krieg einzumischen. Er hatte auf seine Kompensation für die Nichteinmischung, vergebens, gewartet.
Die mag er nicht gehabt haben, nur an der Stelle noch einmal die Frage, woher genau sollte Bismarck wissen, was in des dritten Napoléons Oberstübchen en detail vorging und wo für denselben möglicherweise rote Linien gewesen sein mögen, deren Überschreiten zu einer Neubewertung der Lage und einer anderen Entscheidung hätten führen können?

Faktisch operierte Bismarck im Hinblick auf die genaue Lage der französischen Interessen blind und immer auch vor der Gefahr, einer Ausweitung des Krieges nach Süden hin und auf seine Verlängerung hin, für den Fall, das Wilhelm weniger geneigt gewesen wäre sich endlich doch mit Bismarcks Empfehlungen zu arrangieren.

Ist dann ein bisschen die andere Diskussion, die wir bereits hatte, aber ich meine, derlei Unwägbarkeiten ins Kalkül zu ziehen, gehört dann etwa auch dazu, wenn man die Gefährlichkeit oder Nichtgefährlichkeit von Bismarcks politischem Spiel und die Gefahren möglicher Interventionen angeht, denn da konnte er noch so genial vor sich hin planen. Kontrolliert ablaufen lassen konnte er das nicht.
 
Noch etwas kurz zum angesprochenen möglichen französischen Eingreifen.

Aus einem ausführlichen Bericht im Zuge des Krise um Luxemburg des preußischen Miltärattachès von Loe in Paris konnte Bismarck entnehmen, das Frankreich für ein Krieg mit Preußen nicht bereit sei.

Da wird es wohl 1866 auch nicht besser bestellt gewesen sein. In Frankreich wurde deshalb ja auch die Notwendigkeit einer Heeresreform hervorgehoben, nur war es dazu bislang nicht gekommen. Das man man ja dann auch 1870/71 zu spüren bekommen.
 
Chassepotgewehr – Wikipedia
Am 27. August 1866 erhielt Chassepot sein Patent und unterzeichnete noch am nämlichen Tage einen Lizenz-Vertrag mit der von Isaac Cahen-Lyon gegründeten Gewehrfabrik. Durch ein Dekret vom 30. August wurde das Chassepotgewehr zur französischen Ordonnanzwaffe erhoben und die Produktion dermaßen angekurbelt, dass 1868 die gesamte aktive Armee mit dem Chassepotgewehr ausgerüstet war.
Im Deutsch-Französischen Krieg (1870–71) zeigte sich die Überlegenheit des Chassepotgewehrs insbesondere beim Schießen auf mittlere und weite Entfernungen. Schon vor dem Krieg ging das Wort, 300 Chassepotgewehre seien so wertvoll wie 500 Dreyse-Gewehre.
 
Dafür war die deutsche Artillerie der französischen deutlich überlegen. Ein gutes Gewehr reicht wohl kaum aus, um ein Krieg zu gewinnen. Im deutsch-französischen Krieg gab es beispielsweise auf der französischen Seite reichlich Führungsversagen zu beklagen. Beispielsweise hätte die Stellungen bei Wörth und Spicheren wenigsten länger gehalten werden können, wenn die benachbarten Verbände, die anderweitig eben nicht gebunden waren, zügig herangeführt worden wären und die Stellungen entsprechend verstärkt hätten
 
Noch etwas kurz zum angesprochenen möglichen französischen Eingreifen.

Aus einem ausführlichen Bericht im Zuge des Krise um Luxemburg des preußischen Miltärattachès von Loe in Paris konnte Bismarck entnehmen, das Frankreich für ein Krieg mit Preußen nicht bereit sei.

Da wird es wohl 1866 auch nicht besser bestellt gewesen sein. In Frankreich wurde deshalb ja auch die Notwendigkeit einer Heeresreform hervorgehoben, nur war es dazu bislang nicht gekommen. Das man man ja dann auch 1870/71 zu spüren bekommen.

Hier noch eine kurze Ergänzung:

Metternich musste schon am 19.07.65 nach Wien berichten, dass Preußen die französische Neutralität schon für politische Gefälligkeiten haben könne und nur für einen appui matèriel einen beträchtlichen Wechsel ausstellen müsse.

Bismarck konnte sich seiner Sache also recht sicher sein, denn er konnte sich auf Zusicherungen Benedettis und die sehr günstigen Ausführungen des preußischen Botschafters in Paris von der Goltz verlassen. Darüber informierte der französische Gesandte in Sachsen de Belcastel darüber, das wenn Österreich Preußen angreifen sollte, Napoleon III. Preußen eine Allianz anbieten würde. Sei Preußen der angreifende Teil, würde Frankreich neutral bleiben. Diese Informationen hatte de Belcastel von Kaiserin Eugenie, die ihrerseits es von Ihrem Gattin Napoleon III. mitgeteilt bekommen hatte.
Das geht aus dem Bericht vom 01.07.1865 hervor, der bei Hähnsen, Urpsrung und Geschichte des Artikel 5 des Prager Friedens abgedruckt ist, hervor.

Noch am 09.August hat die Kaiserin Eugenie gegenüber den preußischen Botschafter von der Goltz erklärt, das sie der festen Überzeugung sei, dass der Kaiser nicht eintreten werde und die Einverleibung der Herzogtümer in Preußen als erwünschteste Lösung bezeichnet. Dies berichtet Goltz am 10.08. an Bismarck. Nachzulesen bei Oncken, Rheinpolitik Band 1, S.51ff.
 
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