Achtung, langer Text !
Zusammenfassung am Schluss...
Ich konzentriere mich auch hier wieder auf die Zeit Ha C bis Lt A/B 1, da nur hier zur Rolle der Frau aussagefähige archäologische Daten vorliegen.
(Ab LT B 2 finden wir nur noch wenige Körpergräber mit nur wenigen Beigaben, die, außer dem Schluss, dass die betreffende Person nach deren Verbrennung oder langer Lagerung im Boden wohl als nicht mehr lebendig zu betrachten ist, keine sicheren Rückschlüsse auf deren Rollenteilung im Leben mehr zulassen....)
Die beiden Argumente El Quijotes haben natürlich etwas für sich.
Versucht man/frau die Schilderungen der spätantiken/frühmittelalterlichen Britischen Schilderungen und den Beobachtungen der Römer und die archäologischen Beobachtungen unter einen Hut zu bringen ist das Argument, die Frauen als rechtlich unabhängige „Reichtumsträger“ der Männer zu sehen folgerichtig und in sich schlüssig.
Auch die Römerinnen wurden ja „selbständig“ bestattet, obwohl sie dem Mann offenbar untergeordnet waren.
Die Argumentation wird auch von der Wiener Keltologieschule gerne angeführt, die ja eine ungebrochene keltische Tradition in der vorgeschichtlichen festlandskeltischen und der geschichtlicheninselkeltischen Welt sieht.
In aller Bescheidenheit bin ich trotzdem anderer Ansicht.
Meine Begründung baut jedoch auf der Ansicht auf, dass die Grabbeigaben tatsächlich ein Spiegel des Lebens, also Beigaben für die Anderswelt darstellen. Insoweit vermischt sich meine Argumentation.
Zu den Grabbeigaben :
Die Beobachtung, dass einige Grabbeigaben nicht funktionsfähig sind, ist nicht unbedingt selten. Beim „Hochdorfer Fürsten“ (HaD1/D2) sind die Schuhe vertauscht, der Halsring wurde aufgeschnitten, die Fibeln sind nur teilweise gebrauchsfähig. Die Vergoldung der Fibeln, des Halsringes oder der Dolchscheide wären nicht gebrauchsfähig.
Manche Halsringe der Frauen haben noch die Angusszapfen.
Manche Keramik erregt aufgrund der „schlechten“ Machart den Verdacht, dass sie nur für den Grabbrauch hergestellt wurde.
Sowohl in Ha C als auch in Ha D sind die Wägen sehr oft nicht vollständig im Grab, entweder es fehlen die Räder oder es sind nur die Räder dabei und der Wagenkasten fehlt.
Beim Glauberger (Lt A) sind zwar die Pfeile und der Köcher funktionsfähig, der Bogen jedoch nicht.
Allerdings:
- Zu der „Selbstausstattung“ einer „reichen“ Bestattung gehören anscheinend genau die Dinge, die für das Symposium nötig sind.
Eine bestimmte Anzahl Trinkgefäße aus Ton und Fleischbeigaben finden sich, immer gleich orientiert im Grab, auch bei „mittleren“ Ausstattungen, sowohl bei Frauen als bei Männern.
Bei reicheren Bestattungen kommen Getränkegefäße aus Metall, Weinsiebe, Schlachtwerkzeug (Hammer, Beil und „Hiebmesser“) hinzu. In zumindest zwei Fällen haben wir sogar die Kline mit im Grab.
Die Veranstaltung eines Symposiums als (Magna-gräzische)„Pflicht“ des Herrn oder der Dame des Hauses im diesseitigen Leben scheint sich also im jenseitigen fortzusetzen.
- Genauso wie sich „untaugliche“ Ausstattungsgegenstände finden, finden sich Gegenstände, die sehr wohl funktionieren und auch lange getragen wurden. Einige Trachtbestandteile zeigen deutliche Trage- oder Reparaturmerkmale.
- Bei den persönlichen Ausstattungen fällt die deutliche Trennung des West- und östlichen Hallstattbrauches auf.
Im Westen fehlen die Kriegswaffen ab HaD bei den als männlich erkannten Skeletten. Weder Angriffs- noch Schutzwaffen, die im Osten jedoch gelegentlich auftauchen.
Es sind vielmehr Jagd- und Angelgeräte und das Statussymbol Dolch (oder Schwert in HaC) beigegeben.
In beiden Gebieten sind, wie erwähnt, „typisch weibliche“ Beschäftigungen wie eben Spinnen und Weben zu erkennen.
„Überausstattungen“ wie in Strettweg (mehrere Lanzen/Speere, Beil, Schwert etc.) sind sehr, sehr selten.
Kurz: Die Ausstattung erscheint kanonisch für beide Geschlechter.
Ich denke, dass ein solcher Kanon nicht so ausgeprägt wäre, wenn es sich um rein ostentative Ausstattungen handelte.
Hier wäre vermutlich mit unterschiedlichern Mustern an Beigaben zu rechnen, die außerdem unterschiedlicher orientiert in den Gräbern zu liegen gekommen wären.
Es gab ja auch im Westen in HaD Schwerter........
Der Kanon dreht sich immer wieder um das Fest, um eine Veranstaltung. Wenn es nur darum geht, zu zeigen, was der Mensch war, könnten alle möglichen Geräte und Ausstattungen dabei sein, nicht immer wieder die Fortsetzung derselben Rolle.
Nun weiter mit dem argumentativen Kartenhaus:
Die Ausstattungen ist also wohl kanonisch sowohl im Muster als auch in den Beigaben und deren Orientierung.
Das Muster der Beigaben lässt einen Rückschluss auf den Zweck (Symposium) und damit die Rolle des bestattenden Menschen zu.
Diese Rolle ist zwar häufiger mit Männern, aber auch mit Frauen besetzt.
Und genau über diese Rolle im diesseitigen und/oder im jenseitigen Leben, (erstmal nicht über den Reichtum der Ausstattung), läuft meine Argumentation, dass die Frauen zwar nicht immer und dauernd, aber doch die Rolle des „Mannes“ einnehmen konnten.
Dass dann im Gegensatz zum Mann, der sich in der „Freizeit“ mit Jagd und Angeln beschäftigte, die Frau offenbar eher webte und spann...nun ja.
Zum Problem, ob die Frauen diese Rolle nun neben oder mit ihrem lebenden Mann zusammen einnahmen oder vielleicht erst als Witwe:
Schwierig.
Vom Sterbealter her lässt sich keine Tendenz erkennten. (Frauen starben im Durchschnitt (!) bis zur Neuzeit eigentlich sogar eher vor ihren Männern als umgekehrt.)
Es scheint aber so zu sein, dass die „superreichen“ Bestattungen für beide Geschlechter als Sterbealter eher „spätadult / matur“ zeigen, also auch hier kein relevanter deutlicher Unterschied vorliegt.
Doppelbestattungen (mit dem implizierten Verdacht der „Witwenfolge“) liegen einige vor.
Allerdings: nur wenige sind wirklich modern erfasst und deutlich als echte, gleichzeitige Doppelbestattung erkannt.
Die allermeisten „Doppelbestattungen“ z.b. in Hallstatt selbst sind wohl Folgebestattungen, die bei der Ausgrabung methodisch nicht richtig erfasst wurden.
Doppelbestattungen männlich/weiblich, beide im „Heiratsalter“ sind wohl sehr selten, mir persönlich fällt auch nur eine ein, Hochmichele.
Die anderen sind Frau/Frau, Mann/Mann, Erwachsener/Kind, Kind/Kind......
Hier kommt man mit der rein archäologischen Datenlage nur schlecht weiter.
Jedenfalls ist nach meinem Kenntnisstand keine Tendenz erkennbar, die irgendeinen sicheren Rückschluss auf das Thema „Witwe“ alleine aus dem Skelettmaterial und dem Grabbrauch möglich macht.
Erkennbar ist nur:
- Eigene Bestattung ist auch bei den Frauen praktisch die Regelform (wenige Ausnahmen)
- Besitz an persönlicher Ausstattung und „Selbstausstattung“ an Geräten etc. ist beigegeben.
Ist der Besitz nun auch Eigentum der Frau ?
Nun ja. Zwingend ist kein Argument.
Wäre die Frau auch Eigentümerin, wäre das Beigabenmuster wie es ist. Sie nimmt ihren Tracht- und Sachbesitz zumindest teilweise und innerhalb eines bestimmten Kanons mit ins Grab.
Ein Hinweis dafür könnten gerade die gebrauchten (Abnutzungsspuren) und teilweise reparierten Trachtausstattungen sein. Das Stück ist also mit der konkreten Person im Grab verhaftet.
Wäre sie nur die Besitzerin, der Mann aber der Eigentümer, sollten eigentlich „regelhafter“ „unvollständige“ Tracht- und vor allem aber andere Sachausstattung vorliegen, ein Kanon nicht erkennbar sein.
Geht man z.b. von einer neuen Partnerschaft des Mannes aus, ist nicht zwingend, dass er sein Eigentum der verstorbenen Frau im Grab beigibt. Vielleicht ein pars pro toto, aber nicht unbedingt eine vollständige Symposiums- und Trachtausstattung.
Geht man von einem „Big Spender“-Über-Vater/Mann aus, geben einem widerrum die gebrauchten Stücke zu denken.
Noch mehr gegen das Eigentum des Mannes sprechen die Sachausstattungen als Rollenindikatoren.
Wenn sie das Eigentum des Mannes wären, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie beigegeben werden.
Wenn sie erst nach dem Tode des Mannes beigegeben werden, nun ja, wieso soll der reiche Mann arm bestattet werden ? Sein Besitz und Eigentum verbliebe ja bei der Frau...
Dann wäre ja zu folgern, dass alle reich bestatteten Männer zum Zeitpunkt ihres Todes entweder Witwer oder ungebunden oder in gleichgeschlechtlicher Beziehung gelebt haben.....
Die Frage der Vererbung ist übrigens ein durchaus heißes Eisen mit langer Diskussionstradition. Das berührt die Frage der „Traditionsschwerter“, die Frage der Chronologie und Typologie und auch die Frage der Gesamtwürdigung der Bestattungsmuster und Ausstattungen.
Zum Teil sind die Argumente sich selbst widersprechend. Da wird eine offensichtlich juvenile, reiche Frauenbestattung als „sozial höherstehend“ interpretiert, da sie, die Trachtausstattung nur „geerbt“ haben und nicht, ob ihres Alters, selbst erworben haben kann.
Das geht natürlich nicht, da ja die älteren Damen ihre Tracht ja mit ins Grab nehmen.....
Da werden Chronologien und Typologien angezweifelt, weil ja „Erbstücke“ im Fundgut das Bild verfälschen können.
Der Punkt ist jedoch: Es gibt letztlich keine nennenswerten, die Aussage relevant beeinflussenden Fundassembles, die außerhalb der klassischen Chronologie Ha C- Lt A liegen.
Soll heißen: Sowohl die Trachtausstattung als auch die Sachausstattung gehören in aller Regel in dieselbe Zeitstufe und sind nicht miteinander vermischt. (Mir sind Ausnahmen und die Detailschwierigkeiten bekannt, aber für die Argumentation hier genügt die generelle und ja tatsächlich vorhandene Tendenz.)
Hierbei sind die recht engen Zeitfenster pro HA D1/2/3 und LTA –B in der Absolutchronologie zu beachten.
Offenbar ändert sich die Mode fast pro Generation. (sprich alle 25-30 Jahre)
Es ist noch vorstellbar, dass die Trachtausstattung der Großmutter (z.b. H D1) noch zu Zeiten D 2 ins Grab kam und damit einen falschen Schluss auf den Todeszeitpunkt möglich macht. Jedoch wären die Sachausstattungen nicht mehr passend oder es ergäben sich Mischinventare, da es eher unwahrscheinlich ist, dass z.b. die Spiralschmuckfibel vom Ende Ha C 2 (Zeitpunkt der Heirat) vollständig und als Paar die Zeit bis Ha D1 ( eine Kahnfibel) (Todeszeitpunkt) überlebt.
Das heißt m.E. nun, dass das Grabinventar nun sowohl in der Tracht als auch in der Sachausstattung die Mode zeigt, die zum Zeitpunkt der Grablege relevant war. Sie spiegelt offenbar nicht die Moden wider, die während der Lebensdauer der Person herrschten.
Es stellt sich also aufgrund der engen Chrono- und Typologie ernsthaft die Frage, ob eine Vererbung des Besitzes und Eigentums in unserem Sinne ( körperliche und reale Übernahme der Ausstattungsgegenstände) überhaupt stattfand.
Im anderen Fall müssten wir über chronologisch weiter gestreutes Fundgut verfügen.
Da es damit offenbar kein Konzept der Vererbung der im Grabe mitgegebenen Ausstattung gab, gab es eben vermutlich auch keine „reiche Witwe“, die nur aufgrund des Erbes so bestattet wurde. Es geht hierbei nicht um die Vererbung von Grund und Boden, von Macht etc., sondern nur um Grabbeigaben. Da diese offenbar nicht vererbt wurden, scheint der Schluß auf das persönliche Eigentum, sehr naheliegend. Damit wäre eine Frau jedoch auch rechtlich selbständig.