Was ich dabei nicht verstehe und mich zweifeln lässt, ist die Erklärung, warum die Thais auch die Guave als Farang bezeichnen. Angeblich sollen portugiesische Händler diese Frucht in Siam eingeführt haben und weil die Portugiesen weiß sind oder weil die Frucht im Innern weiß ist, soll sie dann so bezeichnet worden sein.
Auch die Chili soll von den Portugiesen nach Siam gebracht worden sein.
Gibt es Quellen dafür, z.B. Ladelisten, dass die Portugiesen amerikanische Pflanzen nach Asien verbreiteten? Zumal in Länder, die entsprechend selbst genügend Früchte und Gewürze hatten?
Kann man ausschließen, dass die Guave nicht schon früher ihren Weg über den Pazifik nach Asien fand, dort dann lokal zufälligerweise Farang genannt wurde und deswegen die Weißen so bezeichnet wurden?
Da mag es sich im Thai ja um ein Homonym handeln, also zwei völlig verschiedene Etyma. Aber es gibt durchaus Fälle wo ein durchaus bekanntes Produkt nach dem Importeur (oder Zwischenhändler) benannt ist. Die Muskatnuss, die aus Indien stammt, hat in Europa ihren Namen nach der omanischen Stadt Masqaṭ. Und die Orange - die in ihrer bitteren indischen Variante durch die Araber in Europa eingeführt wurde, heißt in ihrer süßen chinesischen Variante (Sinaasappel > Apfelsine) in den Ländern des Mittelmeerraum oft nach ihrem portugiesischen Importeur. Unser Wort
orange (eindeutig gallorromanisch) kommt über iberische Vermittlung (
naranja) von arabisch
naranǧ. Im Arabischen ist die
naranǧ aber nur die ‚Pommeranze‘ (Bitterorange - das poln.
pomarańcza hingegen auch die Süßorange), wohingegen die Süßorange nach dem Importeur
burtuqāl heißt. Und das setzt sich im Türkischen (
portakal), Kurdischen (
pirtakal) Griechischen (
πορτοκάλι), Rumänischen (
portocală), Mazedonischen (
портокал) und als Variante zu
pommerancia auch im Italienischen (
portogallo) fort. Insofern halte ich zwar für möglich, dass sich die beiden Thaiwörter zufällig gleichen (Homonymie), aber auch für absolut plausibel, dass hier dasselbe Wort zugrunde liegt.
Man muss dabei auch bedenken, dass es da oft Zwischenstufen gibt, die im Sinne der Sprachökonomie wirken. Ich kenne mich jetzt im Thai nicht aus. Aber in europäischen Sprachen passiert es oft, dass ein spezifizierendes Adjektiv das Substantiv verdrängt und seinerseits substantiviert wird.
So wurde das Lateinische von seinen spätantiken Sprechern oft ‚römisch‘ gennant. „Ich spreche Römisch“. Irgendwann würde den Leuten bewusst, dass die Dialekte sich auseinander entwickelten: „Ich spreche kastilisches Römisch, er spricht fränkisches Römisch, sie italisches Römisch“ - irgendwann hat man das
Römisch weggelassen und das Adjektiv war damit automatisch substantiviert.
Anderes Beispiel? In Spanien war der Golddinar der Almoraviden besonders beliebt (gute Goldqualität), erhalten blieb aber nur die spezifizierende Vokabel
Morabetino bzw.
Maravedí, die
eigentliche Bezeichnung Dinar wurde fallen gelassen (und das Wort im Laufe der Zeit nicht mehr auf Gold-, sondern auf Silbermünzen angewendet).
Ein drittes Beispiel: die Leber, auch die des Menschen, lateinisch
iecur heißt in den romanischen Sprachen heute nach der Gänsestopfleber: Man hat die Gänse mit Feigen zwangsernährt und dann „gefeigte Leber“ gegessen. Das Adjektiv des Gerichts hat sich auf das biologische Organ übertragen:
ficat, fegato, fígado, hígado, fetge, foie...
So war im Thai die Guave vielleicht zunächst die „Frucht der Weißen“ oder „Frucht der Farang“ und am Ende ist eben sprachökonomisch nur „Farang“ übrig geblieben. Ein sprachhistorisch relativ normaler Vorgang.