Ich bewundere die physischen und psychischen Leistungen der Kriegsveteranen von 1914-18 und 1939-45. Was sie geleistet haben, ging weit über das hinaus, was fairerweise von Menschen erwartet werden kann, und viele Kriegsveteranen, die zurückkehrten, waren wie mein Opa stark traumatisiert, manche gebrochen an Leib und Seele. Dass sie es schafften (manche leider nicht) wieder im zivilen Leben Fuß zu fassen, war fast eine ebenso große Leistung, und im Gegensatz zu den Veteranen von 1914-18 fanden sie wenig Achtung und Respekt. Kein Mensch ehrte sie, wie das bei Veranstaltungen in GB und den USA üblich ist. Die meisten versteckten Kriegsauszeichnungen in Zigarrenkisten, feilten die Swastika ab, und sie mussten sich von der Generation meiner Eltern kritische Fragen gefallen lassen, was sie in Polen und den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion getan hatten während des Krieges.
Inzwischen bin ich im Laufe der Jahre zur Ansicht gelangt, dass man denen keine Vorwürfe machen kann, wenn sie gewisse Ereignisse verdrängten. Es ist psychologisch logisch, Unrecht, dass man nicht verhindern kann, zu verdrängen.
Trotzdem waren die Fragen nach dem, was an der Ostfront und im Hinterland geschah legitim, eine wirkliche Aufarbeitung war späteren Generation vorbehalten, die die "Gnade der späten Geburt" nicht in Anspruch nehmen wollten, nicht nehmen konnten. Ich weiß, dass Mitglieder meiner eigenen Familie dem Faschismus zugeneigt waren und zumindest Zeugen wurden, wie schlimme Dinge geschahen. Dass ich sie zu Lebzeiten sehr geschätzt, respektiert und geliebt habe, macht die Sache nicht leichter, aber deutsche Soldaten waren nicht nur verblendete Opfer eines menschenverachtenden Systems, sondern auch Zeugen, Mitläufer und Täter.
Die Verwilderung der Kriegsgesetze färbte leider auch auf die Befreier ab, und damit meine ich nicht nur die Plünderungen und massenhaften Vergewaltigungen der Roten Armee (nicht nur in Ostpreußen, Pommern und Schlesien, sondern auch in Polen, Rumänien und Ungarn) die die größten Opfer und Verluste und den größten Blutzoll an der Befreiung vom NS trug.
Die Briten und Amerikaner achteten im Großen und Ganzen die Genfer Konvention, und zeichneten sich als faire Sieger und Befreier aus, die relativ schnell wieder geordnete Verhältnisse herstellten. Frauen, Kinder und Fahrräder waren in der Regel vor ihnen sicher. So psychologisch verständlich Terrorangriffe auf Wohngebiete, Urlauberzüge und in den letzten Kriegstagen selbst einzelne Zivilisten waren, sie blieben doch Unrecht.
Was die Erinnerungskultur in der anglo-amerikanischen Welt betrifft, habe ich manchmal den Eindruck, als müsste auch der Gegner heroisiert und überlebensgroß gezeichnet werden. Die Aussage, dass die Mehrzahl der Kriegstoten aller Nationen des 1. Weltkrieges sinnlos verheizt wurden für einen imperialistischen Krieg, im Interesse des Kapitals würde vermutlich bei den meisten Briten, Amerikanern und Franzosen auf Widerspruch stoßen, selbst wenn es in vielen Einzelfällen der Wahrheit entspricht. Dem regen Interesse der Briten am "Great War 1914-18" zumal was Westflandern betrifft, verdanke ich viele detaillierte Informationen und Besuchern aus Kanada, Australien und dem UK, die wie ich selbst die wiederaufgebaute Stadt Ieper/Ypres ins Herz geschlossen haben, eine Menge an Anregungen, die zu einer differenzierteren Geschichtsperspektive beitragen. Für meinen Geschmack ist aber der Totenkult am Meenentor ein wenig zu martialisch. Andererseits profitiert Ypern vom Tourismus, und es ist durchaus zweifelhaft, ob das renommierte Museum "In Flanders Field", das in der historischen alten Tuchhalle aus dem Mittelalter untergebracht ist, ohne die Arbeiten britischer Historiker und Kriegspoeten wie Wilfried Owen (gefallen in den letzten Kriegstagen 1918), Siegfried Sassoon und John McCraw nach dessen Gedicht In Flanders Fields the poppies grow... das Museum seinen Namen hat.
Sofern Erinnerungskultur dazu beitragen kann, aus Geschichte zu lernen- und obwohl pessimistisch behaupte ich, dass es möglich ist, aus Geschichte zu lernen- so sollte sie die Perspektive des Anderen integrieren. Das mag in Waterloo oder Gettysburg vielleicht eher gelingen, als bei D-Day Feierlichkeiten, von Veranstaltungen zum Gedenken des "Großen Vaterländischen Krieges ganz zu schweigen. Aber eine Gedenkkultur, die verschiedene Perspektiven einbindet, hat eine weitaus größere Chance, nicht zum pathetischen Ritual und zum Totenkult zu erstarren.