Einsturz eines Hauses in Pompeji

Ausgrabungen

Um als praktizierender Archäologe mal was zu der Problematik der Ausgrabungen beizutragen: generell ist es so, daß jeder verantwortungsbewußte Archäologe heutzutage so wenig wie möglich ausgräbt, da das Ziel nicht mehr ist, schöne Funde für das Museum zu machen, sondern Befunde, also auswertbare Kontexte, zu erhalten. Die Grabungsdepots und Funddepots der Museen sind übervoll, und es fehlen Leute, die sich an die notwendige Aufarbeitung dieser Funde machen, und das Geld, um sie zu bezahlen. Außerdem gibt es heutzutage eine ganze Reihe moderner, naturwissenschaftlicher Methoden, die es ersparen, riesige Areale zu öffnen.
Richtig angesprochen wurde die Frage des Geldes, die ausgegrabenen Areale müssen erhalten werden, das kostet Unsummen an Personal- und Sachkosten. Dazu kommt das Problem, daß die Länder rund um das Mittelmeer, die den größten Teil des Römischen Erbes besitzen, in der Regel arme Länder sind. Aus allen Teilen der Welt, Japan, Australien, Europa und Amerika kommen Archäologen und wollen Ausgrabungen vornehmen, auf den Folgekosten bleibt oftmals das jeweilige Land sitzen. Berlusconis vollkommen verfehlte Kulturpolitik kommt dann noch erschwerend hinzu.
 
Um als praktizierender Archäologe mal was zu der Problematik der Ausgrabungen beizutragen: generell ist es so, daß jeder verantwortungsbewußte Archäologe heutzutage so wenig wie möglich ausgräbt, da das Ziel nicht mehr ist, schöne Funde für das Museum zu machen, sondern Befunde, also auswertbare Kontexte, zu erhalten.
Ist ja alles richtig. Nur wenn man nicht im Irak, in Sibirien, den Anden oder sonstwo ausgräbt, dürfte bald alles weg sein, was sich noch zu finden lohnt. Schon hierzulande hat man Probleme mit Sondengängern und Raubgräbern. Der Dorfpolizist in Kurdistan hält die Hand auf und sieht weg.
 
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Ist ja alles richtig. Nur wenn man nicht im Irak, in Sibirien, den Anden oder sonstwo ausgräbt, dürfte bald alles weg sein, was sich noch zu finden lohnt. Schon hierzulande hat man Probleme mit Sondengängern und Raubgräbern. Der Dorfpolizist in Kurdistan hält die Hand auf und sieht weg.


Anatolien ist für Althistoriker, Archäologen und Historiker gleichermaßen ein El Dorado wie eben auch für Raubgräber. Ich kenne kein anderes Gebiet, wo man beim Streifzug durch antike Stätten nur von halbwilden Ziegen, statt von knipsenden, lächelnden Japanern begleitet wird.

Der türkische Staat ist sehr am Erhalt seiner Kulturgüter interessiert, und da die Türken nicht dumm sind, überlassen sie den Schutz nicht der korrupten Polizei, sondern den meist sehr ehrlichen und ehrbewussten ansässigen Bauern, von denen sich viele als Begci, als Wächter der antiken Stätten engagiert werden.
In Antiochia ad Pisidiam begleiteten mich im Herbst 2000 allerdings zwei freundliche, gelangweilte Soldaten der türkischen Armee, die dorthin zum Schutz vor Raubgräbern abkommandiert waren. Nach ein paar Raki enthüllte der eine der tapferen Krieger, ein anatolischer Franke, eine tragische Geschichte, schillernd und bunt wie ein türkischer Teppich:

Ansässige Bauern erhalten vom türkischen Staat Gehälter als Begci, als Wächter der antiken Stätten, und es ist sozusagen eine Ehre, die auf das ganze Dorf ein wenig abfärbt. Viele Dörfer nahe antiker Stätten im Taurusgebirge, die bisher noch kaum touristisch oder auch nur infrastrukturell erschlossen sind, verdienen sich ein Zubrot, Archäologen und Touristen, die sich so weit ins Landesinnere begeben, verschiedene Produkte zu guten Preisen zu verkaufen, sich als Führer zu verdingen oder eben die antiken Stätten zu bewachen.

Das tun diese alten Herren und ihre Kangalhunde durchaus achtbar und mit großem Einsatz.
Einer von ihnen lehnte ein angebotenes Schmiergeld von einem entfernten Vetter eines Neffen aus Ankara entrüstet ab. So entrüstet, dass die Raubgräber, die das Heiligtum den Men, einer alten phrygischen Mondgottheit, berauben wollten, vorsichtshalber eine Kalaschnikow mitbrachten, während der alte Herr nur einen Stock (und heimlich eine Schrotflinte) dabei hatte.

Es kam zum Zusammenstoß und zur Schießerei, und es wurde der alte Mann dabei getötet, weshalb der zuständige Amtsgewaltige militärische Unterstützung im Kampf gegen Raubgräber anforderte.
 
traurig, aber absehbar

Ich war 1979 erstmals in Pompeji und sehr beeindruckt über den Erhaltungszustand. Kurz danach gab es das große Erdbeben, das weite Teile der Stadt schwer beschädigte. Seither war ich noch recht oft in der Gegend und immer wieder in Pompeji. Zuletzt vermied ich den Besuch, denn der offenkundige Niedergang war kaum zu ertragen. Der Substanzverlust, den ich über 30 Jahre verfolgt habe, ist furchtbar und deprimierend. Der Zusammenbruch ist eigentlich nur die logische Folge dieses unübersehbaren Verfalls. Traurig, aber wahr: Pompeji geht den Bach runter!
 
Ist ja alles richtig. Nur wenn man nicht im Irak, in Sibirien, den Anden oder sonstwo ausgräbt, dürfte bald alles weg sein, was sich noch zu finden lohnt. Schon hierzulande hat man Probleme mit Sondengängern und Raubgräbern. Der Dorfpolizist in Kurdistan hält die Hand auf und sieht weg.


Oh, man muß gar nicht in die Ferne streifen, Raubgräberei ist auch in Mitteleuropa ein Problem.
 
Das freut mich zu lesen, aber es ändert nicht viel an der Gesamtlage: der Schutz der Antiken ist nicht ausreichend gewährleistet und die Kulturpolitik Italiens ist arg vernachlässigt. Es macht es auch nicht besser, wenn Mauern Steinchen für Steinchen wegbröckeln und nicht dramatisch auf einmal ganz in sich zusammenfallen.
 
Und das Problem der Erhaltung wird sich – denke ich – mit zunehmender finanzieller Schieflage Italiens bzw. im Zuge der Sparmaßnahmen noch weiter verschärfen.
 
Naja, es wird halt etwas dahindilettiert, aber man nimmt das Problem schon ernst. Nach dem Einsturz des Gladiatorenhauses wurde in Italien der Umgang mit dem Kulturerbe des Landes thematisiert und kritisiert, dass der damalige Kulturminister Sandro Bondi eine Kürzung des Kulturetats, der ohnehin nur knapp 0,18% des Budgets ausmacht, plante. Bondi sah das Problem aber weniger in den knappen Mitteln als mehr in ihrer ineffizienten Verwendung: Für die Erhaltung der Kunstdenkmäler sind "Soprintendente" zuständig, und das sind meist Kunsthistoriker oder Archäologen, aber keine Manager. Daher plante Bondi, ihnen administrative Leiter zur Seite zu stellen, die für die Verwaltung und Vermarktung der Kulturgüter zuständig sein sollten. Die Soprintendente sollten nur noch für den Denkmalschutz zuständig sein. Daraus wurde aber nichts, da Bondi auf Druck der Opposition am 23.3.2011 zurücktrat. Sein Nachfolger wurde Giancarlo Galan. Die Regierung beschloss einen Sonderzuschuss für den Kulturhaushalt in der Höhe von 236 Mio. €. Am 12.4.2011 kündigte Galan eine umfassende Restaurierung Pompejis an, mit der der weitere Verfall gestoppt werden soll. Als erstes soll das gesamte Areal mit Laserscannern erfasst werden.
 
Anscheinend hat Fortuna ein Einsehen...:

Kritik an Pompejis leisem Untergang

Die EU stellt 105 Millionen Euro zur Sanierung der Welterbestätte in Aussicht


Zum Artikel.

Und ein Kritischer Artikel über die sonstigen Zustände und Schwierigkeiten in den Museen..:

Museum collections at serious risk, a new survey by ICCROM and UNESCO shows

Zum Artikel.
 
Zuletzt bearbeitet:
vor jahren sah ich einen bericht , wonach die erhaltung von popeji im jetzigen zustand ca eine miliarde euro kosten würde
 
Äußerst ärgerlich, dass die Sicherung der Stadt so mangelhaft ist. Man darf sich allerdings auch nicht vormachen, dass uns Pompeji für alle Zeiten erhalten bleibt. Falls es dem Vesuv beliebt, holt er sich die Stadt ohnehin wieder und dagegen helfen auch Sicherungsarbeiten nichts. Auch gegen Erdbeben kann man Pompeji kaum schützen. Ein großes Problem stellt auch die Fruchtbarkeit des vulkanischen Bodens dar. Mit der Bekämpfung des Pflanzenwuchses ,der die Mauern auseinandertreibt ist man bisher auch nicht erfolgreich gewesen.
 
@Beetle, die Tempel von Malta bestehen aus riesigen Steinen, die ,ohne Mörtel aufeinandergeschichtet sind und sich durch ihr Eigengewicht halten. Die können noch viele weitere Jahrhunderte überstehen. Bei Pompeji handelt es sich zum größten Teil um Ziegelmauern, die nur erhalten blieben, weil sie durch die Vulkanasche konserviert wurden. Nun ist die konservierende Schicht weg und die Gebäude sind Temperaturschwankungen, Pflanzenwuchs, Nässe und Umweltverschmutzung ausgesetzt. Das wird man nicht für alle Zeiten erhalten können. Wenn der Vesuv wieder einmal einen plinischen Ausbruch hat,helfen auch keine Dächer mehr.
 
Bei einem Ausbruch nahe 79 übernähme der Vesuv - allein auf Pompeji bezogen - wohl eher eine Art "konservatorische" Aufgabe, weil er - was Menschen nicht vermocht - wieder alles umweltsicher konserviert. Für alle anderen hingegen wäre es eine fürchterliche Katastrophe.
Es wäre aber sicher auch mehr möglich, wenn weniger versickern und mehr wirtschaftlich gearbeitet würde und man sich nicht gegen ordentliches Sponsoring sperren würde.
 
Es wäre aber sicher auch mehr möglich, wenn weniger versickern und mehr wirtschaftlich gearbeitet würde und man sich nicht gegen ordentliches Sponsoring sperren würde.
Da gebe ich Dir natürlich Recht. Der Verfall, der heute zu sehen ist hätte zum großen Teil verhindert oder zumindest verzögert werden können. Auch den ausufernden Tourismus müsste man einschränken. Wenn man die Horden sieht, die dort jeden Tag durchlatschen. Als ich vor zwei Jahren dort war, sagte die Führerin, dass ihr die Chinesen die liebsten Touristen seien, da sie nichts erklärt haben wollen. Sie interessieren sich überhaupt nicht für Pompeji sondern wollen nur überall fotografiert werden.
 
Zumindest wird ja das weitere ausgraben stark eingeschränkt, um die Dinge, die noch unter der Erde sind, weiter zu bewahren. Sehr sinnvoll, weil man ja schon das vorhandene nicht wirklich schützen kann.

Auch wird der Zugang immer weiter eingeschränkt. Ich war in den letzten 15 Jahren 3 Mal in Pompeji und jedesmal waren deutlich weniger Bereiche überhaupt noch öffentlich zugänglich.
 
@ Galeotto: es ist mir bewußt, dass sich Malta und Pompeji weder von der Bausubstanz, noch von der Art der Umwelt-Bedrohung und schon gar nicht in Tourismusströmen vergleichen lassen.

Der Massentourismus spielt in Pompeji eine sehr große Rolle, da ist es wohl auch nicht beabsichtigt, das einzudämmen. Seit einiger Zeit gibt es bei den Forumsthermen eine Art Selbstbedienungscafe. Als ich die Ausgrabungsstätte besucht habe, war das an allen Tagen sehr gut besucht.

Das Cafe - und die jetzt vorhandenen WCs - tragen vielleicht auch dazu bei, dass die Besucher länger auf dem Gelände bleiben.
 
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