Eine angebliche Karte von Marco Polo

Seit der ersten Publikation 1948 hat sich am zusammengefassten Ergebnis nichts geändert:

In terms of content, the “Map with Ship” is closely related to several other works in the collection. There is a string of crudely written Chinese characters, apparently copied from a Chinese source by someone not familiar with that writing system. In his 1948 study, Bagrow noted that the famed sinologist Bernhard Karlgren could only decipher a few of the Chinese characters, and those could be translated as “their names come from olden times.” The characters have been crudely copied, it seems, and indeed only a few can be read with any assurance. From the eleven characters in the inscription, one can make out the following characters with a measured degree of certainty: 丁, 的, 百, 出, 七, 四, 由, and 家.
As a whole, however, there seems to be no way to translate these characters into a proper sentence or phrase.

Olshin, Benjamin, The mysteries of the Marco Polo maps, 2014, S. 39
 
These: es handelt sich um die Dardanellen und unten links ist die etwas verunstaltete Pommesgabel von Chalkidiki.

these.jpg


Zugegeben, meine These hat sicher den ein oder anderen Schönheitsfehler....
 
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Darin sind die von ihm identifizierten Zeichen enthalten
Mir kam es halt merkwürdig vor, dass die Zeichen in der "falschen" Leserichtung angeordnet sind (die senkrechten Zeilen werden üblicherweise von rechts nach links gelesen).

Seit der ersten Publikation 1948 hat sich am zusammengefassten Ergebnis nichts geändert:

In terms of content, the “Map with Ship” is closely related to several other works in the collection. There is a string of crudely written Chinese characters, apparently copied from a Chinese source by someone not familiar with that writing system. In his 1948 study, Bagrow noted that the famed sinologist Bernhard Karlgren could only decipher a few of the Chinese characters, and those could be translated as “their names come from olden times.” The characters have been crudely copied, it seems, and indeed only a few can be read with any assurance. From the eleven characters in the inscription, one can make out the following characters with a measured degree of certainty: 丁, 的, 百, 出, 七, 四, 由, and 家.
As a whole, however, there seems to be no way to translate these characters into a proper sentence or phrase.

Olshin, Benjamin, The mysteries of the Marco Polo maps, 2014, S. 39

Mir fällt eben auf, dass z. B. das Zeichen 家 zwar mit offensichtlich ungeübter Hand kopiert wurde, aber dass doch versucht wurde, sorgfältig zu kopieren. Man kann jeden einzelnen Strich identifizieren, wenn auch das Zeichen im Ergebnis viel zu lang gestreckt erscheint.

Bei anderen Zeichen hat es so einen Kopiervorgang nicht gegeben. Hier wurden offensichtlich Pseudozeichen kreiert, die so sehr von der Bildung chinesischer Zeichen abweichen, dass auch versierte Sinologen, die mit veralteten oder seltenen Schreibweisen vertraut sind, sich keinen Reim darauf machen können.

Auch die Anordnung der Zeichen ergibt keinen erkennbaren oder erratbaren Sinn.

Da gibt es nur eine naheliegende Schlussfolgerung:
Hier wurde kein chinesischer Text kopiert, sondern hier soll dem Betrachter ein chinesischer Text vorgegaukelt werden.
 
Hier wurde kein chinesischer Text kopiert, sondern hier soll dem Betrachter ein chinesischer Text vorgegaukelt werden.
Für die lesbaren Zeichen verstehe ich demnach, dass sie einzeln zwar kopiert sind, aber nicht aus einem zusammenhängenden Text.
Ich verspreche niemals wieder, auch bei schlimmsten Regenwetter nicht, den Text irgendwo zu suchen (vielleicht schau ich mir die Menükarte im China-Restaurant demnächst wieder genauer an:)).
Gibt es noch eine Auffälligkeit bezüglich Alter oder Seltenheit der lesbaren Zeichen? Dies um dem Übeltäter vielleicht zeitlich näher zu kommen.

Bis zur Datierung der Tinte wird man sowieso über die Motive der Täuschung nur spekulieren können.
Rivalität Genua-Venedig im 16. Jh. (siehe auch Zeno-Karte – Wikipedia )?
Italo-amerikanische Antwort auf das Auftauchen der englischen, portugiesischen und skandinavischen Ansprüche auf die Entdeckung Amerikas Ende 18. Jh.-19. Jh.?
Laut Olshin war die Karte für J.Egdar Hoover von nationaler Bedeutung und er hätte wohl ungern einen weiteren Katholiken oder gar die Chinesen als Entdecker Amerikas gesehen. Chinesische Beteiligung kann aufgrund der Zeichen eher ausgeschlossen werden, obwohl die Erwähnung von Fusang – Wikipedia auf einem der Rossi-Dokumente für die Datierung noch spannend bleibt.

Interessant wäre auch zu wissen, was genau auf einer Weltkarte, die Ibn Sa'id al-Maghribi (1213-1286) zugeschrieben wird und in einer Ausgabe von 1570 erschien, im fernsten Osten (oben?) zu sehen ist. Es scheint so wichtig zu sein, dass dafür sogar die Welt bzw. die Karte erweitert wurde. Kann das jemand entziffern?
#221 Ibn Sa'id's World Map | Cartographic Images
ibnsaid.JPG
 
Gibt es noch eine Auffälligkeit bezüglich Alter oder Seltenheit der lesbaren Zeichen? Dies um dem Übeltäter vielleicht zeitlich näher zu kommen.
Nein, es sind, wie gesagt, Zeichen, die in nahezu jedem längeren Text vorkommen. Die fraglichen Zeichen haben sich in den letzten 2000 Jahren auch nicht verändert.
百, 出, 四, 由 und 家 finden sich in klassischen und modernen Texten ziemlich häufig.
Eine Besonderheit bildet nur das Zeichen 的. Dieses ist in klassischen Texten selten zu finden, in modernen Texten ist es das häufigste Schriftzeichen!
Chinesische Schriftzeichen – die hundert häufigsten Schriftzeichen, Teil 1
 
Interessant wäre auch zu wissen, was genau auf einer Weltkarte, die Ibn Sa'id al-Maghribi (1213-1286) zugeschrieben wird und in einer Ausgabe von 1570 erschien, im fernsten Osten (oben?) zu sehen ist. Es scheint so wichtig zu sein, dass dafür sogar die Welt bzw. die Karte erweitert wurde. Kann das jemand entziffern?
#221 Ibn Sa'id's World Map | Cartographic Images
Anhang anzeigen 20192

Das am leichtesten zu lesende Wort - innerhalb des Erdkreises - in dem Ausschnitt liest sich k.rkān (Punkt stet für unbekannten Vokal)
Die Karte basiert auf antiken Vorbildern - mal abgesehen davon, dass es sich um eine Rad-Karte handelt - die allerdings von dem TO-Modell insofern abweicht, als dass das T aus Mittelmeer, Schwarzem Meer und Nil/Rotem Meer als solches nicht mehr fassbar ist, dafür weitere Meere, wie der Indische Ozean. Man kann das aber auch daran erkennen, dass Gog und Magog eingezeichnet sind, nämlich als yāǧūǧ und māǧūǧ. In der Iberischen Halbinsel lese ich unter anderem al-Andalus und al-Ǧilliqiya (Galizien).
Der Fließtext rechts und links der Karte zeigt, dass der Osten oben ist, allerdings ist die Karte so beschriftet, dass man sie drehen muss, so sind z.B. Osten und Westen nicht extra bezeichnet, dafür aber Norden (aš-šimāl) und Süden (al-ǧanūb).

Bei der Insel in deinem Ausschnitt lässt sich die Schrift schlecht lesen, das zweite Wort könnte man vielleicht als akbar lesen, das ist der Superlativ zu kabīr. Aber um da sicher zu gehen ist das zu gedrängt und zu undeutlich und wenn man's über 350 % zieht auch zu verpixelt.

Mir scheint es, dass der Zeichner der Karte Schrift nicht nur zum Schreiben verwendet hat, sondern auch schnell geschrieben, als Wellen im Meer, denn einige der Wellen kann man lesen, ohne, dass es für mich Sinn machen würde, das zu lesen (ihr versteht, wie ich das meine?).
 
zu undeutlich und wenn man's über 350 % zieht auch zu verpixelt.
Leider wurde das Buch, aus dem die Karte stammt, durch die Bodleian Library noch nicht digitalisiert, so dass ich keine Abbildung mit besserer Auflösung fand.
Es sollen auf der Karte auch persische Zeichen vorkommen (Leo Bagrow sieht in dieser Karte eine persische Herkunft).

Wenn man davon ausgeht, dass die Karte im Buch von 1570 nicht den Wissenstand Ibn Sa'ids sondern den des 14.-15. Jh. abbildet, dann wurde in Karten des 14. Jh. an dieser Stelle manchmal bereits Japan eingezeichnet. Die Bezeichnung Marco Polos dafür war ja bekanntlich Cipangu evtl. Jipangu.

Die Ausführungen Ibn Sa'ids sollen jedoch Korea als Insel unter dem Namen Silla (al-Sili) und eine Insel östlich davon unter dem Namen Sanji (oder Sahnkhai) enthalten und dort ansiedeln. Allenfalls könnte auch noch eine Stadt Kaiwa oder Kyerim (nach Al-Idrisi 1100-1166) auf Silla erwähnt sein.
https://es.unesco.org/silkroad/site...cle/early_korea-arabic_maritime_relations.pdf von Hee Soo Lee
Konrad Miller sieht in Silla noch eine Fabelwelt und schätzt das Ende des Beschreibungshorizonts des Al-Idrisi im fernen Nordosten auf Taiwan (ṣandfūlat).

Da die Karte nicht in allen Belangen der arabischen oder europäischen Tradition folgt, wäre auch noch eine in persisch geschriebene türkische Bezeichnung Jâbarqâ oder Jâbanqâ für Japan zu berücksichtigen (Nach der Karte des Mahmūd al-Kāschgharī 1008-1105).
Interessante Diskussion dazu: Language Log » Jipangu = Japan Country?
 
Es sollen auf der Karte auch persische Zeichen vorkommen (Leo Bagrow sieht in dieser Karte eine persische Herkunft).
Neupersisch basiert auf dem arabischen Schriftssystem. Es sind ein paar Laute, die das Arabische nicht kennt, für die das Persische auf Basis des Arabischen eigene Schriftzeichen hat. Süden und Norden sind aber eindeutig arabisch beschriftet. Zwar benutzen auch die Perser die arabischen Begriffe šimāl und ǧanūb, allerdings nur alternativ und hier sind sie mit dem arabischen Artikel versehen.
 

Das am leichtesten zu lesende Wort - innerhalb des Erdkreises - in dem Ausschnitt liest sich k.rkān (Punkt stet für unbekannten Vokal)
Hm.... ich habe das damals كركان gelesen. Jetzt könnte ich es aber auch طركان lesen. Also ṭ-r-kān anstatt k-r-kān.
- Aber طر und كر* sehen doch ganz unterschiedlich aus?
- Ja, in der Druckschrift.

*hätte ich -k- und -ṭ- isoliert geschrieben hätte -k- so ausgesehen: ك
 
Der Buchstabe ist sehr nahe einer zeichnerischen landschaftgrenze platziert und ist verschwommen also könnte es auch ein ﺹ Dād oder Sād ;für mich sieht es eher wie ein Dad aus;liest sich für mich dar/dur/dirākn oder sar/sur/ Sirkān
 
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Ich finde für alle drei Varianten keine Erklärung.
Ein Sirkan - Wikipedia und ein Tirkan, Mazandaran - Wikipedia gibt es zwar als Ortschaften im Iran, aber ich glaube trotz vermuteter persischer Herkunft der Karte an keine Zusammenhänge.
Ist ṭ-r-kān vielleicht eine persische Bezeichnung für ein Gebiet wo es Türken bzw. Turkvölker gibt? Diese auf einer Karte im Nordosten einzutragen, wäre für die Zeit erstaunlich, aber doch nicht ganz abwegig.
 
سيركان - das ist sīrkān, langes ī, langes ā. Auf der Karte ist es كركان k-r-kān oder طركان Also ṭ-r-kān. Also nur ein Langvokal.
MFelix hatte ضركان oder صركان vorgeschlagen. Ich bevorzuge allerdings immer noch die Lesung mit ṭ- oder k-.
Zwischen ص ṣād und س sīn besteht ein phonetischer Unterschied.
Das gleiche gilt für تيركان und طركان mit ط -ṭ- und ت -t-.
 
The ink remains untested, and a radiocarbon study of the parchment of one key map—the only one subjected to such analysis—dates the sheepskin vellum to the 15th or 16th century, a sign the map is at best a copy.
Es ist erstaunlich, dass keine weiteren Untersuchungen durchgeführt wurden. Stattdessen gibt es immer nur Mutmaßungen. An erster Stelle müssten wohl die Materialuntersuchungen stehen, dann alles weitere, oder?

Gleichwohl: Wenn diese Karte eine Kopie des 15. oder des 16. Jahrhunderts ist, dann würde das ev. auch die Nordung erklären.
 
Solche Tests erfordern i.d.R. Entnahme von Material, sind also nicht zerstörungsfrei. Das ist ein Grund, warum man bei solchen Tests oft zurückhaltend ist.

Eine Fälschung könnte durchaus auf einem echten Vellum vorgenommen sein, wobei das bei Papier wahrscheinlicher wäre. Fälscher schneiden oft unbedruckte Seiten aus Büchern und schreiben dann auf Originalmaterial. Unbeschriebene Pergamente dürften aber eher selten sein, Pergament war ja wertvoll und unbeschriebene Pergamente dürften nicht in den Archiven oder Bibliotheken gelandet sein und somit Fälschern so leicht zur Verfügung stehen, wie unbedrucktes Papier
 
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