Am Anfang gab es wohl eine strikte Trennung der „Aufgabengebiete“. Hier die kirchliche Inquisition zuständig nur gegen Häresie und dort die weltliche Gerichtbarkeit zuständig für die Hexerei. Sicher hat sich die Kirche aber recht bald und immer wieder eingemischt, um nicht an Einfluß zu verlieren.
1258 erklärte Papst Alexander IV. die Kirche nicht zuständig für angebliche Hexerei.
1324 wurde Alice Kyteler als angenommen erste Person in Irland angeklagt und verurteilt wegen Hexerei. Sie konnte fliehen aber ihre Dienerin Petronilla de Meath wurde als Ersatz ausgepeitscht und am 2.11.1324 verbrannt.
1326 definierte Papst Johannes XXII. in seiner Bulle Super Illius Specula Hexerei als Häresie. Bisher strikt getrennt wurden das nun zusammen gesehen.
1233 erließ Papst Gregor IX. die Bulle Vox in Rama. Erstes Edikt gegen Hexerei.
Ich habe mich im Thread 21 offensichtlich ungenau ausgedruckt. Ich möchte hier versuchen, in etwas einfacherer Weise verständlich zu machen, um was es mir geht.
Ich bin der Ansicht, dass die "klassischen" Hexenprozesse eben gerade Häresieprozesse waren (auch wenn die tatsächliche Motivation eine ganz andere war !) und nicht einfache Zauberei- oder Magieprozesse. Im folgenden eine, der Verständlichkeit geschuldete, einfache und deshalb notgedrungen plakative Darstellung der Entwicklung, wie ich sie interpretiere.
Im Früh- und zu Beginn des Hochmittelalters gab es zweilerlei Arten von Prozessen:
1) Die Hexenprozesse, welche eigentlich "Zaubereiprozesse" waren und unter weltlichem Vorsitz durchgeführt wurden. Hier wurden ausschliesslich Fälle von "Schadenzauber" verhandelt. Die Beteiligten der Gerichtsverhandlung waren dabei von der grundsätzlichen Existenz der Magie überzeugt. Verboten war dabei nicht die Anwendung von Zauberei, sondern die Anwendung von Zauberei zum Schaden von jemandem. Dabei wurde die Zauberin nicht unbedingt getötet, sondern ihre Strafe stand in direktem Zusammenhang mit der Grösse des "angrichteten" Schadens.
Die "positive" Anwendung von Zauberei wurde nicht bestraft. In der "Spiezer Chronik" des Diebold Schilling ist ein Fall festgehalten, in dem eine Hexe vermittels Schadenzauber eine belagerte Stadt vor dem feindlichen Heer rettet. Selbstverständlich wurde diese Hexe nicht angeklagt.
Solche frühen "Hexenprozesse" fanden ohne Beteiligung von Klerikern statt, und zwar deshalb, weil es für die Kirche schlichtweg gar keine Magie gab und folglich jede Art von Zauberei - ob gute oder schlechte - gar nicht möglich war. Nur Gott, Jesus und ev. einige Heilige konnten Wunder wirken, sonst niemand. Das ganze war für die Kirche nur Aberglaube - ich meine, ursprünglich hatte das Wort die Bedeutung von "Gegenglaube" - der aber nicht als Häresie einzustufen sei und dem man am Besten mit "freundlicher Belehrung" entgegen treten soll. Das dennoch einzelne magische Praktiken in From von "frommer Zauberei" in kirchliche Rituale Eingang gefunden haben, ist ein anderes Thema.
2) Die Ketzerprozsesse, welche wahlweise von weltlichen Gerichten mit der Beteiligung von Klerikern oder von kirchlichen Gerichten abgehalten wurden. Hier befanden theologisch geschulte Kleriker über die Schuld. Es ging dabei immer um Häresie und zwar um "Irrglauben" oder dem "Abfall vom Glauben", in selteneren Fällen um den "Unglauben" wobei hier der Unterschied zum "Irrglauben" nicht ganz ersichtlich ist. Dabei ging es aber nie um Zauberei oder Magie, da diese ja nicht existierten. Irrgläubige und Ungläubige wurden meist erst hingerichtet, wenn sie sich wiederholt "verstockt" zeigten (mit oder ohne Inqusitionsverhandlung), und nicht zur allgemeinen Lehrmeinung der Kirche zu bewegen waren. Die Prozesse und Kreuzzüge gegen Katharer/Albigenser und Waldenser gehören in diese Kategorie.
Im späten Hoch- und im Spätmittelalter vermischten sich Hexen- und Häresieprozesse, als sich die Scholastik (indirekt) der Sache annahm. Nach meinem Verständnis war die Scholastik im Wesentlichen der Versuch, auf philosophisch-logische Weise die Richtigkeit des christlichen Glaubens gewissermassen "wissenschaftlich" zu beweisen. Das ein solcher Beweis zum Scheitern verurteilt sein muss, ist eine moderne Erkenntnis. Im Zusammenhang mit diesen scholastischen Versuchen taucht erstmals auch der Teufelspakt - später in Form eines eigentlichen Paktes, in der Form von Geschlechtsverkehr mit dem Teufel (bsonders pikant) oder in einfacher Anbetung des Teufels - auf (Thomas von Aquino). Nachdem sich die Vorstellung des Teufelpaktes resp. der Teufelsanbetung durchgesetzt hatte, hatten sich die "Zauberei-Prozesse" verändert.
3) Die unter Punkt aufgührten Hexenprozesse waren weitgehend verschwunden.
4) Die unter Punkt 2 aufgeführten Prozesse bestanden nach wie vor, etwa gegen Hussiten und Lollarden.
5) Die Hexenprozesse welche jetzt gleichzeitig Häresieprozesse waren, denn der Teufelspakt war gleichzusetzen mit der Teufelsanbetung, und diese galt natürlich als weit schlimmerere Häresie als "einfacher" Irrglaube. Da jetzt aber die Kirche eigentlich immer noch nicht an die Existenz von Magie glaubte, so war eben das Vorhandensein von Zauberei als Beweis für einen Teufelspakt zu werten. Denn nicht nur Gott und Jesus, sondern eben auch der Teufel sei selbstverständlich in der Lage, wenn nicht Wunder, so doch unerklärbare Ereignisse und Schadenzauber zu bewirken. Was ursrünglich reine Anwendung von Magie war und was die Kirche nicht für möglich hielt, war jetzt, durch die tatkräfigte Mitwirkung des Teufels, durchaus möglich geworden. Es war jetzt nicht so sehr der Schadenszauber an sich, der bestraft wurde, sondern die Buhlschaft mit dem Teufel, welche die Anwendung von Schadenzauber erst möglich machte. Die Zauberei hatte eher den Stellenwert eines Beweises. Und insofern sind eben, meiner Meinung nach, auch die Hexenprozesse als Ketzerprozesse zu werten, sogar noch, wegen der Teufelsanbetung in verschärfter Form. Dass das Frauenbild der Kirche (die Frau als ständige Versuchung) dazu beigetragen hat, die Situation zu verschärfen liegt auf der Hand. Abschliessend möchte ich noch festhalten, dass tatsächlich Teufelsanbetung/Teufelspakt die zentralen Anklagepunkte waren und nicht die Zauberei an sich - was sich am Templerprozess in Frankreich an Jaques de Molay demonstrieren lässt (auch wenn das ein rein politsicher Prozess war). Denn auch dieser war ein "Hexenprozess" d.h. ein potenzierter Ketzerprozess der sich lediglich durch das Fehlen eines Beweises im Form von "Zauberei" von einem gewöhnlichen Hexenprozess unterschied.