Ich glaube kaum das antike lateinische Texte sich derart an Grammatikregeln halten.
Ja, die Schreiber antiker Graffiti tun das tatsächlich nicht. Die reduzieren schon im 1. Jahrhundert z.B. die Deklinationsformen auf den Akkusativ, was uns einiges über die lateinische Alltagssprache verrät.
Ein Tacitus aber, der Vertreter der
silbernen Latinität schlechthin, war ein Literat, der sehr genau wusste, was er wie schrieb. Gerade Tacitus, der auf jede Wortnuance Wert legte, der gerade die Annalen sehr genau komponierte (und es so schaffte, z.B. Tiberius gute Taten immer noch in ein negatives Licht zu rücken), der wusste ganz genau, was er tat, wenn er ein Wort und eine grammatische Form wählte.
Es gibt einen Grund, warum die Klassiker der goldenen und silbernen Latinität einen solchen Rang im Schulunterricht haben: Gerade weil sie so genaue Grammatiker sind.
Genau so bin ich mir sehr sicher, dass es einzelne Vokabeln gibt, deren Funktion sich verändert hat.
Ja, semantische Verschiebungen gibt es hin und wieder mal. Als Bedeutungserweiterung und als Bedeutungsreduzierung. Ich finde Bedeutungsverschiebungen kulturgeschichtlich immer höchst interessant.
Sehr anzuzeifeln ist, dass die Abschreiber der antiken Texte einen Latein-Dr. hatten.
Richtig. Umso verwunderlicher wäre es, wenn sie beim Abschreiben Fehler dergestalt machten, dass diese wiederum korrekte Formen ergäben, insbesondere, wenn es sich nicht etwa nur um einen Vokal handelte, sondern z.B. um den Unterschied zwischen
dirimerentur und
dirempti sint.
Das aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sinnhafte Fehler in unseren Quellen sein können, sollte man nicht als Unfug abtun.
Wenn man die Fehler nur annimmt, weil sie der eigenen Hypothese widersprechen, dann versucht man an der falschen Schraube zu drehen. Nicht der Text muss dann geändert werden sondern die Hypothese.
Ein vielleicht als Grenzwall bezeichneter Wall in einer Schlachtordnug kann durch aus einen Vorteil bieten, z.B. um Krieger, die vielleicht nur mit Steinen warfen, einen gewissen Schutz zu geben.
Das steht völlig außer Frage. Selbstverständlich ist das die Funktion eines Walles bzw. wurde beim bereits existierenden Angrivarierwall so gemacht.
Der Trick wäre dann, die Römer vor dieses Hindernis zu locken und langsam an dem Wall [sich] aufreiben zu lassen. Dieser Plan scheint aber in Kalkriese nicht geklappt zu haben.
Der Kalkrieser Wall kann aus verschiedenen Gründen jedoch nicht der Angrivarierwall sein. Die Gründe wurden genannt, es sind z.T. solche archäologischer natur, zum Teil solche der Passung von Text und beschriebener Geographie als auch der Geographie von Kalkriese.
2. Anders sieht es aus, wenn Tacitus ursprünglich, genauso wie Ptolemäus, mit Amisia und Lupia zwei Städte/Orte bezeichnete. Diese wiederum, zumindest Amisia, könnten sich an der Weser oder in deren Nähe befunden haben. Germanicus wäre also nicht in die Ems, sondern in die Weser gefahren, dort wurde zwischen Amisia und Lupia alles verwüstet, der Stertinius mit leichter Truppe Richtung Ems beordert die Brukterer zu erledigen, dann besuchte Germanicus die Varuslager mit Schlachtfeld (nördlich, südlich, östlich der Weser?), trennte die Truppe wieder bei Amisia an der Weser (Pedo an der Küste lang, er mit den Schiffen über die See und Caecina per pedes an den Rhein über Kalkriese).
Auf der Karte des Ptolemaios liegt der Ort Luppia
östlich der Weser, der Ort Amisia dagegen nördlich von Novaesium - also von Neuss - müsste also demnach am Rhein zu suchen sein.
(Wer kann denn 100%ig beweisen, dass "VAR" nicht auch "UAR" bedeutet?)
Was sollte dieser Beweis erbringen? U/V sind im Lateinischen äquivalent. Ob sie vokalischen oder konsonantischen Charakter haben, liegt an der Lautumgebung. Varus heißt bei Strabon und Cassius Dio
Οὐᾶρος bzw. Οὐάρος.
und von vielen Legionären mitgeschleppt, ließe sich schmerzfrei deuten, die in der Nähe gefundenen Bohlwege würden passen, der Sumpf läge ideal zur Überlieferung der Schlacht an den Pontes Longi!
Gleichfalls würden sofort alle Zweifel an der Sorgfalt des Tacitus schwinden, der in der Folge vom wegen Flachwasser ausgeschifften Flutopfer Stertinius berichtet, der anschließend wieder zum Visurgis reitet, wo sich Germanicus mit der Flotte befand und den Unglücklichen mit seinen gebeutelten Truppen wieder einschiffte. Hier wird dem Verfasser wegen der Erwähnung der Weser immer ungenaues Arbeiten oder geografische Unkenntnis vorgeworfen, weils ja auch wegen der Ems, wo Germanicus sich eigentlich zu befinden hatte, tatsächlich unlogisch klingt
Eigentlich wird immer angenommen, dass Tacitus sich mit einem westlich gelegenen Fluss vertan hätte, wo die überlebenden Legionäre wieder einschifften. Die Fluopfer wurden von Vitellius geführt. Stertinius brachte Segimer und seinen Sohn (Sesithank?) nach Köln.
PS: Komisch wie immer mit Ausnahmen argumentiert wird, wenn die eigentliche Regel ein Argument erledigen würde.
Wo wird denn mit Ausnahmen argumentiert?