- In die Renaissance fallen auch so "tolle" Ereignisse wie die Hexenverfolgung
Aber das stimmt. Soll man das verschweigen, wenn jemand die Renaissance im hellsten Licht erstrahlen lässt und die dunkelsten Schatten auf das Mittelalter wirft? Damit dein Klischee nicht gestört wird?
oder der grausame dreißigjährige Krieg.
Das stimmt eher nicht, das wäre eher Barock.
Doch, ich kann. Aber wie ich schon schrieb, beobachte ich schon eine seit Jahrzehnten bestehende Revision der Geschichte, die darauf hinauslaufen, das Schlechte und das Gute in den Geschehnissen zu relativieren.
Du glaubst das zu beobachten. Aber kann es nicht sein, wenn du mal versuchsweise selbst- und ideologiekritisch in dich gehst, dass es dich stört, daraufhin gewiesen zu werden, dass im MA nicht alles Schatten und in der Renaissance nicht alles Licht war (auch wenn der Marmor italienischer Renaissancepaläste alles hell strahlen lässt)?
Die Kreuzzüge werden jetzt auch als etwas Gutes angesehen – weil sie uns die von den Byzantinern und Arabern gerettete antiken Schriften und Hygiene wieder brachten.
Das finde ich gerade ein wenig lustig. Also wenn man die Threads über mittelalterliche Badekultur und das letzthin an
geschnittene Thema der Schamhaarrasur liest, dann bist immer du es, der darauf beharrt, dass die Westeuropäer nach der Römerzeit zu dumm für alles waren und dank der Kreuzzüge die Körperhygiene wiederentdeckt hätten. Jetzt wirfst du also anderen deine Argumentationsketten vor?
Und dass die Kirche pagane und – aus ihrer Sicht – ketzerische Schriften vernichtete oder dem Verfall preisgab, hatte auch was Gutes: Das diente dem Zusammenhalt der Glaubensgemeinschaft und damit auch des Staates.
In der Klosterkirche von Corvey kannst du sogar die Überreste von Vergils Fassung der Odyssee als Fresko an die Wand gemalt finden. Es waren individuelle Mönche, die entschieden haben, Bücher zu kopieren oder auch nicht zu kopieren. Ob dabei Gedanken wie "das gebe ich jetzt mal dem Verfall preis" eine Rolle spielten, kann man mutmaßen, muss man aber nicht.
Von
der Kirche als einem gezielt, von einem Willen gelenkten Wesen zu sprechen, ist hier etwas fehlgehend. Allenfalls bei Buchvernichtungen (die aber ihren Schwerpunkt wiederum in der Renaissance und im Barock hatten) kann man von gelenkten Aktionen sprechen.
Und weil man mit der Folter praktisch jedes Geständnis erzwingen konnte, war das Ganze nur noch eine Farce.
Das ist die populäre Sichtweise des Ganzen und berührt natürlich ein echtes Problem - und auch wenn du mich in der Richtung missverstehen wirst, dass ich der Folter das Wort redete (was ganz ausdrücklich nicht der Fall ist), muss ich dir widersprechen:
Natürlich konnte das System missbraucht werden und das wurde es auch. Massenweise. Jedoch gab es Regeln und diese Regeln waren gar nicht unvernünftig. Die Folter - ohne sie damit zu rechtfertigen, es handelt sich um eine
einfache und
wertfreie Faktenfeststellung - war in Ermangelung einer wissenschaftlichen Forensik das einzige Mittel Druck auf Verdächtige auszuüben.
Der Befragte durfte genau einmal gefoltert werden. Weil die Menschen, die dieses Verfahren "erfanden" aber nicht dumm waren und wussten, dass man unter der Folter alles mögliche erzwingen und erpressen konnten, wussten sie auch, dass das unter der Folter gemachte Geständnis nichts wert war. Die Folter war nicht Teil des Prozesses, sondern der Ermittlungen. Daher mussten die Folterknechte (also die Henker, im übrigen ein unehrlicher Beruf) auch in der Lage sein, Wunden zu versorgen. Hielt man sich an die Prozessregeln (das ist, nachdem ich geschrieben habe, dass die Folter ein Teil der Ermittlung und nicht des Prozesses war, natürlich ein eher ungünstig gewähltes Wort), dann durfte die Folter (hier spielt tatsächlich schon die Unschuldsvermutung mit hinein) keine bleibenden Schäden verursachen (gedacht war dabei natürlich an körperliche Schäden, die Psyche spielte damals keine Rolle).
Grob liefen Ermittlungen so ab, man hatte einen Verdacht, aber keine Zeugen:
1. Befragung
2. Zeigen der Instrumente
3. Erneute Befragung
4. Peinliche Befragung (also Folter)
5. Vierte Befragung mit Hilfe der unter der Folter gewonnenen Erkenntnisse
Unser seit 500 Jahren gepflegtes Bild von der Inquisition:
Warst du einmal in deren Fängen, kamst du da nicht wieder heraus und am Ende stand deine Verbrennung.
Dieses Bild wurde vor allem von antikatholischen Kräften ge- und überzeichnet. Hatte in der protestantischen Tradition auch Auswirkungen in die marxistische und besonders in Dtld. in die nationalistische Geschichtsschreibung.
Die Inquisitionsakten zeichnen ein anderes Bild. Neben Freisprüchen gab es jede Menge von Urteilen, die nicht mit Körperstrafen endeten. Von Bernard Gui sind 900 Prozessakten überliefert. Davon endeten 40 (also 5 %) mit einem Todesurteil. Halten wir fest: Die Behauptung, unser seit 500 Jahren gepflegtes Bild von der Inquisition - wie es überhaupt die
Inquisition gar nicht gab, sondern verschiedene Institutionen an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten -, dass man aus deren Fängen nicht wieder herauskam, ist so nicht korrekt.
Dass ausgerechnet die Kirche mit der Inquisition verbunden ist, kann man
je nach Standpunkt sowohl als
Perversion der christlichen Religion oder auch als
für eine monotheistische Religion folgerichtig erachten.
Dennoch gibt es Leute, die auch das verteidigen: Spanische Inquisition wäre zwar grausam gewesen, sagen sie, aber sie hätte z.B. das Eindringen des Protestantismus nach Spanien verhindert und damit auch einen Krieg, der in Mitteleuropa 30 Jahre dauerte. Mit anderen Worten: Inquisition hatte weit weniger Leid über die Menschen gebracht als der Krieg es gebracht hätte.
Ich halte das ja für Schattenboxen, dass du eine Behauptung behauptest, um dann gegen diese Behauptung argumentieren zu können. Aber
wo du gerade selber mit der Spanischen Inquisition kommst: 1479 - 1812, Wiederaufnahme 1815.
Gut, 1479 kann man noch ins Mittelalter verorten, Buchdruck schon erfunden und etabliert, Istanbul schon türkisch, aber Amerika, Seeweg nach Indien noch nicht gefunden und Reformation noch nicht im Gange. Aber im Großen und Ganzen ist die Spanische Inquisition, ein Phänomen der ... Renaissance und des Barock.
Deine These war oben: Die FNZ wird mit Dreck beworfen um das MA heller erstrahlen zu lassen. Du selbst wählst als Beispiel für das dunkle MA ein Phänomen der FNZ.
*angelehnt an a.k.a.