Offenbar inspiriert mich die Liebe, so man sie mit den zahllosen staubtrockenen Diskussionen im Forum vergleicht. Vor allem jetzt, nach dem alljährlichen Triumphzug zu Ehren von Priapus und Venus in unserer heiteren Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Nero als Sohn der Stadt (im wortwörtlichen Sinn!) hätte sich darüber gefreut und seine Leier auch in diesem Zug schwungvoll gezupft. Seine Beziehung zu Sporus, der auch Poppaea hieß, ist ja wohlbekannt, gehört aber eher in den transgender Bereich. Ist aber sicher auch eine Vorlage für ein schönes Gemälde von Liebenden, vielleicht nicht ganz alltäglich, aber dank des neuen Eckpunktepapiers zum Selbstbestimmungsgesetz aktuell.
Doch ich will von einem anderen römischen Imperator erzählen, und seine Geschichte ist auch die schönste Liebesgeschichte, die mir von einem Kaiser bekannt ist.
Hadrian galt als unnahbar, wenig geliebt von den Römern. Aber
einem Menschen schien er sich mit ganzer Seele hingegeben zu haben: Antinoos. Der stammte aus Kleinasien, dort lernte ihn Hadrian wschl. 123 kennen. Man jagte zusammen, er lebte in der Villa in Tivoli. Es gibt das Löwenjadgedicht von Pankrates:
Und schneller als das Pferd des Adrastos,
der einst den König rettete, als er... im Schlachtgetümmel floh
war das Ross, auf dem Antinoos in Erwartung des todbringenden Löwen saß;
in der linken Hand hielt er den Zaumzügel
und in der rechten einen Speer, besetzt mit Adamant.
Zuerst verwundete Hadrian mit seinem kupfernen Speer die Bestie,
traf sie indes nicht tödlich, denn absichtlich verfehlte er das Ziel
in dem Wunsch, vollständig die Zielsicherheit
seines schönen Antinoos zu prüfen, des Sohns des Argos-Töters.
Verwundet war das Tier noch erregter
und riss in seinem Zorn den Boden mit seinen Pfoten auf,
Staub, der sich zur Wolke erhob, verdüsterte das Sonnenlicht.
Er tobte wie die Woge der brandenden See,
wenn Zephyros nach dem Wind vom Strymon aufgerüttelt wird.
Geradewegs stürzte er auf sie beide zu,
mit seinem Schwanz peitschend, seinen Flanken und seinem Hinterteil,
dieweil seine Augen unter den Brauen in furchtbarem Feuer aufblitzten;
von seinen lechzenden Kiefernfloss der Schaum zur Erde,
während seine Zähne knirschend hineinbissen.
Auf seinem mächtigen Haupt und struppigen Nacken stand sich sträubend das Haar.
Aufseinen Gliedern war es buschig wie Bäume,
und auf seinem Rücken ... war es wie gewetzte Speerspitzen.
Aufsolche Weise stürzte er aufden rubmreichen Gott, auf Antinoos,
wie Typhoeus einst auf Zeus, den Gigantentöter...
130 schiffte sich Hadrian auf dem Nil ein, dabei kam sein Liebling Antinoos ums Leben:
In Egypt also he [Hadrian] rebuilt the city named henceforth for Antinous. Antinous was from Bithynium, a city of Bithynia, which we also call Claudiopolis; he had been a favourite of the emperor and had died in Egypt, either by falling into the Nile, as Hadrian writes. Accordingly, he honoured Antinous, either because of his love for him or because the youth had voluntarily undertaken to die (it being necessary that a life should be surrendered freely for the accomplishment of the ends Hadrian had in view), by building a city on the spot where he had suffered this fate and naming it after him; and he also set up statues, or rather sacred images, of him, practically all over the world. Finally, he declared that he had seen a star which he took to be that of Antinous, and gladly lent an ear to the fictitious tales woven by his associates to the effect that the star had really come into being from the spirit of Antinous and had then appeared for the first time. On this account, then, he became the object of some ridicule, and also because at the death of his sister Paulina he had not immediately paid her any honour.
Das klingt sehr böse. Dass indessen Hadrian sehr wohl an Antinoos gehangen hat, beweist ein Obelisk, der wohl in seiner Villa gestanden hat und heute in Rom steht. Er ist in ägyptischen Hieroglyphen verfasst. Ich bringe einen Auszug, zu Osten:
Antinous the God, His heart in rapture
At Having come to know His True Form
And at Having seen His father Ra-Harakhte,
It is Antinous who brings forth this prayer.
Thus His Heart Proclaims:
Ra-Harakhte, supreme among the gods,
He who hears the prayers of the Gods and Men,
Of the Transfigured and the Dead,
Hear also the plea of Hadrian,
Who stands before you!
As recompense for all he has done
For me, Antinous, your beloved son,
Generously reward Hadrian,
Lord of Both Upper and Lower Egypt,
Who founded a magnificent new religion
In the temple shrines for all people,
Which has pleased the Gods!
And he is called "Beloved of Hapy and All the Gods,"
The Lord of Crowns, Hadrianus Caesar
Ein paar Tage später, am 30. Oktober, gründete Hadrian an der Stelle, an der Antinoos starb, eine neue Stadt. Auf dem der existierenden Stadt Hermopolis gegenüberliegenden Ufer gelegen, benannte er die neue Siedlung Antinoopolis.
War Hadrian ein durchtriebender Monarch, der Menschen um seiner Machtvollkommenheit wegen umbrachte? Ja, das war er. Doch im Falle des Antinoos glaube ich das nicht. Er hat ihn wirklich geliebt.