Mashenka
Aktives Mitglied
Ein trotz mehrfacher Straffung etwas ausführlich geratener Entwurf für einen Wikipedia-Artikel, nachdem ich dort dummerweise über den bestehenden Artikel gelästert habe. Die Lehre daraus: besser die Klappe halten… (obwohl die kleine Recherche schließlich doch Spaß gemacht hat)
Für Meinungen, Ergänzungen und Korrekturen, sei es auch sprachlicher Art, wäre ich dankbar, nicht zuletzt, da mir bewusst ist, dass das Thema nicht gerade vom Hocker haut. Paar der Erkenntisse zur Entstehung der Kommode stammen aber immerhin von mir und sind nicht uninteressant, da diesbezgl. einige falsche Annahmen kursieren. (Meine Vermutung, dass die Schublade im Fernen Osten von den Europäern eingeführt worden sei, und dass die Regierungsmarke aus dem 15. Jh. jenes chinesischen Schubladentisches im Victoria and Albert Museum eine spätere Fälschung sei, hab ich natürlich ausgelassen, obwohl mein Verdacht seit dem betr. Thread hier im Forum stärker geworden ist.)
Kommode
Eine Kommode ist ein zumeist tischhohes Kastenmöbel, das mit Schubladen übereinander ausgestattet ist und vorwiegend an der Wand aufgestellt wird.
Das deutsche Wort war um die Mitte des 18. Jhs. bereits aus dem Französischen entlehnt, wo es um 1700/1705 als Substantivierung des Adjektivs „commode“ (für ‚bequem‘) entstanden war.(1) Friedrich Wilhelm Zachariä (1726–1777) erwähnt das Möbelstück samt dem typischen Inhalt in der ersten Fassung seines 1754 erschienenen scherzhaften Gedichts Der Phaeton: „[…], und hohl mir aus meiner Commode, | Wo Cornetten und Hemder und Schürzen bey Dutzenden liegen, | Eine leinwandne Schürze, […]“(2)
Die Entstehung des Möbeltyps
Die frühesten bekannten Möbel, die dem später „Kommode“ genannten Möbeltyp ähneln, waren spezielle Sakristeischränke, die zur Aufbewahrung der Paramente dienten. Manche zweigeschoßigen Schränke der Gotik, die sonst oben und unten Schranktüren haben, wurden in Sakristeien im unteren Bereich ausschließlich mit breiten Schubfächern versehen. Die einzelnen Schübe ermöglichten die Trennung der Ornate nach Amt und Anlass. Ein solcher zweigeschoßiger Sakristeischrank aus Feldkirchen (Kärnten), mit Flachschnitten und Maßwerkschnitzereien verziert und mit „1521“ datiert, steht heute in Wien, im Österreichischen Museum für angewandte Kunst.(3)
Für den gleichen Zweck wurden im Spätmittelalter auch reine Schubladenmöbel hergestellt, zumeist aus mehreren aneinandergebauten Schubreihen bestehend, deren Blatt als große Ablagefläche diente. Das weiträumige Mobiliar wurde manchmal, im Gegensatz zur späteren Kommode, inmitten im Raum aufgestellt. Eine Wandmalerei in der bei Črna pri Kamniku (Slowenien) stehenden Kirche St. Primus und Felizian ist ein solches Möbelstück abgebildet. Die mit „1504“ datierten Fresken zeigen an der Südwand Szenen aus dem Leben Mariä,(4) darunter eine Darstellung webender und nähender Frauen, unter ihnen die Jungfrau Maria am Webstuhl vor einem niedrigen Kastenmöbel dargestellt, der unter dem Blatt nur Schubladen aufweist.(5)
Solch tischhohes Mobilar für die sakralen Textilien waren insbesondere in Spanien verbreitet. Ein repräsentatives Beispiel einer cajonera de la sacristía befindet sich seit dem 16. Jh. in der Vorsakristei der Kathedrale von Ávila. Der massive Schubladenschrank ist rundum mit Füllungen versehen, umgeben von passendem Gestühl, dessen Faltwerke noch deutlich in der Gotik behaftet sind. Das hölzerne Mobiliar wird dem Holzschnitzer flämischer Herkunft, Cornelius de Hollanda (aktiv im 16 Jh. in Spanien) zugewiesen.(6) Etwas jünger, aber mehr bekannt dürften die langen Reihen von cajoneras an der Wand der Sakristei des El Escorial sein, deren Stil bereits gänzlich der Renaissance folgt.(7)
Ein anderer Möbeltyp, der ebenfalls zur Entstehung kommodenartiger Schubladenschränke beitrug, ist der Archiv-, bzw. Kabinettschrank. Oben offene Behälter, die in Regale eingeschoben standen, dürften zumindest die Initiative für eins der ältesten erhaltenen Beispiele, einen Archivschrank aus Breslau (Schlesien) gewesen sein, der im Inneren mit zahlreichen kleinen Schubladen ausgerüstet ist und sich heute im Erzdiözesanmuseum Breslau befindet. Dieser Archivschrank ist nachweislich der Umbau eines Regals, das damals unterteilt, mit kleinen Schubladen gefüllt, beschriftet und mit „MCCCCLV“ (1455) datiert wurde.(8) Die einfache Vorgehensweise demonstriert die Idee, die möglicherweise auch dem Kabinettschrank und dem Sakristeischrank mit Schubladen zugrundeliegt, nachdem beim letzteren mit den niedrigen Fächern zumindest ein einschiebbares Brett zur planen Lage der Textilien notwendig war.
Der Zweck der Kabinett- und Archivschränke ähnelte dem der Truhen: bei der zunächst noch geringen Größe konnte der Standort mit dem wertvollen Inhalt gegebenenfalls schnell verlegt werden. Zur Sicherung der vielen Schubladen erhielten diese Schränke anfangs Türen, oder eine Klappe, die geöffnet als Auflage-, bzw. Schreibfläche fungierten. Um bei Kabinettschränken den Wert des Inhalts hervorzuheben, wurden sie reich verziert und auf Gestelle, oder Tische aufgestellt. Nebst Gestellen und Tischen baute man ihnen auch Untersätze, die ebenfalls mit Schränkchen und Schubladen bestückt waren, allerdings gröber aufgeteilt als der Kabinettschrank. Ein Beispiel dafür ist der spanische taquillón, der manchmal anstatt eines Gestells unter dem vargueño stand, einem hauptsächlich in Kastilien gebauten Kabinettschrank mit Schreibklappe, möglicherweise maurischen Ursprungs.(9) Der taquillón war vertikal und horizontal in zwei Hälften aufgeteilt und erinnert rein äußerlich an eine Kommode. Von den vier gleichförmigen Kompartimenten waren aber höchstens die oberen zwei als Schubladen ausgeführt.(10)
Die Untersätze der Kabinettschränke wurden auch alleinstehend genutzt und schließlich als eigenständige Kastenmöbel gebaut, bis manche Modelle ab dem 17. Jh. nur mit Schubfächern bestückt wurden. Solche Möbel gelangten über die Niederlande auch nach England und zeichnen sich durch schmale, hohe Schubladen aus, die höchstens die Hälfte der Gesamtbreite einnehmen, wobei nicht nur die Aufteilung, sondern auch die Formensprache der frühen chests of drawers auf das spanische Vorbild weist.
Bekannt waren aber auch die deutschen Gebiete für kunstvolle Kabinettschränke, die mit zahlreichen Schubladen ausgerüstet waren; allen voran gilt Augsburg als herausragender Entstehungsort, wo beispielsweise der im 2. Weltkrieg zerstörte Pommersche Kunstschrank im frühen 17. Jh. entstanden war.
Außer der Entwicklung kommodenartiger Möbel aus dem Regal, führten auch die Sockelschubladen der Truhe zu ähnlichem Mobiliar. Als im 15. Jh. immer größere Truhen bevorzugt wurden, erhielten sie zunächst im Inneren kleine Fächer, Einlegekästen und schmale Tablare. Mit der Verbreitung der Schublade wurden die Truhen zunehmend mit Sockelschubladen, d.h. unten mit Außenschubladen ergänzt. Solche kombinierte Truhen waren in der Renaissance in ganz Europa verbreitet. Mancherorts wurden sie unten mit zusätzlichen Schubladengeschoßen weiter erhöht, was insbesondere in England beliebt war. Diese Kombination von Kommode und Truhe wird heute auf englisch „mule chest“ genannt,(11) während dafür weder im Deutschen, noch in den romanischen Sprachen eine spezielle Bezeichnung existiert, obwohl solche Möbel vereinzelt auch in Kontinentaleuropa gebaut wurden.(Abb. 1)
Ab Mitte des 17. Jhs. waren in England und Nordamerika, nebst dem frühen, noch spanisch anmutenden chest of drawers, auch aus dem mule chest reine Schubladenversionen entstanden, indem die obere Truhe weggelassen wurde. Einfach gestaltete transportable Modelle, die auch gestapelt werden konnten, fanden auch auf Schiffen Verwendung.
Das Verdrängen der Truhe von unten durch Schubladen ist selbst an der Entwicklung des japanischen tansu abzulesen. Ab dem 17. Jh. erhielt auch in Japan die transportable Truhe unten eine von außen zu öffnende Schublade (hikidashi), die ursprünglich für das Brennholz bestimmt war, während die Truhe den Esswaren vorbehalten blieb.(12) Später wurden auch die japanischen Reisemöbel unten mit weiteren Schubladen erweitert, bis sie schließlich ihre Eignung zur Reise einbüßten und bei manchen Typen so viele Schubladen übereinander lagen, dass auf die obere Truhe verzichtet wurde.
Die ersten gänzlich der Kommode entspechenden Kastenmöbel erschienen in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. in Norditalien.(13) Wie der stipo a bambocci, ein dem spanischen vargueño ähnlicher Kabinettschrank, wurde auch der cassettone häufig mit Figuren verziert. Seine Einteilung mit durchgehenden Schüben über die Gesamtbreite entspricht jedoch dem Sakristeischrank für die Ornate. Die cassettoni wurden in verschiedenen Ausführungen gebaut: außer Konsolenschränken und Betpulten mit Schubfächern entstanden auch Sekretäre (canterani), die wie Kommoden aussahen, zuoberst jedoch anstatt der Schublade eine Schreibklappe mit kleinen Behältnissen dahinter aufwiesen, und somit den englischen butler's desk des 18. Jhs. vorwegnahmen.
Obwohl im 17. Jh. in Westeuropa private Schubladenmöbel nichts Ungewöhnliches mehr waren, begann der Siegeszug der Kommode erst um 1700 in Frankreich, wonach sie sich schnell zum beliebtesten Kastenmöbel des 18. Jhs. mauserte, was auf den enormen Einfluss Frankreichs in Sachen Mode hinweist.
Die Glanzzeit der Kommode im 18. Jahrhundert
Einer der frühen Hersteller von französischen Kommoden war André-Charles Boulle (1642–1732), dessen 1708 ins Grand Trianon gelieferte Modell(14) (von der Werkstatt allerdings noch als „bureau“ bezeichnet) die Tendenz des Barocks verdeutlicht, die Funktionalität hinter komplexen Formen zu verbergen. Boulles mehrmals ausgeführtes Schubladenmöbel erinnert auf den ersten Blick an eine hängende Truhe, womöglich inspiriert von den hängenden Kästen damaliger Kutschen.(15)
Generell unterschieden die Franzosen zwischen zwei Haupttypen, den schwereren grandes commodes, die an der Wand standen, und den petites commodes, den kleinen Tischmöbeln mit mehreren Schüben untereinander, die auch inmitten im Raum aufgestellt wurden.(16)
Abgesehen von Boulles eigenwilliger Kreation, war im frühen 18. Jh. die Gesamtform der grandes commodes noch mehr oder weniger kastenförmig. Variationen betrafen vor allem die Ecken, die entweder prismiert, oder als Fortsetzung der Füße im unteren Bereich nach außen gebogen waren, manchmal auch – im Manier von A.-Ch. Boulle – spangenartig abstehend. Das Schmücken konzentrierte sich auf die Beschläge und insbesondere auf die Marketerie, die um 1700 bei prunkvollem Mobiliar nicht nur Edelhölzer, sondern auch andere Materialien, hauptsächlich Bronze beinhaltete.
Die Form der Kommode begann während der Régence deutlich komplexer zu werden. Eine stilistische Variante war die commode en tombeau, die in ihrer ausgeprägtesten Form, mit den nach oben vorwölbenden Seiten an die Cassoni, an italienische Renaissancetruhen erinnert.(Abb. 2)
Das Verdrängen des funktionalen Erscheinungsbildes wurde im 18. Jh. zunehmend durch die Vorspiegelung falscher Funktionen ergänzt; Schlüsselschilder ohne Schlüsselloch, oder mit Türen vorgeblendete Schubladen, bzw. wie Schubladen gestaltete Türen gehörten zur Rafinesse. Die horizontalen Traversen, welche die Schubfächer visuell trennen, wurden entweder eliminiert, bzw. hinter Schubladenblenden versteckt, oder auch durch Applikationen dort vorgetäuscht, wo sie nicht vorhanden waren. Die Vorgehensweise mit Traversen wurde zum individuellen Stil einzelner Möbelmacher, wie beispielsweise des Berners Mathäus Funk (1697–1783), der sie vorzugsweise mit Metallschienen betonte, resp. vortäuschte.(Abb. 3)
Eine weitere Besonderheit des Rokoko war die Bombierung der Kommoden: eine sich sanft herauswölbende Wiederholung der Eckform in der Mitte der Front, manchmal auch der Seiten. Sie gehörte zu den vielen rhythmischen Elementen der Formensprache des Rokoko, als man das Melodiöse ins Visuelle zu übertragen suchte, sodass die Beschreibung „bombée“ nur einem Teilaspekt der Gestaltung gerecht wird.
Bei der Wölbung der Front der spätbarocken Kommode haben sich diverse Standards etabliert. Beliebt war, oft auch zusätzlich zur Bombierung, die in der Draufsicht jochartige Vorwölbung der gesamten Front, oder in der Form einer Armbrust, auf französisch „en arbalète“ genannt, wodurch die polierte Oberfläche noch mehr Glanzlichter aufwies. Eine stilistische Eigenart, die vermutlich in Frankfurt entstanden war, repräsentiert die sog. „Wellenkommode“, die zwar kaum mit Beschlägen verziert, dafür aber mit umso ausgeprägteren Wellenformen gestaltet war. Der Stil, der um 1740 seinen Höhepunkt erreichte, war auch in Zürich weit verbreitet.(17)
Für Meinungen, Ergänzungen und Korrekturen, sei es auch sprachlicher Art, wäre ich dankbar, nicht zuletzt, da mir bewusst ist, dass das Thema nicht gerade vom Hocker haut. Paar der Erkenntisse zur Entstehung der Kommode stammen aber immerhin von mir und sind nicht uninteressant, da diesbezgl. einige falsche Annahmen kursieren. (Meine Vermutung, dass die Schublade im Fernen Osten von den Europäern eingeführt worden sei, und dass die Regierungsmarke aus dem 15. Jh. jenes chinesischen Schubladentisches im Victoria and Albert Museum eine spätere Fälschung sei, hab ich natürlich ausgelassen, obwohl mein Verdacht seit dem betr. Thread hier im Forum stärker geworden ist.)
Kommode
Eine Kommode ist ein zumeist tischhohes Kastenmöbel, das mit Schubladen übereinander ausgestattet ist und vorwiegend an der Wand aufgestellt wird.
Das deutsche Wort war um die Mitte des 18. Jhs. bereits aus dem Französischen entlehnt, wo es um 1700/1705 als Substantivierung des Adjektivs „commode“ (für ‚bequem‘) entstanden war.(1) Friedrich Wilhelm Zachariä (1726–1777) erwähnt das Möbelstück samt dem typischen Inhalt in der ersten Fassung seines 1754 erschienenen scherzhaften Gedichts Der Phaeton: „[…], und hohl mir aus meiner Commode, | Wo Cornetten und Hemder und Schürzen bey Dutzenden liegen, | Eine leinwandne Schürze, […]“(2)
Die Entstehung des Möbeltyps
Die frühesten bekannten Möbel, die dem später „Kommode“ genannten Möbeltyp ähneln, waren spezielle Sakristeischränke, die zur Aufbewahrung der Paramente dienten. Manche zweigeschoßigen Schränke der Gotik, die sonst oben und unten Schranktüren haben, wurden in Sakristeien im unteren Bereich ausschließlich mit breiten Schubfächern versehen. Die einzelnen Schübe ermöglichten die Trennung der Ornate nach Amt und Anlass. Ein solcher zweigeschoßiger Sakristeischrank aus Feldkirchen (Kärnten), mit Flachschnitten und Maßwerkschnitzereien verziert und mit „1521“ datiert, steht heute in Wien, im Österreichischen Museum für angewandte Kunst.(3)
Für den gleichen Zweck wurden im Spätmittelalter auch reine Schubladenmöbel hergestellt, zumeist aus mehreren aneinandergebauten Schubreihen bestehend, deren Blatt als große Ablagefläche diente. Das weiträumige Mobiliar wurde manchmal, im Gegensatz zur späteren Kommode, inmitten im Raum aufgestellt. Eine Wandmalerei in der bei Črna pri Kamniku (Slowenien) stehenden Kirche St. Primus und Felizian ist ein solches Möbelstück abgebildet. Die mit „1504“ datierten Fresken zeigen an der Südwand Szenen aus dem Leben Mariä,(4) darunter eine Darstellung webender und nähender Frauen, unter ihnen die Jungfrau Maria am Webstuhl vor einem niedrigen Kastenmöbel dargestellt, der unter dem Blatt nur Schubladen aufweist.(5)
Solch tischhohes Mobilar für die sakralen Textilien waren insbesondere in Spanien verbreitet. Ein repräsentatives Beispiel einer cajonera de la sacristía befindet sich seit dem 16. Jh. in der Vorsakristei der Kathedrale von Ávila. Der massive Schubladenschrank ist rundum mit Füllungen versehen, umgeben von passendem Gestühl, dessen Faltwerke noch deutlich in der Gotik behaftet sind. Das hölzerne Mobiliar wird dem Holzschnitzer flämischer Herkunft, Cornelius de Hollanda (aktiv im 16 Jh. in Spanien) zugewiesen.(6) Etwas jünger, aber mehr bekannt dürften die langen Reihen von cajoneras an der Wand der Sakristei des El Escorial sein, deren Stil bereits gänzlich der Renaissance folgt.(7)
Ein anderer Möbeltyp, der ebenfalls zur Entstehung kommodenartiger Schubladenschränke beitrug, ist der Archiv-, bzw. Kabinettschrank. Oben offene Behälter, die in Regale eingeschoben standen, dürften zumindest die Initiative für eins der ältesten erhaltenen Beispiele, einen Archivschrank aus Breslau (Schlesien) gewesen sein, der im Inneren mit zahlreichen kleinen Schubladen ausgerüstet ist und sich heute im Erzdiözesanmuseum Breslau befindet. Dieser Archivschrank ist nachweislich der Umbau eines Regals, das damals unterteilt, mit kleinen Schubladen gefüllt, beschriftet und mit „MCCCCLV“ (1455) datiert wurde.(8) Die einfache Vorgehensweise demonstriert die Idee, die möglicherweise auch dem Kabinettschrank und dem Sakristeischrank mit Schubladen zugrundeliegt, nachdem beim letzteren mit den niedrigen Fächern zumindest ein einschiebbares Brett zur planen Lage der Textilien notwendig war.
Der Zweck der Kabinett- und Archivschränke ähnelte dem der Truhen: bei der zunächst noch geringen Größe konnte der Standort mit dem wertvollen Inhalt gegebenenfalls schnell verlegt werden. Zur Sicherung der vielen Schubladen erhielten diese Schränke anfangs Türen, oder eine Klappe, die geöffnet als Auflage-, bzw. Schreibfläche fungierten. Um bei Kabinettschränken den Wert des Inhalts hervorzuheben, wurden sie reich verziert und auf Gestelle, oder Tische aufgestellt. Nebst Gestellen und Tischen baute man ihnen auch Untersätze, die ebenfalls mit Schränkchen und Schubladen bestückt waren, allerdings gröber aufgeteilt als der Kabinettschrank. Ein Beispiel dafür ist der spanische taquillón, der manchmal anstatt eines Gestells unter dem vargueño stand, einem hauptsächlich in Kastilien gebauten Kabinettschrank mit Schreibklappe, möglicherweise maurischen Ursprungs.(9) Der taquillón war vertikal und horizontal in zwei Hälften aufgeteilt und erinnert rein äußerlich an eine Kommode. Von den vier gleichförmigen Kompartimenten waren aber höchstens die oberen zwei als Schubladen ausgeführt.(10)
Die Untersätze der Kabinettschränke wurden auch alleinstehend genutzt und schließlich als eigenständige Kastenmöbel gebaut, bis manche Modelle ab dem 17. Jh. nur mit Schubfächern bestückt wurden. Solche Möbel gelangten über die Niederlande auch nach England und zeichnen sich durch schmale, hohe Schubladen aus, die höchstens die Hälfte der Gesamtbreite einnehmen, wobei nicht nur die Aufteilung, sondern auch die Formensprache der frühen chests of drawers auf das spanische Vorbild weist.
Bekannt waren aber auch die deutschen Gebiete für kunstvolle Kabinettschränke, die mit zahlreichen Schubladen ausgerüstet waren; allen voran gilt Augsburg als herausragender Entstehungsort, wo beispielsweise der im 2. Weltkrieg zerstörte Pommersche Kunstschrank im frühen 17. Jh. entstanden war.
Außer der Entwicklung kommodenartiger Möbel aus dem Regal, führten auch die Sockelschubladen der Truhe zu ähnlichem Mobiliar. Als im 15. Jh. immer größere Truhen bevorzugt wurden, erhielten sie zunächst im Inneren kleine Fächer, Einlegekästen und schmale Tablare. Mit der Verbreitung der Schublade wurden die Truhen zunehmend mit Sockelschubladen, d.h. unten mit Außenschubladen ergänzt. Solche kombinierte Truhen waren in der Renaissance in ganz Europa verbreitet. Mancherorts wurden sie unten mit zusätzlichen Schubladengeschoßen weiter erhöht, was insbesondere in England beliebt war. Diese Kombination von Kommode und Truhe wird heute auf englisch „mule chest“ genannt,(11) während dafür weder im Deutschen, noch in den romanischen Sprachen eine spezielle Bezeichnung existiert, obwohl solche Möbel vereinzelt auch in Kontinentaleuropa gebaut wurden.(Abb. 1)
Ab Mitte des 17. Jhs. waren in England und Nordamerika, nebst dem frühen, noch spanisch anmutenden chest of drawers, auch aus dem mule chest reine Schubladenversionen entstanden, indem die obere Truhe weggelassen wurde. Einfach gestaltete transportable Modelle, die auch gestapelt werden konnten, fanden auch auf Schiffen Verwendung.
Das Verdrängen der Truhe von unten durch Schubladen ist selbst an der Entwicklung des japanischen tansu abzulesen. Ab dem 17. Jh. erhielt auch in Japan die transportable Truhe unten eine von außen zu öffnende Schublade (hikidashi), die ursprünglich für das Brennholz bestimmt war, während die Truhe den Esswaren vorbehalten blieb.(12) Später wurden auch die japanischen Reisemöbel unten mit weiteren Schubladen erweitert, bis sie schließlich ihre Eignung zur Reise einbüßten und bei manchen Typen so viele Schubladen übereinander lagen, dass auf die obere Truhe verzichtet wurde.
Die ersten gänzlich der Kommode entspechenden Kastenmöbel erschienen in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. in Norditalien.(13) Wie der stipo a bambocci, ein dem spanischen vargueño ähnlicher Kabinettschrank, wurde auch der cassettone häufig mit Figuren verziert. Seine Einteilung mit durchgehenden Schüben über die Gesamtbreite entspricht jedoch dem Sakristeischrank für die Ornate. Die cassettoni wurden in verschiedenen Ausführungen gebaut: außer Konsolenschränken und Betpulten mit Schubfächern entstanden auch Sekretäre (canterani), die wie Kommoden aussahen, zuoberst jedoch anstatt der Schublade eine Schreibklappe mit kleinen Behältnissen dahinter aufwiesen, und somit den englischen butler's desk des 18. Jhs. vorwegnahmen.
Obwohl im 17. Jh. in Westeuropa private Schubladenmöbel nichts Ungewöhnliches mehr waren, begann der Siegeszug der Kommode erst um 1700 in Frankreich, wonach sie sich schnell zum beliebtesten Kastenmöbel des 18. Jhs. mauserte, was auf den enormen Einfluss Frankreichs in Sachen Mode hinweist.
Die Glanzzeit der Kommode im 18. Jahrhundert
Einer der frühen Hersteller von französischen Kommoden war André-Charles Boulle (1642–1732), dessen 1708 ins Grand Trianon gelieferte Modell(14) (von der Werkstatt allerdings noch als „bureau“ bezeichnet) die Tendenz des Barocks verdeutlicht, die Funktionalität hinter komplexen Formen zu verbergen. Boulles mehrmals ausgeführtes Schubladenmöbel erinnert auf den ersten Blick an eine hängende Truhe, womöglich inspiriert von den hängenden Kästen damaliger Kutschen.(15)
Generell unterschieden die Franzosen zwischen zwei Haupttypen, den schwereren grandes commodes, die an der Wand standen, und den petites commodes, den kleinen Tischmöbeln mit mehreren Schüben untereinander, die auch inmitten im Raum aufgestellt wurden.(16)
Abgesehen von Boulles eigenwilliger Kreation, war im frühen 18. Jh. die Gesamtform der grandes commodes noch mehr oder weniger kastenförmig. Variationen betrafen vor allem die Ecken, die entweder prismiert, oder als Fortsetzung der Füße im unteren Bereich nach außen gebogen waren, manchmal auch – im Manier von A.-Ch. Boulle – spangenartig abstehend. Das Schmücken konzentrierte sich auf die Beschläge und insbesondere auf die Marketerie, die um 1700 bei prunkvollem Mobiliar nicht nur Edelhölzer, sondern auch andere Materialien, hauptsächlich Bronze beinhaltete.
Die Form der Kommode begann während der Régence deutlich komplexer zu werden. Eine stilistische Variante war die commode en tombeau, die in ihrer ausgeprägtesten Form, mit den nach oben vorwölbenden Seiten an die Cassoni, an italienische Renaissancetruhen erinnert.(Abb. 2)
Das Verdrängen des funktionalen Erscheinungsbildes wurde im 18. Jh. zunehmend durch die Vorspiegelung falscher Funktionen ergänzt; Schlüsselschilder ohne Schlüsselloch, oder mit Türen vorgeblendete Schubladen, bzw. wie Schubladen gestaltete Türen gehörten zur Rafinesse. Die horizontalen Traversen, welche die Schubfächer visuell trennen, wurden entweder eliminiert, bzw. hinter Schubladenblenden versteckt, oder auch durch Applikationen dort vorgetäuscht, wo sie nicht vorhanden waren. Die Vorgehensweise mit Traversen wurde zum individuellen Stil einzelner Möbelmacher, wie beispielsweise des Berners Mathäus Funk (1697–1783), der sie vorzugsweise mit Metallschienen betonte, resp. vortäuschte.(Abb. 3)
Eine weitere Besonderheit des Rokoko war die Bombierung der Kommoden: eine sich sanft herauswölbende Wiederholung der Eckform in der Mitte der Front, manchmal auch der Seiten. Sie gehörte zu den vielen rhythmischen Elementen der Formensprache des Rokoko, als man das Melodiöse ins Visuelle zu übertragen suchte, sodass die Beschreibung „bombée“ nur einem Teilaspekt der Gestaltung gerecht wird.
Bei der Wölbung der Front der spätbarocken Kommode haben sich diverse Standards etabliert. Beliebt war, oft auch zusätzlich zur Bombierung, die in der Draufsicht jochartige Vorwölbung der gesamten Front, oder in der Form einer Armbrust, auf französisch „en arbalète“ genannt, wodurch die polierte Oberfläche noch mehr Glanzlichter aufwies. Eine stilistische Eigenart, die vermutlich in Frankfurt entstanden war, repräsentiert die sog. „Wellenkommode“, die zwar kaum mit Beschlägen verziert, dafür aber mit umso ausgeprägteren Wellenformen gestaltet war. Der Stil, der um 1740 seinen Höhepunkt erreichte, war auch in Zürich weit verbreitet.(17)