Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg

silesia schrieb:
Aus der Rede Wilsons vom 1.4.1917
Woodrow Wilson: War Message
lassen sich möglicherweise auch andere, optimistische Aspekte in Bezug auf Rußland ableiten, als die Furcht vor einem folgenden Zusammenbruch der Alliierten in Europa, zB:

"Does not every American feel that assurance has been added to our hope for the future peace of the world by the wonderful and heartening things that have been happening within the last few weeks in Russia? Russia was known by those who knew it best to have been always in fact democratic at heart, in all the vital habits of her thought, in all the intimate relationships of her people that spoke their natural instinct, their habitual attitude toward life. The autocracy that crowned the summit of her political structure, long as it had stood and terrible as was the reality of its power, was not in fact Russian in origin, character, or purpose; and now it has been shaken off and the great, generous Russian people have been added in all their naive majesty and might to the forces that are fighting for freedom in the world, for justice, and for peace. Here is a fit partner for a League of Honor.

Andere Interpretationen könnten auf die Erwartung einer besseren russischen Unterstützung der Westalliierten ab dem Frühjahr gerichtet sein: die Steigerung der Kriegsfähigkeit ohne den Zaren, sowie Krieg gegen Geld, was sich erst nach der Oktoberrevolution grundsätzlich änderte:
http://www.celtoslavica.de/bibliothe...ion.html#_ftn3

Das überblicke ich aber nicht ansatzweise, um dazu eine Schlußfolgerung zu wagen. Fraglich wäre, wie sich tatsächlich die strategische Einschätzung der USA darstellte, ich würde das auch von politischen Äußerungen trennen, die auf die Mobilisierung der öffentlichen Meinung gerichtet sind.
Die strategische Einschätzung der internationalen Lage stellte sich für die USA in der Zeit im März 1917 dramatisch dar: Das Deutsche Reich hatte Wilsons Vermittlungsbemühungen Ende Januar 1917 zurückgewiesen. Zugleich setzte es mit der Wiederaufnahme des unbeschränkten U-Boot-Krieges zum 1.2.1917 alles auf die Karte eines deutschen Siegfriedens.

Am 1.3.1917 wurde in den USA das Zimmermann-Telegramm vom 16.1.1917 veröffentlicht. Es enthielt das Bündnisangebot Deutschlands an Mexiko und versprach New Mexico, Texas und Arizona als Kriegsbeute. Die Briten haben das Telegramm abgefangen und erst am 24.2.1917 an Wilson weitergeleitet. Das Telegramm wirkte wie eine Kriegserklärung an die USA. Es schien im März 1917 auch seine Wirkung auf Mittelamerika nicht zu verfehlen. Aus Mexiko wurden antiamerikanische Ausschreitungen gemeldet und die Regierungen von Guatemala und El Salvador wandten sich gegen die USA (vgl. Johannes Reiling, Deutschland: Safe for democracy?, 1997, S. 297 f.).

Der von Deutschen erhoffte Sieg über GB und F schien sich im März 1917 auch einzustellen. Die Moral der alliierten Truppen ließ nach. Es kam zu Meutereien. Nach der Wiederaufnahme des U-Boot-Krieges zum 1.2.1017 stiegen im März 1917 die Versenkungszahlen deutlich an. Am 18.3.1917 wurden drei unbewaffnete amerikanische Handelsschiffe versenkt, zwei davon ohne vorherige Warnung. Wilsons Politik der bewaffneten Neutralität schien nun nicht mehr für einen Sieg der Alliierten auszureichen.

Drei Tage vorher (15.3.1917) dankte der Zar ab. Der Einwand, durch einen Kriegseintritt ein noch schlimmeres als das deutsche autokratische System zu erhalten, galt nun nicht mehr. Die Revolution machte die Koalition der Demokratien perfekt. Sie gab der amerikanischen Interventionspolitik den Rückhalt in der Bevölkerung und im Kongress. Das Kabinett empfahl Wilson am 20.3.1917 einstimmig den Kriegseintritt.

So kam es dann am 2.4.1917 (nicht am 1.4.1917) zu der von Dir zitierten „War Message“ von Wilson. In dieser Rede nannte Wilson als Kriegsgrund den unbeschränkten U-Bootkrieg und den (ideologischen) Anspruch der USA, die Welt sicher für die Demokratie zu machen („The world ... must be saved for democracy“). Letzteres galt für Frankreich und England und nun auch für Russland - trotz aller idealistischen Hoffnungen in die Belebung der russischen Kampfmoral durch den Wandel von der Autokratie zur Demokratie.
silesia schrieb:
Lansing ist tatsächlich eine schillernde Quelle:

Soviel hat sich nicht geändert. Die Position Lansings beinhaltet nach meinem Eindruck kaum eine Gefahrenanalyse bezüglich der russischen Position, weswegen die Kombination der Ereignisse in 1917 mit Lansings Zitat von 1917 mE fragwürdig ist. Die Position wurde wie dargestellt schon früher von Lansing vertreten, der im übrigen ohnehin der anglophilen Fraktion in der Regierung zugerechnet wurde.
Es trifft zu, dass Lansing schon in der Anfangsphase des 1. WK 1914/15 ein negatives Deutschlandbild entwickelte. Er war Völkerrechtler mit Leib und Seele. Seit 1892 beriet er die US-Regierung in Völkerrechtsfragen. Die Zeitschrift „The American Journal of International Law“ wurde 1907 von ihm gegründet. Die massiven Völkerrechtsverletzungen des Deutschen Reiches zu Beginn des Weltkrieges (Einmarsch in Belgien und Kriegsverbrechen an der belgischen Zivilbevölkerung) machten einen denkbar schlechten und dauerhaft prägenden Eindruck auf Lansing, der seit März 1914 stellvertretender Außenminister war.

Dieses negative Deutschlandbild verdunkelte sich nochmals in den Kontroversen um die Neutralität der US-Außenpolitik 1914/15. Lansing hielt die kaiserlichdeutsche Regierung letztlich nicht für fähig, sich einer Herrschaft des Völkerrechts unterzuordnen. Im Rahmen des U-Bootkrieges 1915 trat er für einen Kurs der Härte gegenüber dem Deutschen Reich als seiner Meinung nach einzig richtigen Umgang mit dieser Autokratie ein. Das Reich sollte das Seekriegsrecht einhalten oder es zum Bruch hierüber kommen lassen und Lansing wiederum hielt letzteres für wahrscheinlicher. Als Lansing nach der Kontroverse um die Lusitania am 23.6.1915 amerikanischer Außenminister wurde, hatte er sein ideologisches Bild, dass die Autokratie Recht und Demokratie bedroht, bereits vollausgebildet.

Wilson versuchte zu diesem Zeitpunkt noch vermittelnd Einfluss auf das Kriegsgeschehen und die Zukunft Europas zu nehmen. Für Lansing war Wilsons Scheitern 1917 ein weiteres Indiz dafür, dass seine eigene Auffassung richtig war. Die Wiederaufnahme des unbegrenzten U-Bootkrieges und das die USA direkt bedrohende Zimmermann-Telegramm wirkten wie der Vollbeweis für seine Sichtweise. Auch wenn er bereits früher dieser Auffassung war und es gedauert hat, bis ihm Wilson und das Kabinett folgte, die USA traten aus seiner Sicht – sicherlich endlich! - zur Verhinderung der deutschen Hegemonie und zur Abwehr der hierdurch für die USA entstehenden Gefahren in den Krieg ein. Insoweit gibt sein Tagebucheintrag vom 7.4.1917 das machtpolitische Motiv für den Kriegseintritt der USA im April 1917 frei.
silesia schrieb:
Beides läßt sich mE nicht voreinander trennen, ökonomische Motive sind ein starkes Kriterium machtpolitischer Abwägungen, vielleicht manchmal das stärkste. Der Bereich hat den Vorzug, meßbar zu sein, was ihn von vielen weichen Faktoren und Behauptungen über sonstige politische Ziele unterscheidet.
Es trifft zu, dass die Vergabe von Krediten amerikanischer Privatbanken an die Alliierten messbar ist. Aber was soll aus den so gewonnenen Messdaten für den amerikanischen Kriegseintritt 1917 folgen? Die Bedeutung, die die Kreditpraxis für den Kriegseintritt gehabt haben soll, ergibt sich nicht automatisch aus dem Kreditvolumen sondern wäre erst noch anhand von Quellen (Reden, Gesprächsaufzeichnungen, Briefe, etc.) zu belegen, aus denen sich dann ergeben müsste, dass sich Wilson und der Kongress für den Kriegseintritt (auch oder vor allem) des Geldes wegen entschieden hätten. Solche Quellen wurden bislang nicht genannt. Kennst Du denn welche?

Lansing ist ein Beleg dafür, dass der amerikanische Kriegseintritt ganz im Zeichen der Machtpolitik und der Ideologie stand, nicht aber im Zeichen der Ökonomie.
 
Sorry, Gandolf,

aber das ist mir etwas weichgespült. :winke:

Du hast ja recht, insoweit ist sicher alles dabei: Gerechtigkeits- und Demokratieverständnis, Sendungsbwußtsein, etc. Lansing ist allerdings für mich schon aufgrund des Positionswechsels 1914 bei den bewaffneten Handelsschiffen belastet; ein Durchhalten seiner straffen neutralen Position bzgl. der Bewaffnung hätte durchaus zeigen können - unabhängig von Mehrheiten, falsch oder richtig -, dass Prinzipien über Interessen gehen.

Beweise für die Berücksichtigung ökonomischer Interessen? Lebenserfahrung. Aber vice versa: mir reicht eben auch die Gründung des AJIL bei aller Honorigkeit nicht aus (angesichts zB Positionswechsel, siehe oben), um an eine nicht-interessengeleitete Politik der Sache selbst wegen bei Lansing zu glauben.
"Lansing ist ein Beleg dafür, dass der amerikanische Kriegseintritt ganz im Zeichen der Machtpolitik und der Ideologie stand, nicht aber im Zeichen der Ökonomie."
Welcher Beleg? Eine Person mit ihren Äußerungen als Beleg? Machtpolitik ohne Ökonomie, obwohl Ökonomie einen Pfeiler der Macht und entsprechenden Druck darstellt?

Der US-Informationsmarkt war durchaus von den Kriegsteilnehmern umkämpft, auch ohne das dieses etwas mit Recht oder Moral zu tun zu haben brauchte. Genau wie Lansing in der anglophilen Fraktion gab es die germanophilen Blockierer gegen den Kriegseintritt der USA, 1917 dann - richtig - ohne weitere Chance angesichts des aufgetrümten reichsdeutschen Kerbholzes. [Ja, richtig, 2.4.1917:
Wilson's War Message to Congress - World War I Document Archive ]

Kreditvolumen*Veränderung der Verlustwahrscheinlichkeit + Hintergrundrauschen krachender Kurse*tradiertes Freihandelsdenken = X (wobei man den Ernst mexikanischer Bedrohungslagen sicher offen lassen kann)

Das ist der Entscheidungsrahmen. Dass Entscheidungen auch 1914/17 politisch begründet wurden, unter Hinzuziehung von Völkerrecht, Politik und Moral, ist geschenkt. Dass eine Positionierung in der Richtung erfolgt: "der Kriegseintritt erfolgt (jetzt!) wegen der Finanzen", erwartest Du jetzt nicht im Ernst, oder?
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Argumentieren mit der eigenen Lebenserfahrung in vergangenen Zeiten halte ich für eine eher gewagte Angelegenheit. Die Damaligen machten doch ihre eigenen, andersartigen Erfahrungen. Unsere Zeit mag ja ganz von der Ökonomie beherrscht sein, aber die Zeitgenossen des Imperialen Zeitalters erlebten, dass ein einzelnes Kanonenboot einen Millionen Menschen umfassenden Markt öffnen und ein mit Gewehren bewaffneter Haufen von 100 Mann riesige Landstriche oder Territorien mit gewaltigen Bodenschätzen in Besitz nehmen konnte. Das politische Denken dieser Zeit war davon geprägt, dass die kraftvolle Machtentfaltung den wirtschaftlichen Erfolg nach sich zieht und selbst die Möglichkeiten neuer künftiger Machtausweitung schafft. Die Macht realisiert sich selbst und ist wichtiger als die Krämerei, dürfte das Credo dieser Zeit gewesen sein. Das in einer solchen Zeit, bei der Bewertung eines im damaligen Machtzentrum der Welt, Europa, stattfindenden existenziellen Ringens verschiedener Machtsphären nicht der Ausblick auf die in Rede stehenden Machtverschiebungen und den sich hieran anschliessenden Machtentfaltungsmöglichkeiten den Ausschlag für den Kriegseintritt der USA gegeben haben soll sondern die wirtschaftlichen Folgen, wäre ein so aussergewöhnlicher Gedanke gewesen, dass sich dieser in Form einer Diskussion, eines Gedankenaustausches oder doch wenigstens einer Darstellung der dramatischen ökonomischen Auswirkungen bei den wichtigsten politischen Entscheidungsträgern der USA nachweisbar sein müsste. Doch so eine Quelle konnte bislang niemand heben. Betrachtet man die Männer, die 1917 in den USA außenpolitische Verantwortung trugen und ihrem Land den Kriegseintritt nahelegten, findet man ganz andere Gedankengänge: Machtpolitik und politische Ideologie. Am Beispiel von Lansing lässt sich das sehr deutlich nachweisen, bei Wilson nicht weniger. Dieser Befund spricht dann doch eher dafür, dass der Kriegseintritt der USA ganz in den Bahnen des damaligen Verständisses von Machtpolitik und Ökonomie erfolgte. Die Machtpolitik dominierte und ohne sie, drohte alles andere zerstört zu werden.
 
Hallo Gandolf,

alles richtig und zu beachten. "Lebenserfahrung" war etwas flockig, aber Diskussionen um Sein und Bewußtsein sind schon etwas älter als 1914/17/18. ;)

Ein Zitat zu 1914:
"Besonders House und Lansing waren bei Kriegsausbruch der Überzeugung, daß ein deutscher Sieg die US-Interessen sowohl ökonomisch, militärisch, als auch politisch beträfe. Dennoch waren sie zunächst erst einmal bemüht, amerikanische Rechte einzufordern und ökonomischen Nutzen für die USA aus dem Konflikt zu ziehen. Wie groß der tatsächliche Einfluß dieser beiden Männer jedoch auf den Präsidenten war, ist in der Forschung bis heute umstritten. Doch es waren nicht nur die Berater Wilsons, die die Alliierten favorisierten. Auch die Öffentlichkeit war tendenziell auf deren Seite und sympathisierte mit ihnen. Prominente Zeitgenossen wie die Historiker George Burton Adams und George Luis Beer sowie der Journalist Walter Lippmann warnten vor einem Sieg der Deutschen und erwogen öffentlich die Intervention der USA."

Martin Bethke,
Macht und Ohnmacht der Worte: William Randolph Hearst und der Weg der USA zur Weltmacht, 1898-1917 (Dissertation), S. 178.

Aus Sicht 1917 wäre dem noch einiges an inzwischen manifestierten ökonomischen Problemen hinzuzufügen, siehe oben. In den Lansing-Papers dürfte es überdies nicht schwer sein, einige gewichtige ökonomische Abwägungen zum Kriegseintritt von 1915-1917 zu finden. Was natürlich nicht die Reaktion auf die bekannten deutschen Fehler relativieren soll. Das Deutsche Reich hat 1917 den Krieg(-seintritt) bekommen, den es kalkuliert hatte.
 
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Sorry Silesia,

das ist mir jetzt zu wenig, um einen Anhaltspunkt für einen einen ökonomisch motivierten Kriegseintritt erkennen zu können.:D

Die Primärquelle müsste sich schon auf 1917 beziehen und nicht auf Sorgen im Jahr 1914.

1916 drohte Wilson GB und F mit dem Abdrehen des Kredithahns. So verhält sich nicht gerade ein Präsident, der sich Sorgen um den Zahlungsausfall dieser Länder machte. Als das Blutvergiessen vorbei war, kümmerte sich Wilson 1919 in Versailles am wenigsten um die wirtschaftlichen Folgen des Friedensschlusses. Aber 1917 soll er sich an der Ökonomie orientiert haben. Das scheint mir dann doch etwas fernliegend zu sein.

Aber Du kannst ja recht haben. Vielleicht findet man eines Tages einen Schuhkarton mit Aufzeichnungen des wahren Wilsons. Vorher würde ich mir aber mal die Wilson-Papers anschauen. Nee, nicht wirklich. Das sind mW über 60 Bände... - Aber den schlagenden Nachweis für den ökonomisch motivierten Kriegseintritt hat da bislang auch niemand rausgekramt. Ein Derivat der Forschung? Wohl kaum.
 
Die Frage ist, ob sich politische und finanzielle Gründe überhaupt so einfach trennen lassen. Die finanzielle Situation, dass fast alle US-Kredite bei der Entente plaziert waren, wurde politisch herbeigeführt. Die Deutsche Regierung unterbreitete den USA einen Vorschlag, wie man das Risiko für US-Bürger, von deutschen U-Booten getötet zu werden, ausschalten könnte, indem diese gekennzeichnete Passagierdampfer auf bekannten Routen benutzen sollten, welche die Deutschen dann passieren lassen würden. Dieser Vorschlag wurde von den USA abgelehnt, mit der Begründung (von Lansing), dass man das Recht der US-Bürger, nach Belieben und ungestört auf See "herumzufahren", damit preisgeben würde. Für dieses Recht waren die USA bereit, notfalls gegen das Deutsche Reich in den Krieg zu ziehen. Völkerrechtlich absolut korrekt.
Allerdings verletzte auch GB dieses Recht, indem Handelschiffe mit US-Bürgern kurzerhand in britische Häfen umdirigiert wurden. Hier wurde nicht mit Krieg gedroht, nicht einmal mit Wirtschaftssanktionen, sondern nur ein paar böse Briefe geschrieben. Die Handelsroute nach England und Frankreich wurde mit allen verfügbaren Mitteln - Kriegsdrohung und Opferung von Zivilisten - offengehalten. Die Handelsroute nach Deutschland nicht. Und das nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus politischen Gründen. Handel mit Deutschland hätte ev. bedeutet, dass Deutschland den Krieg gewinnt, Deutschland sollte aber verlieren. Dazu musste die britische Blockade wirsam sein, die deutsche Gegenblockade aber unwirksam und die USA haben das ihrige dazu beigetragen.

Der langen Rede kurzer Sinn. Die USA haben von Anfang an all ihr Geld auf die Entente gesetzt, nicht aus wirtschaftlichen sondern aus politischen Gründen. Rein finanziell, wäre es besser gewesen, das Risiko zu streuen, indem man mit beiden Kriegsparteien Handel treibt. Wilson, Lansing und Co. haben aber nicht einmal ansatzweise versucht, den Handel mit Deutschland möglich zu machen. Im Gegenteil. Nur indem man alle Kredite an die Entente vergab und US-Bürger auf den brit. Schiffen fahren ließ, konnte man sowohl Anreiz als auch Anlaß für einen Kriegseintritt sicherstellen, falls dieser politisch notwendig werden sollte.


1916 drohte Wilson GB und F mit dem Abdrehen des Kredithahns. So verhält sich nicht gerade ein Präsident, der sich Sorgen um den Zahlungsausfall dieser Länder machte.
Er hat gedroht, aber Drohen kostet ja nix. GB und F haben seine Drohung ignoriert, die beanstandeten Praktiken sogar noch verstärkt, damit war der Fall dann erledigt. Vermutlich war die Drohung eher darauf berechnet die Gemüter (der Farmer) in den USA zu beruhigen, als GB oder F zu beeindrucken. Dass diese, solange keine konkreten Schritte folgen, sich nicht einschüchtern lassen, müsste Wilson eigentlich klar gewesen sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
1916 drohte Wilson GB und F mit dem Abdrehen des Kredithahns. So verhält sich nicht gerade ein Präsident, der sich Sorgen um den Zahlungsausfall dieser Länder machte. Als das Blutvergiessen vorbei war, kümmerte sich Wilson 1919 in Versailles am wenigsten um die wirtschaftlichen Folgen des Friedensschlusses. Aber 1917 soll er sich an der Ökonomie orientiert haben. Das scheint mir dann doch etwas fernliegend zu sein.

Ich habe mir dazu noch einmal die Rahmendaten angeschaut, und die sprechen sehr für eine Relativierung des ökonomischen Gewichts, wie 1919 ff. am Verhalten der USA/Wilsons bestätigt wird.

Die drei Hauptschuldner GB, F und I wiesen bei Kriegsende - mit Bewertung indexiert auf 1928-30 - eine Verschuldung von rund rd. 10 Milliarden US-Dollar auf (grob etwa 4-4-2).

Das entsprach etwas weniger als einem Jahresbudget der US-Ausgaben für die öffentlichen Haushalte insgesamt (indexiert 1928-30, dabei zu beachten: nur ca 30% entfielen davon auf den Bund), wobei für die Belastungsfähigkeit die fehlende Auslandsverschuldung der USA positiv zu berücksichtigen ist.
 
In den USA hat eine prodeutsche Politik auch nie zur Debatte gestanden. Entweder vorgeblich neutral oder offener Eintritt in dem Krieg auf Seite der Entente. Zwei der maßgeblichen Berater Wilson, Lansing und House, haben ja in dieser Frage unmißverständlich zu Gunsten der Entente optiert.

Und Wilson waren die autokratischen Kaiserreiche absolut ein Greuel. Er hat den europäischen Krieg auch, als das von ihm favorisierte politische System der Demokratie, als Entscheidungskampf gegen die Autokratie begriffen. Deutschland war für Wilson der Exponent der Autokratie, die USA der Demokratie.Wilson seine Sympathien waren eindeutig auf der Seite Großbritanniens und Frankreichs.

So machte Wilson schon ganz erstaunliche Unterschiede zwischen den deutschen und britischen Imperialismus, in dem er beispielsweise das Britische Empire als freiwiliigen Zusammenschluß freier Völker bezeichnete.(1)
Lansing und House haben auf Wilson auch entsprechenden Druck ausgeübt, damit die USA auf Seiten der Entente in den Krieg eintreten.

El_Mercenario schrieb:
Er hat gedroht, aber Drohen kostet ja nix. GB und F haben seine Drohung ignoriert, die beanstandeten Praktiken sogar noch verstärkt, damit war der Fall dann erledigt. Vermutlich war die Drohung eher darauf berechnet die Gemüter (der Farmer) in den USA zu beruhigen, als GB oder F zu beeindrucken. Dass diese, solange keine konkreten Schritte folgen, sich nicht einschüchtern lassen, müsste Wilson eigentlich klar gewesen sein.

Wilson war wegen der britische Seeblockade stinkesauer. Am 27. November 1916 hat er die amerikanischen Banken und Investoren vor weiteren Kreditvergaben an Großbritannien eindringlich gewarnt.(2). Wilson hatte nicht nur mit den Kriegzielen der Mittelmächte seine liebe Not , sondern auch mit den der Entente. Das hätte für Großbritannien katastrophale Folgen haben können und deshalb war der unbeschränkte U-Bootkrieg auch ein sehr großer Fehler. Ohne den Kriegseintritt der USA , wäre für Deutschland ein akzeptabler Frieder wohl erreichbar gewesen.


(1) Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse, S.169, München 1994

(2) Neitzel, Blut und Eisen, S.155, Zürich 2003
 
Die Frage ist, ob sich politische und finanzielle Gründe überhaupt so einfach trennen lassen. Die finanzielle Situation, dass fast alle US-Kredite bei der Entente plaziert waren, wurde politisch herbeigeführt. Die Deutsche Regierung unterbreitete den USA einen Vorschlag, wie man das Risiko für US-Bürger, von deutschen U-Booten getötet zu werden, ausschalten könnte, indem diese gekennzeichnete Passagierdampfer auf bekannten Routen benutzen sollten, welche die Deutschen dann passieren lassen würden. Dieser Vorschlag wurde von den USA abgelehnt, mit der Begründung (von Lansing), dass man das Recht der US-Bürger, nach Belieben und ungestört auf See "herumzufahren", damit preisgeben würde. Für dieses Recht waren die USA bereit, notfalls gegen das Deutsche Reich in den Krieg zu ziehen. Völkerrechtlich absolut korrekt.
Allerdings verletzte auch GB dieses Recht, indem Handelschiffe mit US-Bürgern kurzerhand in britische Häfen umdirigiert wurden. Hier wurde nicht mit Krieg gedroht, nicht einmal mit Wirtschaftssanktionen, sondern nur ein paar böse Briefe geschrieben. Die Handelsroute nach England und Frankreich wurde mit allen verfügbaren Mitteln - Kriegsdrohung und Opferung von Zivilisten - offengehalten. Die Handelsroute nach Deutschland nicht. Und das nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus politischen Gründen. Handel mit Deutschland hätte ev. bedeutet, dass Deutschland den Krieg gewinnt, Deutschland sollte aber verlieren. Dazu musste die britische Blockade wirsam sein, die deutsche Gegenblockade aber unwirksam und die USA haben das ihrige dazu beigetragen.
Es ist schon wahr, die Amerikaner erregte der Umstand, dass die Deutschen ihre Landsleute töteten (warnungslose Versenkung von Handelsschiffen) stärker als jener, dass die Briten den amerikanischen Export nach Deutschland unterbanden.:rolleyes:

Die USA wollten auch nicht durch die gemeinsame Kennzeichnung nichtgefährdeter Schiffe der Versenkung der nichtgekennzeichneten Handelsschiffe zustimmen. Auch sahen sie sich nicht verpflichtet, die ungleichen Gewinnchancen im Seekrieg auszugleichen (warum auch?). Ihnen ging es einfach darum, dass die Kriegführenden ihren Seekrieg nach Internationalem Recht führten und die Rechte der Neutralen nicht verletzten.
Wilson, Lansing und Co. haben aber nicht einmal ansatzweise versucht, den Handel mit Deutschland möglich zu machen.
Ach ja? Obgleich bei der völkerrechtswidrigen Versenkung der Lusitania durch ein deutsches U-Boot im Mai 1915 über 120 amerikanische Staatsbürger starben und die Sympathien in der amerikanische Öffentlichkeit für das Deutsche unter den Nullpunkt gesunken waren, bot Wilson in der dritten amerikanischen Protestnote vom 23.7.1915 dem Reich die Kooperation der USA an, um gemeinsam für die Freiheit der Meere einzutreten, gegen wen auch immer. Voraussetzung hierfür war, dass die Deutschen den U-Boot-Krieg künftig nach Prisenordnung führten. Dieses Angebot sorgte in England für erhebliche Unruhe. Doch die Briten ängstigten sich vergebens. Das Reich ging in seiner Antwort auf die vorgeschlagene Kooperation gar nicht erst ein. So wichtig schien Berlin eine Verständigung mit der USA im Bereich der Seekriegsführung nicht gewesen zu sein.
Wilson war wegen der britische Seeblockade stinkesauer. Am 27. November 1916 hat er die amerikanischen Banken und Investoren vor weiteren Kreditvergaben an Großbritannien eindringlich gewarnt.(2). Wilson hatte nicht nur mit den Kriegzielen der Mittelmächte seine liebe Not , sondern auch mit den der Entente. Das hätte für Großbritannien katastrophale Folgen haben können und deshalb war der unbeschränkte U-Bootkrieg auch ein sehr großer Fehler. Ohne den Kriegseintritt der USA , wäre für Deutschland ein akzeptabler Frieder wohl erreichbar gewesen.



Man muss sich mal die Abfolge der Entwicklung klarmachen:
  • Auf Wilsons Kooperationsangebot 1915 ging das Reich nicht ein. Dies hätte eine Festlegung auf den U-Boot-Krieg nach Prisenordnung erfordert. Einen solchen Einfluss wollte Berlin Wilson nicht zubilligen, obwohl der deutsche U-Boot-Krieg zu diesem Zeitpunkt ganz überwiegend nach Prisenordnung geführt wurde. Das Zugeständnis wäre also ein sehr kleines gewesen.
  • Wilsons Friedensbemühungen 1916 wurden vom Reich abgelehnt, um die eigene Friedensinitiative, die auf status quo ante ausgerichtet war, nicht zu gefährden. Status-quo-ante stand freilich nicht zur Debatte. Es hätten größere Zugeständnisse gemacht werden müssen, damit die Friedensbemühungen (unter Wilson) als Mittler Erfolg gehabt hätten.
  • Und mit der Wiederaufnahme des unbeschränkten U-Boot-Krieges 1917 wurden die USA in den 1. WK auf die Seite der Sieger hineingezogen. Aber vom "Sieger" Wilson erhoffte man sich 1918 den Verständigungsfrieden, wobei man in Deutschland beanspruchte, besser als Wilson zu wissen, wie ein "Wilson-Friede" auszusehen hatte.
Das Reich war gegenüber Wilson nicht wirklich zu nennenswerten Zugeständnissen bereit. Am Schluss dieser Entwicklung baute Wilson seine "Neue Weltordnung" ohne die Deutschen auf.
 
Es ist schon wahr, die Amerikaner erregte der Umstand, dass die Deutschen ihre Landsleute töteten (warnungslose Versenkung von Handelsschiffen) stärker als jener, dass die Briten den amerikanischen Export nach Deutschland unterbanden.:rolleyes:

Das kann man nur unterstreichen. Die Lansing-Papers weisen diverse Unterlagen zum Kriegsausbruch 1917 aus, in denen es um die Zitierung Lansings vor den Senatsausschuss ging (was er zunächst verweigerte). U.a. forderte die Kommission eine Aufstellung aller Zwischenfälle mit Verlust amerikanischer Schiffe an, sowie aller damit verbundenen Personenschäden, sowie der Personenschäden auf Schiffen dritter Nationalität.
 
In einem Buch habe ich gelesen, daß der Kriegseintritt der USA nicht bestimmt war, als Gegner des Deutschen Reiches in den Krieg zu ziehen, sondern weil man sich Großbritannien als Partner näher war, als dem Deutschen Reich und somit unterschwellig auch Großbritannien schuld sei, daß die USA überhaupt in diesen Krieg zog. Quelle und genauen Text reiche ich noch nach.

Auch wieder so eine Bündnisgeschichte? Waren doch die USA bis vor 1914 relativ selbständig und beteiligten sich nicht an der vorangegangen Bündispolitik, oder?
 
Das Reich war gegenüber Wilson nicht wirklich zu nennenswerten Zugeständnissen bereit. Am Schluss dieser Entwicklung baute Wilson seine "Neue Weltordnung" ohne die Deutschen auf.


Das ist der Punkt.
Über alles andere kann man lustig diskutieren. (wenn´s auch sinnlos ist)

Auch hier wieder das Primat der Militärs.
Mit den verhängnisvollen Fehleinschätzungen.

Und dann noch die Versenkungspraxis, immer wieder haben die Deppen es geschafft einen Passagierdampfer zu versenken. Bis in den Oktober 1918 hinein.
Aber keinen einzigen Truppentransporter.
 
Weil dieser Herr mW noch nicht erwähnt worden ist:
Robert M. La Follette, Sr. - Wikipedia, the free encyclopedia

Hintergrund ist seine Rede vor der Non-Partisan League Convention in Saint Paul, Minnesota am 20.9.1917, in der er den Kriegseintritt der USA behandelt und (erneut) Opposition gegen die Kriegsteilnahme der USA bezieht.

"Mr. President, it has sometimes occurred to me that the shippers of munitions of war, who are making enormous profits out of the business, should not have encouraged American citizans to ride on those ships in order to give a sort of semblance of safety to the passage of their profiteering cargo abroad. ... I resisted the right to arm merchantmen [--> armed ship bill] when I knew that that would result in producing a condition that would bring about war without a declaration by Congress, and the constitution says that Congress, and not the acts of the President, shall bring on a war with a Foreign Government. But war is declared and lawfully declared; it was not brought about unlawfully and tyrannically arming of merchant ships. ...
But somebody will tell you American rights are involved. What American rights? The right of some venturesome person to ride upon a munition-laden vessel in violation of an American statute that no vessel which carries explosives shall carry passengers. ..."

Sodann wurde gegen La Follette ein Untersuchungsverfahren des Senats unter Leitung von Senator Pomerene gebildet. Dieser legte dem Präsidenten folgende Fragen im laufenden Verfahren vor:
"1. Did the Lusitania have on board ammunition or explosives?
2. Did the passengers aboard this vessel sail in violation of the statute of this country?
3. Did Mr. Bryan or the Department of State appeal to President Wilson to stop passengers from sailing with the Lusitania?
4. To what extend did the grievance connected with the sinking of the Lusitania carry this country into the war?
5. Kindly also give us the diplomatic correspondence relating to the sinking of the Lusitania."

Dioe Antwort von Lansing, der zunächst ein Erscheinen vor dem Untersuchungsausschuß verweigerte, enthielt zu 4. folgende Antwort:
"I beg to say that the sinking of the Lusitania was only one - though in some respects the most monstrous - of several cases in which merchant ships with American citizens on board were sunk by German submarines ... in violation of international law and the dictates of humanity. ...
The destruction of the Lusitania was but one of the incidents in the lawless and inhuman policy of the German Government, which emphasized the evil character of that Government and made impossible any honorable adjustment of the controversy over its illegal and unprecendented use of submarines ..."

In der Folge verlangte der Ausschuß eine vollständige Schiffsliste der Zwischenfälle während des Krieges mit den amerikanischen Schiffsverlusten bzw. Personenverlusten auf fremden Schiffen, die dann auch am 26.11.1917 übergeben wurde. Die gesamte Untersuchung betr. La Follette zum Kriegsausbruch kreiste um die Frage des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs und der warnungslosen Versenkungen.
 
In einem Buch habe ich gelesen, daß der Kriegseintritt der USA nicht bestimmt war, als Gegner des Deutschen Reiches in den Krieg zu ziehen, sondern weil man sich Großbritannien als Partner näher war, als dem Deutschen Reich und somit unterschwellig auch Großbritannien schuld sei, daß die USA überhaupt in diesen Krieg zog. Quelle und genauen Text reiche ich noch nach.
Das Seerecht, so wie es in den 58 Jahren vor Ausbruch des 1.WK bestanden hatte, war ein Faktum internationaler Politik, das die uneingeschränkte Ausübung überlegener Seemacht verhinderte. Es war zur Instanz geworden, weil die Neutralen (Großbritannien eingeschlossen) bei mehreren Anlässen ihre Entschlossenheit gezeigt hatten, dafür zu kämpfen - die beste Garantie für die Sicherheit zweitrangige Seemächte. Durch das Bereithalten moderner zweitrangiger Marinen wurden sie latent bestehende anti-britische Koalition integriert, die den Eckpfeiler der maritimen Kräftebalance bildete, auf der wiederum das Seerecht basierte. Großbritannien konnte seine überlegene Seemacht nur dann als Offensivwaffe mit voller Wirkung einsetzen, wenn es den Rahmen dieses bestehenden Seerechts zerstörte. Großbritannien konnte sich aber nicht über alles hinwegsetzen. Wie John Coogan überzeugend darlegt, konnte ein solcher Schritt nur mit der stillschweigenden Einwilligung der führenden neutralen Macht, der Vereinigten Staaten, vollzogen werden, die bereits länger als ein Jahrhundert die weitgefaßteste Definition neutraler Rechte unterstützt hatten. Großbritannien konnte das Seerecht nur über Bord werfen, wenn die USA sich davon einen Nutzen versprachen und deshalb gewähren ließen. Der Präsident der USA besaß ein effektives Vetorecht in bezug auf die ungehinderte Ausübung der britischen Seemacht.
(...)1914 entschied sich Wilson dagegen, sein Veto gegen den ungehinderten Gebrauch der britischen Seemacht gegen Deutschland einzulegen. So zerstörte er das Konzept der Neutralität.
Coogan, The End of Neutrality, S.253-256. Coogan hält die englisch-deutsche Gegnerschaft für in ihren Ursprüngen irrational. Er lehnt wirtschaftliche, koloniale und maritime Beweggründe als Ursachen ab. Selbst von Erklärungen, die die deutsche Bedrohung des Mächtegleichgewichts betonen, behauptet er, daß hier eine Verwechslung von Symptomen und Ursachen vorliege (S.75, Anm.11). Diese Haltung scheint zu implizieren, daß es keine legitime Begründung für die Annahme gab, die britische nationale Sicherheit könne durch Deutschland bedroht sein, und daß Befürchtungen dieser Art Widerspiegelungen einer irrationalen Feindschaft darstellten. Es ist schwierig, diese Interpretation mit Coogans Wiedergabe von Wilsons Einschätzungen der deutschen Bedrohung in Einklang zu bringen. Zu diesem Punkt schreibt er, es sei die amerikanische Annäherung am Großbritannien gewesen, die die USA in den Krieg gegen Deutschland hineingezogen habe (S.68); (...)

Quelle:
Maritimer Imperialismus; Rolf Hobson; S.81
 
Es ist schwierig, diese Interpretation mit Coogans Wiedergabe von Wilsons Einschätzungen der deutschen Bedrohung in Einklang zu bringen. Zu diesem Punkt schreibt er, es sei die amerikanische Annäherung am Großbritannien gewesen, die die USA in den Krieg gegen Deutschland hineingezogen habe

Dem würde ich zustimmen. Die Annäherung ist nicht Ursache, sondern Voraussetzung.

Das auch publizistische Ringen um den Kriegseintritt der USA beschreibt zB:
Macht und Ohnmacht der Worte : William Randolph Hearst und der Weg der USA zur Weltmacht, 1898-1917 / Bethke, Martin
 
Das Seerecht, so wie es in den 58 Jahren vor Ausbruch des 1.WK bestanden hatte, war ein Faktum internationaler Politik, das die uneingeschränkte Ausübung überlegener Seemacht verhinderte. Es war zur Instanz geworden, weil die Neutralen (Großbritannien eingeschlossen) bei mehreren Anlässen ihre Entschlossenheit gezeigt hatten, dafür zu kämpfen - die beste Garantie für die Sicherheit zweitrangige Seemächte. Durch das Bereithalten moderner zweitrangiger Marinen wurden sie latent bestehende anti-britische Koalition integriert, die den Eckpfeiler der maritimen Kräftebalance bildete, auf der wiederum das Seerecht basierte. Großbritannien konnte seine überlegene Seemacht nur dann als Offensivwaffe mit voller Wirkung einsetzen, wenn es den Rahmen dieses bestehenden Seerechts zerstörte. Großbritannien konnte sich aber nicht über alles hinwegsetzen. Wie John Coogan überzeugend darlegt, konnte ein solcher Schritt nur mit der stillschweigenden Einwilligung der führenden neutralen Macht, der Vereinigten Staaten, vollzogen werden, die bereits länger als ein Jahrhundert die weitgefaßteste Definition neutraler Rechte unterstützt hatten. Großbritannien konnte das Seerecht nur über Bord werfen, wenn die USA sich davon einen Nutzen versprachen und deshalb gewähren ließen. Der Präsident der USA besaß ein effektives Vetorecht in bezug auf die ungehinderte Ausübung der britischen Seemacht.
(...)1914 entschied sich Wilson dagegen, sein Veto gegen den ungehinderten Gebrauch der britischen Seemacht gegen Deutschland einzulegen. So zerstörte er das Konzept der Neutralität.
Ich will einmal dieses Erklärungsmodell auf den "ganzen Krieg" übertragen. Dann war im August 1914 GB als führende neutrale Macht verpflichtet zu Gunsten des Gleichgewichts und des Völkerrechts gegen das Deutsche Reich als führende Landmacht Europas zu intervenieren, was ja auch geschah. Das Beispiel macht deutlich, dass die Lage der USA bei Betrachtung des "ganzen Krieges" komplexer war als die Verengung des Blickwinkels auf den Seekrieg vermuten lässt.

Der 1. WK berührte das Gleichgewicht der Kräfte in Europa mit Folgen für die Kolonien, den Handel, das "ozeanische Gleichgewicht", etc. - m.a.W.: der 1. WK führte 1914/15 zu der nicht unberechtigten Erwartung, dass das Völkerringen in Europa zu einer neuen Weltordnung führen wird. Die Herausforderung für die USA bestand darin, Einfluss auf die Gestaltung dieser neuen Weltordnung zu nehmen, was freilich voraussetzte, dass die Beteiligten den USA auch Einfluss zugestanden. Deutschlands mangelnde Konzessionsbereitschaft begünstigte den Niedergang der deutsch-amerikanischen Beziehungen.
Köbis schrieb:
1914 entschied sich Wilson dagegen, sein Veto gegen den ungehinderten Gebrauch der britischen Seemacht gegen Deutschland einzulegen. So zerstörte er das Konzept der Neutralität.
Hier irritiert mich die Formulierung "Konzept der Neutralität". Was genau ist damit gemeint? Das Neutralitäts-RECHT oder eine bestimmte Konzeption der Neutralitäts-POLITIK (welche?)?

In Bezug auf das Neutralitätsrecht muss ich Dir leider mitteilen, dass diesem gar keine Konzeption zu Grunde lag. Das Neutralitäsrecht wurde zwar in Haag in einer Konvention geregelt. Dabei wurde aber nur das bis dahin gewonheitsrechtlich bestehende Neutralitätsrecht niedergeschrieben. Dieses Recht war im Laufe der Zeit entstanden, krumm und schief, ohne Konzeption, widersprüchlich, etc.
So folgte z.B. das Neutralitätsrecht der liberalistischen Ideologie des 19. Jh. und trennte messerscharf zwischen dem Staat und der staatsfreien Gesellschaft mit der Folge, dass nur der staatliche Waffenhandel verboten war, nicht aber der private und der weiteren Folge, dass sich die USA im 1. WK zur Rüstungsschmiede der Alliierten entwickelte. Das war neutralitätsrechtlich legal, neutralitätspolitisch nicht unproblematisch (je nachdem, welcher politischen Konzeption man folgte).

Im Rahmen dieses Neutralitätsrechtes waren verschiedene Konzeptionen von Neutralitätspolitik möglich. Aber alle diese Konzeptionen hatten für die USA einen entscheidenden Knackpunkt: wie bleibt man aus dem Krieg draussen und wie kann man dennoch Einfluss auf dessen Folgen haben? Als sich 1917 abzeichnete, dass sich im Krieg in Europa ausgerechnet jene Macht durchsetzen wird, die sich zunehmend feindlich gegenüber den Interessen der USA verhielt (unbegrenzter U-Boot-Krieg, Zimmermann-Telegramm, etc.), schien dieses Dilemma zwischen Zurückhaltung und Einflussnahme nur noch durch den Kriegsbeitritt in das Lager der Alliierten auflösbar zu sein.
 
Aber alle diese Konzeptionen hatten für die USA einen entscheidenden Knackpunkt: wie bleibt man aus dem Krieg draussen und wie kann man dennoch Einfluss auf dessen Folgen haben? Als sich 1917 abzeichnete, dass sich im Krieg in Europa ausgerechnet jene Macht durchsetzen wird, die sich zunehmend feindlich gegenüber den Interessen der USA verhielt (unbegrenzter U-Boot-Krieg, Zimmermann-Telegramm, etc.), schien dieses Dilemma zwischen Zurückhaltung und Einflussnahme nur noch durch den Kriegsbeitritt in das Lager der Alliierten auflösbar zu sein.

Inhaltlich sehe ich das auch so, aber "die" USA gab es in dieser Situation wohl nicht.

Wenn Du die Aussage allerdings auf Wilson und sein Umfeld beziehst, ist das sicher richtig; dagegen gab es beachtliche Strömungen 1914-1917, die die Situation und das Problemumfeld "der" USA anders einschätzten: weder Interessen noch Dilemma.
 
Inhaltlich sehe ich das auch so, aber "die" USA gab es in dieser Situation wohl nicht.

Wenn Du die Aussage allerdings auf Wilson und sein Umfeld beziehst, ist das sicher richtig; dagegen gab es beachtliche Strömungen 1914-1917, die die Situation und das Problemumfeld "der" USA anders einschätzten: weder Interessen noch Dilemma.
Es ist ein Gemeinplatz, dass es "die" USA nicht gab. Im außenpolitischen Bereich meint man mit Formulierungen wie "das" Land X ohnhein "die Regierung" des Landes X, bei "den" USA zumeist den Präsidenten.

Im Hinblick auf die verschiedenen "Strömungen" ist schon interessant wie diese 1917 ganz überwiegend den Kriegseintritt befürworteten. Senat: 82 Ja-Stimmen, 2 Nein-Stimmen; Repräsentantenhaus: 373 Ja-Stimmen, 50 Nein-Stimmen. Selbst der pazifistisch gesonnene Carnegie schrieb Wilson im Februar 1917 "er" solle, auf Seiten der Alliierten in den Krieg eintreten. Wilson schien eher zum Kriegseintritt getragen zu werden als diesen Schritt von sich aus aktiv anzugehen.
 
Es ist ein Gemeinplatz, dass es "die" USA nicht gab.
Ja, klar, ich wollte es auch nur verdeutlichen, weil ...

Im Hinblick auf die verschiedenen "Strömungen" ist schon interessant wie diese 1917 ganz überwiegend den Kriegseintritt befürworteten. Senat: 82 Ja-Stimmen, 2 Nein-Stimmen; Repräsentantenhaus: 373 Ja-Stimmen, 50 Nein-Stimmen. ... Wilson schien eher zum Kriegseintritt getragen zu werden als diesen Schritt von sich aus aktiv anzugehen.

... diese Werte auch Resultat des von allen Seiten gesteuerten publizistischen Meinungskampfes waren. Wie dürftig man den Informationsstand der Abstimmenden zur Kriegsfrage einschätzen kann, zeigt sich an den 6 Monate später vorgetragenen Vorlagewünschen des LaFollette-Untersuchungsausschusses (siehe oben).
 
Ja, klar, ich wollte es auch nur verdeutlichen, weil ...

... diese Werte auch Resultat des von allen Seiten gesteuerten publizistischen Meinungskampfes waren.
Wenn alle am Steuer drehen, wird das mit der Steuerung nichts.;)
Wie dürftig man den Informationsstand der Abstimmenden zur Kriegsfrage einschätzen kann, zeigt sich an den 6 Monate später vorgetragenen Vorlagewünschen des LaFollette-Untersuchungsausschusses (siehe oben).
Das erscheint mir doch ein dürftiger Anhaltspunkt für die Dürftigkeit des Informationsstandes der Abstimmenden gewesen sein. Vom Scheitern der Wilsonschen Friedensbemühungen (Jan. 1917), der Wiederaufnahme des unbegrenzten U-Boot-Krieges (Febr. 1917), dem Zimmermann-Telegramm, der Februarrevolution, den deutschen Anfangserfolgen im unbegrenzten U-Boot-Krieg haben die wohl alle gewusst...
 
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