Tacitus schreibt ausdrücklich von einem ersten (prima Vari castra) und mindestens einem weiteren Lager. Nicht davon, dass beide Lager ineinander lagen. Das beide Lager in einem Satz erwähnt werden, dient der Kontrastierung: Hier das erste Lager, an das drei Legionen ihre Hand angelegt haben, dort das unfertige Lager in dem die Reste lagen, die sich bis dahin durchgeschlagen hatten.Das ist richtig- Er beschreibt aber an dieser Textstelle keine direkte räumliche Trennung der Lager. Er beschreibt, dass ein Lager für drei Legionen sich tageweise analog zu den Kampfhandlungen verkleinerte.
Wenn du ein paar Sätze zurückgehst, wirst du auch feststellen, dass Caecina den Weg zur Schlachtregion erst durch Sümpfe und Wälder bahnen musste, bevor Germanicus mit der Hauptstreitmacht die Schlachtfelder betreten konnte, die Lager gezeigt bekommen konnte (noch mal: Tacitus schreibt hier kontrastiv, die Kontrastierung ist eine seiner Darstellungsmethoden, das beginnt bei dem Totengedenken an Augustus und endet nicht bei der Varusschlacht). Überlebende zeigen Germanicus, wo die Adlerträger fielen, wo die Legaten fielen und wo Varus sich ins Schwert stürzte. Du kannst das natürlich als chronologischen Abriss lesen. Dann musst du dir aber Gedanken machen, ob denn wirklich die Adlerträger beieinander standen. Das ist nämlich eigentlich undenkbar. Und dann wirst du begreifen, das Tacitus hier rafft und steigert: Die Adlertäger sind wichtig, die Legaten (die auch nicht beieinander gewesen sein werden) aber haben höchste Ränge und schließlich, als Klimax, der Selbstmord des Varus. Das ist taciteische Darstellung, kein Verlaufs-, sondern ein rhetorisch gestaltetes Ergebnisprotokoll.
Das ist jetzt nicht logisch. Erst wirfst du Varus vor, dass er seine Truppen nicht geteilt habe, dann wirfst du ihm vor, dass er sie geteilt hat.Richtig. Für Schwachsinnsaufgaben auf Bitten der Germanen. Da ist keine Koordination zu erkennen.
Du wolltest Quellenkritik üben. Nun, dann sage ich dir mal was: Die Beurteilung des Varus durch die Quellen geschieht ex post, also NACH seiner Niederlage. Die frühsten Quellen halten sich mit Kritik noch zurück und wir wissen, dass Augustus Varus‘ Kopf (den Arminius an Marbod schickte und den dieser nach Rom weiterleitete) ein ehrenvolles Begräbnis gestattete. Varus‘ Sohn war trotz der Niederlage des Vaters noch so wohl gelitten, dass er sich mit einer „Prinzessin“ des julisch-claudischen Kaiserhauses verloben konnte. Varus war ein erfahrener (und durchaus auch erfolgreicher) Feldherr, der am Alpenfeldzug teilgenommen hatte und Aufstände in Syrien erfolgreich niederschlug. Er war Statthalter in Syrien und Africa gewesen und war ein Mann, den Augustus für schwierige Aufgaben einsetzte. Erst nach Augustus‘ Tod, mit Tiberius bei Velleius Paterculus wird Kritik an Varus laut, der ihn ex post verunglimpft. Die Kritik einiger Quellen an der (angeblichen!) Zersplitterung der Armee ist vor diesem Hintergrund zu lesen. Tiberius selbst hat nicht anders gehandelt, wenn er Truppen bei den Chauken überwintern ließ. Bei Tiberius stellt Velleius das als Leistung dar, bei Varus dasselbe Verhalten als Fehler. (Solche Widersprüche in den Quellen zu finden, ist ein ganz wesentlicher Teil der inneren Quellenkritik). Aber genau das war Varus‘ Aufgabe: Provinzverwaltung in einer imperialen Provinz, d. hieß auch, „polizeiliche“ Aufgaben zuübernehmen.
Das Germanicus 15 n. Chr. gemacht. Er hat zunächst Caecina an die Ems marschieren lassen und ist selber per Schiff zum Treffpunkt gekommen. Beide mit jeweils VIER Legionen plus Hilfstruppen. Danach waren sie mit ACHT Legionen plus Hilfstruppen unterwegs. Varus hatte nur DREI Legionen plus Hilfstruppen. Was Caecina und Germanicus mit VIER/ACHT Legionen könnten, könnte Varus nicht mit DREI? Die Arithmetik muss ich nicht verstehen.Bei der antiken Infrastruktur bis zu den napoleonischen Kriegen ist es nicht gerade sinnvoll mehrere Großverbände (3 Legionen) auf einer Straße marschieren zu lassen (Schon aus versorgungstechnischen Gründen). Getrennt marschieren gemeinsam schlagen.
Kalkriese ein strategischer Punkt für die Okkupation? Kalkriese hat einen Wall, der zunächst als Teil eines römischen Marschlagers angesprochen wurde, dann als Teil eines germanischen Hinterhalts und jetzt wieder als Teil eines römischen Marschlagers. Eine fester Okkupationsplatz dort wäre praktisch nicht zu versorgen gewesen. Versorgungsachsen waren die Rheinzuflüsse, Main (mit Lahn) und Lippe. Alle anderen Lager waren entweder Marschlager oder nur im Sommer zu versorgen. Kalkriese lag eher ab vom Schuss (wenn auch an einem wichtigen Weg). Kalkriese als fester Platz ist nicht denkbar. Eine Legion verbrauchte in der Woche mehrere Tonnen Getreide, die ökonomisch praktisch nur auf Lastkähnen zu transportieren waren. Eine Legion verbrauchte 5 t Getreide/Tag. Mit einem Prahm kannst du eine Wochenration für eine Legion transportieren. Für eine Tagesration bräuchtest du per Maultier (Trageleistung bis 150 kg) 34 Maultiere, bei einer Woche wärest du schon bei ca. 220 Maultieren, die wiederum geführt und militärisch gedeckt werden müssen, was wiederum den Aufwand erhöht.... In der Regel teilte sich ein Contubernium (8 Mann) ein Maultier, Dieses konnte also 150 kg Gepäck der Legionäre führen: Zelt, Kochgeschirr, acht Pila Muralia und dann noch Posca und Weizen für die Ernährung der acht Legionäre. Das schränkt den Aktionsradius der Legionen, wenn diese nicht auf Lieferungen von Einheimischen zählen konnten oder die Gelegenheit hatten, zu pündern (ob ein Dorf oder ein Feld, ist dabei egal), ganz schön ein.Um ein erobertes Gebiet dauerhaft halten zu können ist eine Stationierung von Truppenkontingenten an strategischen Positionen unerläßlich. Der Raum Kalkriese gehört zu einem dieser strategischen Punkte (Nord Süd verlaufende Handelsroute mit einem Bohlenweg (ca 10 km lang) durch das CAMPEMOOR mit nachgewiesenen Bohlenweg mit Zerstörungsmerkmalen.
Kalkriese liegt zur Ems nördlich bzw. östlich. Caecina geriet in die Schlacht an den pontes longi, nachdem er sich auf dem Weg nach Vetera/Xanten von Germanicus an der Ems getrennt hatte. Die pontes longi musst du südlich oder westlich der Ems suchen. Mein Favoit wären die Baumberge. Allerdings gibt der LWL auf Nachfrage an, dass aus den Baumbergen keine römischen Fundkonzentrationen bekannt sind.Die Steuung des Fundareals im Raum Kalkriese könnten von den vermuteten Kampfhandlungen 15 n Chr am Pontes Longi stammen.
Die Datierung passt einfach nicht. Hier diskutierst du gegen archäologisch unumstößliche Fakten. Letztendlich sagst du ja gerade, dass Anreppen Aliso sei. Aliso wurde von Drusus gegründet und konnte bis 16 gehalten werden.Ich erwähnte, dass das bekannte Lager Anreppen (Das ohne Schlachtspuren) das "Anreppen II" sein könnte welches von Germanicus aufgebaut wurde. Das "Anreppen I (Varus) müsste noch gefunden werden. Aus logistischen Gründen muss im Raum Paderborn auch zu Varus-Zeiten ein Lager an der Lippe bestanden haben. Ich vermute, dass die Römer Anreppen I nicht mit Anreppen II überbauten.
Anreppen fällt in die Zeit des immensum bellum und kennt keine Kampfspuren, es ist offengelassen, vielleicht vor, vielleicht nach der Varusschlacht.
"Der Gründungszeitpunkt des Römerlagers Anreppen lässt sich relativ gut bestimmen. Der römische Historiker Velleius Paterculus berichtet über einen Feldzug von Tiberius im Jahr 4 n. Chr. im Zuge des immensum bellum vom Bau eines Winterlagers an den Quellen der Lippe. Dazu passt ein in das Jahr 5 n. Chr. zu datierendes Bauholz von einer Mannschaftslatrine."
Römerlager Anreppen – Wikipedia
Dann hätte also Germanicus eine Mannschaftslatrine bauen lassen, die dann die doofen Dendrochronologen auch noch vollkommen falsch datiert haben? Wohingegen vom rein spekulativen Anreppen I jegliche Spur fehlt. Naja, Hauptsache es passt in deine Theorie.
Das ist alles legitim, solange es nicht im krassen Widerspruch zu den archäologischen gesicherten Fakten steht bzw. nicht einfach Angaben der historiographischen Quellen negiert, um die mit nicht durch Quellen gedeckten Phantasien auszufüllen. [edit: Nach Besprechung im Moderatorenbereich Satz entfernt, der von einem Forenmitglied als unnötig mokiert wurde.] Du kannst - gut begründet - jede Quellenstelle in Frage stellen. Aber eine Quellenstelle in Frage zu stellen ermächtigt nicht, sie mit neuem Inhalt zu füllen.Ich hatte gehoft in diesem Forum auch Spekulationen, Interpretationen "Phantasie" als Denkanstöße geben zu dürfen um ggf neue archäologische Überlegungen / Überdenkungen der Ereignisse zwischen 9 n Chr und 16 n Chr zu geben. Ich habe dabei versucht aus meiner Sicht sinnvolle militärische Handlungen gegenüber den antiken Überlieferungen zu vergleichen.
Dies scheint mir nicht gelungen zu sein.
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