Frage zur Entwicklung an der Ostfront...

kann es vielleicht sein, dass eine darstellung der geschehnisse an der ostfront aus österreichischer sicht die "schuldfrage" etwas anders sieht, als z.b. eine deutsche? und das man durchaus auch andere quellen einbeziehen sollte, bevor man sich ein urteil bildet?
Ich kenne auch die reichsarchivbände. Da wird besagtes Vorkriegstelegramm Moltkes( http://s125.photobucket.com/albums/...view&current=U7.jpg&refPage=&imgAnch=imgAnch4)
gar nicht erwähnt. Schade dass es im Kriegsarchiv liegt, so kann er sich nicht mehr rausstehlen aus der Affaire.
btw. möchte ich hier noch auf Mark Cornwall: The last years of Austria-Hungary verweisen.
 
Zuletzt bearbeitet:
und das man durchaus auch andere quellen einbeziehen sollte, bevor man sich ein urteil bildet?

Aus diesem Grund hatte ich mir ja erlaubt, das hier bereits bestehende Ostfrontthema entsprechend zu verlinken...

Wenn wir über die gegenseitigen Schuldzuweisungen einmal hinwegsehen und versuchen - soweit es möglich ist - Angriffspläne und tatsächlichen Kriegsverlauf gegenüberzustellen, finden wir durchaus einen Konsens.
Ich versuche einmal die Zusammenfassung in kurzen Stichpunkten...

1. Der deutsche Angriffsplan (Schlieffenplan) sah vor, die 1. bis 4. Armee über Belgien gegen Paris zu führen und das französische Hauptheer in einer Entscheidungsschlacht zu besiegen, während die 5. bis 7. Armee die französische Verteidigungslinie binden sollten. Die 8. deutsche Armee sollte in Ostpreußen verbleiben, zumal man mit einer viel langsameren Mobilmachung Rußlands rechnete. Nach dem Erfolg in Frankreich sollte schließlich dann die gesamte deutsche Schlagkraft gegen Rußland eingesetzt werden.
Soweit der Plan - vor dem Krieg entwickelt und bei Kriegsbeginn auch noch gültig...

2. Rußland machte schneller mobil als erwartet - und zwar signifikant schneller. Die Russen fielen mit 2 Armeen in Ostpreußen ein, von denen jede stärker war als die 8. deutsche Armee. Dennoch griff v. Prittwitz mit der 8. Armee die 1. russische Armee an, was ihm bei Gumbinnen eine deutliche Niederlage einbrachte (19./20.08. 1914). Um nun nicht von der parallel vorrückenden 2. russischen Armee eingekesselt zu werden, erfolgte der Rückzug hinter die Weichsel. Ob nun die Kritik an diesem Rückzug gerechtfertigt war oder nicht, bleibt der Punkt, daß die ursprünglichen Planungen - und damit auch alle Abmachungen vor dem Krieg bzw. noch bei Kriegsbeginn - nicht mehr haltbar waren.

3. Von nun an ging es erst einmal nicht mehr um Vorstöße ins russische Territorium (konkret: Russisch-Polen), sondern darum, die Russen wieder zu vertreiben, die nun sowohl in Ostpreußen als auch in Galizien standen, wo sie ja ebenfalls eingefallen waren. Der erste Erfolg dahingehend war (dann unter v. Hindenburg) die Einkesselung der 2. russischen Armee bei Tannenberg (eigtl. bei Allenstein) vom 26./30.08. 1914 (erste Truppenbewegungen zum Kampf seit dem 23.08.), ergo zeitgleich mit den österreichisch-ungarischen Angriffen.
Wichtig ist hierbei, daß sowohl für Tannenberg als auch die Schlacht bei den Masurischen Seen (06./15.09. 1914) Truppen von der Westfront abgezogen werden mußten, die dort dann natürlich fehlten.
Erst die Winterschlacht in Masuren (07./25.02. 1915) gelang es jedoch, die russischen Verbände aus Ostpreußen zu vertreiben - und hier gab es dann auch das Ziel, einen Durchbruch der russischen Front zu erreichen (was allerdings nicht gelang).

4. Die etwa zeitgleich ablaufende Offensive, welche in die Karpatenschlacht (Dez. 1914/April 1915) mündete, sollte nun überdies auch den russischen Druck auf Österreich-Ungarn verringern und v.a. einen drohenden russischen Vorstoß nach Ungarn verhindern. Die Schlacht - mit gemeinsamen Verbänden von D & ÖU - endete in einem verlustreichen Patt: zwar konnten die Russen nicht vertrieben werden, aber auch einen russischen Einbruch nach Ungarn gab es so nicht.
Hier zeigte sich aber bereits, daß es Österreich-Ungarn aus eigener Kraft nur schwer möglich war, mit dem russischen Gegner fertig zu werden.

Betrachtet man den Kontext, braucht man mE nur noch zusammenzurechnen, um zu sehen, daß die Frage, wer woran Schuld war, nichts bringt, sondern eigentlich zu sagen ist, daß der deutsche Angriffsplan wohl zu optimistisch war und zudem sehr schnell von der Realität zunichte gemacht wurde...
 
Bingo Timo!

Der ganze Kriegsplan fusste auf der schnelleren Mobilmachung der Mittelmächte, daher auch die frühe Kriegserklärung an Russland, (abgesehen von innenpolitischen Gründen) da man sich diesen Vorteil nicht aus der Hand nehmen lassen wollte. Man hielt das für die einzige Chance den Krieg zu gewinnen. Brach in der Umsetzung die belgische Neutralität und gab GB den willkommenen Kriegsgrund. Um dann feststellen zu müssen, dass 1. die Franzosen etwa so schnell wie die Deutschen ihr Heer mobilisiert hatten, und 2. die Russen Wochen schneller als erwartet waren.
Anfang September 1914 waren alle Pläne gescheitert, und man hatte sich mutwillig etliche Feinde zusätzlich "angelacht".

Grüße Repo
 

Ich danke Dir; und wir waren ja bereits an anderer Stelle schon einmal so weit...
Deshalb nochmals an der Stelle der Querverweis für alle: http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=4763

Anfang September 1914 waren alle Pläne gescheitert...

Eben.
Aber gerade für Österreich-Ungarn wurde die Lage ja in den folgenden Kriegsjahren noch weitaus dramatischer.
Bereits die Durchbruchsschlacht von Gorlice-Tarnov (01./03.05. 1915) stand unter deutscher Leitung, wenn auch die Planung durch den österreichischen Generalstabschef Conrad von Hötzendorf gemacht worden war. Zudem stellten die deutschen Truppen den materiell größten Teil, auch erfolgte der Angriffsstoß hauptsächlich durch sie.
Den schwersten Schlag, der das Heer beinahe an den Rand einer Niederlage brachte, versetzten die Brussilov-Offensiven Österreich-Ungarn im Jahre 1916.

Noch zu einer anderen Sache...

Zu den von den Mittelmächten eingestzten Streitkräften ist zu sagen, dass die deutschen Truppen mehrheitlich an die Westfront gingen und dann bei der letzten dt. Offensive eingesetzt wurden. Nur ein kleiner Teil blieb als Besatzungsmacht in der Ukraine und Weißrussland.

So war der Plan gewesen...
Wenn ich da bislang alles halbwegs richtig verstanden habe, war aber die Lage auf deutscher Seite dann doch wie folgt:
- bis zum (Diktat-)Frieden von Brest-Litovsk (03.03. 1918) blieben sämtliche deutschen Truppen an der Ostfront (sie rückten ja Febr./März 1918 noch weit in vormals russisches Territorium vor)
- danach mußten noch immer mehr deutsche Truppen (nicht nur in Weißrußland und der Ukraine, sondern v.a. auch im Baltikum, z.T. aber auch in Finnland) verbleiben als eigentlich nach dem Friedensschluß geplant gewesen war
- die letzte deutsche Offensive endete im Mai/Juni 1918 (als zudem noch deutsche Truppen parallel in Georgien landeten), weswegen ich mir nicht sicher bin, ob größere Truppenverbände aus dem Osten noch bei den letzten Offensiven im Westen zum Einsatz kamen
 
Aber gerade für Österreich-Ungarn wurde die Lage ja in den folgenden Kriegsjahren noch weitaus dramatischer.
Bereits die Durchbruchsschlacht von Gorlice-Tarnov (01./03.05. 1915) stand unter deutscher Leitung, wenn auch die Planung durch den österreichischen Generalstabschef Conrad von Hötzendorf gemacht worden war. Zudem stellten die deutschen Truppen den materiell größten Teil, auch erfolgte der Angriffsstoß hauptsächlich durch sie.
Warum der Kaiser Karl I auch Frieden wollte wovo allerdigs Wilhelm zwo ud Hindenburg nichts wissen wollten. es gab nie wieder so gute Vorraussetzugen für Friedensverhandlungen. Törrichterweise wollte er leider keinen Sepperatfrieden.
 
Warum der Kaiser Karl I auch Frieden wollte wovo allerdigs Wilhelm zwo ud Hindenburg nichts wissen wollten. es gab nie wieder so gute Vorraussetzugen für Friedensverhandlungen. Törrichterweise wollte er leider keinen Sepperatfrieden.

Das ist ein anderes Thema; und mW bestreitet dies hier auch niemand.
Übrigens verwehrten sich auch Frankreich und Großbritannien gegen Separatfriedensschlüsse Rußlands; und erst die Bolschewiken setzten sich darüber hinweg, was wiederum klar war, da Lenin ja bekanntlich mit Hilfe des Deutschen Reiches nach Rußland gelangt war und als "Gegenleistung" Frieden schloß.

Wie dem auch sei: was töricht ist und was nicht, läßt sich hinterher immer leicht sagen. Genaugenommen war es auch töricht, überhaupt den Krieg zu führen - wenn wir schon Urteile fällen wollen...
 
Ich danke Dir; und wir waren ja bereits an anderer Stelle schon einmal so weit...
Deshalb nochmals an der Stelle der Querverweis für alle: http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=4763



Wenn ich da bislang alles halbwegs richtig verstanden habe, war aber die Lage auf deutscher Seite dann doch wie folgt:
- bis zum (Diktat-)Frieden von Brest-Litovsk (03.03. 1918) blieben sämtliche deutschen Truppen an der Ostfront (sie rückten ja Febr./März 1918 noch weit in vormals russisches Territorium vor)
- danach mußten noch immer mehr deutsche Truppen (nicht nur in Weißrußland und der Ukraine, sondern v.a. auch im Baltikum, z.T. aber auch in Finnland) verbleiben als eigentlich nach dem Friedensschluß geplant gewesen war
- die letzte deutsche Offensive endete im Mai/Juni 1918 (als zudem noch deutsche Truppen parallel in Georgien landeten), weswegen ich mir nicht sicher bin, ob größere Truppenverbände aus dem Osten noch bei den letzten Offensiven im Westen zum Einsatz kamen

Laut Dorsten/Wünsche "Der erste Weltkreg" blieben ca. 40 Divisionen mit ca. 500000 Mann im Osten. Alles andere kam in den Westen, Wo die Deutschen dadurch erstmals seit 1914 ein gewisses Übergewicht hatten.

Grüße Repo
 
Wie dem auch sei: was töricht ist und was nicht, läßt sich hinterher immer leicht sagen. Genaugenommen war es auch töricht, überhaupt den Krieg zu führen - wenn wir schon Urteile fällen wollen...
Da kommen wir ja schon zur nächsten Frage:
Bismarck stellte stehts klar dass der Zweibund "keine Erwerbsgesellschaft auf dem Balkan ist", wie konnten sich die Verhältnisse soweit ändern, dass die Kriegsteilnahme Deutschlands praktisch nur noch eine rhetorische Frage war?
 
Da kommen wir ja schon zur nächsten Frage...

... die in diesem Thread jedoch :eek:fftopic: ist...

Bismarck stellte stehts klar dass der Zweibund "keine Erwerbsgesellschaft auf dem Balkan ist", wie konnten sich die Verhältnisse soweit ändern, dass die Kriegsteilnahme Deutschlands praktisch nur noch eine rhetorische Frage war?

Zum Zweibund hatten wir vor längerem bereits eine sehr intensive und kontroverse Diskussion, die allemal lesenswert ist: http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=6597
 
Also wenn ich richtig verstanden habe, dann haben die Deutschen doch bemerkt, dass sie nicht an mehreren Fronten zugleich Krieg führen und v.a. auch gewinnen konnten???

Und deshalb halfen sie Lenin bei der Rückkehr aus dem Exil, damit er im Gegenzug Frieden mit ihnen schließen konnte.

Grüße,

Fritz
 
Ja, ganz genau.
Doch vorher war er in einem österreichischen Gefängniss, aus dem er durch die Intervention Victor Adlers, mit dem Argument er könne dem Hauptfeind der Monarchie schwer schaden. Seine Freilassung hat sich der Kaiser nie verziehen.
 
Danke!!!

Ja, das (was ich in meinem letzten Beitrag schrieb), war eigentlich alles, was ich wissen wollte.

Allerdings war alles, was ihr hier weiterhin geschrieben habt auch höchst interressant.

Grüße,

Fritz:yes:
 
Ja, ganz genau.
Doch vorher war er in einem österreichischen Gefängniss, aus dem er durch die Intervention Victor Adlers, mit dem Argument er könne dem Hauptfeind der Monarchie schwer schaden. Seine Freilassung hat sich der Kaiser nie verziehen.

Wann wäre das gewesen?
Ich dachte seit 1914 sei er ständig in der Schweiz gewesen?
Und vorher seit 1909 auch überwiegend. Sauerbruch will ihm in Zürich mal einen Zahn gezogen haben.

Grüße Repo
 
Zwar war Lenin seit 1907 fast ständig im Exil, aber eben nur fast:

Adler und Lenin kannten sich persönlich aus der Zeit ihrer gemeinsamen Mitgliedschaft im Büro der Sozialistischen Internationale. Am 7. August 1914 war Lenin in Neumarkt (heute Nowy Targ) in Galizien unter Spionageverdacht für Rußland verhaftet worden. Nadeshda Krupskaja schickte daraufhin sofort einen Brief an Viktor Adler mit der Bitte, sich um die Freilassung ihres Mannes zu bemühen (vgl. "Arbeiter-Zeitung", 20. April 1924). Am 16. August intervenierte Adler gemeinsam mit dem Reichstagsabgeordneten Hermann Diamand im Innenministerium in Wien mit der Bitte, Lenin aus der Haft zu entlassen (Winter, 1957). Das geschah dann drei Tage später und Lenin und Krupskaja schickten umgehend eine Dankkarte an Adler ("Arbeiter-Zeitung", 20 April 1924). Am 30. August 1914 traf Lenin dann in Wien ein und bedankte sich bei Adler persönlich.
http://www.freud-biographik.de/frdsu.htm
 
Oh Danke.
Sich im August 1914 als Russe in Galizien herumtreiben ist allerdings sehr fahrlässig.
Aber dass Franz Josef Kenntniss von Verhaftung, Freilassung hatte, wage ich doch zu bezweifeln.
Uns so ganz genau konnte er ja auch nicht wissen, wer da bei ihm eingesperrt war. Er starb doch 1916. Wer war da Lenin? Einer unter etlichen.

Grüße Repo
 
Ich glaube, das Herr Klammer etwas ganz wichtiges übersehen hat: Das Deutsche Reich ist auch in diesem Krieg eingetreten, um die Großmachtstellung Österreich-Ungarns zu retten.

Grüße
Amicus
 
timotheus schrieb:
. Rußland machte schneller mobil als erwartet - und zwar signifikant schneller. Die Russen fielen mit 2 Armeen in Ostpreußen ein, von denen jede stärker war als die 8. deutsche Armee. Dennoch griff v. Prittwitz mit der 8. Armee die 1. russische Armee an, was ihm bei Gumbinnen eine deutliche Niederlage einbrachte (19./20.08. 1914)

Die Scchlacht von Gumbinnen wurde von der 8.Armee auf Befehl von Prittwitz abgebrochen; trotz des günstigen Verlaufs. Von Prittwitz befahl den Rückzug hinter der Weichsel.

Moltke war darüber alles andere als amüsiert, denn er sah über die die von dir genannten Gründe hinaus auch deutlich die Flankendrohung für Österreich-Ungarn. Das galt es ebenfalls unbedingt zu vermeiden.

Von Prittwitz und Waldersee wurden abgelöst und Verstärkungen aus dem Westen in Marsch gesetzt. Hindenburg und Ludendorff konnten schon auf fertig ausgearbeitet Pläne zuürkcgreifen, die Ludendorff noch verfeinerte, während Hindenburg die Gebeine seiner Angehörigen ausbuddelte.
 
Zurück
Oben