II. Gravamina (Forts.)
3. Der religiöse Aspekt
Soweit ich sehe, ist dieser Aspekt noch etwas unterbelichtet, was seiner Bedeutung nicht gerecht wird. (Wie immer in solchem Kontext versuche ich so neutral wie möglich zu formulieren.:scheinheilig
Zunächst ist festzustellen, dass die Entstehung des Eides unlösbar verbunden ist mit einer metaphysischen Dimension. Nach Friesenhahn (aaO, S. 3) geht es im Prinzip darum, Mißtrauen gegenüber dem, der eine Beteuerung / ein Versprechen hinsichtlich seines zukünftigen Verhaltens - sog. promissorischer Eid - abgibt, dadurch zu kompensieren, dass die Beteuerung bei Anrufung "irgend einer übermenschlichen Macht" erfolgte, "wobei der Gedanke lebendig war, daß diese Macht ihn strafen werden", wenn er sein Versprechen nicht halten würde. Eidesbruch wurde deshalb jahrhundertelang als Religionsdelikt betrachtet und geahndet (S. 135; vgl. auch die Ausführungen zum Fahneneid S. 98 ff.); heute wird "nur" die Pflichtverletzung als solche verfolgt.
Über Hitlers Religiosität - oder um die Stellung der Kirchen zum Problem - zu diskutieren, ist hier nicht der Ort. Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass sich die bewaffnete Macht in Deutschland von jeher, auch nach 1933, bewusst zum christlichen Gott bekannte. Als Beispiel sei das berühmte Koppelschloss-Motto "Gott mit uns" genannt, aber auch das Schrifttum. In der Verfügung über "Die Pflichten des deutschen Soldaten" beispielsweise, die Reichswehrminister Blomberg am 25.5.1934 erlies (zit. b. Demeter, S. 308 f.), ist ausdrücklich erwähnt, dass der Soldat "aufrecht und treu, gottesfürchtig und wahrhaft ..." sein soll. Demeter ist explizit der Auffassung, dass der Eid 1934 auch und gerade "unter dem Schatten jenes Schwures 'bei Gott' (stand)"!
Zeit- und Berufssoldaten schwören, Wehrpflichtige geloben. Letzteres wird wohl als weniger verpflichtend angesehen..
Für die damalige Zeit dürfte das zutreffen. In dem Maße, wie der metaphysische Aspekt in Staat und Gesellschaft insgesamt zurücktritt, verliert freilich auch die Schwurformel an Bedeutung; die WRV verzichtete deshalb, wie erwähnt, auf die religiöse Beteuerung. Bei der Schaffung des Grundgesetzes und der nachfolgenden Gesetze war die Frage sehr umstritten, und herausgekommen ist schließlich ein Kompromiss: Man kann je nach Kontext (1) mit Gott schwören, (2) ohne Gott schwören oder (3) den Schwur durch eine andere Form der feierlichen Beteuerung ersetzen. Der Staatsrechtler Friesenhahn merkt dazu an (S. IX): "Die Worte 'ich schwöre' in dem ohne Anrufung Gottes geleisteten weltlichen Eid haben sowohl für das Gewissen des Amtsträgers wie in ihrer sozialen Funktion dieselbe Bedeutung wie die Worte 'ich gelobe'."