Und Polen hat ja nichts dazugewonnen, es hat keine Rekompensation dafür erhalten, dass es sechs Jahre lang unter deutscher Besatzung litt, die Elite ermordet wurde etc. Es wurde von einer anderen Siegermacht um seinen Ostteil betrogen und erhielt dafür dann in seinem Weste Gebietszuwächse. Gebietszuwächse von dem Land, welches den Krieg ursprünglich mit seinem Überfall auf Polen begonnen hatte.
So einfach ist Sache auch wieder nicht. Den aus der heutigen Westukraine und Weißrussland ausgewiesenen 3 Millionen Polen stehen 6 Millionen vertriebene Deutsche gegenüber.
Dass Polen um den Ostteil seines Landes betrogen wurde, greift zu kurz. Tatsächlich hatte Polen nämlich den Westteil Russland erst kürzlich erobert.
Das Verhältnis von Polen und der jungen Sowjet-Union ist äußerst problematisch. Im Frieden von Brest-Litosk zog sich das nun sozialistische Russland aus dem 1. Weltkrieg zurück und schloss mit dem Deutschen Reich Frieden. Die Gebiete das Baltikum und den russischen Teil Polens überließ Trotzki nun der Kontrolle des Deutschen Reiches!
Russland erlitt also Gebietsverluste im 1. Weltkrieg, obwohl es ja nicht auf Seiten der Mittelmächte kämpfte.
1920 versuchte dann die Rote Armee das verloren gegangene Gebiet zurückzuerobern. Die siegreichen Polen jedoch schlugen die Russen zurück und eroberten weitere Teile Russlands. Endlich einigte sie sich die beiden Parteien unter ausländischer Vermittlung auf eine neue Grenzziehung, die sogenannte Curzon-Linie, mit weiteren Gebietsverlusten für Russland.
Der Stalin-Magnat Kaganowitsch sah in den Zusatzprotokollen des Hitler-Stalin-Pakts ein umgekehrtes "Prest-Litosk", im Grunde nichts anderes als die Wiederherstellung der russischen nun mehr sowjetischen Westgrenze wie sie vor 1917 bestand.
Die unscharfen Beschlüsse der Großen Drei, hielt Stalin nicht für verbindlich, letztlich war er der Ansicht, dass die Frage der polnischen und sowjetischen Grenzziehung letztlich durch den Krieg selbst geklärt wird; sprich wenn die Rote Armee Gebiete erobert, darf sie sie nach Stalins Ansicht behalten. Dass dies eine Fortsetzung imperial-zaristischer Außenpolitik war, war im bewusst und störte nicht, im Gegenteil dies wurde so auch in der Propaganda vermittelt.
An eine "vorläufige" Verwaltung hat er nie gedacht. (Ganz anders verlief dies im Falle des Saarlands, dass 10 Jahre unter französischer Verwaltung blieb, aber 1955 doch zu einem deutschen Staat zurückkehrte.) Folgerichtig begann die Vertreibung der deutsche Bevölkerung aus den Ostgebieten nicht erst nach der Potsdamer Konferenz. In Ostpreußen war die Vertreibung der Zivilbevölkerung zu dieser Zeit fast abgeschlossen. Stalin selbst verbreitete nun, die Deutschen hätte die Gebiete bereits freiwillig verlassen.
Und das Polen nichts dazu gewonnen hat ist schlicht falsch, auch wenn diese Position heute als politisch korrekt gilt. Stalin vertrat auf der Potsdamer Konferenz nicht nur sowjetische sondern auch polnische Ansprüche. Tatsächlich stellte die polnische Exilregierung selbst die Forderung nach einer Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus diesen Gebieten. Und hier waren sich die polnischen Politiker einig, egal ob sie ihr Exil in UK oder UdSSR verbracht hatten.
Dass also die "Ostgebiete" Polen zufielen und die deutsche Bevölkerung dort vertrieben wurde, dafür trat die polnische Exilregierung in Koalition von Kommunisten und Nicht-Kommunisten ein. Dass sie sich durchsetzen konnten, dass verdankten sie der Fürsprache der Sowjet-Union, die sich ja ebenfalls durch Ostpreußen am Deutschen Reich bereichern wollte und das wie Polen bekanntlich auch tat.
Eine alleinige Opferrolle Polens bei der Westverschiebung mag der politischen Korrektheit geschuldet sein, ist aber meiner Meinung nach falsch.
Hier spielt eine archaisches Denken eine Rolle, insbesondere bei Stalin. Wer einen Krieg führt und gewinnt, erobert Land. Auf Gewalttaten des Gegner wird mit Rache reagiert. Besonders geschmacklos sind da Äußerungen Stalins über Vergewaltigungen durch Rot-Armisten. Dies beschrieb Stalin, sei ein völlig normales und verständliches Verhalten von Soldaten, die Jahre lang an der Front den Mädchen getrennt seien.
Derartiges Verhalten findet in der heutigen Welt sicher kein Verständnis, aber damals gab es noch keine UN, keinen Gedanken der Unveränderlichkeit der Grenzen und Imperialismus und Kolonialismus waren international anerkannt. Es war die normal-perverse Racheaktion im Stil des 19. Jahrhunderts für den "totalen Krieg" den das Deutsche Reich Polen und der Sowjet-Union lieferte.
Rache für den Holocaust war es wohl nicht. Gerüchte über jüdische Ritualmorde, ein alte antisemitische Legende, sorgen noch 1946 in polnischen
Kielce für die spontane Ermordung von 40 Juden. Dadurch aufgeschreckt verlassen zahlreiche Juden Polen, fliehen ausgerechnet nach Deutschland und reihen sich in die bunte wie traurige Reihe der Displaced Persons ein.