Doku über Custer

1876 waren die Indianer in der Lage, sich zum Widerstand zu organisieren. Entweder, da das Lagerareal groß genug war, oder weil sie rechtzeitig das Nahen Custers bemerkt hatten.

Nachdem Reno sich gegen heranstürmende Krieger wehren musste, blieb ihm wenig anderes übrig als absitzen zu lassen: Seine Männer hatten ja keine Seitenwaffen. Als er überflügelt wurde, blieb ihm nichts anderes als der Stellungswechsel, der von den Indianern durch die schnelle Verfolgung vereitelt wurde. Reno war nicht verwirrt, er hatte alle normalen Optionen abgespult und wusste nicht, was er befehlen sollte. Über ein Steilufer in einen Fluss zu springen, ohne zu wissen, wie das gegenüberliegende Ufer erstiegen werden kann, war niemals eine empfohlene Verhaltensweise für Kavallerie. Hier war es die rettende Idee, die ihm ermöglichte eine Stellung zu erreichen, die zu verteidigen war.

Sein Angriff hatte zunächst durchaus großen Schaden angerichtet. Unter den Toten befand sich z.B. der Großteil der Familie Galls/Pizis. Bevor dieser einen Gegenangriff organisieren konnte, zogen sich die im Kampf stehenden Krieger zurück, um Zeit zu gewinnen. Jemand, der davon ausging, dass 'Wilde Krieger' sich nicht organisieren können, muss ziemlich überrascht gewesen sein.

Custer selbst soll, als er den Fluss nicht überqueren konnte und sich zurückzog, in einen Hinterhalt geraten sein. Er reagierte im Prinzip wie Reno und lies 2 Kompanien absitzen, um den Rückzug zu decken. Diese wurden jedoch überrannt. Damit waren auch ihre Waffen in die Hände der Indianer gefallen. Wieso Custer keine zu verteidigende Stellung erreichte ist wohl unklar. Vielleicht, weil überraschend Gall auftauchte und ihn schnell und in einem passenden Moment angriff. Dadurch mag auch Crazy Horse seine Umgehung ermöglicht worden sein.

Hier waren also die Indianer gewarnt und Custer der Überraschte. Also das klassische Szenario: der sich überlegen Wähnende marschiert in einen Hinterhalt.

Schaut man sich die Karte an, ergibt sich ein weiterer Grund, das Reno nicht sofort versuchen konnte, Custer zu helfen. Nach einem Angriff über 2-3 Meilen und dem Rückzug über ca. 2 Meilen durch den Fluss und bergauf müssen die Pferde erschöpft gewesen sein.

Der Grund des Ganzen ist recht einfach: Custer glaubte seinen Scouts nicht die Größe des Lagers und unterschätzte die Fähigkeiten der Indianer. Zusätzlich hatte das Regiment die Seitengewehre zurückgelassen.
 
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Custer selbst soll, als er den Fluss nicht überqueren konnte und sich zurückzog in einen Hinterhalt geraten sein. [...]

Hier waren also die Indianer gewarnt und Custer der Überraschte. Also das klassische Szenario: der sich überlegen Wähnende marschiert in einen Hinterhalt.

Gewarnt in dem Sinne war das Lager nicht. Die Anwesenden konnten davon ausgehen, daß irgendwo in der Prärie Soldaten unterwegs waren, da dies im Prinzip in jedem Sommer der Fall war. Ein Angriff auf das Lager wurde aber nicht erwartet in dem Sinne, als eingehende Vorbereitungen getroffen wurden oder gar getroffen worden waren, einen solchen Angriff abzuwehren. In dem Fall hätten sich zb Frauen, Kinder und Alte in einiger Entfernung vom Lager in Sicherheit gebracht und der Widerstand wäre bereits vor dem Angriff organisiert worden.

Daher konnte Custer beim Rückzug nicht in einen *Hinterhalt* geraten. Dieser hätte der Vorplanung und Vorbereitung bedurft. Allerdings hört sich der Begriff "Hinterhalt" dann doch viel eindrucksvoller an als ein simples: "Die haben mir den Weg abgeschnitten". Womit bei einem zahlenmäßig weit überlegenen und beweglichen Gegner, er sich zudem im Gelände bestens auskennt, auch gerechnet werden kann; ich würde den Versuch des Wegabschneidens jedenfalls für naheliegend halten.
 
Frauen, die Pflanzen sammelten haben Custer kommen sehen. Dadurch gab es eine kurze Vorwarnzeit. Dies galt wohl nicht für den Angriff Renos. Aber auch die Hunkpapa wähnten sich nicht im Frieden.

Custer geriet, als er sich vom Fluss zurückzog, zwischen zwei Gruppen von Kriegern. Die eine wird ihn verfolgt haben, die andere konnte er nicht sehen. Dies wird, etwas anders interpretiert auch in der Doku angesprochen. Er wurde auch von der anderen Gruppe, die von ihm wusste angegriffen. Dies nennt man durchaus Hinterhalt, da die andere Gruppe bewusst gehandelt haben soll. Soweit ich weis, ergibt sich dies aus indianischen Quellen.

Hinterhalt ist ein militärischer Begriff. Er bezeichnet eine "Taktik, bei der eine Partei aus dem Verborgenen heraus einem Gegner auflauert und diesen bekämpft". Solange es sich bei dem Wegabschneiden nicht um einen Wettlauf handelt, handelt es sich dabei also um einen Hinterhalt (oder einen Überfall; s.u.).

Natürlich nutzte die amerikanische Propaganda eine weitere Bedeutung des Begriffs 'Hinterhalt' für ihre Zwecke, die eine moralisch verwerfliche Falle meint.

Hier kommt es übrigens in vielen Darstellungen zu einem chronologischen Fehler. Da die Reno attackierenden Lakota erst durch das Salvenfeuer von ihren Angriffen abgelenkt wurden, können sie nicht an dem Hinterhalt, der zu jenen Salven führte, beteiligt gewesen sein. Da sich Custer nicht im Zustand der Ruhe befand, sondern sich bewegte, kann man hier militärisch übrigens nicht von einem 'Überfall' reden.
 
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Die Doku auf Arte habe ich zwar weitgehend gesehen, als Quelle möchte ich sie aber nun nicht empfehlen (eine Doku kann keine Quelle sein).

Zu den dort interviewten Historikern kann ich nichts sagen – dh also auch nicht, welchem 'Lager' diese angehören, also contra oder pro Custer (und es gab und gibt noch auch unter Historikern ausgesprochene Custer-Afficionados) oder keinem dieser Lager zugehörig. Damit steht und fällt aber auch eine Einschätzung ihrer Beiträge in der Doku.

Auffallend fand ich (wie auch schon von Vorschreibern angemerkt), daß man – mal wieder – weitgehend auf die Beteiligung von Lakota oder Cheyenne bei den Interviews verzichtet hat. Natürlich gibt es dort Personen, denen die Geschichte mündlich überliefert wurde und es gibt zumindest auf einigen Reservationen auch Personen, die Historiker ihrer Geschichte sind – zb auf Standing Rock, wo ua die Hunkpapa angesiedelt wurden. Der Name des einzigen (!) indigenen Interviewpartners sagte mir nichts und leider wurde auch nicht angegeben, welcher Ethnie er angehört.

Interessant fand ich an den Aussagen einiger der Interviewten den Aspekt, daß Custer offenbar bewußt und gezielt in dieses Kommando berufen wurde und auch seine Befehle so erhielt, daß man sicher sein konnte, daß er „wie gewünscht“ handeln und die Befehle mißachten werde.

Widersprechen würde ich der dort wiedergegebenen Meinung, die Darstellung Custers als durchgeknallten Vollpfosten entspreche einer kurzlebigen Idealisierung des indianischen Widerstands und damit einhergehend überzogenen Kritik am Vorgehen der Weißen. Für mich reiht sich diese Custer-Darstellung durchaus in die Versuche ein, sich eine unerklärliche Niederlage gegenüber einer 'Handvoll Wilder' zurechtzubiegen – wäre Custer bei Sinnen gewesen, hätte er doch siegen müssen... Im gleichen Lichte sind Darstellungen zu werten, Tatanka Iyotanka sei ein Renegat gewesen, der sogar eine Ausbildung in West Point absolviert habe, oder Tashunka Witko sei ein als Kind zu den Lakota gekommener Weißer gewesen (was in der Doku nicht erwähnt wurde, aber meines Wissens verbreiteter ist als das Märchen zu Tatanka Iyotanka).


Ich habe mir die Doku soeben im Internet angesehen. Rein didaktisch war sie recht gut gemacht, und ich hätte sie ohne das Hintergrundwissen, das ich mir auf @Ingeborgs Anregung in den letzten Tagen angeeignet habe, sogar als um Objektivität bemüht eingeschätzt.

Dass nur ein einziger Native american zu Wort kommt, ist doch sehr auffallend, und ich tendiere inzwischen dazu, das keineswegs für Zufall zu halten, zumal etliche Punkte, die ein schlechtes Licht auf den Helden werfen, schlichtweg ausgeblendet und verschwiegen wurden wie die schon erwähnte Praxis, Frauen, Kinder und Alte als Geiseln und lebende Schutzschilde zu missbrauchen, was Custer unumwunden zugab.

Archäologische Forschungen zur Schlacht am Little Bighorn haben den mündlichen Überlieferungen der Lakota recht gegeben, deren Perspektive aber fast völlig ausgeblendet wird. Als Fazit bleibt das Bild eines (tragischen) Helden, der von seinen überforderten Offizieren im Stich gelassen wird und ein bisschen Selbstkritik, man habe sich vorschnell in Kriegsabenteuer gestürzt. So kann man es natürlich auch sehen, wenn man dem Mainstream angehört und die USA für den Nabel der Welt hält. Dass da auch noch der Kriegsgegner heroisiert wird, passt durchaus ins Bild, und die Custerkritik nach dem Vietnamkrieg wird geschickt als Marotte der "Baby Boomer Generation" dargestellt, die überwunden ist. Custer war sicher ein charismatischer Truppenführer, eine Art Jeb Stuart der Unionsarmee, doch dass seine Männer ihn angehimmelt hätten, blendet total die Kritik an seinem Führungsstil aus, die schon im Bürgerkrieg laut wurde. Custer war gegenüber seinen Soldaten überaus rücksichtslos und barsch gegenüber Offizieren. Koordination und Absprache war nicht sein Fall. Er lehnte Verstärkung durch die 2. US Cavalry ab, schlug Warnungen seiner Scouts in den Wind und teilte seine Streitmacht auf, ohne zu wissen, mit wie vielen Indianern er es am Little Bighorn überhaupt zu tun hatte.
 
Die Spuren stammten von einer Gruppe Kiowa, die von einem Überfall auf ein Dorf der Ute zurückkehrten und die Black Kettle davon unterrichteten, daß sie in der Nähe seines Dorfes Soldaten bemerkt hatten. Im übrigen waren die Spuren ja auch deswegen so deutlich und gut verfolgbar, weil die Indianer in den Dörfern am Washita davon ausgingen, sich mit der US-Army nicht im Krieg zu befinden, sondern ganz im Gegenteil.

Es hat, nebenbei bemerkt, in beiden Fällen - am Sand Creek und am Washita - dasselbe Dorf betroffen.
Eine Schlacht war dies in keinem Fall, da es sich um ein sogen befriedetes Dorf handelte, das unter dem Schutz der Armee stand. Rein theoretisch....

Interessante Theorie mit den Kiowa, wer vertritt die aufgrund welcher Quellen? ? Wenn das stimmt, war das natürlich großes Pech für Black Kettle.

Das mit dem Frieden ist so eine Sache. Nachdem Hancock durch Sheridan abgelöst worden war, gab es zwei Offiziere in verantwortlicher Position, die wie keine anderen den totalen Vernichtungskrieg befürworteten, Sheridan und Sherman. Nach den zahlreichen Überfällen der Cheyenne, oder vielleicht besser gesagt, einiger Cheyenne und Arapahoe im Sommer 1868, betrachtete sich die Armee als im Krieg mit den feindlichen Elementen, also denen, die in Überfälle verwickelt waren. Black Kettle, der sozusagen zur Friedenspartei gehörte, wußte das, er (und Little Robe) waren ungefähr eine Woche vor dem Überfall am Washita nach Fort Cobb zu General Hazes gereist, hatten aber keine Friedensgarantie erhalten. In diesem Gespräch gab Black Kettle zu, seine jungen Männer nicht von Kriegszügen abhalten zu können. Im Dorf von Black Kettle fand man vier weiße Gefangene sowie zahlreiches Beutegut aus Kansas-Überfällen. Es bestand also -aus der Rückschau- eine gewisse Berechtigung, feindliche Elemente in Black Kettles Dorf zu vermuten. Beim Angriff selbst wußte Custer davon wohl nichts, es gab keine vorherige Aufklärung.


Das ist so nicht richtig. Am Greasy Grass handelte es sich um ein Lager, in dem Angehöriger dreier Ethnien zusammengekommen waren, um das weitere Vorgehen zu beraten. Am Washita befanden sich in der Nähe weitere Dörfer von Cheyenne und Kiowa, die aber nicht ein einziges Lager bildeten.

Zudem waren die Bewohner nicht verteidigungsbereit, da sie sich unter dem Schutz der Armee wähnten. Wie in der englischen Wikipedia dargestellt, reagierte man auf die Warnung durch die Kiowa-Gruppe damit, daß man das Dorf am nächsten Tag verlegen sowie auch am nächsten Tag Kontakt zu den anrückenden Soldaten aufnehmen wollte, da man davon ausging, es handele sich um ein Mißverständnis, das leicht ausgeräumt werden könne.

Das ist ein bißchen zu entschlossenes Festhalten an unwichtigen Unterschieden. Jedenfalls waren erheblich mehr Indianer am Washita, als von Custer vermutet und es hätte evtl. eine vergleichbar gefährliche Situation wie später am Little Bighorn entstehen können. Am Washita war das Regiment allerdings zusammen (bis auf Elliots Leute), man hatte Frauen und Kinder als Gefangene und mehr Vorwarnzeit, weil sich die Krieger erst langsam sammelten, außerdem brach der von den Indianern angegriffene Versorgungszug zu Custer durch und lieferte Ersatzmunition. Trotzdem, ohne den Marsch auf die Lager und den Schwenk bei Nacht hätte die Situation für das 7. Reg. sehr problematisch werden können.



Wie gesagt, diese Entschlossenheit war nichts Neues. Ohne diese Bereitschaft hätte es keinen Sieg von Mahpiya Luta im Red-Cloud-War gegeben. Auch andere Schlachten hätte es nicht gegeben, siehe zb Pontiac, Tecumseh - um nur zwei Beispiele zu nennen.

Das sehe ich nicht so. Es gab 1876 anders auftretende (Plains!)Indianer als in den Kämpfen davor. Allerdings noch eher am Rosebud als am Bighorn. Der Sieg über Fettermans Truppe, unpassenderweise "Massaker" genannt, war ein schlauer und perfekt durchgeführter Plan, allerdings von 1000 bis 1500 Kriegern gegen 81 Weiße. Im Hayfield-Gefecht und im Wagon Box Fight versagten die Indianer allerdings wieder recht erbärmlich. Der Angriff am Rosebud auf die Wyoming-Kolonne mit wohl sogar unterlegenen Kräften oder auch der Kampf am Little Bighorn von vielleicht 2000 Kriegern gegen Custers ca. 650 Mann hatte da ein ganz anderes Kaliber.

Pontiac und Tecumseh sind völlig andere Themen, die mit der Kampfweise der Plainsindianer nicht das geringste zu tun haben. Genausowenig könnte man den Kampf der Miamis unter Little Turtle gegen General St. Clair nennen.

Übrigens muß ich mich korrigieren, Fettermans Vernichtung war die viertschlimmste Niederlage der US-Armee gegen amerikanisch Ureinwohner, nicht die drittschlimmste.

Ich habe mir die Doku soeben im Internet angesehen. Rein didaktisch war sie recht gut gemacht, und ich hätte sie ohne das Hintergrundwissen, das ich mir auf @Ingeborgs Anregung in den letzten Tagen angeeignet habe, sogar als um Objektivität bemüht eingeschätzt.

Dass nur ein einziger Native american zu Wort kommt, ist doch sehr auffallend, und ich tendiere inzwischen dazu, das keineswegs für Zufall zu halten, zumal etliche Punkte, die ein schlechtes Licht auf den Helden werfen, schlichtweg ausgeblendet und verschwiegen wurden wie die schon erwähnte Praxis, Frauen, Kinder und Alte als Geiseln und lebende Schutzschilde zu missbrauchen, was Custer unumwunden zugab.

Archäologische Forschungen zur Schlacht am Little Bighorn haben den mündlichen Überlieferungen der Lakota recht gegeben, deren Perspektive aber fast völlig ausgeblendet wird. Als Fazit bleibt das Bild eines (tragischen) Helden, der von seinen überforderten Offizieren im Stich gelassen wird und ein bisschen Selbstkritik, man habe sich vorschnell in Kriegsabenteuer gestürzt. So kann man es natürlich auch sehen, wenn man dem Mainstream angehört und die USA für den Nabel der Welt hält. Dass da auch noch der Kriegsgegner heroisiert wird, passt durchaus ins Bild, und die Custerkritik nach dem Vietnamkrieg wird geschickt als Marotte der "Baby Boomer Generation" dargestellt, die überwunden ist. Custer war sicher ein charismatischer Truppenführer, eine Art Jeb Stuart der Unionsarmee, doch dass seine Männer ihn angehimmelt hätten, blendet total die Kritik an seinem Führungsstil aus, die schon im Bürgerkrieg laut wurde. Custer war gegenüber seinen Soldaten überaus rücksichtslos und barsch gegenüber Offizieren. Koordination und Absprache war nicht sein Fall. Er lehnte Verstärkung durch die 2. US Cavalry ab, schlug Warnungen seiner Scouts in den Wind und teilte seine Streitmacht auf, ohne zu wissen, mit wie vielen Indianern er es am Little Bighorn überhaupt zu tun hatte.

Custer wußte wahrscheinlich ungefähr, mit wie vielen Indianern er rechnen mußte. Das große aufgegebene Lager im Osten war bekannt, es gab Schätzungen über bis zu 4000 Krieger. er ging sicher von einer Zahl über 1000 Kriegern aus. Wieviele Indianer gegen Custer kämpften, ist ja immer noch umstritten, die Schätzungen reichen von 1000 bis 4000, je nachdem wie man die Größe des Lagers und die Tipidichte berechnet. Ich halte eine Zahl zwischen 1500 und 2000 für am wahrscheinlichsten.

Fahrlässig war sicher die Aufteilung der Truppe in immer kleinere Bataillone. Zu Zeiten gab es 5 verschiedene Abteilungen. Der Grund für das überstürzte Vorgehen dürfte in der Hauptfurcht der Armee in den Indianerkriegen zu suchen sein, nämlich daß sich die Indianer durch Flucht einem Angriff wieder entziehen könnten.

Der Doku vorzuwerfen, sie sei nicht um Objektivität bemüht, halte ich für übertrieben. Die indianische Sicht wurde nicht geschildert, aber das Thema war ja auch "Custer". Die negativen Seiten von Custer wurden sehr wohl aufgezeigt. Welche Sachaussage war denn so einseitig und voreingenommen, außer dem falschen Bild vom Reno-Kampf und einigen Auslassungen?
 
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1876 waren die Indianer in der Lage, sich zum Widerstand zu organisieren. Entweder, da das Lagerareal groß genug war, oder weil sie rechtzeitig das Nahen Custers bemerkt hatten.

Nachdem Reno sich gegen heranstürmende Krieger wehren musste, blieb ihm wenig anderes übrig als absitzen zu lassen: Seine Männer hatten ja keine Seitenwaffen. Als er überflügelt wurde, blieb ihm nichts anderes als der Stellungswechsel, der von den Indianern durch die schnelle Verfolgung vereitelt wurde. Reno war nicht verwirrt, er hatte alle normalen Optionen abgespult und wusste nicht, was er befehlen sollte. Über ein Steilufer in einen Fluss zu springen, ohne zu wissen, wie das gegenüberliegende Ufer erstiegen werden kann, war niemals eine empfohlene Verhaltensweise für Kavallerie. Hier war es die rettende Idee, die ihm ermöglichte eine Stellung zu erreichen, die zu verteidigen war.

Sein Angriff hatte zunächst durchaus großen Schaden angerichtet. Unter den Toten befand sich z.B. der Großteil der Familie Galls/Pizis. Bevor dieser einen Gegenangriff organisieren konnte, zogen sich die im Kampf stehenden Krieger zurück, um Zeit zu gewinnen. Jemand, der davon ausging, dass 'Wilde Krieger' sich nicht organisieren können, muss ziemlich überrascht gewesen sein.

Custer selbst soll, als er den Fluss nicht überqueren konnte und sich zurückzog, in einen Hinterhalt geraten sein. Er reagierte im Prinzip wie Reno und lies 2 Kompanien absitzen, um den Rückzug zu decken. Diese wurden jedoch überrannt. Damit waren auch ihre Waffen in die Hände der Indianer gefallen. Wieso Custer keine zu verteidigende Stellung erreichte ist wohl unklar. Vielleicht, weil überraschend Gall auftauchte und ihn schnell und in einem passenden Moment angriff. Dadurch mag auch Crazy Horse seine Umgehung ermöglicht worden sein.

Hier waren also die Indianer gewarnt und Custer der Überraschte. Also das klassische Szenario: der sich überlegen Wähnende marschiert in einen Hinterhalt.

Schaut man sich die Karte an, ergibt sich ein weiterer Grund, das Reno nicht sofort versuchen konnte, Custer zu helfen. Nach einem Angriff über 2-3 Meilen und dem Rückzug über ca. 2 Meilen durch den Fluss und bergauf müssen die Pferde erschöpft gewesen sein.

Der Grund des Ganzen ist recht einfach: Custer glaubte seinen Scouts nicht die Größe des Lagers und unterschätzte die Fähigkeiten der Indianer. Zusätzlich hatte das Regiment die Seitengewehre zurückgelassen.


Ich denke, die Ereignisse liefen etwas anders ab. Für Reno ist das sicher. Es gab keine Angriffe, die ihn zum Absitzen zwangen. Alle drei Kompanien waren in Linie und gallopierten auf das Lager zu, dessen Größe man von dort noch nicht erkennen konnte. Ca. 40 bis 50 Krieger flohen vor dem Bataillon Richtung Lager. Ziemlich abrupt und ohne äußeren Anlaß ließ Reno anhalten, absitzen, Schützenlinie bilden und weiter vorrücken, dann anhalten auf ca. 900 Meter Abstand zu den ersten Tipis. Es kam zu einem Feuergefecht auf weite Distanz. Nach verschiedenen Aussagen sollen sich 400 bis 500 Indianer versammelt und kleinere Angriffe auf die Linie unternommen haben. Da die Linie im Westen überflügelt zu werden drohte, verlegte sie Reno in den Wald entlang des Flusses. Bis dahin hatte es zwei Verluste in der Schützenlinie gegeben, einen Toten und einen Verwundeten. Zwei Mann waren getötet, einer verwundet worden, als deren Pferde beim abrupten Halt durchgingen. In dem Wald war das Bataillon schwer angreifbar, man hielt die Indianer ohne eigene Verluste auf Abstand. Dann gab Reno den Befehl, sich auf die östliche Flußseite zurückzuziehen. Das war vielleicht wegen der überlegenen indianischen Kräfte und dem Wunsch, zu Custer auszurücken, taktisch klug, obwohl momentan keine Gefahr für die Truppe bestand, aber erbärmlich ausgeführt. Es gab keine Trompetensignale, viele wußten nichts vom Rückzugsbefehl, dann kam die Geschichte mit dem Tod von Bloody Knife, der vor Reno stand; evtl. erschütterte das den Major, der wahrscheinlich auch betrunken war, so, daß er vollends die Nerven verlor. Der folgende Rückzug, eher eine Flucht, führte zu erheblichen Verlusten des Bataillons, nämlich 40 von den insgesamt 45. Man vergleiche das mit dem Bilderbuch-Rückzugsgefecht von Godfreys K Kompanie nach dem mißglückten Vormarsch Benteens auf Custers Position, der die Indianer wahrscheinlich davon abhielt, Benteens und Renos Bataillone zu überrennen.

Zum Kampf von Custers Bataillon weiß man einiges und muß einiges vermuten und anderes raten. Bei Zusammenschau der archäologischen Funde mit den Aussagen indianischer Kämpfer bekommt man ein einigermaßen stimmiges Bild, oder besser gesagt, mehrere stimmige Bilder. Ich halte folgende Version, kurz zusammengefaßt, für am plausibelsten. Am Anfang und lange Zeit lief alles gut, obwohl die Indianer mit überlegenen Kräften angriffen, Keoghs Bataillon hielt für längere Zeit Calhoun Hill und Custer Ridge, während Custers Bataillon weiter nördlich am Custer Hill stand. Zu irgendeiner Zeit versuchte Custer im Norden den Flußübergang, was aber scheiterte, die beiden Kompanien zogen sich wieder auf Custer Hill zurück. Die meiste Zeit wurde von den Indianern auf größere Entfernungen aus Deckung geschossen. Zu einer Zeit mußte die Schützenlinie am Calhoun Hill verlegt werden, weil im Westen eine neue, größere Bedrohung auftauchte. Irgendwann gelang den Indianern, wahrscheinlich durch einen konzentrierten Angriff aus Deep Ravine über Calhoun Coulee der Aufbruch dieser Stellung, womit alles ins Wanken geriet. Die Kompanien flohen über Custer Ridge nach Norden zum Custer Hill, dicht verfolgt von den Indianern, hier gab es Nahkämpfe. Nach einem gescheiterten Ausbruchversuch vom Hügel ins Flußtal brach auch bei Custer die Verteidigung zusammen, wahrscheinlich wurde die Stellung von mehreren Seiten angegriffen.

Von irgendwelchen Hinterhalten kann man dabei nicht reden. Im übrigen waren die Indianer im Lager bis zu Renos Angriff nicht vorgewarnt, obwohl die Soldaten verschiedentlich gesehen worden waren. Das ergibt sich eindeutig aus allen vorhandenen Zeugenaussagen.
 
Zunächst ist mir noch aufgefallen, dass ich noch etwas in der Doku vermisse: Wenn ich mich nicht vertue, fehlen Ausdrücke wie ethnische Säuberung oder ähnliches. Es wird eben nicht klar genug gesagt, worum es bei dem ganzen Krieg ging: Das, was Cäsar in Gallien 'Befrieden' nannte.

Zu Renos Vorgehen kenne ich andere Aussagen. Bei Custer muss ich noch einmal darüber nachdenken, ob meine bisherige Vorstellung zu den Ereignissen überhaupt zeitlich passt. Das war mir schon heute morgen aufgefallen.

Bezüglich der Vorwarnung gibt es widersprüchliche Quellen. Ich gehe davon aus, dass diese aus verschiedenen Teilen des Gesamtlagers stammen. Dies werde ich nochmal nachlesen. Wie auch die anderen Aspekte.

Von einem Hinterhalt kann man aber nur dann nicht reden, wenn die Indianer per Zufall hinter dem Hügel waren und nicht wussten, dass Soldaten kamen. Aber da ist mir genau bekannt, wo ich nachschauen kann. Das habe ich nämlich gestern schon mal getan. Allerdings krankt mein Wissen zu den Ereignissen daran, dass ich nur einzelne Aussagen der Indianer kenne und nicht den Zusammenhang, in dem sie vielen.

Seufz, ich fürchte ihr habt mich mal wieder dazu gebracht es jetzt ganz genau wissen zu wollen.

Historisch hat mich immer mehr interessiert, was die Propaganda nach der Schlacht bewirkte: Die Sichtweise Sitting Bulls als Kriegshäuptling zum Beispiel, oder die Behauptung, er habe sich hinterhältig angreifen lassen.
 
Man hat zu allen Belangen der Schlacht teilweise widersprüchliche Aussagen, insofern sind auch teilweise verschiedene Interpretationen denkbar.

Von einem Hinterhalt würde ich nur sprechen, wenn eine wenigstens nicht auf den unmittelbaren Angriff eingestellte Einheit aus vorbereiteten Positionen angegriffen wird. Also wenn Custers Truppe von den Indianern irgendwo hingelockt worden wäre, wie das wahrscheinlich mit Fettermans Truppe 1866 geschehen war. Das war bereits deshalb nicht der Fall, weil die Indianer keine Vorbereitungszeit hatten und vom Anmarsch des 7. Reg. nichts wußten. Nach allem, was wir wissen, organisierte sich die Verteidigung des Lagers spontan. Custers Abteilung geriet wohl später von Osten aus unter Beschuß einer größeren Jagdpartie, die auf das Lager am Little Bighorn aus Richtung Yellowstone River zuritt. Das war aber kein geplanter Hinterhalt und bereitete auch keine großen Probleme in der Abwehr, nach den Funden zu schließen.

Was den Begriff ethnische Säuberung angeht, so wird so etwas in der anglo-amerikanischen Geschichtsliteratur recht zurückhaltend behandelt. Man ist in der Geschichte eben mehr oder weniger per definitionem der Gute, daß man Dörfer in Burma oder Indianerlager in Amerika auslöscht, stört da etwas.
 
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Historisch hat mich immer mehr interessiert, was die Propaganda nach der Schlacht bewirkte: Die Sichtweise Sitting Bulls als Kriegshäuptling zum Beispiel, oder die Behauptung, er habe sich hinterhältig angreifen lassen.

Sitting Bull war Medizinmann, kein Kriegshäuptling wie Crazy Horse, Gall oder Rain in the Face. Bei den Kampfhandlungen war Sitting Bull nicht anwesend, der ohnehin durch einen Sundance stark geschwächt gewesen sein muss. er verblieb meines wissens im Lager, um Frauen und Kinder zu schützen. Ein Neffe von ihm wurde bereits zu beginn der Schlacht bei Renos angriff getötet.

Sitting Bull sagte einmal ironisch, alle siegreichen Gefechte gegen Frauen Kinder und Alte seien bei den Weißen Schlachten und alle Niederlagen der US-Army Massaker.

Nachdem er und die 5000 Indianer, die sich ihm anschlossen, aus Kanada weggeekelt wurden und er sich ergab, trat er eine Zeitlang in Codys Wildwestshow auf. Dass es sich um eine reine Volksbelustigung handelte, war ihm nicht bewusst, und er hielt Reden in Lakota, in denen er die Position der Indianer erklären wollte.
 
. Im Wagon Box Fight versagten die Indianer allerdings wieder recht erbärmlich.

Das würde ich so nicht stehenlassen. Red Cloud und seine Krieger unternahmen trotz hoher Verluste mehr als vier Angriffe. Der neue Kommandeur von Fort kearney, ein Captain Powell hatte die Wagen mit Stahlplatten gesichert, und es waren die Soldaten mit neuen Hinterladerkarabinern ausgerüstet. Denen hatten die Indianer einfach zu wenig an Feuerkraft entgegenzusetzen. Waffen und Munition waren nur über Indianerhändler zu erwerben, deren Qualität meist gering war.

Am Little Bighorn besaßen viele Repetiergewehre. Reno erlitt beim angriff Verluste durch wenige Scharfschützen, und Überlebende behaupteten/ vermuteten später, dass einige Weiße auf der Gegenseite mitgekämpft hätten.
 
Ich glaube nicht an sonderlich hohe Verluste der Indianer. Das war mehr Folklore der Weißen, die eine Art gewaltige Revanche für Fetterman aufbauschen wollten. Selbstmörderische Sturmangriffe waren normalerweise nicht die Sache der Plainsindianer, die Disziplin im allgemeinen sehr gering. Wenn es sich wirklich um disziplinierte Truppen gehandelt hätte, wäre es wohl gar nicht zum Wagon Box Fight gekommen, da die Indianer durch eine verfrühte Attacke auf ein Außenlager ihr Kommen signalisierten und Zeit zur Vorbereitung der Verteidigung gaben.

Daß die Wagen mit Stahlplatten gesichert waren, ist mir neu, ich habe meine Literatur gerade nicht griffbereit. Nötig wäre das nicht gewesen, da die Indianer, wie du richtig schreibst, nur über wenig Gewehre verfügten. Trotzdem wäre ein konzentrierter Angriff auf die 32 Verteidiger durch die Krieger, deren Zahl wohl irgendwo zwischen 400 und 1000 lag, wahrscheinlich geglückt, wenn man wirklich entschlossen gewesen wäre. Aber wie gesagt, solche Sturmaktionen entsprachen nicht unbedingt dem typischen Verständnis der Indianer vom Kampf. Beim Hayfield-Gefecht war es genau das gleiche.
 
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Es gibt wahrscheinlich hunderte von Büchern dazu. Obwohl ich die Schlacht interessant finde (im Herbst besuche ich endlich mal das Schlachtfeld), habe ich das Ganze nur oberflächlich gestreift; Orginaldokumente habe ich z.B. nie angeschaut, nur Sekundärliteratur. Meine Empfehlung ist völlig subjektiv, mit Sicherheit kenne ich viele gute Bücher gar nicht.

Als kompakte Zusammenfassung für den Einstieg, die sich meiner Meinung nach um Objektivität bemüht, würde ich "A Terrible Glory. Custer and the Little Bighorn", 2008, von James Donovan empfehlen.

Wichtige Interpretationen in der Custerfrage kamen von John S. Gray, dessen Bücher "Centennial Campaign: the Sioux War of 1876" von 1976 und "Custer's Last Campaign" von 1991 ich mir daher besorgt habe. Gray hat vor allem die Zeitfolge der Ereignisse untersucht und sozusagen geeicht. Allerdings schreibt er nicht gerade besonders unterhaltsam. Robert Utley hat die beiden Bücher mal die besten über den Feldzug und die Schlacht genannt, sicher Ansichtssache.

Zur indianischen Sichtweise habe ich "Lakota Noon. The Indian Narrative of Custer's Defeat" von G. F. Michno, sehr empfehlenswert, enthält auch viele Karten, die einen die Abläufe leichter verstehen lassen.

Zu den individuellen Schicksalen, die ich sehr interessant finde: "The Custer Battle Casualties" Bd. I, 1989 und II, 1999, sowie "Hokahey! A Good Day to Die! The Indian Casualties of the Custer Fight", 1993 von Richard G. Hardorff.

Da mich der Streit um die Vorgänge um Custers 5 Kompanien selbst sehr interessiert, habe ich "Archaeology, History, and Custer's Last Battle. The Little Big Horn Reexamined", 1993 von Richard Allan Fox, Jr. besorgt, das Buch ist ein echter Augenöffner und war ein Schock für viele damals.

Eine Art Gegenposition vertritt David C. Evans in "Custer's Last Fight: The Story of the Battle of the Little Big Horn", 1999, der auch sonst viele Infos liefert, die ich woanders nicht gefunden habe.

Das sind die Bücher, die ich selber direkt zur Schlacht habe, dazu kenne ich ca. ein Dutzend weitere, die ich im Laufe der Zeit gelesen habe. Ich würde mal sagen, wenn du Donovans Buch "A Terrible Glory" gelesen hast, weiß du 99,3 % mehr als 99,9 % der Bevölkerung über die Schlacht, daher würde ich damit anfangen und evtl. damit auch aufhören. ;)
 
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Hmm, schade, ich hoffte, andere würden auch Tipps geben. Ich wäre an deren Meinungen zu Büchern interessiert.
 
Ups, auf deutsch habe ich bisher nur relativ wenig berückende Bücher über Custer & Co. gesehen. Um präziser zu sein, gar keins. Vielleicht haben ja andere noch Empfehlungen.
 
Fang mit leichter Kost an. Wenn's nur um's Lesen geht, kommt man relativ schnell rein. Am Anfang sollte man zwar Vokabeln, die man nicht kennt nachschlagen, aber dank der digitalen Möglichkeiten hält das nicht so auf, wie noch vor ein paar Jahren. Ich hatte nur eine drei in Englisch und bin über Fantasy, Krimis und das Internet schnell so weit gekommen, mich an wissenschaftliche Lektüre zu trauen.

Um nicht über die Terminologie zu stolpern empfiehlt es sich auch eine entsprechende Englische Einleitung zu lesen.

Man gewinnt so viel: Manche Bücher sind einfach schlecht übersetzt, wie Clarkes preisgekröntes Preußenbuch, oder auch -teilweise- das schon im Thread genannte "Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses" von Dee Brown (eigentlich "at Wounded Knee"). Dann ist es oft wesentlich kostengünstiger. Das Englische Taschenbuch von den Schlafwandlern des schon erwähnten Clarke ist z.B. 25 oder 26 € billiger als das deutsche Hardcover.

@ Scorpio, Post 29: Genau diese Dinge meinte ich. Bezüglich Sitting Bulls ist es ja eben interessant, dass er in den propagandistischen Texten als Kriegshäuptling stilisiert wurde, obwohl er schon vorher bekannt war.

@ Luziv, Post 28: Die widersprüchliche Quellenlage macht Aussagen natürlich immer schwierig. Und ob ein Hinterhalt auf dem Schlachtfeld überhaupt noch möglich ist, ist natürlich eine Frage für sich. Schließlich sollte ein Truppenführer - nach einem Wort Wellingtons - immer überlegen, was sich hinter dem nächsten Hügel befindet.
 
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Luziv schrieb:
Interessante Theorie mit den Kiowa, wer vertritt die aufgrund welcher Quellen?

Nachdem ich mir jetzt in mehreren Büchern die Bürste blau gesucht habe, ist die Suche ab heute eingestellt - ich finde die Stelle nicht mehr.


Ach Mist.
Ich kann zwar eigentlich "relativ" gut englisch, trau mir ein ganzes Buch aber eher nicht zu.

Bei dieser Thematik kannst du dich eigentlich nur auf englische Bücher werfen. Allerdings ist es anzuraten, vor dem Kauf eines interessant klingenden Titels per Google zu schauen, in welches 'Lager' der Autor gehört. Die Bücher von Custer-Verehrern finde ich wenig empfehlenswert, da sie mitunter die Ethnozidrhetorik vergangener Jahrhunderte übernehmen und sich bezüglich indigener Kulturen häufig durch Nichtwissen und Ignoranz auszeichnen.

Ein aus indigener Sicht geschriebenes Buch ist zb:

Joseph M. Marshall III: The Day the World Ended at Little Bighorn, 2006
Marshall ist Sicangu-Lakota (Brulé).
 
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Ein aus indigener Sicht geschriebenes Buch ist zb:

Joseph M. Marshall III: The Day the World Ended at Little Bighorn, 2006
Marshall ist Sicangu-Lakota (Brulé).

Ich habe mir das Buch mal gekauft und muß sagen, ich habe gemischte Gefühle. Für 11 € ist es ein Schnäppchen und sehr gut finde ich gewisse Hintergrundinformationen, die aus indianischer Sicht gegeben werden. Was aber die Schlacht selbst angeht, kann man die Schilderung bestenfalls als extrem verkürzt mit leider vielfach einfach falschen Informationen bezeichnen. Das Buch ist eine gute Ergänzung, wenn man es aber alleine liest, gewinnt man schlicht ein unzutreffendes Bild der Ereignisse. Marschall beschäftigt sich leider nicht mit den Bewegungen von Custers Truppe, daher kann er den Verlauf der Kämpfe nicht richtig nachvollziehen. Außerdem schreibt er offen gesagt oft reinen Unsinn auch zu unstreitigen Dingen.

Mal zwei kleine Beispiele:
1. Laut Marshall bricht Renos Schützenlinie nach Attacken der von Gall geführten Indianer zusammen, die Soldaten fliehen in den Wald am Fluß, werden aber von infiltrierenden Indianern im Nahkampf herausgetrieben und flüchten zurück über den Fluß.

In Wahrheit gab es keinen Zusammenbruch der Schützenlinie, sondern sie wurde nach ca. 15-20 Minuten Feuergefecht Richtung Norden geordnet parallel zum Fluß mit Richtung Westen verlegt, um die Überflügelung durch die Indianer im Westen zu verhindern. Es folgen ca. 30 Minuten Feuergefecht, in denen die Soldaten mit relativer Leichtigkeit die mutigen, aber unkoordinierten Attacken der Indianer auf den Wald zurückschlagen. In den 50 Minuten gibt es zwei tödliche Verluste bei den Soldaten, beide in der ersten Schützenlinie. Gall hat mehrfach erklärt, er habe gar nicht gegen Renos Soldaten gekämpft. Scheinbar hat sich Marschall nicht mit den Aussagen der verschiedenen interviewten Indianer zur Schlacht beschäftigt.

2. Ähnlich ungenau geht es weiter mit dem Kampf gegen Custer. Marshall: Soldaten versuchen über den Fluß zu kommen, an der Mündung von Medicine Tail Coulee. Nähere Angaben zu Hintergründen fehlen, scheinbar will Custers Bataillon hier über den Fluß, um das Lager anzugreifen? Sie werden durch Feuer von ein paar Indianern aufgehalten, der führende Soldat wird erschossen, die Soldaten ziehen sich schnell zurück, Gall führt kurz darauf viele Krieger durch die Furt an die Ostseite und verfolgt die Soldaten, die hektisch weiter fliehen, kurz gebildete Schützenreihen brechen mehrfach zusammen. Schließlich fliehen die Soldaten teils Richtung Last Stand Hill, teils Richtung Fluß.

Marshall folgt hier scheinbar zum versuchten Flußübergang größtenteils White Cow Bulls Aussagen, obwohl die Aussagen fast aller anderen Indianer dem widersprechen. Aussagen von Curley, einem Ree-Scout von Custer, werden ignoriert, daher versteht Marshall den Sinn der Bewegung der beiden Kompanien (wahrscheinlich E und F unter Yates), die zum Fluß rücken, um die Indianer (mit Erfolg) von Reno abzulenken, aber nie über den Fluß wollten, nicht. Von einer wilden Verfolgungsjagd zu dieser Zeit, die durch Gall geführt wird, berichtet auch keiner der Beteiligten, in der Tat ist Gall nämlich gar nicht zugegen, sondern ins Lager zurückgekehrt, wo er seine toten Angehörigen findet. Custer mit Keoghs 3 Kompanien steht während Yates Vormarsch zum Fluß auf East Ridge, nach Yates Rückzug rückt er langsam auf Nye-Cartwright Ridge vor, wo sich die 5 Kompanien vereinigen. Schützenlinien werden nicht gebildet, größere indianische Sturmangriffe oder Verfolgungen gibt es nicht, es wird spärlich auf größere Entfernungen geschossen. So die recht eindeutigen Aussagen der beteiligten Indianer. Custer versucht zu der Zeit wahrscheinlich immer noch, größere indianische Kräfte zwischen seine 5 und Renos und Benteens 6 Kompanien zu locken, um sie zangenartig anzugreifen. Die Indianer drängen aber in Masse durch Deep Coulee vor und Custer muß nach Norden rücken, auf Calhoun Hill zu, wo geordnete Stellungen bezogen werden, allerdings noch mit offensivem Hintergrund, da nur eine Kompanie Schützenlinie bildet, was sich deutlich aus dem archäologischen Befund und den Aussagen der Indianer ergibt. Der erste indianische Angriff auf Calhoun Hill wird abgewehrt. Und erst danach, wo Marshall sozusagen gar nichts mehr Genaues bringt, geht die Angelegenheit für Custer langsam richtig schief. Aber das würde jetzt zu weit führen, hab schon viel zu viel geschrieben. :red:
 
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