Eid auf Hitler

Ich habe mir heute Nacht, aus heutigem Anlass, einiges über Goerdeler reingezogen.

Goerdeler war anscheinend tatsächlich gegen das Attentat, nennt den Eid als Grund, der anscheinend schon unmittelbar nach Abgabe zumindest bei Beck zu Gewissenskonflikten führte. Anscheinend hat die damalige Generalität die Unterschiede zum Eid im Heer des Kaiserreichs sehr bewusst wahrgenommen.

Sieht aber als Hauptgrund für das Scheitern des Attentats den Bruch des Gebotes Gottes: Du sollst nicht töten!
 
@ silesia, Repo: Bitte ertragt, dass ich meinen Zettelkasten bis zur Neige leere und danach, wenn nötig, auf Eure Beiträge eingehe.

II. Gravamina (Forts.)

2. Gegenstand des Eides

Wenn man die drei Eidesformeln grammatikalisch auslegt, fallen Änderungen auf

  • in Bezug auf das Aufgabe des Soldaten
    • 1919 Er schützt das Reich und seine gesetzmäßigen Einrichtungen.
    • 1933 Er dient Volk und Vaterland.
    • 1934 Er tut er alles, was sein Oberbefehlshaber von ihm verlangt.

  • b) in Bezug auf den "Modus" der soldatischen Tätigkeit
    • 1919 Er leistet Gehorsam.
    • 1933 Er ist gehorsam und setzt für diesen Eid sein Leben ein.
    • 1934 Er leistet unbedingten Gehorsam und setzt für diesen Eid sein Leben ein.
Auf das Ziel bezogen kann man also sagen, dass die Aufgabe zurücktritt zugunsten der bloßen Gehorsamspflicht und dass diese sich verdichtet zum "unbedingten", von der Aufgabe ablösbaren Gehorsam; das Leben wird nicht mehr, wie 1919 impliziert, für die Aufgabe eingesetzt, sondern "für den Eid".
Ein Offizier, der in preußischer Tradition aufgestiegen war, hatte da ein Verpflichtungsgefühl, was sich heute kaum noch jemand vorstellen kann.
Zu diskutieren wäre, ob das, was 1934 beeidet wird, mit Tradition und Verpflichtungsgefühl - beides wäre zu definieren - eines (alt)preußischen Offiziers übereinstimmt oder ob es Unterschiede gibt. Man könnte das z. B. an der Tat eines Generals Yorck, an Johann Friedrich Adolf von der Marwitz ? Wikipedia und den preußischen Reformern abhandeln. (Ein eigenes Thema vielleicht.)
 
Zu diskutieren wäre, ob das, was 1934 beeidet wird, mit Tradition und Verpflichtungsgefühl - beides wäre zu definieren - eines (alt)preußischen Offiziers übereinstimmt oder ob es Unterschiede gibt. Man könnte das z. B. an der Tat eines Generals Yorck, an Johann Friedrich Adolf von der Marwitz ? Wikipedia und den preußischen Reformern abhandeln. (Ein eigenes Thema vielleicht.)


Diese Unterschiede hat Beck anscheinend schon 1934 gesehen.
 
II. Gravamina (Forts.)

3. Der religiöse Aspekt

Soweit ich sehe, ist dieser Aspekt noch etwas unterbelichtet, was seiner Bedeutung nicht gerecht wird. (Wie immer in solchem Kontext versuche ich so neutral wie möglich zu formulieren.:scheinheilig:)

Zunächst ist festzustellen, dass die Entstehung des Eides unlösbar verbunden ist mit einer metaphysischen Dimension. Nach Friesenhahn (aaO, S. 3) geht es im Prinzip darum, Mißtrauen gegenüber dem, der eine Beteuerung / ein Versprechen hinsichtlich seines zukünftigen Verhaltens - sog. promissorischer Eid - abgibt, dadurch zu kompensieren, dass die Beteuerung bei Anrufung "irgend einer übermenschlichen Macht" erfolgte, "wobei der Gedanke lebendig war, daß diese Macht ihn strafen werden", wenn er sein Versprechen nicht halten würde. Eidesbruch wurde deshalb jahrhundertelang als Religionsdelikt betrachtet und geahndet (S. 135; vgl. auch die Ausführungen zum Fahneneid S. 98 ff.); heute wird "nur" die Pflichtverletzung als solche verfolgt.

Über Hitlers Religiosität - oder um die Stellung der Kirchen zum Problem - zu diskutieren, ist hier nicht der Ort. Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass sich die bewaffnete Macht in Deutschland von jeher, auch nach 1933, bewusst zum christlichen Gott bekannte. Als Beispiel sei das berühmte Koppelschloss-Motto "Gott mit uns" genannt, aber auch das Schrifttum. In der Verfügung über "Die Pflichten des deutschen Soldaten" beispielsweise, die Reichswehrminister Blomberg am 25.5.1934 erlies (zit. b. Demeter, S. 308 f.), ist ausdrücklich erwähnt, dass der Soldat "aufrecht und treu, gottesfürchtig und wahrhaft ..." sein soll. Demeter ist explizit der Auffassung, dass der Eid 1934 auch und gerade "unter dem Schatten jenes Schwures 'bei Gott' (stand)"!

Zeit- und Berufssoldaten schwören, Wehrpflichtige geloben. Letzteres wird wohl als weniger verpflichtend angesehen..
Für die damalige Zeit dürfte das zutreffen. In dem Maße, wie der metaphysische Aspekt in Staat und Gesellschaft insgesamt zurücktritt, verliert freilich auch die Schwurformel an Bedeutung; die WRV verzichtete deshalb, wie erwähnt, auf die religiöse Beteuerung. Bei der Schaffung des Grundgesetzes und der nachfolgenden Gesetze war die Frage sehr umstritten, und herausgekommen ist schließlich ein Kompromiss: Man kann je nach Kontext (1) mit Gott schwören, (2) ohne Gott schwören oder (3) den Schwur durch eine andere Form der feierlichen Beteuerung ersetzen. Der Staatsrechtler Friesenhahn merkt dazu an (S. IX): "Die Worte 'ich schwöre' in dem ohne Anrufung Gottes geleisteten weltlichen Eid haben sowohl für das Gewissen des Amtsträgers wie in ihrer sozialen Funktion dieselbe Bedeutung wie die Worte 'ich gelobe'."
 
III. Historische Bewertung

Hierzu fasse ich mich kurz, weil Gandolf (#22, 24) und andere (#26, auch #29 im Stauffenberg-Thread) schon Wesentliches genannt haben. Nur zwei Expertenmeinungen:

Salewski (aaO, S. 82) konstatiert: "Die Eidesleistung auf Hitler war nach dem Zweiten Weltkrieg das wichtigste Argument zur Beantwortung der Frage, warum ein Teil des Offizierskorps Widerstand leistete, der andere Hitler bis zum Ende die Treue hielt. Alle nächträglichen Urteile über die Vereidigung sind daher mit größter Vorsicht zu bewerten."

Demeter (aaO, S. 189) sieht das Hauptproblem darin, dass 1934 der "absolute(n) Gehorsam weit über alle anderen soldatischen Tugenden hinaus zum absoluten Wert, zum Tabu erhoben" wurde.

Er zieht eine kurze Parallele zu Auffassungen in anderen Ländern, indem er darauf hinweist (S. 144), dass etwa Maxime Weygand es für "höchst wichtig [hielt], daß der Offizier sich von jedem Eid freihält, der einer Person geleistet wird" - interessant auch deshalb, weil Weygand zeitlebens ein "Rechter" war und als verkappter Monarchist galt. - Vielleicht lohnt es sich, die Komparatistik etwa zu vertiefen.

[Habe mein Zeilen-Kontingent hiermit wohl erschöpft.]
 
1919 Er schützt das Reich und seine gesetzmäßigen Einrichtungen.
1933 Er dient Volk und Vaterland.
1934 Er tut er alles, was sein Oberbefehlshaber von ihm verlangt.

Wenn man das in Verbindung zur "Machtergreifung" setzt: an den Eidesformeln ist die Machtergreifung stufenweise bis zur Fixierung auf den Führerstaat ablesbar.

Aus Sicht der Ereignisse des Röhm-Putsch ist der Eid ebenfalls interpretierbar. Hitler ließ seine paramilitärische Schutzwache SA enthaupten, was durch den Treueschwur der Reichswehr zu kompensieren war.
 
Bisher wurde thematisiert, wie die Eidesformel der Soldaten aussah.

Welchen Eid hatte eigentlich Hitler geschworen als er sein Amt angetreten hat. Gibt es eine Quelle mit dem Originaltext?
 
Bisher wurde thematisiert, wie die Eidesformel der Soldaten aussah.

Welchen Eid hatte eigentlich Hitler geschworen als er sein Amt angetreten hat. Gibt es eine Quelle mit dem Originaltext?

In der Weimarer Verfassung ist ein Eid nur für den Reichspräsidenten vorgesehen:

Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, die Verfassung und die Gesetze des Reichs wahren, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.

Da der Kanzler aber formaljuristisch vom Reichspräsidenten (aber auch vom Reichstag) abhängig war, ist davon auszugehen, dass die Eidesformel entsprechend gestaltet war.

documentArchiv.de - Verfassung des Deutschen Reichs ["Weimarer Reichsverfassung"] (11.08.1919)

Leider kann ich nur Mutmaßungen und keine Originalquelle aufbieten. Hitlers Buckelei am Tag von Potsdam mag aber ein Indiz sein, um das Gesagte zu stützen.
 
Leider kann ich nur Mutmaßungen und keine Originalquelle aufbieten. Hitlers Buckelei am Tag von Potsdam mag aber ein Indiz sein, um das Gesagte zu stützen.
Offensichtlich gab es aber doch eine Vereidigung:
Es ist ein kalter Montag, dieser 30. Januar 1933. Kurz vor 11:00 Uhr betritt Adolf Hitler durch einen Hintereingang die Reichskanzlei. Sein Ziel: Die Vereidigung durch Reichspräsident von Hindenburg
Teil 3 | Adolf Hitler wird zum Reichskanzler ernannt | MDR.DE
 
Meine Frage bzw. die Argumentaion zielt natürlich darauf ab, ob der Widerstand sich auf die Formel beziehen konnte, die Hitler zu schwören hatte.

Legt man die Formel für den Reichspräsidenten zugrunde, dann wird sofort ersichtlich in welchem Umfang Hitler bereits 1939 diese Eidesformel gebrochen hat.

Es ist aber eigentlich nicht vorstellbar, dass Hindenburg an diese Formel gebunden war und die Minister des Kabinetts. Und Hitler die Ausnahme von dieser Vereidigung gewesen sein soll.

Selbst wenn man berücksichtigt, dass die Dimensionen der Verbrechen von Hitler für die Mehrzahl der Militärs nicht erkennbar waren, hatten sie dennoch Einsichten in Verstöße, die ihren Bereich betreffen.
 
Es gab doch keine Vereidigung des Reichskanzlers:

Die Vereidigung von Reichskanzler und den übrigen Ministern der Regierung Hitler (Ausnahme Blomberg) erfolgte gegen 12.00 am 30.1.1933.


Der Amtseid für Minister und Kanzler war identisch:
"Ich schwöre, ich werde meine Kraft für das Wohl des deutschen Volkes einsetzen, die Verfassung und die Gesetze des Reiches wahren, die mir obliegenden Pflichten gewissenhaft erfüllen und meine Geschäfte unparteiisch und gerecht gegen jedermann führen."

Gesetz über die Rechtsverhältnisse des Reichskanzlers und der Reichsminister (Reichsministergesetz). 27. März 1930. (RGBL 1930 Teil I, S. 96.)
Text:
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Überzeugt mich nicht, vom Reichskanzler ist nirgends die Rede.

§ :2.
Die Reichsminister erhalten eine vom Reichspräsidenten vollzogene
und vom Reichskanzler gegengezeichnete Urkunde über ihre Ernennung;
die Urkunde für denReichskanzler ist von ihm selbst gegenzuzeichnen.
Mit der Aushändigung der Urkunde beginnt das Amtsverhältnis der
Reichsminister.
In der Urkunde soll der übertragene Geschäftszweig
(§ 6) angegeben sein.
3.
.Die Reichsminister leisten bei der Übernahme ihres Amtes vor
dem Reichspräsidenten folgenden Eid:...
 
"Die nachstehend für die Reichsminister gegebenen Vorschriften
gelten für den Reichskanzler entsprechend."

In dem §1 des Link von Silesia findet sich die entsprechende Passage. insofern gilt der Eid, der für dei Minister genannt wird entsprechend auch für den Reichskanzler.

Vielen Dank für die Infos. ich finde sie eigentlich sehr aufschlussreich.


 
In dem §1 des Link von Silesia findet sich die entsprechende Passage. insofern gilt der Eid, der für dei Minister genannt wird entsprechend auch für den Reichskanzler.

Sorry, der verlinkte text ist auch etwas unübersichtlich.
Der Reichskanzler wird tatsächlich an die Minister-Regelungen "angehängt".
Eingangs hatte ich auch den Verweis auf Vogelsang (Reichswehr, Staat und NSDAP, S. 397) unterlassen.

Hitler hat somit auf die Weimarer Verfassung den Amtseid abgelegt.
 
Eid auf Hitler? impliziert auch immer die Frage des Gewissenskonflikts. Und dieser Aspekt ist bei dem Buch von Enzensberger, das sich nahe an den historischen Fakten bewegt (soweit ersichtlich), hervorragend aufbereitet.

Hammerstein oder Der Eigensinn: Eine deutsche Geschichte - Hans Magnus Enzensberger - Google Books

Streckenweise eine interessante Schilderung des damaligen Milieus der höheren Militärs und anderer konservativer administrativer Eliten.

Und zumindest Hammerstein zog für sich, politisch weitsichtiger, erst die politischen Konsequenzen und dann auch die privaten Konsequenzen.

Kurt von Hammerstein-Equord ? Wikipedia

Und erlebte damit auch die Ausgrenzung aus dem ehemaligen Kreis seiner "Kollegen".
 
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